Protocol of the Session on May 6, 2004

Es ist sehr einfach, sehr geehrter Herr Höhn. Es ist an der Zeit, notwendige politische Korrekturen, da, wo sie zwingend sind, auch durchzuführen. Punkt. Schluss.

(Beifall bei der CDU)

Es ist seit vielen Jahren, und Herr Schuster hat das auch inhaltlich exakt begründet, eine Unsinnigkeit, Beiträge bei Trinkwasser zu erheben.

(Zwischenruf Abg. Schemmel, SPD: Wahl- kampf!)

Und wenn wir jetzt in der Situation sind, zu überlegen, wie man in den Zweckverbänden mit Blick auf die Bürgerinnen und Bürger Beiträge und Gebühren wirklich umfassend erträglich gestaltet, sollten wir den Mut haben, diese notwendige, fachlich begründete Korrektur auch vorzunehmen.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Das steht auf tönernen Füßen.)

Sehr geehrter Herr Höhn, das Bundesverwaltungsgerichtsurteil vom 1981 ist bekannt. Es war zum Ersten ein Abwasserurteil und es ist in der Begründung überführt worden auf Wasser. Seit dieser Zeit hat sich in Deutschland sehr viel geändert, auch weil Europa sich geändert hat. Was bei Strom und Gas richtig ist, muss dauerhaft auch beim Wasser richtig sein, wir brauchen nämlich viel mehr Fernwasserversorgung in unserem Land, um die wirtschaftliche und landwirtschaftliche Entwicklung im Land auch dauerhaft zu gewährleisten. Deswegen ist dieses Regionalprinzip ein historisch begründetes, aber für die Zukunft

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Der Ver- gleich ist unzulässig.)

nicht mehr haltbares Prinzip.

(Beifall bei der CDU)

Nun mögen Sie kritisieren, warum man in den ersten Jahren des Freistaats Thüringen über alle Regierungen

hinweg, einschließlich der Regierung in der auch Sie aktiv vertreten waren, diese Kurskorrektur nicht schon vorgenommen hat, dann sage ich Ihnen: Es ist richtig, man hätte das auch schon eher tun können. Ich verstehe aber nicht, dass Sie heute diese Entscheidung kritisieren, weil sie sachlich begründet ist.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Das hätten wir doch gleich machen können.)

Sehr geehrter Herr Höhn, wenn es um Populismus geht, dann können wir uns ja untereinander streiten, wer populistischer ist. Das, was Sie hier abgelassen haben, war maximal ein Korkenziehen der Argumentation, aber in sich nicht schlüssig und auch wirklich nicht zielführend.

(Beifall bei der CDU)

Und weil Sie auf den Schnellschuss so Wert legen

(Zwischenruf Abg. Schemmel, SPD: Das ist die bis heute geltende Gesetzeslage.)

und sagen, wir müssen ganz schnell entscheiden, damit die Bürgerinnen und Bürger auch sehen, ob das, was ich sage, auch umgesetzt werden soll - die PDS übertreibt es dann sogar und legt ein Gesetz vor, das ohne jede Fristbeachtung in den nächsten Wochen verabschiedet werden soll -, sage ich Ihnen, dieses Thema ist einfach zu kompliziert und es muss intensiv besprochen werden, um es ohne Schnellschuss zum Ergebnis zu bringen. Deswegen wird sich die Landesregierung an ihre Geschäftsordnung halten und wird es im Kabinett verabschieden, wird es dann, wie es üblich ist, in einer intensiven Anhörung - sechs Wochen steht in der entsprechenden Verordnung - mit den Beteiligten, z.B. den kommunalen Spitzen- und Zweckverbänden, erörtern, um mögliche Korrekturen, Probleme, Fragen zu besprechen und abschließend ein Gesetz dem Thüringer Landtag vorzulegen, das dann wirklich in sich konsistent ist und unserem Ziel entspricht, nämlich für die Bürgerinnen und Bürger dauerhaft erträgliche und auch nachvollziehbare Beiträge und Gebühren zu erreichen.

Herr Ministerpräsident, der Abgeordnete Pohl möchte Ihnen eine Frage stellen.

Wir werden keinen Schnellschuss unternehmen, weil es nach meiner Auffassung, nach den vielen Debatten der letzten 14 Jahre, nach den vielen Rechtsänderungen der letzten 14 Jahre auch aufgrund der Rechtsprechung und der vielen Erfahrungen mit der Umsetzung vor Ort der letzte Schuss ist, den wir in diesem Punkt setzen müssen. Deshalb muss das Gesetz und all das, was sich um dieses Gesetz aufbaut, solide erarbeitet sein. Ich habe den

Thüringerinnen und Thüringern nichts vorgemacht, sondern ich habe ihnen versprochen und ich stehe dafür, dass wir dieses dicke Brett bohren und das werden wir.

(Beifall bei der CDU)

Herr Ministerpräsident, der Abgeordnete Pohl möchte Ihnen gerne eine Frage stellen, gestatten Sie das?

Ja.

Bitte, Herr Abgeordneter Pohl.

Herr Ministerpräsident, wie bewerten Sie denn die Auswirkungen auf die Verjährung durch das Aussetzen der Bescheide bis Oktober bzw. bis Mai des nächsten Jahres?

Wir werden spätestens bis zum 1. Oktober das Gesetz dem Thüringer Landtag vorlegen. In diesem Gesetz wird all das mit geklärt, einschließlich der begleitenden Vorschriften, was zwingend ist. Und wenn es im Blick auf den Vollzug notwendig ist, Verjährungen noch einmal neu zu regeln, haben wir in den letzten Jahren aus ganz anderen Gründen die Verjährungen ausgesetzt. Dann besteht auch die Möglichkeit, den Rechtsrahmen so zu schaffen, dass all das, was wir festlegen, in Ruhe, aber auch mit Zielgenauigkeit umgesetzt werden kann.

(Beifall bei der CDU)

Das spricht ja geradezu gegen den Inhalt Ihrer Frage. Wenn es so ist, warum soll es dann nicht auch geschehen in einer dritten Verjährung. Wollen Sie deswegen die Bürgerinnen und Bürger weiter unter möglicherweise überhöhten Beiträgen leiden lassen? Also ich verstehe die Frage nicht, ich habe eine ganz klare Perspektive, die von den Betroffenen aus. Jetzt will ich Ihnen ein Beispiel nennen, warum ich in den letzten Wochen aufgrund der vielen Anhörungen, Gespräche, Telefonanrufe und auch Unterlagen zu einer anderen Entscheidung gekommen bin. Es gibt in diesem Land Zweckverbände und Kommunen, die haben diese Aufgabe von Anfang an hochverantwortlich und hochtransparent erledigt und dort gibt es auch kein Problem.

(Beifall bei der CDU)

Ich selbst komme aus einem solchen Zweckverbandsgebiet und weiß deshalb nicht nur wovon ich rede, sondern

kann Ihnen auch sagen, in diesem Zweckverband gab es seit dem Beginn, seit der Gründung, nicht ein einziges Beitragsproblem, nicht ein einziges. Dort hat man, nachdem die Beiträge kalkuliert wurden, Mitarbeiter eingestellt, die durch die Dörfer des Zweckverbandes gegangen sind, im Übrigen ein einziger Zweckverband in dem gesamten Altkreis, und hat dann die Beitragsbescheide mit der Realität verglichen und hat sie auf die reale Bebauung zurückgeführt, grundsätzlich auf die reale Nutzung. Wenn die Verbandsführung das nicht allein entscheiden wollte, dann hat sie eine Zweckverbandsversammlung durchgeführt und hat diese Entscheidung herbeigeführt. Das heißt, in der realen Praxis - und Sie können weitere Zweckverbände in Thüringen finden, die das genauso gehandelt haben - wurde nach der Globalkalkulation aufgeschlüsselt, wurde ein fiktiver Beitrag ermittelt, dann aber den realen Gegebenheiten angepasst. Da sage ich Ihnen, das war immer meine Auffassung, dass war schon immer unser politisches Ziel und wir müssen jetzt dafür sorgen, dass der Rahmen gesetzt wird, dass dieses politische Ziel auch überall in Thüringen erreicht wird.

(Beifall bei der CDU)

Sie widersprechen sich im Grundsatz. Auf der einen Seite wollen Sie, dass wir das durchsetzen und auf der anderen Seite argumentieren Sie im Blick von den Zweckverbänden und der kommunalen Selbstverwaltung. Eines geht nur. Wir haben den Rahmen auch jetzt schon durch Stundung, durch Leistungs- und Teilleistungsbescheide bzw. Festsetzungsbescheide und andere Regelungen, veränderte Beitragszahlungen beim Bürger ankommen zu lassen. Das ist auch jetzt schon der Weg. Wir haben nicht zuletzt die Zinsbeihilfe erneut wieder auf die Handlungsebene gehoben, um eben solche Möglichkeiten auch wirklich von den Verbänden anwenden zu lassen. Aber, Sie haben ein schönes Beispiel selbst zitiert, manche tun es nicht. Nun kann man ja darüber diskutieren, warum sie es nicht tun, und ich weiß die Gründe auch zum Teil. Es wurden vom Innenminister und auch zum Teil von Ihnen Argumente geliefert, die zum großen Teil historisch sind. Man kann natürlich diese Vergangenheitsdebatte unendlich führen, z.B. die abwassertechnische Zielplanung in das Feld zu führen, die Frage, welche Einwohnergleichwerte mit welchen Abwassermengen wir in den Gewerbegebieten gerechnet haben, welche Ansiedlungen wir gesehen haben. Das wäre so ähnlich, als wenn wir die Einschätzung der Abfallentwicklung schon in den Jahren 1990-94 zu einem Abschluss gebracht hätten. Dann hätten wir auch erheblich mehr Abfallentsorgungsanlagen in Thüringen gehabt, als wenn wir das jetzt tun. Das ist eine historische Debatte, die ich gern führe. Die sollte man auch weiterführen, um für die nächste Wiedervereinigung nach einem gescheiterten Kommunismus möglicherweise in der Lage zu sein, Fehler auszulassen, aber die bringt uns doch nicht weiter, Herr Höhn, die führt uns keinen einzigen Schritt weiter. Dann sage ich Ihnen eines, und das ist auch Fakt und das ist hier falsch gesagt worden von mehreren Rednern der Opposition: Auch jetzt ist es

so, wenn Überdimensionierungen vorliegen, wenn Fehlinvestitionen geleistet wurden, dürfen die auch derzeit nicht auf die Bürgerinnen und Bürger umgelegt werden.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Richtig.)

Wer trägt also dann die Kosten? Der Steuerzahler, also auch die Bürger. Was tun wir denn zurzeit, seit der Zeit, seit Ihr Mitglied Dewes auch schon einmal Innenminister war? Durch Strukturhilfe tun wir nichts anderes, wir subventionieren möglicherweise problembeladene Verbände, damit sie mit anderen, die anders gearbeitet haben, fusionieren können, damit für die Zukunft für den Bürger vernünftig gearbeitet wird. Das heißt, auch jetzt zahlt doch der Steuerzahler dieses Freistaats Thüringen verantwortet über das Parlament und dann exekutiert durch die Regierung nichts anderes. Er zahlt möglicherweise aufgewachsene Probleme und das finde ich auch vernünftig. Ich will nämlich, wenn schon solche Probleme zu bewältigen sind, die Lösung nicht dem Einzelnen aufladen. Weil das aber im Moment immer noch geschieht und weil das eine Menge Menschen im Land in Angst versetzt, mit Recht in Angst versetzt, müssen wir einen Schlussstrich ziehen und eine Zielperspektive vorgeben, die auch nachvollziehbar ist und die auch von uns umgesetzt werden kann und dafür werden wir sorgen.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben bemängelt, dass die Regierungserklärung nicht üppig war, nicht ausschweifend war, nicht lang war.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Nur inhalt- lich dünn.)

Ich habe die Punkte gesagt, die wesentlich sind. Wissen Sie, darauf kommt es auch an in der Politik. Es kommt nicht darauf an, mit vielen Worten nichts zu sagen, sondern die Ziele und die Wege, wie die Ziele zu erreichen sind, zu beschreiben. Ich habe das in aller Klarheit, aber auch in aller Kürze getan, um möglicherweise, so war meine Idee, Ihnen die Chance zu geben, der Polemik zu entfliehen und sich der Sacharbeit zuzuwenden,

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Die haben Sie doch erst aufgemacht.)

aber Sie haben natürlich das Prinzip nicht ernst genommen, sondern haben gedacht, hier ist Wahlkampf. Hier ist kein Wahlkampf, das ist das Parlament.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Es ist bloß gut, dass Ihnen das keiner glaubt.)

Mit aller Ernsthaftigkeit sage ich Ihnen, Ihre Beleidigung im Blick auf die Arbeit meiner letzten Monate weise ich mit aller Entschiedenheit zurück. Arbeiten Sie erst einmal so viel für dieses Land, dann haben Sie auch ein Recht zu kritisieren.

(Beifall bei der CDU)

Ich sage Ihnen auch, bei meinen vielen Besuchen in den Landkreisen, wo Ihre Kolleginnen und Kollegen in der Regel dabei waren einschließlich der Landrätinnen und Landräte, habe ich Abend für Abend das Gespräch mit Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern und Zweckverbandsmitgliedern geführt. Die Verantwortlichen, auf die ich setzen wollte, auch unsere Landräte, haben sich in die Büsche verkrochen, haben nie mitargumentiert, sondern immer standen wir ganz alleine, wenn es um die Frage ging, wie man denn mit dem überhöhten Beitrag fertig wird. Wenn ich dann gesagt habe, was wir alle gelernt haben, dass die kommunale Selbstverwaltung doch letztlich die Verantwortung in die Hände vor Ort gegeben hat, wurde mir all das gesagt, was zum Teil auch heute richtig gesagt wurde, was aber auch ein Stück Entschuldigung ist. Denn eine große Zahl von Zweckverbänden, eine große Zahl von Gemeinderäten, Bürgermeistern und Landräten haben immer sehr verantwortlich hingeschaut und, bevor sie gehandelt haben, geschaut, wer soll und kann das bezahlen. Das Beispiel, was Sie angesprochen haben, Andreas Trautvetter hat es gesagt, ist ein schönes Beispiel. Irgendwer bezahlt es schon, das ist manchmal so die Philosophie. Irgendwer ist immer der Steuerzahler in diesem Land, weil wir die Gelddruckmaschine, Gott sei Dank, nicht anstellen. Das heißt, wenn es um den Bürger geht, dann haben wir als Politik die wichtige Aufgabe und die Verantwortung darauf zu schauen, dass, wo möglicherweise Fehlentwicklungen sich fortsetzen, diese Fehlentwicklungen gestoppt werden, und dass unter möglicherweise entstandenen Fehlern nicht der einzelne Bürger zu leiden hat.

Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben wir gesagt, wenn wir eine Kurskorrektur, aber auch eine Weiterentwicklung vornehmen, dann wollen wir bei Trinkwasser Schluss machen mit dieser nicht mehr nachvollziehbaren Beitragserhebung. Über 50 Prozent der Thüringer Verbände realisieren das auch jetzt schon so und haben die Beiträge gar nicht mit einkalkuliert. Die Stadtstaaten der Bundesrepublik Deutschland tun das schon lange so und andere Länder gehen auch den Weg. Das heißt, was vernünftig ist und sich in der Zeit verändert hat, muss man auch nachvollziehen. Und zum Zweiten, dass wir beim Abwasser sagen, Beiträge müssen weiter sein, aber sie müssen sich erstens bezahlbar gestalten und zweitens auch nachvollziehen lassen. Das heißt, sie müssen sich an der konkreten Nutzung und Bebauung orientieren und bei übergroßen Grundstücken müssen sie dann auch entsprechend gekappt werden.

Weil Sie, Herr Gentzel, natürlich nicht in Apolda waren,

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Gott sei Dank.)