Protocol of the Session on June 29, 2023

Jetzt muss Herr Gallert auch antworten können.

Sie fragen mich und dann wollen Sie die Antwort nicht hören.

Herr Gallert, das habe ich eben schon klargestellt, dass Sie jetzt reden.

(Ulrich Thomas, CDU: Geben Sie doch wirk- lich einmal eine Antwort!)

Okay, wenn Sie das dem Kollegen Thomas vielleicht auch noch einmal irgendwie - -

(Ulrich Thomas, CDU: Eine Antwort möchte ich hören! Nicht eine Bewertung! Sie möch- ten die Frage nicht beantworten!)

Herr Thomas, Sie müssen Herrn Gallert auch die Chance geben, die Antwort zu geben. - Jetzt gibt Herr Gallert eine Antwort auf die Frage.

(Ulrich Thomas, CDU: Aber er bewertet doch nur die Frage und gibt keine Antwort!)

Sind Sie jetzt fertig?

(Ulrich Thomas, CDU: Das weiß ich noch nicht! Ich weiß ja noch nicht, was Sie sagen!)

- Okay. - Noch einmal: Natürlich ist die Frage der Zulässigkeit von Stoffen und Stoffkombinationen auf der europäischen Ebene eine Aushandlungssache. Natürlich kann oder muss man auch über die einzelnen Detailfragen der REACH- bzw. anderer Richtlinien, die dazu veröffentlicht sind, mit Brüssel diskutieren. Das ist eine Aushandlungssache.

Wogegen ich mich wehren werde, das ist zu sagen: Jedwede Einschränkung für stoffliche Emissionen, für stoffliche Verbreitung und für stoffliche Herstellung in der Chemieindustrie, die in diesem Kontext diskutiert wird, ist lediglich ideologiegetrieben. - Nein, das ist es nicht. Wir haben eine Güterabwägung zu treffen.

(Ulrich Thomas, CDU: So ein Quatsch! - Zu- rufe von Kathrin Tarricone, FDP, und von An- dreas Silbersack, FDP)

Zu dieser Güterabwägung gehört sehr wohl auch das Interesse von Mensch und Umwelt.

(Zuruf von Kathrin Tarricone, FDP)

Wenn Herr Thomas meint, wir haben keine Güterabwägung für den Schutz von Mensch und Umwelt zu treffen, dann ist klar, woher seine Politik kommt. - Danke.

(Zustimmung bei der LINKEN - Ulrich Thomas, CDU: Um Gottes willen!)

Als nächster Redner folgt Herr Hövelmann.

Frau Präsidentin! Hohes Haus! Die Chemie- industrie in Sachsen-Anhalt ist eines der Aushängeschilder unseres Landes. Wir können stolz sein auf das, was 12 000 Frauen und Männer jeden Tag erarbeiten und erwirtschaften.

(Zustimmung von Sandra Hietel-Heuer, CDU)

Wir wollen, dass es auch in Zukunft so bleibt. Allein in Leuna werden jährlich 12 Millionen t Chemieprodukte hergestellt. Das sind 5 Millionen t mehr als bei BASF in Ludwigshafen, und das ist immerhin der flächenmäßig größte Chemiestandort weltweit. Wir in Sachsen-Anhalt können also stolz auf unsere Chemiebranche sein.

(Zustimmung von Marco Tullner, CDU)

Seit mehr als 100 Jahren ist unsere Region mit der Branche verbunden. Die Koalition will mit dem vorliegenden Antrag dazu beitragen, dass das auch so bleibt. Die letzten Jahre haben gezeigt, welcher Veränderungsdruck auf der Branche lastet. Die Versorgung mit Rohstoffen und Energie ist nicht zuletzt aufgrund des Ukrainekriegs immer schwieriger geworden. Es ist gerade einmal ein Jahr her, da stand des- wegen die Produktion in den Stickstoffwerken Piesteritz kurz vor dem Kollaps.

Auch wenn sich die Lage jetzt dankenswerterweise wieder stabilisiert hat - ohne tief greifende Veränderungen wird unser Chemiestandort langfristig keine Zukunft haben. So sind die Versorgung mit Wind- und Solarenergie oder die Investition in Wasserstoff schon heute ein Standortvorteil. Deren Bereitstellung entscheidet über das Wohl und Wehe von Investitionsvorhaben an den Chemiestandorten. Aber - das hat Kollege Silbersack in seinem Beitrag schon gesagt - es geht nicht allein uns so.

Zahlreiche Chemiestandorte in Europa stehen vor den gleichen Fragen und Herausforderungen. Im Sinne einer starken europäischen Chemieindustrie sollten wir daher unsere Rolle im Europäischen Netzwerk der Chemieregionen wiederbeleben. Das ECRN vereint von Katalonien bis Masowien zehn Chemieregionen in der Europäischen Union. Wir sind nicht nur Mitglied - das ist gesagt worden -, sondern wir sind Mitbegründer dieses Netzwerkes.

Eine Wiederbelebung unseres Engagements im Netzwerk würde mehrere Vorteile bringen. Wir profitieren vom Erfahrungsaustausch und der gemeinsamen Entwicklung von Projekten mit anderen Chemieregionen. Ob wir vom Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur reden, von der Nutzung alternativer Rohstoffquellen oder vom Ausbau der Kreislaufwirtschaft in der Chemie,

wir können über das Netzwerk immer nur dazulernen.

Unsere Stimme würde aber auch in der EU deutlicher gehört werden. Das Netzwerk ist für die Kommission und das Europäische Parlament ein wichtiger Ansprechpartner bei allen Fragen der chemischen Industrie.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Nur wer mitredet, der wird auch gehört. Wollen wir vernünftige, umsetzbare Regeln für unsere Chemieunternehmen, brauchen wir das ECRN.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Zusammen- arbeit ist Erfolg. Wir als SPD stehen seit jeher für europäische Kooperation; denn wir erreichen damit mehr, als wenn wir jedes Problem allein lösen wollen.

(Beifall bei der SPD)

Das ECRN ist ein gutes Beispiel für erfolgreiche Zusammenarbeit in Europa. Im Sinne unserer Chemieindustrie bitte ich Sie daher um Zustimmung zu unserem Antrag. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Hövelmann. Ich habe keine Frage gesehen. - Deswegen kann jetzt Herr Striegel direkt an das Rednerpult kommen.

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. - Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Klimakrise bringt radikale Umbrüche besonders für die bis-

lang fossil ausgerichtete chemische Industrie mit sich, und zwar hier und weltweit. Die durch den russischen Angriffskrieg ausgelöste Energiepreiskrise hat die Geschwindigkeit der notwendigen Transformation, des Strukturwandels hin zu einer postfossilen Welt noch einmal erhöht.

Ich will als GRÜNER, der aus der Chemieregion um Leuna, Buna und Bitterfeld stammt, der zwischen noch stinkenden Chemiekombinaten aufgewachsen ist und der vielfältig, geografisch, familiär, als Abgeordneter, mit der Chemieindustrie verbunden ist, die anstehenden Herausforderungen in den Blick nehmen.

Im mitteldeutschen Chemiedreieck wird die Wucht der Umgestaltung zu grüner Chemie deutlich. Wir haben bis zum 24. Februar 2022 von billigem Erdöl und Erdgas aus Russland gelebt. Unser Wohlstand gründete auf diesen Rohstoffen. Von russischen Quellen haben wir uns in kürzester Zeit unabhängig gemacht, mussten uns unabhängig machen.

Der Strukturwandel hinein eine Welt, die auf Kreislaufwirtschaft und Unabhängigkeit von fossilen Rohstoffen setzt, ist derweil im Gange. Wobei zur Ehrlichkeit dazugehört, dass wir in der Zukunft weniger Stoffe in noch besserer Qualität produzieren müssen, weil ein MehrMehr allein nicht nachhaltig sein kann.

(Zustimmung von Olaf Meister, GRÜNE)

Ein solcher falscher Weg, der enden muss, zeigt sich z. B. in der Produktion immer neuer Ver- packungen. Das führt dazu, dass wir inzwischen 230 kg pro Kopf und Jahr an Verpackungsmüll produzieren.

Wir ermöglichen im Chemiedreieck diesen Wandel auch durch ein Projekt wie das mit mehr als einer Milliarde geförderte Center for

the Transformation of Chemistry, mit dem Innovationen vom Labor auf Industrieproduktionsebene gehoben werden sollen. Das ist der Weg.

Die Raffinerie von Total Energies in Leuna ist ein wirtschaftliches Schwergewicht im Land und einer der großen Steuerzahler. Der zunehmende Grad der Elektrifizierung von Mobilität macht jedoch deutlich, dass diese fossile Perspektive endlich ist. Total wird zunehmend weniger Benzin und Diesel absetzen; stattdessen werden andere Produkte wichtiger und auch die müssen statt aus fossilen aus erneuerbaren Quellen stammen.

(Zustimmung von Olaf Meister, GRÜNE)

Total hat mit der geplanten neuen Methanolanlage dafür die Weichen gestellt. Dort wird durch aus Elektrolyse gewonnenem grünen Wasserstoff und hoch konzentriertem CO2 aus den Produktionsprozessen der Raffinerie selbst grünes Methanol erzeugt. Die neue Bio-Raffinerie von UPM - im Übrigen mit 750 Millionen € eine der größten Investitionen am Standort Leuna - selbst setzt vollständig auf den nachwachsenden Rohstoff Holz, um Grundprodukte für die chemische Industrie zu erzeugen.

(Alexander Räuscher, CDU: Den die GRÜNEN abschaffen wollen!)

Das ist der Weg.

(Zuruf von Ulrich Thomas, CDU)

Ähnliche Zeichen zeigen sich quer durch die Branche.

(Zuruf von Alexander Räuscher, CDU)