Protocol of the Session on May 6, 2004

(Beifall bei der PDS)

Für die CDU-Fraktion hat sich Frau Abgeordnete Groß zu Wort gemeldet.

(Zwischenruf Abg. Schemmel, SPD: Ich hätte so gern den Herrn mal aufgeklärt.)

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Herr Schemmel hätte gern vorher geredet.)

Herr Schemmel kommt schon noch dran.

Danke, Frau Präsidentin. Werte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, es ist in diesem hohen Haus noch nicht vorgekommen, dass ich Herrn Dittes Recht geben muss.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Irgendwann ist immer das erste Mal.)

(Beifall bei der PDS)

Nicht so voreilig, Herr Ramelow. Ich gebe ihm auch nur in einem Punkt Recht, und zwar bei der Frage nach dem Sinn dieser Beratung. Es ist hier eine Anfrage gestellt worden mit sage und schreibe 134 Fragen und da muss ich schon sagen: Masse ist eben doch nicht gleich Klasse. Es ist mit Sicherheit eine große Fleißarbeit von der Regierung gewesen das zu bearbeiten. Da jeder in diesem Haus des Lesens kundig ist, möchte ich eigentlich auch nur auf ein paar Dinge eingehen. Es wurde bei der Anfrage in drei Bereiche untergliedert, einmal in die Grundsätze. Hier möchte ich nur herausheben, dass die Kommunalisierung nicht den Zweck der Kosteneinsparung

hat, das ist hier noch mal eindeutig dabei herausgekommen, sondern es geht um Optimierung der Aufgabenwahrnehmung. Es sind die einzelnen Strategien der Reformen von Deregulierung über Budgetierung und Personalmanagement aufgeführt worden. Im zweiten Bereich wurde eingegangen auf Ergebnisse der vollzogenen Strukturmaßnahmen. Hier wurden an 12 Einzelbeispielen Energiespareffekte, Effizienz der Verwaltung, die Auswirkungen auf das Personal ausgeführt. Im dritten Bereich ging es um die Entwicklung einer effektiven und modernen Verwaltung, um den Stand der Verwaltungsstruktur und hier, denke ich, muss man auch dem Antwortenden der Landesregierung Recht geben mit dem Hinweis auf den Artikel 67 Abs. 3 der Thüringer Verfassung, der sich dort auf Seite 17 wiederfindet, denn man kann mit derartigen Fragen auch eine Verwaltung lähmen, obwohl ich nicht unterstellen will, dass das der Fall sein sollte.

Als Resümee kann ich eigentlich nur ziehen: Die Änderungen der Verwaltungsstruktur oder der Verwaltungsreform sind langwierige Prozesse, die abgestimmt werden müssen, die auch mit den Beschäftigten durchgeführt werden müssen. Es sind eine Reihe Erfolge erzielt worden, aber das muss angestrengt in den nächsten Jahren weitergeführt werden. Danke.

(Beifall bei der CDU)

Für die SPD-Fraktion hat sich der Abgeordnete Schemmel zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, es wird sich den Damen und Herren Abgeordneten, die hier gesprochen haben, im Rahmen meiner ausführlichen Erläuterungen erschließen a) was wir wollen und b) warum wir diesen Tagesordnungspunkt heute erst beantragt haben.

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Na, dann höre ich zu.)

Ich möchte jetzt nicht so ein Frage- und Antwortspiel der Landesregierung und der SPD-Fraktion nachvollziehen, sondern ich möchte dazu grundsätzlich sprechen, wie man in der nächsten Zeit eine Verwaltungsreform in Thüringen durchführen kann. Deswegen haben wir den Termin heute gewählt, um das als Huckepack mit in die nächste Legislaturperiode zu geben, denn das sind alles Sachen, die einen langfristigen Ablauf haben.

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Das war arg konstruiert, Herr Schemmel.)

Nein, nein. Na warten Sie doch erstmal ab. Ich werde erläutern, welche Fehler und welche Versäumnisse die

CDU-Alleinregierung in der ablaufenden Legislaturperiode hinterlassen hat, und ich werde unsere Vorstellung vorstellen. Insoweit ist das natürlich auch eine Darstellung dessen, was wir in Regierungsverantwortung in der nächsten Legislaturperiode mit leisten wollen in diesem Land.

Meine Damen und Herren, ich verkenne bei weitem nicht das komplizierte Spannungsfeld, in dem sich die Bemühungen um eine Verwaltungsreform bewegen. Da sind auf der einen Seite Bestrebungen im "betriebswirtschaftlichen Sinne" - ich nenne da als Stichworte Rationalisierung, Verschlankung der Verwaltung, Personalabbau und auf der anderen Seite gesellschaftliche und soziale Verantwortung - Stichworte Arbeitslosenquote, Sozialsystem, Einstellungskorridor für Jüngere. Diese widersprüchlichen Sachen müssen in Einklang gebracht werden. Darüber hinaus ist Altersfluktuation zu berücksichtigen, die Ausbildungssituation, das Personal- und Beamtenrecht und schließlich ist die Mitbestimmung der Personalvertretung und die Selbstverwaltung der kommunalen Körperschaften zu respektieren. All dies gibt einen relativ weiten Spannungsbogen, in dem wir uns hier befinden. Es gibt daher wohl in der nächsten Legislaturperiode vergleichbar keine ähnlich schwierige und komplexe Aufgabe, aber es gibt auch sicherlich keine Aufgabe in der nächsten Legislaturperiode, die eine solche Gesamtanstrengung aller Entscheidungsträger auf allen Entscheidungsebenen erfordert.

Zur Notwendigkeit einer durchgreifenden Verwaltungsreform muss ich an dieser Stelle wahrscheinlich nicht ausführlich reden. Sie alle kennen zu genau die ständig steigende Diskrepanz zwischen Personalausgabenquote und Investitionsquote in unserem Landeshaushalt. Ich erinnere Sie noch mal: Die Investitionsquote fiel in den letzten zehn Jahren von ca. 30 auf ca. 20 Prozent; die Personalausgabenquote stieg im gleichen Zeitraum von 23 auf 26 Prozent und das mit einer weiteren Tendenz zur Erhöhung. Ähnliches gilt für die kommunalen Haushalte. Was wir deshalb brauchen, ist eine auf der Basis einer komplexen und intelligenten Aufgabenkritik und Personalanalyse gestützte Reform der Verwaltung und der Körperschaften. Wir brauchen nicht - ich betone dies -, wie bislang von der CDU-Regierung vorgeführt, sporadische Aktivitäten ohne fundierte Grundlage. Wir brauchen auch nicht undifferenzierte und Flächendeckelungen der Personalausgaben. Nun muss ich, wenn ich diesen Begriff schon geprägt habe, komplexe Aufgabenkritik, schon etwas sagen, was das eigentlich bedeutet. Das bedeutet, dass alle bisherigen und künftigen Handlungsfelder von Verwaltung - das ist aber schade, dass Herr Dittes jetzt nicht da ist, der hätte jetzt mal sich ein bisschen bilden können - zuerst auf ihre prinzipielle Notwendigkeit hinterfragt werden müssen. Ist diese Notwendigkeit festgestellt, sind Struktur und Aufwand der Aufgabe zu analysieren und vor allen Dingen prognostisch die weitere Entwicklung der Aufgabe zu betrachten. Die Prognose ist dabei von besonderer Wichtigkeit,

da nicht nur eine momentane Aufnahme der Aufgabe erfolgen soll. Ich nenne ein Beispiel: Sinkende Fördermittel - immer sehr stark beklagt, wenn der Bund was damit zu tun hat - müssen sich natürlich auch im zukünftigen Personal für Fördermittelvergabe und Verwendungsnachweise niederschlagen. Zum anderen muss z.B. die zunehmende Zahl von altersmäßig ausscheidenden Beamten berücksichtigt werden in dem Personalkörper, der mit diesen Aufgaben betraut ist. Dieses Beispiel belegt ja nicht nur die Notwendigkeit einer Aufgabenprognose, sondern sie zeigt auch gleichzeitig noch einmal, dass eine aus haushalterischen Gründen verfügte gleichmäßige Deckelung kein zielführendes Instrument einer Verwaltungsreform ist. Ich denke, meine Damen und Herren, komplexe Aufgabenkritik ist auch nicht nur ausschließlich durch externe Gutachter zu erhalten, sondern sie ist letztlich nur unter Einbeziehung internen Sachverstands von Leitung und Personal einer Behörde möglich.

Meine Damen und Herren, die Antwort der Landesregierung auf unsere Große Anfrage zeigt, dass bislang die gerade aufgezeigten Prämissen für eine vernünftige und sachgerechte Verwaltungsreform kaum bzw. nicht ausreichend Beachtung fanden. Die "Erfolge" der bisherigen sporadischen Reformversuche sind demzufolge zwangsläufig auch äußerst mager. Wir hatten nachgefragt z.B. nach der Kommunalisierung der Veterinärämter, nach der Privatisierung der Landesfachkrankenhäuser für Psychiatrie und Neurologie, nach der so genannten Neuordnung der Katasterämter und nach neun anderen Maßnahmen. In all diesen zwölf hinterfragten Maßnahmen waren die durch die Landesregierung dargestellten Effekte äußerst marginal bzw. sie ließen gerade erst durch diese Umstrukturierung neu entstandene Probleme erkennen. Ich erinnere hier nur an die Katasterverwaltung, an die entsprechenden Liegenschaften, dass plötzlich wieder neue Liegenschaften angemietet werden sollten etc., also neu entstandene Probleme aus diesen Maßnahmen. Zu den Katasterämtern heißt es im 6. Bericht der Landesregierung zur Verwaltungsmodernisierung dann auch nur lakonisch: "Die Reform des Kataster- und Vermessungswesens wurde durch die in Kraft getretene Anordnung... weiter betrieben." Da muss man hinzufügen: Das zugehörige Gesetz, was Klarheit hätte schaffen können, versandet jetzt in der Diskontinuität. Aber wie sollen eigentlich auch bei so einer Herangehensweise Effekte entstehen, ist man doch mit der notwendigen Aufgabenkritik bis heute bei der externen MICUS-Studie für die Arbeit ausschließlich bei der Innenverwaltung hängen geblieben, einer Studie, die, so hört man, für 190.000  erstellt wurde und kaum das Papier wert sei, auf dem sie gedruckt ist. Auch soll die Studie mit so viel Vorgaben bestückt gewesen sein, z.B. Beibehaltung von Strukturen, dass ein wirklich zielführendes Ergebnis von vornherein ausgeschlossen war. Aber auch jenseits fehlender Aufgabenkritik und Personalanalyse, der bereits ausgesprochenen marginalen Bilanz bisheriger Maßnahmen zeigt die Antwort der Landesregierung, wenngleich mit dem Versuch der Retusche, umfangreiche Mängel und

Versäumnisse. Ich erwähne an dieser Stelle nur das Fehlen eines einheitlichen IT-gestützten Personalverwaltungssystems, die ressortegoistischen Alleingänge bei Hardund Software, die mangelnde Zielstrebigkeit bei der Durchsetzung des E-Governments sowie die völlig mangelhafte Ausnutzung von Instrumenten, die einen Leistungsanreiz für Landesbedienstete schaffen könnten. Solche Instrumente gibt es, die Regierung bestätigte dies in ihrer Antwort zu unseren Fragen unter III b. Warum dieses wichtige Instrument jedoch im Freistaat Thüringen nicht genutzt wird, bleibt eines der Rätsel der selbst ernannten Verwaltungsreformer aus dem Lager der CDU. Und die viel zitierte Arbeit der Stabsstelle zur Reduzierung von Verwaltungsvorschriften muss ihren Nutzen erst noch in der Praxis erweisen. Eine Zusammenfassung von Verwaltungsvorschriften, um deren Gesamtzahl zu verringern, ist keine Verwaltungsreform und darüber hinaus ausschließlich ein enger behördeninterner Vorgang.

Wer die Antwort der Landesregierung jedoch insgesamt aufmerksam liest, sieht darüber hinaus, dass eine konzentrierte Gesamtanstrengung fehlt, dass alles zerbröselt und dass es überhaupt an einer Gesamtorientierung mangelt. Völlig unklar bleibt dem geneigten Leser, ob das Prinzip der Einräumigkeit der Verwaltung erreicht werden soll. Ich weise da z.B. auf die bestehende Diskrepanz zwischen den Staatsanwaltschaften und den Polizeidirektionen hin. Völlig unklar bleibt auch, ob die Zweistufigkeit der Verwaltung eine Zielstellung ist. Bei der Landwirtschaftsverwaltung im Freistaat exisitert sie, bei anderen Verwaltungen, selbst wo es möglich wäre, wird sie einfach nicht eingeführt.

Unsere Position hingegen zu einer Verwaltungsreform in der nächsten Legislaturperiode ist klar: Zu einer Verwaltung hin, zu Zukunftsfähigkeit, Effizienz und Servicefunktionen. Unsere Zielfunktionen sind die Prinzipien der Einräumigkeit und der Zweistufigkeit. Wir akzeptieren Dreistufigkeit nur im unbedingt notwendigen Umfang, also nur für ausgesuchte, eine Bündelung erzwingende Verwaltungs- und Genehmigungsverfahren bzw. von sonstigen Zuständigen unabhängige Verwaltungsverfahren in einigen wenigen Sonderbehörden. Und wir sehen auch die zwingenden Zusammenhänge - und jetzt wird es interessant, meine Damen und Herren, weil dies offensichtlich ein Gegensatz zur CDU ist - zwischen Verwaltungsreform, einer Reform der Gebietskörperschaften und deren Zusammenhang wiederum mit dem Landesentwicklungsplan. Eine prinzipielle Zweistufigkeit ist sinnvollerweise nur dann anzustreben, wenn die untere Verwaltungsebene auch eine entsprechende Verwaltungskraft besitzt. Dies betrifft in der Praxis dann sowohl die Ebene der Landkreise als auch die Ebene der Städte und Gemeinden, an die die Landkreise ihrerseits Aufgaben abgeben könnten. Und natürlich muss bei einer solchen Aufgabenübertragung überlegt werden, ob die jeweils nach "unten" abgegebene Aufgabe als übertragene Aufgabe weitergeleitet wird oder ob sie dann auch in die Entscheidungsgewalt der nunmehr zuständigen Ebene im

Status einer Pflichtaufgabe zugeordnet wird. Das sind Überlegungen, an die hat man sich im Freistaat Thüringen überhaupt noch nicht herangewagt. Die sind aber notwendig, wenn man eine vernünftige Reform an dieser Stelle machen muss, dass man nicht nur weiter übertragene Aufgaben formuliert, sondern dass man auch überprüft, ob sie in die Verantwortung der übergebenen Ebene gegeben wird.

Die Antwort der Landesregierung, meine Damen und Herren, auf unseren entsprechenden Fragenkomplex III bestätigt, dass in Thüringen durchaus nicht die effektivsten und verwaltungsstärksten kommunalen Strukturen bestehen. Dass trotz dieser Eingeständnisse der Regierung in ihrer Antwort kein Handlungsbedarf für eine Strukturänderung im kommunalen Bereich gesehen wird, verwundert und wird mit dem Respekt vor dem Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung begründet. Sie hören gleich noch mehr dazu. Was gibt es denn da so zu kichern?

(Zwischenruf Trautvetter, Innenminister: Nein, weil die Antwort korrekt ist.)

Wir sehen die Notwendigkeit von Veränderungen, um gerade im Interesse der Bürgerinnen und Bürger die kommunale Verwaltung effektiv zu gestalten und gleichzeitig Zweistufigkeit zu ermöglichen, denn kommunale Selbstverwaltung bedeutet gerade auch kommunale Handlungsfähigkeit. Handlungsfähigkeit und Selbstverwaltung bedingen sich wechselseitig - das eine kann es ohne das andere nicht geben und daraus sind Schlussfolgerungen zu ziehen. Die Aufgabe von Politik im staatlichen und kommunalen Bereich wird es sein, Strukturen und Verwaltungsänderungen nicht gegen, sondern im Einklang mit der kommunalen Selbstverwaltung zu schaffen. Dies könnte z.B. durch Erarbeitung neuer Zielvorstellungen über Größe und Leistungskraft der kommunalen Verwaltung geschehen. Herr Minister, auch in der Freiwilligkeitsphase der ersten Gebietsreform gab es ja einzuhaltende Vorgaben. Ich erinnere an die 3.000er-Grenze, an die 5.000er-Grenze, die von keinem als Einschränkung der kommunalen Selbstverwaltung aufgefasst wurden, obwohl diese Vorgaben natürlich auch einen freiwilligen Zwang darstellten. Also machen wir uns mal nichts vor, unter dieser Maßgabe kann man sich natürlich auch auf neue Zielvorstellungen verständigen, ohne die kommunale Selbstverwaltung dabei auszuhebeln. Ich rekonstruiere noch mal: Es gab auch während der ersten Gebietsreform einen milden freiwilligen Zwang und niemand hat das als Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung wahrgenommen. Ich weiß selbstverständlich um die Sensibilität der Veränderung kommunaler Strukturen. Ich fordere selbstverständlich nicht eine sofortige Lösung durch die Legislative, aber es muss ein an vernünftigen Vorgaben ausgerichteter Prozess in Gang kommen. Das reine Abnicken auch sporadischer kommunaler Zusammenschlüsse durch den Thüringer Landtag, und solche Wünsche nehmen erfreulicherweise ständig zu,

wird uns letztlich in Widersprüche zu den Zielen des Landesentwicklungsplans führen.

(Beifall bei der SPD)

Wir hatten ein solches Beispiel, der Minister und die Mitglieder des Innenarbeitskreises werden sich erinnern, schon im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt, wo wir ein sporadisches Zusammenfinden auf freiwilliger Basis von Gemeinden abgenickt haben, weil es freiwillig war, das aber im Gegensatz zu den Zielen des Landesentwicklungsplans stand. Dies können wir uns eigentlich nicht zur Dauerlösung machen, dass Gemeindezusammenschlüsse mit den Interessen eines Landesentwicklungsplans kollidieren. In diesem Spannungsfeld Landesentwicklungsplan, kommunale Strukturen, Verwaltungsreform auf allen Ebenen ist nur eine einvernehmliche Lösung zwischen allen Beteiligten möglich. Das ist eine Binsenweisheit. Dazu ist die Abkehr von Ressortdenken, von Egoismen verschiedenster Couleur und von einer Kirchturmblickweise notwendig. Ohne eine solche Neuorientierung werden wir notwendige Reformen in Thüringen nicht erreichen. Es sind also auch in diesem Fall nicht die objektiven Schwierigkeiten, die Reformen entgegenstehen, sondern auch hier gilt es zum Teil Barrieren in den Köpfen zu überwinden.

Meine Damen und Herren, ein letzter Gedanke: Thüringen ist hinsichtlich Fläche und Bevölkerungszahl ein kleines Land, und die Bevölkerungszahl zeigt leider auch noch eine abnehmende Tendenz. Die Frage ist deshalb berechtigt, ob man im Rahmen einer Verwaltungsreform nicht auch Synergieeffekte mit Nachbarländern ermöglichen sollte. Die so genannte Initiative Mitteldeutschland - im letzten Plenum bereits von meiner Kollegin Doht dargestellt, und aus der Beantwortung einer Großen Anfrage ergibt sich nichts Neues - hat allerdings ebenfalls keine erkennbaren Effekte gebracht. Außer Spesen nichts gewesen. Aber gerade hier in der länderübergreifenden Zusammenarbeit solcher kleineren Länder, um die es sich im so genannten Mitteldeutschland handelt, liegen wesentliche Reserven, auch für eine Verwaltungsreform im Freistaat Thüringen. Gerade auf diesem Feld sollten wir nicht zu kurz denken. Wir sollten uns nicht selbst zuerst die Scheuklappen aufsetzen.

Ein kurzes Fazit meiner Ausführungen: Die CDU-Alleinregierung hat wohl die Notwendigkeit einer Verwaltungsreform in Thüringen erkannt, ihr fehlten aber in der letzten Legislaturperiode Kraft, Mut und Geschick zu einer entsprechenden Durchsetzung. Es wurden einige sporadische Ansätze ohne echte Effekte versucht, es fehlte aber die konsequente Aufgabenkritik und Personalanalyse als unabdingbare Voraussetzung für eine komplexe und sinnvolle Verwaltungsreform. Deshalb hat die Regierung auf diesem Gebiet in der 3. Legislaturperiode versagt, und für das gewählte Parlament und natürlich für die dann gebildete Regierung ist eine der wichtigsten Aufgaben für die nächste Legislaturperiode vorgegeben. Wir Sozial

demokraten werden uns nach der Landtagswahl in Regierungsverantwortung dieser Aufgabe stellen. Ich denke, dass wir etwas mehr Kreativität und Kraft in diesen Vorgang einbringen können als die Landesregierung in der 3. Legislaturperiode. Falls die Landesregierung in der 4. Legislaturperiode an der neuen Regierung beteiligt ist, kann sie ja ihre eigene Kraft und ihre eigene Anstrengung verstärken auf diesem Gebiet.

(Beifall bei der SPD)

Für die Landeregierung hat sich der Innenminister Trautvetter zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich wollte eigentlich nicht noch einmal zu dem Thema reden, aber eine Bemerkung, Herr Schemmel, treibt mich doch hier an dieses Rednerpult. Sie sagen, die Landesregierung hätte kein Konzept für kommunale Verwaltungsstrukturen u.ä. Wir setzen auf das Prinzip der Freiwilligkeit und der kommunalen Selbstverwaltung.

(Beifall bei der CDU)

Das ist mehrfach gesagt worden und es bleibt auch in der nächsten Legislaturperiode unsere Priorität. Dass man das fördert, auch dazu haben wir uns geäußert. Wenn Sie eigene Vorstellungen in der SPD haben, welche Gemeindegrößenklassen Sie vorschreiben, welche kommunalen Verwaltungsstrukturen Sie vorschreiben, dann tun Sie das bitte der Öffentlichkeit kund. Aber wenn Sie das in der nächsten Legislaturperiode umsetzen wollen in Verantwortung, dann wäre es ehrlich gegenüber den Bürgern, Sie würden das auch vor der Wahl kundtun, wie Ihre Vorstellungen dann aussehen.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Super, genauso wie Ihre Vorstellungen zum LEP.)

(Beifall bei der CDU)

Es gibt eine weitere Wortmeldung des Abgeordneten Schemmel.

Herr Minister, Sie haben vor sich hin gekichert. Sie dachten vielleicht, wenn ich die kommunale Selbstverwaltung erwähne, könnten Sie mir hinterher vorwerfen, ich würde sie nicht respektieren. Ganz im Gegenteil, wir respektieren sie hoffentlich alle gleichermaßen in diesem Haus.

(Beifall bei der CDU)

Aber ich habe die Beispiele gebracht aus der ersten Stufe der Reform der Gebietskörperschaften,

(Heiterkeit Trautvetter, Innenminister)

(Beifall bei der SPD)

(Zwischenruf Trautvetter, Innenminister: Sagen Sie nur wie.)

und ich habe gesagt, es muss ein fundierter Prozess zustande kommen, der ein Klima zu schaffen ermöglicht, in dem man eine neue Gebietsstruktur bilden kann. Ein Prozess, der ein Klima schafft, das ist kein Prozess, wo man die Gemeinden zu irgendetwas vergewaltigen will gegen ihren Willen oder gegen ihre verfassungsrechtlich garantierte Selbständigkeit, sondern das ist ein Prozess, wo man die Gemeinden mitnimmt in die Freiwilligkeit hinein. Und ich habe nur gefordert, dass wir dafür sorgen müssen, dass der Gleichklang zwischen Landesentwicklungsplan, zwischen Gemeindestruktur und Verwaltungsreform immer aufrechterhalten wird, weil sonst die ganzen Vorschläge ins Leere gehen. Deswegen kann ich nicht verstehen, dass Sie uns jetzt vorwerfen, wir würden die kommunale Selbstverwaltung nicht schätzen. Wenn Sie von mir Vorschläge haben wollen über mögliche Gemeindegrößen, dann lassen Sie uns gemeinsam die Antwort der Landesregierung auswerten. Dort lassen sich nämlich durchaus Auswahlen treffen, wo optimale Strukturen sind. Die Landesregierung beurteilt das sogar in ihrer Antwort auf die Große Anfrage. Ich habe jetzt die Passagen nicht wörtlich im Kopf, aber sie sagt, dass sich vor allem eigenständige Gemeinden mit einer Größe von deutlich über 5.000 bewährt haben. Die Zahl, die Sie also haben wollen, die steht schon in der Antwort der Landesregierung drin. Dann lassen Sie uns darauf einigen und dann versuchen wir aufgrund dieser Zahl, einen Prozess in Gang zu bringen.