Protocol of the Session on June 8, 2000

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die beteiligten Länder haben sich das Ziel gesetzt, ein Nachhaltigkeitszertifikat für die europäische Forstwirtschaft zu entwickeln. Wir müssen auch auf die Inhalte eingehen und einfach so darüber diskutieren, so hin und her, das ist ja nur marktpolitisch - so geht das nicht, so macht man es sich zu einfach und hier wird man dann eventuell sogar den Gegnern von PEFC entsprechendes Argumentationsmaterial in die Hand geben. Dieses Zertifikat soll in seinen Inhalten international glaubwürdig sein und die gegenseitige Anerkennung unter den Ländern gewährleisten - außerordentlich wichtig. PEFC setzt die gemeinsame inhaltliche Basis und Mindestanforderungen an eine Forstzertifizierung fest, die dann von den jeweiligen Ländern an die nationalen Gegebenheiten angepasst werden. Die Formulierung der Mindestanforderungen orientiert sich an den so genannten Helsinki-Kriterien, die die Umsetzung der forstlich relevanten Ergebnisse der Umweltkonferenz von Rio zum Ziel haben. In diesem Zusammenhang möchte ich nochmals auf diese sechs Kriterien hinweisen und, Herr Dr. Botz, es ist richtig, wir haben das schon in unserem Waldgesetz 1994 in § 19, zum Teil noch weitgehender als in den Helsinki-Kriterien, festgelegt und in unserer Waldgesetzgebung verankert. Hier geht es um Erhaltung der Gesundheit und Vitalität der Forstökosysteme, um die Förderung der Produktionsfunktion der Wälder, um die Schutzfunktion Biodiversität der Forstökosysteme usw., ich will nicht weiter darauf eingehen. Bei der Erstellung gemeinsamer Elemente und Mindestanforderungen, welche alle nationalen Zertifizierungssysteme enthalten und erfüllen müssen, um gegenseitige Anerkennung auf regionaler und nationaler Ebene zu er

reichen, wurde die Grundlage für ein Zertifizierungssystem festgelegt, welche die spezifischen europäischen Verhältnisse, insbesondere die Waldbesitzerstrukturen, berücksichtigt, im Gegensatz zu FSC. Die Möglichkeit zur Teilnahme an diesem System ist für alle Waldbesitzarten, gleich welcher Größenordnung, mit PEFC gegeben. Deshalb ist es von unschätzbarem Wert und von großem Vorteil, dass sich Thüringen an dem paneuropäischen Zertifikat beteiligt hat, und es wird uns wahrscheinlich erst in den folgenden Jahren so richtig bewusst. Mit diesem Zertifikat erhält der Verbraucher die Sicherheit, dass sein Holz und seine Holzprodukte aus Wäldern stammen, die verantwortungsvoll und nachhaltig bewirtschaftet werden. Gleichzeitig schließt das neue Zertifizierungssystem PEFC im Gegensatz zu anderen Zertifikaten aus, dass unsere vielen Kleinprivatwaldbesitzer in Thüringen gegenüber Großwaldbesitzern benachteiligt werden. Dieses PEFC ist transparent und wesentlich kostengünstiger. Ein Waldbesitzer mit nur wenig Hektar Waldbesitz kann sich ein aufwendiges Zertifizierungssystem wie bei FSC einfach nicht leisten und es wäre ja dann auch kontraproduktiv. Inzwischen haben unabhängige Zertifizierungsstellen die regionalen Waldberichte der Pilotländer Baden-Württemberg, Bayern und Thüringen begutachtet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, da das Ergebnis dieser Überprüfung positiv war, konnten die Waldbesitzer dieser Region das Zertifikat beantragen. In der Zwischenzeit sind die ersten Thüringer Waldbesitzer von der Zertifizierungsgesellschaft mit dem Zertifikat ausgezeichnet worden. Damit dokumentiert Thüringen als erste von drei Modellregionen vor Baden-Württemberg und Bayern auf der Grundlage der internationalen Bestimmungen des paneuropäischen Zertifizierungssystems die umfangreiche ökologische und nachhaltige Bewirtschaftung seiner Wälder. Inzwischen hat eine Umfrage ergeben, dass Waldbesitzer mit einer Gesamtfläche von rund 7,75 Mio. Hektar beabsichtigen, nach PEFC zertifizieren zu lassen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, und das Thüringen diesen Stand erschaffen hat bei der Zertifizierung, ist auch zurückzuführen auf die entsprechenden Rahmenbedingungen, die wir die letzten Jahre geschaffen haben. Deshalb bin ich der CDU-Fraktion dankbar, dass sie die verschiedenen Waldprogramme immer mitgetragen hat, die vom Arbeitskreis Land- und Forstwirtschaft erarbeitet und auf den Weg gebracht wurden. Ich glaube, man sollte heute schon einmal darauf hinweisen. Das ist zum einen das Wald-Ökoprogramm oder das Strukturhilfeprogramm für die kleinen Privatwaldbesitzer und dadurch ist gerade für viele Kleinprivatwaldbesitzer die Voraussetzung geschaffen worden, naturnah den Wald wieder zu bewirtschaften, weil er in der DDR dem Raubbau zum Opfer gefallen ist. Gerade das Strukturhilfeprogramm - Herr Dr. Botz, Sie waren ja noch nicht in der 1. und 2. Legislaturperiode dabei - für die kleinen Privatwaldbesitzer wollten die SPD-Abgeordneten immer wieder schlachten, aber wir konnten es verhindern.

(Beifall bei der CDU)

Die SPD-Fraktion wollte dieses Programm immer wieder verhindern. Nicht zuletzt unser Thüringer Waldgesetz ist wegweisend in diesem Hinblick; auf § 19 bin ich schon eingegangen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ohne diese Rahmen, ohne diese Voraussetzungen hätte Thüringen diese Rolle um die paneuropäische Zertifizierung nicht glaubwürdig führen können und deswegen lassen wir uns auch diese Erfolge nicht kleinreden und vor allem lassen wir endlich, und das ist der Appell an die Umweltschutzverbände, die ideologischen Ziele außen vor, die dann von manchen dieser Verbände verfolgt werden. Sie nützen uns nichts, sie nützen vor allem der Thüringer Wald- und Forstwirtschaft nichts, sie nützen nur unseren Gegnern. Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass verschiedene Gruppen mit dieser FSC-Zertifizierung Geld verdienen wollten; und manche Baumärkte erwecken auch den Eindruck, mit FSCzertifiziertem Holz ein Alibi zu besitzen, billiges Holz aus der Dritten Welt zu vertreiben; und wenn für Fenster und Türen geworben wird und im Hintergrund Plantagenwälder sind, dann muss ich mir über den Sinn oder Unsinn von FSC schon Gedanken machen. Jetzt, Herr Dr. Botz, kommt eigentlich die politische und auch die wirtschaftspolitische Dimension. Viele Unternehmen der Holzwirtschaft haben angekündigt, dass sie ab Mitte dieses Jahres nur noch Holz aus zertifizierten Wäldern abnehmen werden. Damit wächst der Wunsch auch in den übrigen Bundesländern, die regionale Zertifizierung nach PEFC zügig umzusetzen. Deswegen müssen wir in Thüringen ein Stück schneller sein und vom Landtag soll hier ein positives Zeichen ausgehen, und deswegen auch der Antrag.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn ich auf den wirtschaftspolitischen Aspekt hinweise, möchte ich daran erinnern, dass die Holz verarbeitende und die Holzveredelungsindustrie in Thüringen keine untergeordnete Rolle spielt. Der Anteil dieses Wirtschaftszweigs am Bruttosozialprodukt in Thüringen ist nicht unwesentlich. In der Holzverarbeitung sind die Umsätze 1999 um 27,4 Prozent und die Anzahl der Beschäftigten um 9 Prozent gestiegen, entgegen dem deutschlandweiten Trend, wo in der Holzverarbeitungsindustrie und Möbelindustrie 10.000 Arbeitsplätze abgebaut wurden. Es gibt kein Bundesland mit einer solchen Konzentration von hochmodernen Holzverarbeitungs- und Holzveredelungsbetrieben wie in Thüringen. Ich denke nur an den Raum Lobenstein, Gott sei Dank ist es so, und der nächste Große will ja hier auch noch investieren. Deshalb ist die Behandlung dieses Themas im Landtag am Tag, wenn der Minister seine Regierungserklärung zur Umweltpolitik abgibt, von großem psychologischen Gewicht, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Um auch die Dimension des PEFC nochmals zu verdeutlichen, wir brauchen die 15 Länder nicht anzusprechen, die Mitglied vom PEFC sind, Herr Dr. Botz, es sind nicht 100 Mio. Hektar schon zertifiziert. Diese Länder vertreten 100 Mio. Hektar Wald und einen Einschlag von 280 Mio. Hektar Wald. Wir sind daran interessiert, dass sie PEFC- und nicht FSC-zertifizieren, meine sehr verehrten Damen und Herren. Wichtig ist auch für uns, dass außereuropäische Länder wie Kanada, die USA, Malaysia oder Neuseeland ebenfalls PEFC in der Zukunft eventuell zertifizieren wollen. Das ist äußerst wichtig für uns, damit eben auch das Holz aus Thüringen auf dem internationalen Markt die gleichen Chancen hat wie Holz aus der Dritten Welt oder aus Kanada oder den USA.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Das Sekretariat des PEFC-Rates in Luxemburg rechnet mit folgendem Flächenfortschritt in Europa: Ende 2000 30 Mio. Hektar, Ende 2003 70 Mio. Hektar und Ende 2005 100 Mio. Hektar.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, hier werden die Dimensionen gezeigt, die mit PEFC verbunden sind. Dass Thüringen in diesem Konzert eine hervorragende Rolle spielt, das sollte uns stolz machen und wir sollten gerade deshalb in dem Bestreben nicht nachlassen, unsere Wälder mit einer nachhaltigen Waldwirtschaft, wie es unsere Waldbesitzer immer generationsübergreifend praktiziert haben, langfristig in einem gesunden Zustand zu erhalten. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU)

Aus der Reihe der Abgeordneten gibt es keine weiteren Redemeldungen. Herr Minister, bitte.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich denke, es war notwendig, dass wir hier noch einmal darüber gesprochen haben. Vor allem ist es für die Landesregierung ganz wichtig, hier ein Votum zu dieser Zertifizierung zu erhalten. Es ist alles gesagt. Gert Wunderlich, Herr Dr. Botz und auch Herr Scheringer haben alles gesagt. Vielleicht nur so viel dazu: Herr Scheringer, der Wettbewerb ist gut, aber der Wettbewerb muss fair sein und alle müssen dabei die gleichen Chancen haben.

(Beifall bei der CDU)

Wenn ich mir anschaue, was da auf diesem Terrain gegenwärtig tobt, welche Anschuldigungen wir in Briefen gegen unser PEFC bekommen, da muss ich sagen, ist der Wettbewerb nicht mehr fair, und dann frage ich mich, welche Interessen eigentlich dahinter stehen. Deswegen ist

es so wichtig, dass wir hier dieses Votum für die Zertifizierung unseres Holzes in Thüringen abgeben. Schönen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Eine Ausschussüberweisung ist nicht beantragt worden, so können wir über den Antrag direkt abstimmen. Wer dem Antrag der Fraktion der CDU in der Drucksache 3/716 - "Zertifizierung von Holz in Thüringen" - zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön, das ist die Mehrheit. Gegenstimmen? Einige Gegenstimmen. Stimmenthaltungen? Einige Stimmenthaltungen. Damit ist der Antrag angenommen. Ich schließe den Tagesordnungspunkt 1 a.

Wir kommen zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 1 b

Wanderfischprogramm Thüringen Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 3/717

Auch hier ist keine Begründung signalisiert. Ich komme zum Aufruf des ersten Redebeitrags in der Aussprache. Bitte, Frau Abgeordnete Becker, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, im allgemeinen Verständnis wird in Thüringen Gewässerschutz, im Besonderen der Schutz der Oberflächengewässer vorwiegend als Schutz vor Schadstoffen aus Abwasser verstanden; leider, muss ich dazu sagen. Jedes Jahr sind durch das Land mehr als 300 Mio. DM in diese primäre Aufgabe geflossen. Das Ziel ist damit aber keinesfalls schon erreicht. Ein zweiter wichtiger Schritt auf dem Weg zu gesunden Gewässern ist der Erhalt und die Wiederherstellung von naturnahen Gewässerläufen unter Beachtung der Anforderungen des Hochwasserschutzes und der biologischen Gewässervielfalt. So wichtig das Programm zur Förderung der Durchgängigkeit der Gewässer auch ist, es ist nur ein kleiner Schritt des Aufgabenspektrums der Gewässerrenaturierung; vielmehr sollte das seit Jahren in den Schubladen des Ministeriums schlummernde und sehr umfangreiche Gutachten für ein Fließgewässerschutzprogramm zur Grundlage der Arbeiten gemacht werden.

(Zwischenruf Dr. Sklenar, Minister für Land- wirtschaft, Naturschutz und Umwelt: Oh, wo schlummert das? In der Schublade?)

(Beifall bei der PDS)

Es ist Augenwischerei, wenn man aus der Aufgabenfülle jetzt einen Punkt herausnimmt, um zu demonstrieren, welche gute, umfangreiche Vorsorge die Landesregierung für den Lebensraum des Flusses betreibt. Das Beispiel

des Obernitzer Wehrs an der Saale zeigt ja, dass eine Fischtreppe nicht ausreichend ist, um Gewässer und Fische zu schützen, sondern man braucht dazu auch Wasser. Das haben wir als Umweltausschuss leider erfahren müssen, Herr Althaus - ach, jetzt ist er gerade nicht da -, also es geht nicht nur mit einer Fischtreppe.

(Unruhe bei der CDU)

Deshalb sind wir zwar froh, dass die CDU-Fraktion den ersten Schritt getan hat, aber wir gehen davon aus, dass dieser Antrag doch noch besser im Ausschuss für Naturschutz und Umwelt behandelt werden sollte, damit wir detailliert darüber reden können, weil es eine Grundlage ist, auf der wir reden können und die wir weiterbringen können. Ich würde Sie bitten, den Antrag an den Ausschuss zu überweisen. Es ist ja auch eine Geldfrage. Wir müssen da auch wirklich Geld einsetzen, wenn wir das erreichen wollen, was vorgegeben wird. Da würde ich Sie bitten, Ihren Antrag an den Ausschuss für Naturschutz und Umwelt zu überweisen.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Als nächster Redner hat sich Abgeordneter Kummer, PDS-Fraktion, zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, schon zum zweiten Mal am heutigen Tage möchte ich meiner Freude Ausdruck verleihen, hier zu einem Antrag der CDU - zur Regierungserklärung, das war es ja vorhin reden zu können. Für einen gelernten Binnenfischer, wie ich es nun einmal bin, ist es natürlich wirklich ein positives Erlebnis, einmal zu einem Wanderfischprogramm reden zu können.

(Beifall bei der PDS)

Deshalb werde ich mich auch nicht ganz so kurz fassen wie die Kollegin Becker eben, ich werde das ein bisschen ausdehnen. Ich hoffe aber, dass ich Ihre Geduld nicht über die Maßen strapaziere.

Ich habe heute bei meiner Antwort auf die Regierungserklärung schon ein paar Aspekte zum Thema einfließen lassen. Es gibt zwei wesentliche Gründe, das Thema "Wanderfischprogramm Thüringen" gerade jetzt aufzunehmen. Einer ist ein sehr erfreulicher, der Zustand des Wassers in unseren Fließgewässern ist zum größten Teil wieder so gut, dass Fische darin leben können. Das gilt selbst für die Werra, das hatte ich zur Regierungserklärung schon gesagt, die ja noch vor einigen wenigen Jahren ein in weiten Teilen totes Fließgewässer war. Auf der Fachtagung "Salz in Werra und Weser" wurde festgestellt, dass die Salzbelastung aus der Kaliindustrie vor allem infol

ge der Betriebsstilllegung in Thüringen nicht mehr das Hauptproblem dieses Flusses ist. Ein zweiter Grund für das heutige Thema ist weniger erfreulich. Seit einiger Zeit laufen die Anglerverbände Sturm gegen eine neue Bedrohung unserer Fließgewässer und das haben Sie in Form von Petitionen, die auf Ihren Tischen gelandet sind, sicherlich auch schon mitbekommen. Diese neue Bedrohung resultiert aus den zunehmenden Querverbauungen infolge der kleinen Wasserkraftnutzung. Nun gibt es sicher viel Positives über die CO2-emissionsarme Form der Energieerzeugung "Wasserkraftnutzung" zu sagen. Trotzdem bedeutet jeder Bau einer solchen Anlage eine gravierende Beeinträchtigung des Lebensraums Bach oder Fluss. Aus ehemaligen Laichplätzen von Forellen werden oft stehende Gewässer, die infolge der Schlammablagerung an ihrem Grund durch die geringere Fließgeschwindigkeit zum Whirlpool zwischen aufsteigendem Methan oder - noch schlimmer - Schwefelwasserstoffblasen werden. Das ist für Fische nicht gerade anheimelnd. Außerdem wird mit jedem Wehr die Wanderung der Gewässerlebewesen behindert.

Selbst wenn heute Fischtreppen bei jedem Wehrneubau mit angelegt werden müssen, ist ihre Funktionsfähigkeit gerade bei kleinen Wasserorganismen beschränkt. Oft werden Fischtreppen auch falsch angelegt oder einfach nur mit zu wenig Wasser versorgt. Den letzten Fall konnte sich der Umweltausschuss erst vor kurzem bei seiner auswärtigen Sitzung in Saalfeld ansehen. Wichtig ist es, meine Damen und Herren, dass in Zukunft vor dem Bau kleinerer Wasserkraftanlagen zwischen ökologischem Nutzen und der Beeinträchtigung des Gewässers als Lebensraum abgewogen wird. Kleine Wasserkraftanlagen dürften dann nicht mehr akzeptabel sein. Für größere Anlagen, für die es in Thüringen kaum noch Kapazitäten geben dürfte, muss gelten, dass der Mindestabfluss garantiert immer eingehalten wird und eine nachgewiesenermaßen gut funktionierende Fischtreppe vorhanden ist. Ein Mindestabfluss, der an 364 Tagen im Jahr eingehalten wird und nur an einem Tag nicht gegeben ist, kann den gesamten Tier- und Pflanzenbestand im betroffenen Gewässerstück ausrotten. Ich hoffe, dass die Positionspapiere der Thüringer Anglerverbände ein Stück dazu beitragen, ein Umdenken bei der künftigen Genehmigung von Wasserkraftanlagen und anderen Querverbauen an Fließgewässern hervorzurufen.

(Beifall bei der PDS)

Nun zum Wanderfischprogramm selbst: Hier möchte ich dankbar den bei der CDU so beliebten Spruch "Top Thüringen" anbringen, nicht etwa, weil Thüringen so schnell ein solches Programm initiiert hat - bereits nach der 1986 durch Sandoc im Rhein hervorgerufenen Chemiekatastrophe beschlossen die Umweltminister der Rhein-Anliegerstaaten Maßnahmen zur Wiederansiedlung von Wanderfischarten im Rheingebiet; diese politische Forderung wurde unter der Bezeichnung "Lachs 2000" bekannt; auch im Elbe-Einzugsgebiet wurden kurz nach der Wiedervereinigung Maßnahmen zur Wiederansiedlung von Lachs und

Stör ergriffen und, um einen ostdeutschen Vergleich zu bemühen, einige sächsische Bäche sind bereits wieder Heimat des Lachses geworden -, nein, es ist der Umfang des Programms, der aus der Bezeichnung "Wanderfischprogramm" abzuleiten ist, der mich begeistert. Die bisherigen Programme waren nur auf wenige Fischarten zugeschnitten. Der Antrag der Fraktion der CDU lässt mich hoffen, dass ein Thüringer Wanderfischprogramm alle wanderwilligen Fischarten berücksichtigen könnte. Ein Vergleich zwischen Fisch und Mensch könnte in Erwägung gezogen werden. Solange die Reisefreiheit in der DDR begrenzt war, war auch das Wanderverhalten der DDR-Bürger eingeschränkt.

(Zwischenruf Abg. Kölbel, CDU: Und das der Fische auch.)

Genauso geht es jedem Fisch zwischen zwei Wehren, die nicht mit funktionstüchtigen Fischtreppen ausgerüstet sind.

(Zwischenruf Abg. Wetzel, CDU: Da fehlen noch die Selbstschussanlagen.)

Fast alle Fischarten führen mehr oder weniger ausgedehnte Wanderungen durch. Zu den Selbstschussanlagen möchte ich nur sagen, eine Turbine, die kann einen Fisch ganz schön zerschreddern, das hat schon eine ähnliche Funktion.

(Zwischenruf Abg. Wunderlich, CDU: Ja, da hat er Recht.)

Fast alle Fischarten führen mehr oder weniger ausgedehnte Wanderungen durch. Da gibt es nicht nur die bekannten Wanderungen zu den Laichplätzen, wie z.B. bei Aal, Lachs, Stör, Neunaugen, Forellen, Hechten und Stichlingen, auch Fische wie Plötzen, Bleie oder Barsche legen u.a. auf der Nahrungssuche oft kilometerlange Strecken zurück. Radiotelemetrische Untersuchungen - und da möchte ich einmal kurz darauf eingehen, was das ist, für den einen oder anderen, der nicht weiß, wie das geht; da wird ein Sender im Bauch eines Fisches implantiert und in einem Boot kann man dann dem Fisch hinterherfahren und verfolgen, wo er langschwimmt -, die im Rahmen einer Diplomarbeit am Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei in Berlin-Friedrichshagen durchgeführt wurden, belegen bei der Weißfischart Plötze Tageswanderungen von mehreren Kilometern. Diese Fischarten sind es natürlich nicht wie die typischen Wanderfischarten gewöhnt, Hindernisse zu überspringen oder sich gegen die reißende Strömung durchzusetzen. Trotzdem sind Wanderungen für sie notwendig, um die genetische Vielfalt des Bestandes zu erhalten und durch Nutzung eines breiten Nahrungsspektrums gut abwachsen zu können. Ein Wanderfischprogramm muss ihre Anforderungen an die Passierbarkeit von Gewässerverbauungen berücksichtigen. Große Fischpässe mit geringem Gefälle und sehr niedriger Fließgeschwindigkeit oder - noch besser - gut angelegte naturnahe Umgehungsgerinne sind an jeder Querverbauung in Thüringen, von großen Staumauern bis zu kleinen Wehren, notwendig.

Wie ist es nun bestellt um die Passierbarkeit Thüringer Fließgewässer? Presseerklärungen wie die des Thüringer Ministeriums für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt zur Passierbarkeit der Ilm stellen dar, was bereits erreicht wurde. Gerade in der Ilm wurden schon große Leistungen erbracht. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die meisten Querverbauungen noch keinen oder nur einen unzureichenden Fischpass besitzen. Der Erbauer eines Wehres, dass ich mir neulich an der Felda ansah, schien die Bezeichnung Fischtreppe wörtlich genommen zu haben. Leider fehlen Fischen jedoch Beine, um diese Treppen bewältigen zu können. Oft sind Fischpässe auch trotz zufrieden stellender Bauweise unwirksam, weil der Eingang so liegt, dass Fische ihn nicht finden können. Wenn ich den Bau von Fischtreppen nur Technikern überlasse und nicht einen Gewässerökologen zu Rate ziehe, geht das schief. Nicht nur der Neubau, sondern auch der in den eben genannten Fällen nötige Umbau ist teuer. Aus 200.000 DM jährlicher Einnahmen durch die Fischereiabgabe lässt sich ein solches Programm wahrlich nicht finanzieren. Sicher sind Thüringens Anglerverbände bereit und auch der Fischereiverband, über eine höhere Abgabe mit sich reden zu lassen; trotzdem sind enorme zusätzliche Mittel nötig. Möglichkeiten, sie aufzutreiben, sehe ich u.a. im Einsatz von Geldern aus Ausgleichsmaßnahmen, wie z.B. dem Autobahnbau; außerdem würde sich aber auch anbieten, die Betreiber der Querverbauung an Thüringer Gewässern zu beteiligen. Ein Beitrag aus dem Landeshaushalt ist natürlich ebenfalls unerlässlich und im kommenden Zwei-Jahres-Haushalt zu berücksichtigen. Es müsste auch darüber nachgedacht werden, wie ein Entschädigungsfonds für im Privatbesitz befindliche alte Wasserrechte eingerichtet werden kann, die entweder keinen oder nur einen ungenügenden Mindestabfluss enthalten.

Zum Abschluss möchte ich noch auf die 2. Tagung des Thüringer Fischereitags am 26. März diesen Jahres eingehen. Hier stellten Experten, die an den entsprechenden Programmen anderer Bundesländer mitarbeiten, fest, dass Thüringen hervorragende Möglichkeiten hat, wieder Heimat des Lachses zu werden. Flüsschen, gerade im WerraSystem - als Beispiel möchte ich Ulster, Felda und Schleuse nennen -, verfügen zum Teil über besser geeignete Laichplätze als die Gewässer in den anderen Bundesländern, in denen der Lachs inzwischen wieder zu finden ist. Wanderfischprogramme kann man nicht auf einzelne Länder beziehen. Hier müssen Flusssysteme betrachtet werden. Thüringen sollte durch verstärkte einzelne Maßnahmen den anderen Ländern unter die Arme greifen, die bisher schon große Anstrengungen unternommen haben, um die Wiederbesiedlung ihrer Gewässer mit vom Aussterben bedrohten Fischarten wie Lachs und Stör zu gewährleisten. Die hervorragenden Potenziale der Thüringer Bäche und Flüsse sollten nicht länger ungenutzt bleiben. Sie sollten sich in das noch sehr grobmaschige Netz der für viele bedrohte Wanderfischarten geeigneten Gewässer einfügen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns einen Beitrag zum Artenschutz und zur Verbesserung unserer Umwelt leisten durch ein Wanderfischprogramm, das diesen Namen verdient. Im Namen meiner Fraktion empfehle ich die Überweisung dieses Antrags zur Diskussion der von mir angerissenen Probleme an den Umweltausschuss. Vielen Dank.