Protocol of the Session on May 18, 2000

Als Berichterstatter wurde der Abgeordnete Böck bestimmt, ich bitte um die Berichterstattung.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, der Landtag beschloss am 23. Februar 2000 den Gesetzentwurf der Landesregierung an den Innenausschuss zu überweisen. Dieser hat sich in seiner 6. Sitzung am 9. März 2000, in seiner 7. Sitzung am 23. März 2000 und in seiner 9. Sitzung am 11. Mai 2000 mit diesem Gesetzentwurf befasst. Zuvor verlief das Verfahren genau so, wie es vom Thüringer Verfassungsgerichtshof anerkannt und auch ausdrücklich für gut geheißen wurde. Es fand eine mündliche Anhörung von Vertretern der von den Neugliederungsmaßnahmen betroffenen Gebietskörperschaften und weiteren Interessenvertretern in öffentlicher Sitzung am 23. März 2000 statt. Den auch von den Neugliederungsmaßnahmen betroffenen Gebietskörperschaften und den Einwohnern der Gemeinde Beuren hat der Innenausschuss Gelegenheit gegeben, im Rahmen einer schriftlichen Anhörung zu dem Gesetzentwurf Stellung zu nehmen. Es gab keinen einzigen Widerspruch zu dem Gesetzentwurf. Auch der Innenausschuss hat die Beschlussempfehlung einstimmig gegeben und dem Gesetzentwurf zugestimmt, so dass ich im Namen des Innenausschusses um Zustimmung zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung in Drucksache 3/332 bitten darf.

(Beifall bei der CDU)

Dann danke ich für die Berichterstattung und eröffne die Aussprache. Auch hier hat sich die Abgeordnete Wildauer, PDS-Fraktion, zu Wort gemeldet.

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU)

Das ist das Recht der Opposition, Herr Kollege Böck.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, der freiwillige Zusammenschluss der Gemeinde Beuren und der Stadt Leinefelde wird von der PDS-Landtagsfraktion begrüßt.

Es wäre sicher vorteilhaft, wenn Gemeindezusammenschlüsse generell zu Beginn einer kommunalen Wahlperiode vollzogen werden könnten. Es würden dann unnötige Übergangsregelungen z.B. zur Erweiterung des Gemeinderats entfallen. Beuren und Leinefelde hatten sich bereits im März 1999 für ein Zusammengehen entschieden. Die Beteiligten sind bei der Beschlussfassung davon ausgegangen, dass bis zum Beginn der neuen kommunalen Wahlperiode am 01.07.1999 die Eingemeindung vollzogen werden könnte. Die Praxis zeigt nunmehr, dass von der Beschlussfassung vor Ort bis zum Gesetzeserlass mehr als ein Jahr verging. Das hatten wir aber hier schon diskutiert.

(Zwischenruf Köckert, Innenminister: Dann lassen Sie es doch.)

Und wenn sich beteiligte Kommunen einig sind - der eigentliche Grund, Herr Minister, warum ich hierzu rede, sind Sie.

(Unruhe und Heiterkeit bei der CDU)

Wenn beteiligte Kommunen sich einig sind, dann muss aus Sicht der PDS-Fraktion das Gesetzgebungsverfahren unbedingt zeitlich verkürzt werden. Dies ist unseres Erachtens auch möglich, ohne dass dabei z.B. die Bürgerbeteiligung eingeschränkt werden muss. Die öffentliche Anhörung, von der der Berichterstatter Herr Böck sprach, am 23. März verdeutlichte, dass hinsichtlich des Regelungsbedarfs nach § 45 (8) ThürKO der Innenminister unterschiedlich argumentierte. Zunächst verwies er darauf, dass die Einführung der Ortschaftsverfassung in der aufzulösenden Gemeinde Beuren keine Mussvorschrift sei. Ich meine, die Bestimmungen des § 45 (8) sind aber sehr wohl als Mussvorschrift anzusehen. Zum anderen verwiesen Sie, Herr Minister, auf die Möglichkeiten eines Vertrags oder sonstiger Festlegungen. Ich meine, diese Ermessensentscheidung wird durch den § 45 (8) ThürKO nicht eingeräumt. Und die Ortschaftsverfassung in Beuren ist kraft Gesetzes einzuführen und nicht durch freiwillige Akte. Zum Schluss erläuterten Sie, dass nun doch nach § 45 (8) in Beuren die Ortschaftsverfassung durchgesetzt und eingeführt wird. Unterstellt, dass nunmehr diese Auffassung des Ministers richtig ist, bleibt zu klären, weshalb im vorliegenden Fall kein Regelungsbedarf im Gesetz gesehen wird. Im Fall der Drucksache 3/200 - Eingemeindung Kleinwechsungen nach Werther - ist in § 2 ausdrücklich die Einführung der Ortschaftsverfassung geregelt. Warum also ist es hier nicht möglich? Aber darüber habe ich auch im Ausschuss gesprochen. Aufgrund dieser Widersprüche sollte nach unserer Auffassung im Gesetz analog der Regelung in § 2 der Drucksache 3/200 eine Regelung zur Einführung der Ortschaftsverfassung in Beuren aufgenommen werden. Dieser unser Vorschlag wurde abgelehnt im Innenausschuss. Es wurde als Begründung genannt, dass die Beteiligten sich über die Einführung einer Ortschaftsverfassung einig sind so weit, so gut, gehen wir davon aus, dass entsprechend

dieser protokollierten Aussage künftig auch gehandelt wird. Wir halten die Einführung der Ortschaftsverfassung in Beuren im Interesse eines Zusammenwachsens zwischen Beuren und Leinefelde für wichtig. Ob die Umsetzung nun laut ThürKO oder auf freiwilliger Basis erfolgt, ist dabei letztlich unerheblich. Meiner Auffassung nach schafft aber eine Gesetzesgrundlage einfach mehr Rechtssicherheit und trotz dieses Mangels empfehle ich meiner Fraktion die Zustimmung zum Gesetz.

(Beifall bei der PDS)

Herr Innenminister.

Sie springen ja heute früh in der Morgenstunde förmlich mehrfach über Ihren Schatten, Frau Dr. Wildauer. Das ist begrüßenswert, dass Sie trotz aller Schwierigkeiten, die Sie haben, dem mit zustimmen. Dankbar wäre ich aber und sehe dem mit Spannung entgegen, Ihren Vorschlägen zur Verkürzung des Verfahrens, Vorschlägen, die sich nicht der Gefahr aussetzen, dass die Bürgerbeteiligung zu kurz ist bzw. nicht sachgerecht durchgeführt werden kann, Vorschläge, die sich nicht dem Vorwurf aussetzen müssen, dass sie irgendeine andere verfassungsrechtlich den Gemeinden an die Hand gegebene Möglichkeit beschneidet. Wir sind gespannt, ich freue mich auf die Diskussion im Innenausschuss über Ihre Vorschläge.

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: Dann erzählen Sie Frau Dr. Wildauer von der Verfassungs- mäßigkeit.)

(Beifall bei der CDU)

Damit sind auch hier die Wortmeldungen abgearbeitet. Ich schließe die Aussprache und komme zur Abstimmung, zunächst über die Beschlussempfehlung in Drucksache 3/657, die eine Neufassung der Anträge der Drucksachen 3/455 und 3/558 beinhaltet. Wer dieser Beschlussempfehlung die Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Gegenprobe. Enthaltungen? Damit einstimmig in diesem Parlament angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in Drucksache 3/332 in zweiter Beratung, da die Beschlussempfehlung des Innenausschusses in Drucksache 3/654 die Annahme des Gesetzentwurfs empfiehlt. Wer dem Gesetzentwurf die Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Gegenstimmen? Enthaltungen? Auch einstimmig, dann bitte ich dieses Abstimmverhalten noch einmal in der Schlussabstimmung durch Aufstehen zu dokumentieren. Danke schön. Gegenprobe. Enthaltungen? Das ist nicht der Fall, also ist auch die Schlussabstim

mung einstimmig erfolgt. Damit kann ich den Tagesordnungspunkt schließen und komme zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 3

Gesetz zur Änderung des Untersuchungsausschußgesetzes Gesetzentwurf der Fraktion der SPD - Drucksache 3/449 dazu: Beschlussempfehlung des Justizausschusses - Drucksache 3/661 dazu: Änderungsantrag der Fraktion der CDU - Drucksache 3/674 ZWEITE BERATUNG

Ich bitte zunächst Herrn Kollegen Schröter um die Berichterstattung.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, der Justizausschuss hat sich mit dem Gesetzentwurf in seiner 6. Sitzung am 23. März und in seiner 7. Sitzung am 11. Mai diesen Jahres befasst. Es lagen Änderungsanträge zum Gesetzentwurf vor, einmal der Änderungsantrag, dass die fachlichen Berater nicht im Gesetzestext verankert werden sollen, sondern dafür die von der Fraktion benannten Mitarbeiter, die eingetragen sein müssen, und auch ständige Stellvertreter, die auch zu benennen sind. Dieser Antrag fand eine Mehrheit. Es wurde auch ein Antrag gestellt, ob ein oder zwei Mitarbeiter teilnehmen sollen. Die Meinung des Ausschusses ging dann zurück auf einen Mitarbeiter, der jeweils an der Sitzung teilnehmen kann. Eine Vergrößerung des Personenkreises fand keine Mehrheit. Die Beschlussempfehlung zum Gesetzentwurf liegt Ihnen in der genannten Drucksache 3/661 vor. Der Justizausschuss empfiehlt die Annahme des Gesetzentwurfs unter Beachtung der Beschlussempfehlung. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat zunächst der Abgeordnete Dr. Hahnemann, PDS-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, der Gegenstand der jetzigen Beratung führt mich unangenehmerweise, aber zwangsläufig zu einem Streitpunkt zurück, der gestern im Zentrum der Debatte zum Bürgerbeauftragtengesetz stand. Die heute zur Beratung anstehende Beschlussempfehlung des Justizausschusses zum Gesetzentwurf der SPD zur Änderung des Untersuchungsausschußgesetzes ist weniger bezüglich des Inhalts als vielmehr hinsichtlich der Art und Weise des Zustandekom

mens von Interesse. Doch es ist wichtig zu begreifen, dass die Form des Verfahrens hier auch Inhalt transportiert. Die Beschlussempfehlung erweckt nämlich nur den Anschein einer ordnungsgemäßen Beratung im Ausschuss. Gegenstand der Beratung und Beschlussfassung im Justizausschuss war entgegen der Erwartung der nicht an den Ausschussberatungen teilnehmenden Kolleginnen und Kollegen nicht der durch Beschluss des Plenums an den Justizausschuss überwiesene Gesetzentwurf der SPD und die sich auf ihn beziehenden Änderungsanträge, sondern vielmehr eine als Gesetzentwurf formulierte selbständige Ausschussvorlage der CDU-Fraktion. Man kann diesen Umgang mit den Einbringern als einen handwerklichen Lapsus abtun, der den Grundsatz, dass Verhandlungsgegenstand im Ausschuss nur überwiesene Vorlagen sein können, nicht tangiere, weil die als Gesetzentwurf formulierte und als Änderungsantrag gedachte Vorlage sich auf die gleichen Paragraphen wie der überwiesene Gesetzentwurf beziehe. So einfach lässt sich die Angelegenheit allerdings nicht ad acta legen, weil die Hinnahme einer solchen Verfahrensweise zur Folge hätte, dass sich künftig nicht mehr auf Anhieb eindeutig erkennen ließe, was Inhalt der beantragten Änderung ist. So müssen die an der Ausschussberatung Beteiligten erst eine relativ komplizierte gedankliche Operation vollziehen, bei der sie das Gesetz unter Berücksichtigung der im Gesetzentwurf vorgesehenen Änderungen mit dem Gesetz unter Berücksichtigung der fälschlich als Gesetzentwurf formulierten Änderungsanträge vergleichen. Nur so nämlich lässt sich feststellen, ob die fälschlich als Gesetzentwurf formulierten Änderungsanträge materielle oder formelle Änderungen von Bestimmungen des Gesetzentwurfs oder Streichungen oder Ergänzungen von Bestimmungen des Gesetzentwurfs enthalten. So sah z.B. die Nr. 1 der CDU-Vorlage eine Änderung des § 10 Abs. 6 Satz 1 des Untersuchungsausschußgesetzes vor. Es sollte für jede im Untersuchungsausschuss vertretene Fraktion ein namentlich benannter Mitarbeiter das Zutrittsrecht zu den öffentlichen und vertraulichen Sitzungen erhalten. Damit war nicht eindeutig feststellbar, ob der als Gesetzentwurf formulierte Änderungsantrag der CDU lediglich eine Änderung des Artikels 1 Ziffer 1 Buchstabe a des Gesetzentwurfs der SPD betraf, der die gleiche Vorschrift des § 10 Abs. 6 Abs. 1 Untersuchungsausschußgesetz zum Gegenstand hat, oder ob darüber hinaus auch beabsichtigt war, den Buchstaben b der Ziffer 1 des Artikel 1 des Gesetzentwurfs zu streichen. Wie der Beschlussempfehlung entnommen werden kann, ist zunächst erst einmal Letzteres der Fall, was aus der Lektüre der CDU-Vorlage jedoch so nicht eindeutig hervorging. Man könnte dies alles als eine harmlose Lässigkeit abtun, wenn nicht der von der CDU-Fraktion in die Beratungen zum Bürgerbeauftragtengesetz eingebrachte Änderungsantrag die Vermutung nahe legen würde, dass es sich hier um eine Methode handelt. Der dortige von der CDU-Fraktion in den Petitionsausschuss eingebrachte Antrag wahrte nur in seiner einleitenden Formulierung den Anschein für das Vorliegen eines Änderungsantrags. In Wahrheit handelte es sich jedoch um einen völlig neuen Gesetzentwurf, der im Ver

hältnis zum ursprünglichen, formell nicht zurückgezogenen Regierungsentwurf dem Bürgerbeauftragten eine völlig andere Funktion und Stellung im Verhältnis zum Petitionsausschuss zuwies.

Erlauben Sie mir im Zusammenhang gerade mit der Beratung dieses Gesetzentwurfs eine Bemerkung zu dem Ansinnen von Frau Kollegin Zitzmann von gestern. Frau Zitzmann, ich gehöre auch zu denen, die trotz neun Jahren Parlamentserfahrung immer noch ein Quantum Lampenfieber in den Beinen haben, wenn sie hier vorn an dieses Mikrofon treten. Insofern, denke ich, ist Ihre Bitte, Rücksicht auf die neuen Kolleginnen und Kollegen im Landtag zu nehmen, berechtigt und Sie werden bei Ihrer Forderung nach Nachsicht diesen Kolleginnen und Kollegen gegenüber in mir einen Mitstreiter haben. Und insofern ist für mich der Versprecher von Herrn Kollegen von der Krone bezüglich der Aufforderung, dem Gesetzentwurf zuzustimmen auf der Grundlage der CDUFraktion, tatsächlich ein Lapsus und für mich im Grunde genommen auch nicht so wichtig. Wenn Sie in mir einen Mitstreiter in der genannten Sache haben, haben Sie allerdings einen sehr scharfen Kritiker in einer anderen. Denn wenn ich bereit bin, Nachsicht den neuen Kolleginnen und Kollegen gegenüber zu üben, dann bin ich es nicht hinsichtlich der Kollegen, die schon länger hier sind. Herr Kollege von der Krone hat in seiner Berichterstattung auch den Hinweis transportiert, dass es keine Änderungen gegeben habe. Hier sind jetzt die Kolleginnen und Kollegen in der Pflicht, die schon länger in diesem Parlament sind. Sie müssen nämlich aufpassen, dass sie den neuen Kolleginnen und Kollegen nicht den Eindruck vermitteln, dass Parlamentsberatung - wie sie jetzt in zwei Fällen ziemlich krass stattgefunden hat - die parlamentarische Norm sei. Insofern laste ich den Lapsus nicht Herrn von der Krone an, sondern Ihnen, denn ganz offensichtlich besteht die Gefahr, dass aus dem Bewusstsein rückt, was ist hier eigentlich Änderung und was ist Beratungsgrundlage. Der CDU-Entwurf war nicht Beratungsgrundlage im Ausschuss, also der zweite CDU-Entwurf, war nicht Beratungsvorlage im Ausschuss, sondern der erste, der Regierungsentwurf.

(Unruhe bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wenn Sie wirklich von uns erwarten, dass wir Rücksicht nehmen auf die Probleme und Schwierigkeiten neuer Kolleginnen und Kollegen, dann erwarte ich von Ihnen auch, dass Sie Einfluss nehmen auf Ihre Kollegen, z.B. auf den Kollegen Böck, der so, wie er am Anfang der 2. Legislaturperiode versucht hat der Frau Wildauer das Leben schwer zu machen, dieses jetzt bei der Frau Abgeordneten Sedlacik tut.

Herr Abgeordneter Dr. Hahnemann, darf ich einmal kurz unterbrechen. Wir können gerne eine allgemeine Debatte zu entsprechender Zeit über Gepflogenheiten hier im

Parlament und über parlamentarisches Handeln führen, aber das anhand dieses speziellen Gesetzentwurfs, der jetzt zur Debatte steht, zu tun, ist, denke ich, etwas ausufernd.

(Beifall bei der CDU)

Wir sollten uns auf dieses Thema, was wir jetzt behandeln, konzentrieren und auf die konkrete Beratung zu diesem Punkt.

Ich stehe für diese Debatte jederzeit zur Verfügung.

(Heiterkeit bei der CDU)

Akzeptiert man derartige Vorlagen, die nur dem Anschein nach Änderungsanträge sind, dann ist eine Beratung der einzelnen Bestimmungen des vom Plenum an den Ausschuss überwiesenen Gesetzentwurfs schier unmöglich. Gegenstand der Beratungen im Ausschuss ist dann nicht mehr der überwiesene Gesetzentwurf, sondern die Änderungsvorlage. Das ist nicht zulässig. Durch eine derartige Verfahrensweise wird zudem die Aussprache im Plenum verkürzt, weil die erste Beratung sich auf einen Gesetzentwurf bezog, der nicht mehr Beratungsgrundlage der Ausschussdebatte ist. Die grundsätzliche Aussprache zum Gesetzentwurf muss daher auf Kosten der Erörterung der einzelnen Bestimmungen des Entwurfs in der hierzu nicht vorgesehenen zweiten Beratung stattfinden. Das hat auch Herr Kollege Dewes gestern ganz deutlich gemacht. Diese - gelinde gesagt - doch nonchalante Verfahrensweise der Regierungsmehrheit, die sowohl zum Bürgerbeauftragtengesetz als auch zum Untersuchungsausschußgesetz an den Tag gelegt wurde, kann daher nur als eine offenkundige Missachtung des Plenums und der kritischen Öffentlichkeit gewertet werden. Herr Dewes hatte Recht und nicht etwa, wie Herr Ministerpräsident Vogel meinte, einen Popanz aufgebaut, wenn er genau diese Verletzung der Grundprinzipien parlamentarischer Beratung hier kritisierte.

(Zwischenruf Abg. Vopel, CDU: Das Ganze war gestern.)

Das lässt sich belegen, was ich auch gleich tun will. Sie mögen, Frau Vopel, für sich bestimmen, was gestern und was heute war, ich bestimme es gegebenenfalls anders. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass ähnliche formale Mängel bei den Änderungsanträgen der Opposition in der Vergangenheit nicht toleriert wurden. Gegen den Vorwurf der Ungleichbehandlung lässt sich dabei nicht einwenden, es habe sich bei der Zurückweisung der formal fehlerhaften Änderungsanträge der Opposition um die Zurückweisung von Ergänzungsanträgen gehandelt, die Regelungen enthielten, die nicht Gegenstand des Gesetzentwurfs waren. Auch die fragliche CDU-Vorlage zum Untersuchungsausschußgesetz sah im Verhältnis

zum Gesetzentwurf der SPD Ergänzungen vor, so zum Beispiel die, dass in § 24 Abs. 1 Untersuchungsausschußgesetz durch Einfügen eines Halbsatzes ausgeschlossen wird, dass Fraktionsmitarbeiter die Einsicht in für vertraulich erklärte Akten und Abschriften von diesen erhalten. Das wird durch den Änderungsantrag - Drucksache 3/674 - jetzt klargestellt. Ob der als Gesetzentwurf formulierte Änderungsantrag Ergänzungen in einem neu einzufügenden Paragraphen, Absatz, Satz oder Halbsatz vorsieht, stellt keinen qualitativ erheblichen Unterschied dar, der es rechtfertigen würde, in einem Fall den formal fehlerhaften Änderungsantrag zurückzuweisen und ihn in den anderen Fällen zu akzeptieren. Auch insofern handelt es sich nicht um einen Popanz, wie der Herr Ministerpräsident glaubte, sondern es handelt sich um ein schwer wiegendes Problem, weil es den Umgang mit der Opposition berührt. Die hier von mir beanstandete Verfahrensweise belegt nach meiner Auffassung, dass es sich nicht nur um gute Gepflogenheit im Landtag handelte und dass es gute Gepflogenheit im Landtag bleiben sollte, mit Änderungsanträgen zu überwiesenen Vorlagen zu arbeiten, sondern auch die Notwendigkeit, dass die Landtagsverwaltung andere Vorlagen vor der Ausschuss-Sitzung umarbeiten muss, um unnötige Unklarheiten in den Bezügen der Vorlagen aufeinander zu vermeiden.

Schließlich noch eine Bemerkung zum Verhalten der SPDFraktion im Gesetzgebungsverfahren. Es ist schon höchst erstaunlich, mit welcher Leichtigkeit die SPD-Fraktion grundlegende Positionen in ihrem Gesetzentwurf und in ihren in den Ausschuss eingebrachten Änderungsanträgen preisgab. Konkret meine ich das im Änderungsantrag der SPD vorgesehene Anwesenheitsrecht von zwei Fraktionsmitarbeitern in nicht öffentlichen und vertraulichen Sitzungen und die im Gesetzentwurf vorgesehene Regelung, die Fraktionsmitarbeiter von der Möglichkeit ausnimmt, durch Mehrheitsbeschluss ihre Anwesenheit in vertraulichen Sitzungen auszuschließen, was nun wiederum über Änderungsantrag rückgeändert bzw. geklärt werden soll. Für die PDS-Fraktion ist aber weniger dieser Kniefall der SPD-Fraktion gegenüber der Regierungsmehrheit ausschlaggebend, dass sie dem Gesetzentwurf in der Fassung der Beschlussempfehlung nicht zustimmen kann, sondern der Zweck des gesamten, schier undurchschaubaren Verfahrens. Was ist denn eigentlich der Zweck? Der Zweck ist ein wohl durchdachtes Gesetz der SPDFraktion im Kern zu verändern, nicht nur quantitativ. Nicht zwei Mitarbeiter, sondern nur noch einer und ein Stellvertreter für den Verhinderungsfall kann an den Untersuchungsausschuss-Sitzungen teilnehmen. Also immer nur einer der Mitarbeiter kann an nicht öffentlichen und vertraulichen Sitzungen teilnehmen, kann vertrauliche Akten einsehen, aber Kopien vertraulicher Akten machen, das kann er nicht. Der politische Sinn dessen liegt auf der Hand: Arbeitsmöglichkeiten der kleinen, meist Oppositionsfraktionen zu minimieren. Die regierungsfernen Fraktionen haben aus strukturellen und personellen Gründen größeren Arbeitsaufwand beim Durchdringen der Fakten und Aktenberge als die großen Regierungsfraktionen.

Sie wissen das, meine Damen und Herren. Der politische Sinn besteht am Ende darin, der Opposition nicht mehr Boden zuzugestehen, als ihr unbedingt gewährt werden muss. Und nicht anders kann ich den gestern von der Kollegin Nitzpon provozierten Ausbruch des Herrn Ministerpräsidenten deuten, der uns aus Verärgerung oder warum auch immer, sein Credo hinsichtlich der ihm eigenen Demokratieauffassung hier darbot.

(Zwischenruf Gnauck, Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei: Wollen Sie es auch noch recht- fertigen?)

1. Wer die Mehrheit hat, hat nicht nur Recht, sondern befindet sich im Besitz der Wahrheit.

2. Was Opposition darf oder nicht darf, bestimmt genau diese Mehrheit.

3. Eine Verfassung hat den Zweck, den politischen Konkurrenten um die Ohren gehauen zu werden, ansonsten zählt die von der Mehrheit gestaltete Wirklichkeit.

Warum Sie, meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, Ihren Gesetzentwurf so wenig verteidigt haben, ausgerechnet am Punkt der Untersuchungsausschüsse und dem eigenen Gesetzentwurf, lässt sich nur mit der Furcht vor dem Scheitern Ihres Anliegens als Ganzes erklären. Diese Furcht ist zwar verständlich, aber ein schlechter Ratgeber dann, wenn es an Kernpunkte und zentrale Rechte der Opposition geht. Dieser Furcht, meine Damen und Herren, verdanken wir die hohen Hürden für Volksbegehren und Volksentscheide in unserer Landesverfassung. Heute beklagt sich die SPD über das, was sie vor sieben Jahren in die Verfassung hineingedealt hat und was wir heute nur schwer wieder herausbekommen werden. Böse Zungen sagen, sie hätten sich einmal wieder das wohlige Gefühl vergangener Koalitionsverhandlungen verschaffen wollen. Egal, meine Damen und Herren, Ihr Gesetzentwurf war gut. Er ging von den Bedürfnissen der Oppositionsfraktionen aus. Sie haben auf Teile dessen verzichtet und Sie zwingen uns, das Gleiche zu tun, nur weil Sie fürchten, am Ende ohne dazustehen. Das schwächt Oppositionsarbeit im Konkreten, aber auch im Generellen. Ich empfehle meiner Fraktion diesem Gesetz zwar nicht zuzustimmen, aber mit einer Enthaltung zu signalisieren, dass wir die gesamte Art des Umgangs mit parlamentarischen Regularitäten und Bedürfnissen der Opposition ablehnen, aber die eigentliche Arbeit, nämlich die der Untersuchungsausschüsse, rechtsklar und zügig angehen wollen. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der PDS)

Es hat jetzt das Wort der Abgeordnete Kretschmer, SPDFraktion.