Meine sehr geehrten Damen und Herren! Alle Branchen genauso wie der öffentliche Dienst überlegen in dieser Situation, wie sie mit attraktiven Arbeitsbedingungen und guter Bezahlung gegensteuern können. Das ist gut so. Aber damit ändern wir nichts daran, dass die Decke überall zu kurz ist. Es führt kein Weg daran vorbei: Deutschland braucht mehr Arbeitskräfte. Deutschland braucht Zuwanderung.
Dieses Ziel sollten wir auf allen Ebenen mit einer klaren, positiven Grundhaltung verfolgen. Wir können Menschen nicht mit einem „Ja, aber“ dazu einladen, hier zu leben und zu arbeiten. Die heute Morgen geführte Aktuelle Debatte war leider ein unüberhörbares „Ja, aber“.
Die Zuwanderungspolitik der SPD-geführten Bundesregierung verkörpert genau diese aufgeschlossene Grundhaltung, und ich bin sehr froh, dass sie von allen Partnern der Ampel getragen wird.
Wer sich das Eckpunktepapier der Bundesregierung zum Fachkräfteeinwanderungsgesetz aufmerksam durchliest, der sieht, dass hierin Punkt für Punkt Schlüsse aus den Fehlern der Vergangenheit gezogen wurden.
Die Gewinnung von Fachkräften steht im Mittelpunkt, aber die Qualifikation soll nicht als Hürde an der Grenze dienen, sondern als Motor der Zuwanderung. Deshalb sollen Menschen notwendige Zusatzqualifikationen für den deutschen Arbeitsmarkt auch berufsbegleitend erwerben können, ohne dafür auf die Einreise warten zu müssen. Die Möglichkeiten, für die Aufnahme einer Berufsausbildung nach Deutschland zu kommen, sollen deutlich erweitert werden. Damit werben wir auch um die Fachkräfte von morgen.
Neben dem ursprünglichen Berufsabschluss zählt auch die Praxiserfahrung in anderen Berufen. Entscheidend ist dabei der Bedarf des Unternehmens, das jemanden einstellen will. Deshalb ist ergänzend das Chancen-Einwanderungsgesetz so wichtig, weil es unter den Menschen, die bislang in Deutschland ohne gesicherten Aufenthaltsstatus leben, ein großes Potenzial an Erfahrung und Einsatzbereitschaft gibt.
Künftig soll bei der Anwerbung von Fachkräften die Einwanderung von Familienangehörigen gleich mitgedacht werden. Manche erinnern sich vielleicht noch an den Versuch aus dem Jahr 2000: Mit der sogenannten Green Card
Deutschland geholt werden. Damals glaubte man tatsächlich, Spitzenkräfte gewinnen zu können, indem man ihnen nur befristete Verträge anbot und ihnen zudem auch noch verwehrte, Partner oder Partnerin und Kinder mitzubringen. Das konnte nicht funktionieren und das hat auch nicht funktioniert.
Die Erfahrungen der Gastarbeitergeneration, die weder Sprachkurse noch andere Zugänge zur deutschen Gesellschaft bekamen, will niemand wiederholen. Ich bin an dieser Stelle dem Kollegen Kosmehl für den Verweis auf die Notwendigkeit, die deutsche Sprache zu lernen, sehr dankbar. Wer heute mit guter Qualifikation zuwandert, will auch für seine Kinder gute Bildungschancen. Deshalb ist die sprachliche Integration weit über das Thema Flüchtlinge hinaus eine dauerhafte Aufgabe für unsere Gesellschaft und unsere Schulen.
Angesichts der Bedeutung wechselseitiger Integrationsleistungen ist es nur konsequent, dass die Bundesregierung gleichzeitig mit der Modernisierung der Zuwanderung auch die Entbürokratisierung und Beschleunigung von Einbürgerungen voranbringt. Denn der Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft steht für die höchste Stufe der Integration.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die gesellschaftliche Diskussion über die notwendige Zuwanderung lässt sich nicht zaghaft und verschämt führen, sondern nur mit offenem
Visier. Deshalb habe ich das bei dem Thema Fachkräftebedarf auch so deutlich an den Anfang gestellt.
Aber natürlich kann Einwanderung nicht die einzige Antwort auf den Fachkräftemangel sein. Wir müssen zugleich mit aller Kraft Ausbildung und Berufsorientierung vorantreiben und dort hinein investieren.
Im Ausbildungsreport für Sachsen-Anhalt, den die DGB-Jugend unlängst vorgelegt hat, lesen wir, dass im Jahr 2021 in unserem Land 31 % der Ausbildungsverträge vorzeitig gelöst wurden. Das liegt über dem Bundesdurchschnitt. Gründe dafür liegen sicherlich oft in Problemen zwischen dem Auszubildenden und dem konkreten Ausbildungsbetrieb.
Aber der Ausbildungsreport gibt noch einen weiteren Hinweis. Von den befragten Jugendlichen gaben fast 43 % an, dass die Berufsorientierung in der Schule ihnen bei der Berufswahl gar nicht geholfen habe; gut 26 % sagen, sie habe wenig geholfen. Es kann nicht überraschen, dass unter den Auszubildenden mit Abitur der Anteil der negativen Rückmeldungen besonders hoch ist. Denn sie haben keine Berufsorientierung in ihrer Schule. Zur Erinnerung: Das Ziel, auf das wir uns gemeinsam im Koalitionsvertrag verpflichtet haben, die Gymnasien in die schulische Berufsorientierung BRAFO einzubeziehen, ist bislang immer noch nicht umgesetzt worden.
Wenn junge Menschen erst in der Ausbildung erkennen, dass ein Beruf nicht der richtige für sie ist, dann haben sie schon wertvolle Zeit verloren; aber der Arbeitsmarkt hat sie auch verloren. Mehr Ausbildungserfolg durch bessere berufliche Orientierung würde sich für alle lohnen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aber auch in anderen Generationen gibt es noch Arbeitskräftepotenzial, Menschen, denen wir deutlich machen wollen, jeder und jeder wird gebraucht. Das betrifft Menschen in der Arbeitslosigkeit, über die wir in den letzten Landtagssitzungen ausführlich gesprochen haben. Es betrifft z. B. auch ältere Menschen, die länger arbeiten können und arbeiten wollen, für die aber der Arbeitsmarkt keine guten Bedingungen bereithält. Dass deren Erfahrungsschatz in Zeiten des Fachkräftemangels besonders wertvoll ist, darauf hat Bundeskanzler Olaf Scholz gerade zu Recht aufmerksam gemacht - nicht mehr und nicht weniger.
Die Gestaltung einer veränderten Arbeitswelt in einem modernen Sozialstaat ist eines der größten Reformvorhaben der Ampel in Berlin. Ein zeitgemäßes Einwanderungsrecht ist dafür eine wichtige Voraussetzung und ein wichtiger Baustein.
Ich freue mich auf die Debatte, die wir darüber in den nächsten Jahren führen werden. Denn auch der wirtschaftliche Erfolg Sachsen-Anhalts liegt in der Bekämpfung des Arbeitskräfte- mangels und der Sicherung von Fachkräften in der Zukunft. Um diese Debatte kann man sich in unserer Gesellschaft nicht mehr herumdrücken, weder in der Industrie noch hier im Landtag. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Dr. Pähle, es gibt zunächst zwei Interventionsbegehren. Als Erster hat Herr Scharfenort das Wort. - Bitte sehr.
Fachkräftemangel - das ist sicherlich ein Problem; das ist in einigen Branchen ein richtiges Problem. Das haben Sie völlig zu Recht beschrieben. Aber wer kommt denn zu uns? Sind es denn die richtigen Fachkräfte? - Natürlich sind es nicht die Fachkräfte, die wir eigentlich bräuchten. Die Fachkräfte machen doch einen großen Bogen um Deutschland.
Ich mache es an einem Beispiel aus meiner eigenen Familie fest. Ich bin mit einer afrikanischen Frau zusammen. Wenn ich ihre Brüder frage, warum sie nicht nach Deutschland kommen, sondern nach Kanada, nach Großbritannien gehen - sie sind nämlich hoch qualifiziert -, dann hängt das z. B. damit zusammen, dass wir hier die höchsten Steuern und Abgaben, eine extrem hohe Bürokratiebelastung, eine viel zu hohe Staatsquote, ein schlechtes Bildungsniveau usw. haben.
Das sind die Hauptgründe. Die Fachkräfte, die echten Fachkräfte, machen einen großen Bogen um Deutschland. Die kommen nicht hierher.
Vielleicht sollten wir erst einmal unsere Standortbedingungen verbessern. Vielleicht wären wir dann wirklich attraktiver für die Hochqualifizierten der Welt. - Danke.
davon abgehalten, mit seiner Investition nach Magdeburg zu kommen. Ich glaube tatsächlich, dass ein internationales Großunternehmen wie Intel
die Leistungsfähigkeit des deutschen Staates für die Errichtung einer solchen Megafabrik besser einschätzen kann und auch die Chancen einschätzen kann, dafür Fachkräfte zu gewinnen.
Ich glaube, Sie und Ihre Fraktion würden uns allgemein einen großen Dienst erweisen, wenn Sie die Zuwanderung nach Deutschland und das Bild, das Sie von Deutschland schreiben, nicht so schlechtmalen würden. Ich glaube, dann würden auch mehr Menschen aus dem Ausland zu uns kommen. - Vielen Dank.
Schönen Dank für das Wort. - Ich glaube, Ihnen und Ihrer Fraktion würde es besser zu Gesicht stehen, eine echte Ursachenforschung zu betreiben. Wir hatten in diesem Jahr einen Termin in Dessau beim Arbeitsamt. Es ist bekannt, dass in Deutschland mehr als 23 % der Schulabgänger nicht in der Lage sind, einen Ausbildungsberuf zu ergreifen. Ich denke, dass da- mit ein Potenzial verloren geht und junge
Wenn wir z. B. in Sachsen-Anhalt unsere Lehrer vernünftig bezahlen würden, dann würden die nicht in andere Bundesländer abwandern. Wir wenden unheimlich hohe Mittel auf, um Leute zum Arbeiten zu bringen, die wir aus dem Ausland holen. Ich denke, das ist absolut der falsche Ansatz. - Danke.
Herr Lizureck, insbesondere hinsichtlich der besseren Bezahlung von Grundschullehrkräften rennen Sie bei der SPD - das gilt übrigens schon seit vielen Jahren - offene Türen ein. Ich glaube, innerhalb der Haushaltsberatungen werden wir hierzu in der Koalition gut im Gespräch sein.
Die Zahl, die ich Ihnen gerade präsentiert habe, also den prognostizierten Bedarf von 260 000 zugewanderten Menschen zur Aufrechterhaltung unseres Arbeitskräftepotenzials, habe ich mir nicht ausgedacht, sondern die stammt von der Bertelmann-Stiftung. Sie sprechen dann von Ursachenforschung in der Schule. Es gibt sicherlich viele Punkte, die man dazu machen kann. Übrigens ist Herr Tillschneider meist bei den falschen Lösungsansätzen; das aber nur am Rande. Den Bedarf an Menschen, an Arbeitskräften, an Händen und Köpfen können Sie nicht wegreden, egal wie Sie es versuchen.