Protocol of the Session on March 4, 2004

Sehr geehrter Herr Sonntag, ich habe mich doch eindeutig ausgedrückt.

Herr Abgeordneter Ramelow, Sie haben eine zweite Nachfrage.

Herr Minister, ist Ihnen eine Fluglinie bekannt, die von Thüringer Flugplätzen startet oder landet, die den Namen oder den Begriff "Billigfluglinie" verdient hätte, oder kann man daraus schlussfolgern, dass Sicherheitsstandards bei solchen Fluggesellschaften geringer einzuschätzen sind als bei anderen Fluggesellschaften?

Der landläufige Begriff "Billigfluglinie" hat nichts mit den Sicherheitsstandards zu tun. Dass die Fluggesellschaften etwas preiswerter sind, das hängt mit ihrem Service zusammen, aber nicht mit den sicherheitstechnischen Voraussetzungen.

(Beifall Abg. Schemmel, SPD)

Ich sehe keine weiteren Nachfragen. Danke schön. Wir kommen zu Frage in Drucksache 3/4050, eine Mündliche Anfrage der Frau Abgeordneten Becker. Frau Abgeordnete Doht, Sie werden sie stellen. Bitte schön.

Namens der Abgeordneten Becker stelle ich folgende Anfrage:

Verantwortung der öffentlichen Träger der Jugendhilfe bei der Abschiebung Minderjähriger

Im Falle der Abschiebung der Familie Le Da hat sich die Mutter und Bekannte der Familie im Vorfeld zur Vermeidung einer Gefährdung des Kindeswohles Hilfe suchend an den örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe, an das Jugendamt in Nordhausen, gewandt. Dennoch sind Initiativen der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Abwendung der Gefährdung des Kindeswohles nicht bekannt.

Ich frage die Landesregierung:

1. Hat das Jugendamt des Landkreises Nordhausen bzw. die Kreisverwaltung des Landkreises die obere oder oberste Landesjugendbehörde zu irgendeinem Zeitpunkt des Abschiebungsverfahrens informiert oder um Hilfe gebeten, und wenn ja, mit welchem Ergebnis?

2. Welche Maßnahmen hätte das Jugendamt nach Ansicht der Landesregierung unter Berücksichtigung der Aufgabenstellung des Achten Buchs Sozialgesetzbuch und des Thüringer Kinder- und Jugendhilfe-Ausführungsgesetzes (ThürKJHAG), insbesondere von § 15 ThürKJHAG, ergreifen können, sollen oder müssen?

3. Inwieweit ist bei derartigen Abschiebungen von Minderjährigen in Thüringen eine Beteiligung oder eine Information der örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe und der oberen und obersten Landesjugendbehörde gewährleistet oder zukünftig vorgesehen?

4. Welche Hilfen hätten die öffentlichen Jugendbehörden nach dem jetzigen Stand der Erkenntnisse anbieten können, um dem Kindeswohl und dem Elternwunsch besser entsprechen zu können?

Herr Minister Trautvetter, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, namens der Landesregierung beantworte ich die Mündliche Anfrage wie folgt: Zunächst einige Vorbemerkungen. Die "Thüringer Allgemeine" hat in den letzten Wochen in zahlreichen Artikeln über die Abschiebung einer vietnamesischen Familie von Bleicherode in ihr Herkunftsland Vietnam berichtet. Es ist verständlich, dass diese Abschiebung in der Öffentlichkeit große Aufmerksamkeit gefunden hat. Es ist insbesondere nachvollziehbar, dass das Schicksal des 12jährigen Jungen, der seine gewohnte Umgebung in Deutschland verlassen und sich in Vietnam in einer völlig neuen Umgebung zurechtfinden muss, viele Menschen bewegt. Wenn dennoch die Abschiebung durchgeführt werden musste, so liegen die Gründe in der Besonderheit des Falles, die rechtlich keine andere Entscheidung zuließen.

Zu Frage 1: Nein.

Zu Frage 2: Es ist aufgrund der Bestimmung des Achten Sozialgesetzbuches und des Thüringer Ausführungsgesetzes zum Kinder- und Jugendhilfegesetz rechtlich nicht möglich, ausländerrechtlich vorgeschriebene Abschiebungen zu unterlassen. Im Übrigen weise ich darauf hin, dass nach Auskunft des Jugendamtes Nordhausen im Dezember 2003 lediglich ein Informationsgespräch mit vier Frauen, die ihre Identität nicht offen legten, über die Möglichkeit einer Adoption geführt wurde.

Zu Frage 3: Nach dem Übereinkommen über die Rechte des Kindes vom 20.11.1989 in Verbindung mit dem Achten Sozialgesetzbuch ist eine Beteiligung des zuständigen Jugendamts lediglich bei minderjährigen Ausländern unter 16 Jahren vorgesehen, die sich nicht in elterlicher Begleitung befinden. Das Jugendamt prüft in diesen Fällen, ob die Aufnahme des Kindes im Heimatland durch Familienangehörige gewährleistet ist.

Zu Frage 4: Hierzu verweise ich auf die Antwort zu den Fragen 2 und 3.

Ich sehe keine Nachfragen. Danke schön. Wir sind für heute mit unserer Fragestunde zu Ende.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 18 und rufe den Tagesordnungspunkt 19 auf

Aktuelle Stunde

a) auf Antrag der Fraktion der PDS zum Thema: "Besorgnis erregende Verkehrsunfallentwicklung in Thüringen - politische Aktivitäten, um Thüringens Straßen sicherer zu machen" Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 3/4024

Zunächst hat Herr Abgeordneter Lemke das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, beim Unfall im Landkreis Gotha ließ ein 19-Jähriger sein Leben. Insgesamt kam es am Wochenende auf Thüringens Straßen zu 217 Unfällen. So lautete eine Mitteilung in der Rubrik "Kurz und Knapp" in der "Thüringer Allgemeinen" am letzten Montag. Mitteilungen, wie sie an jedem Montag zur Kenntnis gegeben werden, zur Kenntnis genommen werden und dann wird zur Tagesordnung übergegangen, dem vielleicht - vielleicht - noch ein bedauerndes Kopfschütteln vorausgegangen war. 294 Menschen verloren im Jahr 2003 auf Thüringer Straßen ihr Leben. Das sind 29 mehr als ein Jahr zuvor, ein Anstieg um 10,9 Prozent. In keinem anderen Bundesland, die Stadtstaaten ausgenommen, ist eine schlechtere Entwicklung zu verzeichnen. Der Rückgang der Anzahl der Unfälle um 5,7 Prozent im gleichen Zeitraum macht deutlich, dass die Schwere der Unfälle deutlich zugenommen hat. Wir haben es in Thüringen mit einem Anstieg bei schwereren Verkehrsunfällen um mehr als 12 Prozent zu tun. Die Anzahl der Menschen, die bei Unfällen ihr Leben lassen mussten, bei denen Alkohol im Spiel war, stieg um 7 Prozent.

Meine Damen und Herren, diese Zahlen sprechen eine sehr deutliche Sprache und hinter ihnen verbirgt sich viel Schmerz und Leid. Die Landesregierung ist aufgefordert, dieser Entwicklung endlich mit Entschiedenheit entgegenzuwirken. Geeignete Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit und zur Senkung des Unfallgeschehens sind gefragt. Verkehrssicherheit muss als Problem der ganzen Gesellschaft verstanden werden. Mutige Neuregelungen oder die Wiedereinführung bereits früher einmal geltender Normen sind nötig. Die Landesregierung sollte sich der Ernsthaftigkeit dieses Problems endlich bewusst werden und die notwendigen Initiativen ergreifen. Es reicht nicht aus, die Lösung dieses Problems auf die Schultern einiger Verkehrsspezialisten oder auf die Polizei zu verlagern. Neue Regelungen des Straßenverkehrsrechts sind gefragt. Dabei muss man nichts Neues erfinden, denn es gibt eine Fülle von Erfahrungen, die in anderen Ländern zu positiven Ergebnissen geführt haben. Aus meiner Sicht gehören

mindestens die nachfolgend genannten dazu:

1. Weg mit der Alkoholtoleranz. 0,0 Promille müssen zum Gesetz werden. In allen Ländern, in denen diese Regelung gilt, ist die Anzahl der Verkehrsunfälle, bei denen Alkohol im Spiel war, deutlich unter der Zahl, die in Deutschland verursacht werden. Bei dem negativen Trend würde ein Vorstoß im Bundesrat Thüringen gut zu Gesicht stehen. Auf meine Kleine Anfrage antwortete der zuständige Minister in Drucksache 3/3939 sinngemäß: Die Promillegrenze ist Empfehlung der Europäischen Kommission und Fahren unter Alkohol kommt nur bei jungen Männern, regelmäßig Trinkenden und Gelegenheitstrinkern vor. Weil das so ist, brauchen wir keine neuen Regelungen.

Herr Minister, es ist - wie Sie selber feststellen - eine Empfehlung der Kommission. Nichts verbietet der Bundesrepublik, unter der Empfehlung zu bleiben, so wie andere Länder es bereits praktizieren. Der Beschreibung der aus Ihrer Sicht infrage kommenden Tätergruppe ist fast nichts hinzuzufügen, außer der Tatsache, dass es im realen Leben bei diesem Delikt leider mit der Gleichberechtigung besser bestellt ist als in anderen Bereichen, wo es mehr gewünscht wäre.

(Beifall bei der PDS)

2. Schluss mit der ungehinderten Raserei. 130 km/h auf der Autobahn und 80 km/h auf Landstraßen sind genug. Jede Geschwindigkeitskontrolle ist willkommen, da sie hilft Leben zu schützen. In diesem Falle immer wieder von Abzockerei zu sprechen, halte ich für völlig falsch. Da ja nur der mit Bestrafung rechnen muss, der sich nicht den Regeln und Normen entsprechend verhält.

3. Mehr Sicherheit durch Sichtbarkeit. Das Fahren mit Licht am Tage sollte zur Regel werden. Der Minister antwortete auf meine diesbezügliche Frage in o.g. Drucksache wie folgt: "Die Einführung einer generellen Lichtpflicht für alle Kraftfahrzeuge wird nach jetzigem Stand der Erkenntnisse nicht befürwortet." Weiter sagt er sinngemäß, eine abschließende Beurteilung ist erst nach Vorlage wissenschaftlicher Erkenntnisse möglich.

Herr Minister Reinholz, wie viele Erkenntnisse benötigen Sie denn, um handeln zu können? Ihre Kollegen in der Europäischen Verkehrsministerkonferenz stellen nach der Auswertung von 24 Tagesfahrlichtstudien fest, dass durch das Einschalten des Fahrlichts auch am Tage jährlich 2 Mio. Verkehrsunfälle mit 155.000 Verletzten und 5.500 Toten und Folgekosten in Höhe von rund 5 Mrd.  vermieden werden können.

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Können Sie noch ruhig schlafen, Herr Minister?)

Ich frage mich, ob diese großen Zahlen Sie überfordern oder ob Sie die Brisanz, die hinter den Zahlen steht, nicht erfassen. In beiden Fällen sollten Sie diese Aufgabe dann

besser anderen überlassen. Aber ich will Ihnen noch mehr gesicherte Daten zukommen lassen. In neun europäischen Ländern ist Fahren mit Licht am Tage Pflicht. In drei weiteren ist es zu bestimmten Jahreszeiten Pflicht. In Niedersachsen, wo bekanntlich die CDU die Regierung stellt, sind alle Fahrzeuge von Landesbehörden auch am Tage mit Licht unterwegs, weil man dort die Richtigkeit dieses Mittels als Beitrag zur Erhöhung der Verkehrssicherheit erkannt hat und danach handelt. In Thüringen passiert nichts.

Herr Abgeordneter, bitte kommen Sie zum Schluss.

Thüringen braucht ein Verkehrssicherheitsprogramm

(Beifall bei der PDS)

und da bringt es auch nichts, wenn wir einen Antrag der CDU mit Drucksache 3/1935 hier im Landtag behandelt haben, der appellarischen Charakter hatte, aber im Grunde nichts, aber auch gar nichts für die Zukunft und schon gar nichts Nachhaltiges für mehr Sicherheit auf Thüringens Straßen bewirkt. Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Frau Abgeordnete Groß, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, um es vorweg an die Adresse der PDS zu sagen, mit dem Titel Ihrer Aktuellen Stunde verunsichern Sie die Bürgerinnen und Bürger in unserem Lande auf eine, wie ich finde, mehr als ungebührliche Weise. Mit dem Adjektiv Ihrer Überschrift suggerieren Sie zum einen, dass man sich als Straßenverkehrsteilnehmer in Thüringen besser nicht mehr auf die Straße wagen sollte und zum anderen suggerieren Sie damit, dass das nur an der Politik liege. Ich denke, jeder Verkehrsteilnehmer kennt die Verkehrsregeln und hat auch eine eigene Verpflichtung, sich dort ordnungsgemäß zu verhalten.

(Beifall bei der CDU; Abg. Gentzel, SPD)

Was Sie sagen, geht aus meiner Sicht an der Realität vorbei. Auch wenn mir ein solcher fehlender Realitätsbezug aus verschiedenen Politikfeldern Ihrer Arbeit nicht unbekannt ist, bedarf es doch einiger Korrekturen. Denn bei einer näheren Analyse der tatsächlichen Zahlen stellt sich die Sachlage etwas anders dar, als Sie uns glauben machen wollen. Auch wenn wir das Thema vor allem im Blick auf gerade die jüngeren Verkehrsteilnehmer nicht

schönreden wollen - und es gilt, jeden Verletzten oder gar Toten nach Möglichkeit zu verhindern -, sind wir natürlich vor den Unbillen des Lebens - und dazu zählt natürlich der Straßenverkehr - nicht gefeit. Sie können mir glauben aus der Vergangenheit, ich weiß genau, wovon ich hier rede.

Wenngleich ich aufgrund des § 93 Abs. 7 unserer Geschäftsordnung natürlich nicht auf alle wesentlichen mit dem Thema zusammenhängenden Fragen eingehen kann, möchte ich einige Fakten mitteilen, die zeigen, dass wir in Thüringen auch weiterhin daran arbeiten müssen, Personenschäden im Straßenverkehr zu vermeiden. Es zeigt sich aber zumindest in Teilbereichen, dass wir im Bundesdurchschnitt in Thüringen keine Zustände haben, die der von Ihnen, meine Damen und Herren von der PDS, dargestellten Panikstimmung gerecht werden.

Aufgrund der jüngsten Erhebung des Statistischen Bundesamts 2003 ist ein bundesweiter Rückgang der Verkehrstoten um 3 Prozent zu verzeichnen. Demgegenüber hat sich die Zahl der Unfalltoten in Thüringen von Januar bis November 2003 im Vergleich zum Vorjahr um 30 Tote erhöht. Deshalb haben Sie Recht, dass man hierauf ein besonderes Augenmerk legen sollte.

Gleichzeitig ist aber hervorzuheben, dass im zweiten Jahr in Folge in Thüringen weniger als 300 Menschen bei Verkehrsunfällen getötet wurden. Eine Reduzierung der jährlichen Unfalltoten seit 1991 von damals 547 auf nunmehr 295 ist ein beachtliches Ergebnis der bisherigen Verkehrssicherheitsarbeit der zurückliegenden Jahre. Zudem liegt die Zahl der bei Verkehrsunfällen Verunglückten je 100.000 Einwohner im Jahr 2003 mit 558 in Thüringen unter dem Bundesdurchschnitt von 568 und bestätigt die grundsätzlich positive Entwicklung. Zudem ging die Zahl der Verkehrsunfälle mit Verletzten im Vergleich zu 2002 im Jahr 2003 in Thüringen um 3 Prozent zurück. Damit liegt Thüringen in etwa im Bundesdurchschnitt, der einen Rückgang von 2,9 Prozent ausweist.

Die im Herbst 2003 durch die Landesregierung gefassten Beschlüsse und Aktivitäten zeigen aber, dass die Exekutive in den verschiedensten Bereichen Maßnahmen ergriffen hat, die Unfällen mit Personenschäden entgegenwirken. Dazu zählen etwa gezielte Schwerpunktkontrollen im Rahmen der polizeilichen Verkehrsüberwachung, Jahreskampagnen - sowohl präventiv als auch repressiv und öffentlichkeitswirksame Aktionen. Ich sage es noch einmal, politische Aktivitäten allein werden nicht den Erfolg haben, dass wir keine Verletzten oder Unfalltoten mehr auf unseren Straßen haben. Auch in vielen kommunalen Bereichen gibt es verschiedene Aktivitäten der Prävention; und allen, die sich hierfür stark machen, meinen Dank. Ich betone noch einmal, jeder Verletzte oder Tote im Straßenverkehr ist einer zu viel. Daher möchten wir die Landesregierung bitten, auch weiterhin an den durch sie eingeleiteten Maßnahmen zur Verkehrsunfallvermeidung festzuhalten. Wir werden aber auch bei