Protocol of the Session on April 14, 2000

(Beifall bei der PDS)

(Zwischenruf Abg. Schwäblein, CDU: Das hat erst recht was mit der doppelten Staats- bürgerschaft zu tun.)

Offensichtlich hat das bislang nur Ihr neuer Schatzmeister gemerkt, der sich als Einziger gegen diese Kampagne verwahrt hat, aus Thüringen war dagegen kein Wort zu hören und Sie klatschen ja jetzt hier auch noch Beifall dazu. Zum anderen hat die Befassung mit der Problematik der mangelnden Experten mehrere Seiten. Als Erstes ist zu beachten, dass es keinesfalls nur um Computerspezialisten geht, auch auf anderen Gebieten, z.B. im ingenieurwissenschaftlichen Bereich, sind Defizite zu verzeichnen.

Als Zweites: Für die Lösung dieser Probleme kann es nur kurzfristige und langfristige Strategien geben. Kurzfristig mögen ausländische Spezialisten punktuell helfen können, es müssen jedoch dringend flankierende Maßnahmen eingeleitet werden. Die Situation muss doch jedem arbeitslosen Umschüler ins Gesicht schlagen, der sich der Mühe einer Umschulung unterzieht, um über eine Qualifikation in den aktiven Arbeitsmarkt zurückzukommen. Das haben Sie gesagt, Sie haben auch die Zahl der 1.200 Spezialisten benannt. Ich weiß aber aus einem Gespräch mit dem Arbeitsamt Jena, dass genau diese Spezialisten nicht die Ausbildungsprofile haben, die von der Wirtschaft erwartet werden. Dort ist Handlungsbedarf, um diese Ausbildungsprofile, diese Fortbildungsprofile auch herzustellen.

Als Drittes möchte ich auf die demographische Entwicklung hinweisen, die ist Ihnen ja sicher bekannt, Sie schauen so. Spätestens in fünf bis sechs Jahren werden wir einen deutlichen demographischen Einschnitt haben und der wird dazu führen, dass sich diese Defizite des wirtschaftsund bildungspolitischen Gebiets noch mehr auswirken werden. Die Zahl der Schulabgänger wird deutlich sinken und der DGB warnt bereits jetzt davor, dass auch ein Facharbeitermangel in Deutschland vorprogrammiert ist. Mindestens im Osten Deutschlands wäre dann noch eine Green Card für Facharbeiter möglich. Hier stellt sich natürlich eine ganz andere Frage, die haben Sie berührt. Bei einer Globalisierung der Märkte ist natürlich auch die Frage nach der Globalisierung des Arbeitsmarkts zu stellen und es ist auch die Frage zu stellen, wo kann wer wann arbeiten. Das heißt auch, wie hoch qualifiziert sind unsere eigenen Absolventen und Facharbeiter, um sich in diesem globalen Wettstreit auch Chancen zu erarbeiten und nicht nur am Standort

Deutschland, wenn es diesen Standort in dieser Weise dann noch geben sollte. Es streiten sich bereits jetzt darüber Wirtschafts- und Arbeitsministerium, ob man die Green Card dann wirklich nur auf Hoch- und Fachschulausbildung beschränken sollte oder man sie stärker öffnen sollte für Bewerber mit vergleichbarer Qualifikation. Wir haben heute noch "dank" hoher Arbeitslosigkeit und fehlender Ausbildungsplätze die Möglichkeit zu sagen, wir lösen das Problem durch Umschulung und Fortbildung, aber es ist schon ein bisschen zu spät. Ich weiß auch, dass Absolventen der TU Ilmenau im dritten, vierten Studienjahr jetzt bereits abgeworben werden, die Ausbildung fing einfach wahrscheinlich auch etwas zu spät an. Und ernst zu nehmende Menschen wie der Soziologe Behr von der Jenaer Universität verweisen auch auf die ungünstige Altersstruktur und stellen fest, in vielen Industriebetrieben fehlt mittlerweile eine ganze Generation. Die Frage ist natürlich, woher fehlt diese Generation, und sie wird auch beantwortet, es ist das Ergebnis einer verfehlten Ausbildungs- und Strukturpolitik. Dazu kommt noch, dass viele junge Menschen die neuen Bundesländer wegen Perspektivlosigkeit verlassen haben oder aber sie wurden am Arbeitsmarkt vorbei ausgebildet. Dazu gibt es auch Untersuchungen vom Institut für Wirtschaftsforschung in Halle. Noch ein weiterer Verweis auf den Soziologen Behr: Er weist in seiner Studie darauf hin, das ist übrigens die VW-Studie, dass Fachkräfte aus dem Ausland nicht so sehr leicht anzuwerben sind für den Arbeitsmarkt in Deutschland. Ich selbst habe ein Interview gehört mit einem Inder im Fernsehen, der sagte, warum soll er nach Deutschland gehen, dort gibt es keine Arbeitsmarktsituation, die seinem Ausbildungsniveau und seinem Anspruch entspricht. Das muss man natürlich auch einmal nur reflektieren. Und bei dieser Schwierigkeit, die Fachkräfte auch anzuwerben, spielen viele Fragen, die Sie benannt haben, was die Bestimmungen anbelangt, wie der Umgang dann mit den Menschen hier sein wird, sicher eine Rolle, kollidiert in gewisser Weise auch mit dem Interesse der älteren Langzeitarbeitslosen. Wir könnten dann genau die Debatte, wo Sie vorhin gemurrt und gelacht haben, wieder bekommen, wenn dann vielleicht irgendwann wieder genügend Arbeitsplätze da sind und besetzt sind, dass die Ausländer dann wieder die Schuldigen sind an der Situation, dass die anderen keine Arbeit haben, und das geht nicht. Die sind nicht die Schuldigen, die Schuld liegt in der Struktur- und Entwicklungspolitik dieses Landes.

(Beifall bei der PDS)

Ich möchte noch einen kurzen Moment beim Antrag der CDU verweilen. Allein zwei Sätze im CDU-Antrag sind diskreditierend. Dort, wo Sie die Analyse fordern, das ist einfach scheinheilig, weil Sie auf der Bundesebene die Verantwortung dafür hatten, und die jetzige Bundesregierung muss einfach nur das auslöffeln, was Sie gekocht haben.

(Beifall bei der PDS)

Ich möchte noch an die Landesregierung eine Frage stellen, die haben Sie aber im Wesentlichen beantwortet, Herr Minister, wobei ich glaube, dass Sie hier wirklich guten Willens Absichtserklärungen dargestellt haben und aus dem, was sich so und so schon entwickelt hat, das herausgenommen haben, was in diesen Bereich passt, aber mit der Absichtserklärung wird es nicht getan sein.

(Zwischenruf Schuster, Minister für Wirt- schaft, Arbeit und Infrastruktur: Das ist gemacht.)

Parziell stimme ich Ihnen ja da zu. Ich will es einmal an einem Beispiel machen, wo man vielleicht sieht, wo man vielleicht mehr machen könnte. Ich beziehe mich jetzt einmal auf das heute noch nicht erwähnte Thema, aber es kommt unweigerlich, des InnoRegio-Wettbewerbs. Wir haben das hier mehrfach diskutiert. Die Bewerber waren allesamt Firmen und Verbünde, die mit innovativen, zukunftsorientierten Projekten ins Rennen gegangen sind. Die Frage ist tatsächlich, was hat die Landesregierung bisher real unternommen, um eine Förderung dieser Projekte, dieser innovativen Projekte schnell und effektiv zu betreiben. Nur ganz wenige Projekte haben bislang die besondere Aufmerksamkeit und die Unterstützung der Landesregierung erhalten. So ernst nehmen Sie den innovativen Mittelstand in Thüringen. Dort müssen Sie auch ansetzen, um Entwicklungen voranzutreiben.

(Zwischenruf Schuster, Minister für Wirt- schaft, Arbeit und Infrastruktur: Wer hat denn den Wettbewerb gemacht?)

Die Bundesregierung. Aber, Herr Minister, da haben Sie nicht ganz richtig zugehört in letzter Zeit. Im Ausschuss für Wissenschaft, Forschung und Kunst sind durchaus Aussagen getroffen worden, dass das Land seine Verantwortung dort weiter wahrnimmt, und zwar gemeinsam mit der Stiftung. Also, ich will nur darauf verweisen, dabei will ich es erst einmal belassen. Ich möchte nur noch eines sagen, wir hätten gern eine Überweisung der Anträge an den Ausschuss, damit man gemeinsame Lösungen finden kann, aber dem Entschließungsantrag der SPD würden wir unsere Unterstützung geben, weil wir glauben, dass das ein Weg zu Lösungen in diesem Bereich ist. Danke.

(Beifall bei der PDS)

Frau Dr. Kaschuba, Sie sagten jetzt, "die Anträge" an den Ausschuss zu überweisen. Es geht also darum, dass wir über das Berichtsersuchen dann noch abstimmen, über die Erfüllung oder die Fortberatung? Dann gibt es den Antrag der CDU-Fraktion.

(Zuruf Abg. Dr. Kaschuba, PDS: Beides!)

Gut. Ich würde das dann noch einmal aufrufen zu gegebener Zeit. Es ist beantragt worden für beide Anträge, offensichtlich die Fortberatung des Berichtsersuchens und des CDU-Antrags im Ausschuss. Aber ich rufe das dann noch einmal auf, wenn wir so weit sind. Als nächster Redner hat sich zu Wort gemeldet der Abgeordnete Kallenbach, CDU-Fraktion.

(Zuruf Abg. Kallenbach, CDU: Nein!)

Dann habe ich noch eine Wortmeldung von Herrn Abgeordneten Schwäblein, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir beraten heute hier ein Thema, das wahrlich noch lange Thema der Entwicklung in Thüringen und Deutschland bleiben wird. Die Frage nämlich, in welchen Bereichen muss ausgebildet werden und vor allem durch wen und in welchem Maße hat wer Weitsicht an den Tag zu legen und wo sind Versäumnisse. Wenn ich den PDS-Beitrag von eben resümiere, so bleibt erneut die Feststellung, dass dieser Teil des Parlaments immer noch nicht in der Wirklichkeit angekommen ist.

(Beifall bei der CDU)

Der Staat, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat den Betrieben wahrlich nicht vorzuschreiben, wie viel sie ausbilden oder wie viele Absolventen sie abnehmen. Man kann ihnen höchstens sagen, tut es, es ist gut für euch, es werden andere Zeiten kommen. Das ist durch den Wirtschaftsminister geschehen, es ist durch andere geschehen. Ich komme auf dieses Thema durchaus noch einmal zurück. Frau Dr. Kaschuba, Sie haben Herrn Rüttgers angesprochen, zurzeit haben wir es ja leicht mit den Klischees. Können Sie vielleicht akzeptieren und realisieren, dass dieser Minister ein Multimedia-Gesetz auf den Weg gebracht hat, mit dem rote und grüne Minister noch Rundfunkgebühren für PC's einführen wollten,

(Beifall bei der CDU)

dass er die Aktivitäten und überhaupt das Programm "Schule ans Netz" ins Leben gerufen hat, bei dem rotgrüne Minister heftig dagegen waren?

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: Hier geht es doch um ein anderes Thema!)

Wir haben Vorwürfe gehört, die CDU hätte die Zeichen der Zeit in ihrer Phase der Bundesregierungsverantwortung verschlafen, und ich darf darauf antworten, Herr Pohl. Sie können mir ja dann widersprechen, wenn das nicht stimmt. Versuchen Sie es doch. Und Herr Rüttgers hat 35 neue Berufsbilder zugelassen, darunter fünf im IT-Bereich.

(Beifall bei der CDU)

Er hat das deutsche Forschungsnetz mit vorangetrieben, von dem auch unsere Hochschulen profitieren, es war nicht allein seine Tätigkeit, aber es war mit in seiner Verantwortung und mit seiner Anschubkraft.

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, SPD: Don- nerwetter!)

Er hat eine Existenzgründungsinitiative "Multimedia" im Nachwuchsbereich initiiert, er hat die Verhandlungen mit der Telekom zur Senkung der Gebühren für die Schulen gemacht und weitere Dinge mehr. Also es darf doch nicht wahrlich weiterhin der Vorwurf bleiben, dass dieser so genannte Zukunftsminister zu Recht die Zukunft verschlafen hätte. Was er im Moment kritisiert, und das zu Recht, sind mittlerweile wirklich verheerende Zustände im Bildungsbereich von Nordrhein-Westfalen.

(Beifall bei der CDU)

Dort sind sowohl im schulischen als auch im Hochschulbereich Defizite über Defizite. Über unser Schulsystem sind schon genügend Hymnen gesungen worden, wir kommen ja auch bei Vergleichen wirklich mittlerweile sehr gut weg. Wir haben dort nichts verpasst, was in unserer Verantwortung stand. Im Hochschulbereich kann man Thüringen auch keine Vorwürfe machen, Herr Dr. Schuchardt, da nehme ich Sie bewusst in Schutz.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben die IT-Bereiche nicht heruntergefahren, wie Herr Schröder in Hildesheim eine Ausbildungsstätte für 800 Informatiker zugemacht hat, das hat es hier nicht gegeben, es darf aber doch gesagt werden. Wir haben darüber hinaus weitere Ausbildungsmöglichkeiten angeboten. Mit der Zulassung der Medien-Studiengänge ist sehr früh in Thüringen auf neue Entwicklungen reagiert worden - noch ins Blaue hinein, wo noch gar nicht heraus war, welche Berufsbilder werden tatsächlich von der Wirtschaft einmal nachgefragt. Hier war die Thüringer Politik sehr weitsichtig. An sich müsste die Wirtschaft nachfragen und die Politik dann darauf reagieren. Weil es unterblieben ist, hat zum Glück Politik reagiert und die klugen Anträge der Hochschulen dann auch genehmigt. Wir haben mit der Berufsakademie ein weiteres Feld von Ausbildung, auch im IT-Bereich, geschaffen, das es bis dahin überhaupt noch nicht gab.

(Beifall bei der CDU)

Nun komme ich auf die Berufsakademie und ihr Spezifikum zu sprechen. Es mag gelegentlich als Nachteil dargestellt werden, aber in diesem Fall ist es ein Vorteil; die Abschlüsse an der Berufsakademie in Thüringen gelten auf absehbare Zeit nur erst einmal in Thüringen. Damit wird der Wille dieser jungen Menschen, woanders in dieser Ausbildung einen Job zu kriegen, etwas gedämpft werden, wenn dann ihr Abschluss nur in Thüringen anerkannt wird.

Ein Glück für unsere Unternehmen. Die CDU-Fraktion, ihr Arbeitskreis Wissenschaft, Forschung und Kunst, hat bei einer Exkursion in Gera auch an dem dortigen Teil der Berufsakademie die Aufnahme von Wirtschaftsinformatik angeregt, und wie wir jetzt mitbekommen haben, greift man dies auch auf. Da haben wir durchaus noch Entwicklungsmöglichkeiten, auch in Ilmenau. Jetzt ist der Finanzminister leider nicht da. Der überbordende Andrang im Informatikbereich sollte uns dazu führen, trotz des angekündigten Sparhaushalts, für begrenzte Zeit weitere Professuren dort zuzulassen, damit nicht der lokale Numerus clausus ausgerufen werden muss. Wir haben das bereits vor zwei Monaten auch so öffentlich gemacht und ich stehe auch nach acht Wochen noch dazu, Herr Kollege Botz. Da muss ich mich nicht wenden; wenn wir da durch Sie Unterstützung erfahren, wäre das wahrlich gut. Wir haben hier unsere Verantwortung sehr wohl wahrgenommen.

Aber jetzt komme ich zu einem anderen Bereich, der mag heute wie Schelte an der Wirtschaft aussehen, vielleicht kommt es auch so an und vielleicht ist es sogar berechtigt.

Herr Abgeordneter Schwäblein, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Dr. Kaschuba?

Aber bitte.

Er gestattet es.

Ich will es wirklich nur einmal genau wissen. Das meinen Sie doch nicht im Ernst, dass das, dass die Abschlüsse der Berufsakademie nur in Thüringen erst einmal Anerkennung finden, ein Vorteil ist. Das können Sie doch nicht ernst meinen.

Für die Thüringer Wirtschaft ist es im Moment von Vorteil.

(Beifall bei der CDU)

Für die jungen Leute wünsche ich es mir auf Dauer, dass auch die Abschlüsse anerkannt werden, aber ein Faktum ist, dass sie im Moment nur in Thüringen anerkannt sind, und somit wird der Wanderungsdrang der jungen Leute etwas geringer sein, die diese Ausbildung haben. Es ist einfach eine Tatsache. Wir wollen das nicht festschreiben, legen Sie mich da bitte nicht falsch aus, aber wir müssen andererseits erkennen, dass in anderen Landstrichen Deutschlands deutlich besser bezahlt wird und die jungen Informatiker in Ilmenau mit Anfangsgehältern zwischen 60.000

und 80.000 DM nach Süddeutschland abgeworben werden und die jungen Doktoranden teilweise vor ihrer Promotion mit Jahresgehältern bis zu 120.000 DM von den Hochschulen weggeholt werden. Dies ist eben auch so, und hier zeigt sich, dass die Defizite außerhalb Thüringens noch viel größer sind und wir also hier durchaus theoretisch unseren eigenen Bedarf decken könnten, aber es ist praktisch nicht zu machen, weil man natürlich niemandem vorschreiben kann, wo er seinen Arbeitsplatz nimmt. Hier, Frau Dr. Kaschuba, gibt es eben nicht mehr die Zwangsvermittlung à la DDR, wo man die ersten zwei Jahre einen ersten Arbeitsplatz zugewiesen bekam. Ich bin noch zwangsvermittelt worden und ich habe es nicht vergessen.

(Zwischenruf Abg. Doht, SPD: Es waren drei Jahre, Sie haben es vergessen.)

Oder es waren ganz und gar drei Jahre - vielen Dank. Ich hatte keinen Wechselwunsch damals, aber es war trotzdem erst einmal wieder Zwang. Diesem Zwang sind unsere jungen Leute nicht ausgesetzt.

(Beifall bei der CDU)