Protocol of the Session on June 29, 2023

wollen. Auch das ist zu begrüßen. Dagegen hat niemand etwas. Aber man muss auch feststellen, dass viele ausländische Fachkräfte gar nicht zu uns kommen, sondern dorthin gehen, wohin auch unsere Fachkräfte auswandern, nämlich in die skandinavischen, die nordischen Länder oder nach Amerika, Australien oder Kanada.

Wir sollten untersuchen, was die Ursache dafür ist, dass so viele Fachkräfte abwandern und dass so viele Fachkräfte andere Länder bevorzugen. Dabei könnte man bspw. lernen, dass viele Fachkräfte das Steuergesetz in Deutschland für schlecht und nicht attraktiv halten. Der Spitzensteuersatz beträgt das Eineinhalbfache des Durchschnittseinkommens. In Ländern wie Finnland greift der Spitzensteuersatz erst bei 200 000 €. In anderen Ländern ist es genauso; dort gibt es auch andere Steuermodelle. All das kann man lernen, wenn man die Dinge, die man bei Ausschussreisen mitnimmt, umsetzen

würde.

Ich hoffe, dass die Kollegen von der Koalition solche Dinge in ihr Konzept hineinschreiben. Herr Bernstein hat schon gesagt: Jawohl, die FPD wird das begleiten.

(Jörg Bernstein, FDP: In Finnland waren die Grenzen aber niedriger!)

- Nein, der Spitzensteuersatz greift bei 200 000 € und liegt bei 56 %. Und wir haben von einem Steuerfreibetrag von 15 000 € gehört.

Punkt 4 - Kooperationen und Gespräche mit dem Ausland sind immer gut.

Punkt 5 - auch die Nutzung von internationalen Leitmessen für KMU ist gut. Wir wissen, dass mehr als 90 % der Betriebe in Sachsen-Anhalt kleine und mittlere Unternehmen sind. Das kann man begrüßen.

Punkt 6 - Qualifizierung und Fortbildung sind immer gut.

Punkt 7 - die Erprobung für die Arbeitsmärkte ist auch in Ordnung.

Punkt 8 - die Beibehaltung des Außenwirtschaftsbeirates ist auch in Ordnung. Ein Austausch ist wichtig, das kann nicht schaden.

Nun komme ich zu Punkt 2. Das ist der Punkt, der uns dazu zwingt, den Antrag abzulehnen. Das muss ich so sagen. Sie schreiben dort:

„Eine Vertiefung der starken Außenhandelsbeziehungen Sachsen-Anhalts mit den

Staaten der Europäischen Union sowie mit Wertepartnern außerhalb der EU.“

Das ist eine interessante Formulierung. Dazu muss ich einmal fragen: Wer genau sind denn unsere Wertepartner? Wer ist das konkret? Wer gehört dazu? Welche Kriterien setzen wir an, damit jemand unser Wertepartner wird, und wer legt diese fest? Zu all dem ist nichts gesagt worden. Soll nun im Sinne der wertegeleiteten Außenpolitik von Annalena Baerbock auch hier eine wertegeleitete Wirtschaftspolitik etabliert werden?

Ich muss ehrlich sagen: In Vorbereitung auf meinen Redebeitrag dachte ich eigentlich, dass der Antrag von der CDU-Fraktion eingebracht wird. Dass aber nun zwei Koalitionspartner, die auch im Bund koalieren, nämlich die SPD und die FDP, neben einer wertegeleiteten Außenpolitik die wertegeleitete Wirtschaftspolitik einführen

wollen, finde ich bedenklich. Sind unsere Wertepartner solche Länder wie die USA, die uns überteuertes LNG-Gas verkaufen und die durch ihr Antiinflationsgesetz dafür Sorge tragen, dass Unternehmen wie Meyer Burger lieber in Amerika investieren als in Deutschland? Ich finde, diese Doppelmoral ist nicht zu überbieten.

Ich frage Sie: Zählen zu den Wertepartnern auch Länder wie Katar oder Aserbaidschan, die genau das Gleiche wie die Länder machen, die wir sanktionieren? Dazu muss ich sagen: Das ist für mich nicht nachzuvollziehen und hat mit den Interessen der Wirtschaft nichts zu tun. Das ist einfach ideologisch vorangetrieben. Diese Fälle zeigen, welche Willkür und Scheinheiligkeit bei der Anwendung der moralischen Maßstäbe herrschen. Statt einer wertegeleiteten Wirtschaftspolitik brauchen wir endlich wieder eine interessengeleitete Politik zum Wohle der Bürger und Unternehmen in diesem Land, meine Damen und Herren. Dafür setzen wir uns als AfD ein.

(Zustimmung bei der AfD)

Wir lehnen den Antrag ab. - Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Herr Rausch, das war eine Punktlandung. - Jetzt kommt Herr Silbersack.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich bin sehr dankbar für dieses Thema, ist es doch aktueller denn je; denn das Thema Außenwirtschaft ist in diesen herausfordernden Zeiten sehr wichtig. Wir müssen schauen, was die Märkte für die Zukunft des Landes Sachsen-Anhalt sind und wo wir bei den geopolitischen Herausforderungen unsere Partner sehen.

Die Rahmenbedingungen haben sich geändert. Wir haben eine geopolitische Zeitenwende. Wir haben eine Situation, in der wir gemerkt haben,

dass Gaspreise in die Höhe schnellen. Deshalb ist es wichtig und richtig, dass man sich - das würde jeder Unternehmer auch machen - in seiner Außenhandelsstrategie diversifiziert aufstellt.

Die deutsche Wirtschaft insgesamt ist dadurch gekennzeichnet, dass sie eine Exportnation ist. Deutschland ist das Land - das möchte ich an der Stelle auch einmal sagen -, das europaweit am meisten davon profitiert hat, da es die größten Exporte in die EU hat. Das heißt, wir waren in den letzten Jahren und Jahrzehnten das Land, das der Gewinner der Europäischen Union war.

Deshalb ist es für Deutschland und auch für das Land Sachsen-Anhalt extrem wichtig, dass wir mit unserer Außenwirtschaft, was die Liefer- ketten und auch die Handelspartner anbetrifft, so aufgestellt sind, dass die Dinge passen. Das hat natürlich auch etwas mit dem Thema Gas und Rohstoffen zu tun. Es sind ganz vielfältige Themen, die diesbezüglich für uns von wesentlicher Bedeutung sind.

(Unruhe)

Wir brauchen eine strategische Überarbeitung im Land Sachsen-Land, weil es für uns wichtig ist, die Frage zu klären: Was wollen unsere Unternehmen, und was wollen Unternehmen außerhalb von Sachsen-Anhalt, die international aufgestellt sind?

(Unruhe)

Herr Silbersack, einen Augenblick, bitte. - Könnten einzelne Personen vielleicht ihre Gespräche nach draußen verlagern? In der Masse führt das nämlich dazu, dass man den Redner hier vorn ausgesprochen schlecht verstehen kann.

(Tobias Rausch, AfD: Außerdem ist es sehr unhöflich!)

Wenn man sich die Zahlen anschaut, was den Export Sachsen-Anhalts anbetrifft, stellt man fest, dass wir im Jahr 2022 - der Minister hat es schon gesagt - Waren mit einem Wert von knapp 30 Milliarden € exportiert haben. Dabei war Polen mit 13,71 %, also 3,1 Milliarden €, der größte Abnehmer. Die Exporte gingen nach Asien, nach Amerika usw. Insgesamt hatten wir also Exporte im Umfang von 30 Milliarden €.

Die Importe betrugen 24 Milliarden €. Das heißt, es besteht ein Exportüberschuss: Enderzeugnisse, Rohstoffe usw. usf. Wichtig ist es, dabei zu wissen, dass bei den Importländern - das hat natürlich viel mit Rohstoffen zu tun - auf Platz 2 die Russische Föderation, d. h. Russland, mit 3,5 Milliarden €, auf Platz 3 Polen mit 2,4 Milliarden € und auf Platz 4 China mit 2,3 Millionen € liegt. Allein diese Zahlen zeigen, wie wichtig es ist, dass wir hierbei, insbesondere was das Thema Abhängigkeit von Rohstoffen und Enderzeugnissen anbetrifft, schauen

müssen. Das heißt, der Heimatmarkt wird auch hierbei interessanter. Lieferketten nach China, Taiwan etc. - all das spielt eine Rolle.

Für uns als FDP-Fraktion ist deshalb die Diversifizierung der Außenwirtschaft von elementarer Bedeutung. Wir müssen unabhängiger von Einzelnen werden und uns breiter aufstellen.

In diesem Zusammenhang - das haben wir auch im Bund tatsächlich nach vorn treiben können - sind die zukünftigen Freihandelsabkommen CETA, JEFTA, Mercosur und ASEAN wichtig. Diese Freihandelsabkommen sind für uns von elementarer Bedeutung, verstärken sie doch

den freien Handel. Der Abg. Hövelmann hat vorhin gesagt, wie es im Mittelalter mit den Tüchern, mit Gewürzen usw. war. Hier haben wir die Möglichkeit, den Freihandel als Chance zu sehen.

Eine für mich wesentliche und wichtige Frage ist: Wie interessant sind wir für Risikokapitalgeber aus dem Ausland? Die Außenhandels- und wirtschaftsstrategie wird auch darauf auszurichten sein, dass wir privates Risikokapital von außerhalb nach Sachsen-Anhalt bekommen.

Ich veranschauliche das einmal anhand von Zahlen - das sind positive Zahlen -: Das Land Sachsen-Anhalt hat im Jahr 2020 Risikokapital in Höhe von 5 Millionen € bekommen.

(Zuruf von der CDU: Das ist zu wenig!)

Im Jahre 2021 waren es 42 Millionen €. Wenn man die Zahlen mit denen in Kalifornien vergleicht, wo wir letztens waren, dann stellt man fest: Dort betrug im Jahr 2021 das Risikokapital 60 Milliarden €. Die Frage des Risikokapitals ist deshalb so elementar wichtig, weil sie unmittelbar mit dem Thema Start-ups zu tun hat. Wir brauchen internationale Investoren, die bereit sind, in Zukunftstechnologien, die hier insbesondere auch mit Intel in Sachsen-Anhalt ver- ortet sind, zu investieren, und die bereit sind, privates Geld nach Sachsen-Anhalt zu bringen, meine Damen und Herren.

Deshalb ist es wichtig, dass wir das Thema Risikokapital ganz stark bei der Ausrichtung des Außenhandels- und Außenwirtschaftskonzepts berücksichtigen. Wir können und müssen dort besser werden. Deutschland hatte im Jahr 2021 insgesamt 17 Milliarden €. Wir brauchen einen großen Anteil des Kuchens. Wir sind noch zu sehr von öffentlichen Mitteln im Bereich der Start-ups abhängig.

Herr Silbersack, kommen Sie bitte zum Schluss.

Deshalb ist es wichtig, dass wir innovativ herangehen. Wir brauchen einen englischsprachigen Digital Hub als Unternehmensplattform. Insofern ist es richtig, dass wir uns hier auf den Weg machen. Ich glaube, der Start ist gegeben. - Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wir liegen bisher relativ gut in der Zeit. Mich hat eben die Nachricht erreicht, dass sich die Parlamentarischen Geschäftsführer darüber verständigt haben, dass wir den Tagesordnungspunkt 7 auch noch vor der Mittagspause behandeln. Nur, damit sich jeder bitte darauf einstellen kann.

(Zustimmung von Marco Tullner, CDU)

Jetzt kommt Herr Gallert ans Rednerpult. Bevor er anfängt zu sprechen, möchte ich Schülerinnen und Schüler der Förderschule „David-SachsSchule“ in Quedlinburg begrüßen, die oben auf der Tribüne Platz genommen haben. - Seien Sie herzlich willkommen in diesem Haus!

(Beifall im ganzen Hause)

Ich freue mich, dass Sie dem parlamentarischen Wesen einen ganzen Tag widmen wollen.