Protocol of the Session on December 14, 2022

Ich will das hier keiner politischen Farbe zu- weisen, weil wir mit Ausnahme der AfD in

den vergangenen 30 Jahren alle hier einmal Verantwortung getragen haben. Aber das sind so Punkte, bei denen ich glaube, wenn wir da in der Integration vorankommen, dann ist der Sprung, ob ich hier dauerhaft geduldet lebe oder ob ich den Weg gehe, die deutsche Staatsangehörigkeit anzunehmen, am Ende nicht mehr so weit. Es kommt doch darauf an, die Menschen hier zu integrieren. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, würden wir gern mitnehmen.

(Zuruf: Ja, machen Sie das! - Weitere Zurufe)

Weil das Staatsangehörigkeitsrecht jetzt noch einmal angesprochen worden ist, will ich an der Stelle noch einen Satz sagen. Ich bin in vielen Punkten mit Nancy Faeser darin übereingekommen - wir haben das ja verabredet -, dass wir da etwas machen wollen. Aber es gibt ein paar Punkte, an denen es auch für die Freien Demokraten noch deutlichen Rede-, Diskussions- und Änderungsbedarf gibt. Das liegt einfach an der Frage der Sprache. Die Sprache ist der Schlüssel zur Integration. Ohne Sprachkenntnisse kann es keine Staatsangehörigkeit geben.

Wir als Freie Demokraten und ich besonders als Jurist - ich habe mich viel mit internationalem Privat- und Zivilverfahrensrecht beschäftigt -

(Zuruf von der AfD)

sind der Meinung, Mehrstaatlichkeit auf Dauer ist ein Problem.

(Zuruf von der AfD)

Deshalb haben wir als Freie Demokraten gesagt, spätestens in der Enkelgeneration muss

man sich entscheiden, ob man den türkischen Pass oder den deutschen Pass will.

(Zustimmung bei der CDU)

Das müssen wir bei der Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts verankern. Ich glaube, das können wir auch in Berlin besprechen. Wir brauchen sowieso die Länder im Bundesrat. Das heißt, es wird eine Diskussion. Ich möchte nur um eines bitten, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, auch und insbesondere aus der CDU: Lassen Sie uns die Diskussion sachlich führen! Keine „Kinder statt Inder“-, keine Staatsangehörigkeitswahlkampagnen mehr wie in Hessen 1999. Wir können sachlich über vieles reden. Dann können wir gute Ergebnisse erzielen. Das ist meine Hoffnung in der Diskussion im nächsten Jahr über die Zukunft von Einwanderung und Staatsangehörigkeit.

(Beifall bei der FDP - Zurufe - Unruhe)

Es folgt als letzter Redner Herr Striegel.

(Zuruf: Jetzt geht es heiß her!)

Herr Striegel, bitte.

(Unruhe)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine Damen und Herren von der CDU, mit der heutigen Debatte erklärt sich, wieso Sie unseren Selbstbefassungsantrag im Innenausschuss vor zwei Wochen nicht

behandeln wollten. Wir hatten da beantragt, dass die Landesregierung zum aktuellen Sachstand bezüglich der Unterbringung und Betreuung von Geflüchteten Stellung bezieht. Sie haben die Information des Parlaments und die Fachdebatte dort verweigert.

Es ist bedauerlich, dass es mit Ihnen nicht möglich ist, dieses wichtige Thema im Fachausschuss, in dem wir direkt Lösungen hätten erarbeiten können, zu besprechen. Ihr Interesse gilt offensichtlich stärker der großen Bühne, der Publicity und nicht der Lösung der von Ihnen beschriebenen Herausforderungen.

(Zuruf von Guido Heuer, CDU)

Herr Schulenburg, Sie haben gesagt, es brauche die AfD für diese Debatte nicht. Angesichts Ihres Redebeitrages - ich will nur auf das Thema Obergrenze oder das letztliche Ersaufenlassen von Leuten im Mittelmeer eingehen - stimmt das.

(Unruhe bei den GRÜNEN und bei der AfD)

Es braucht die AfD an dieser Stelle nicht. Sie schaffen das mit der rassistischen Mobilisierung ganz alleine. Das ist schade. Das hat das Thema nicht verdient.

Das Land Sachsen-Anhalt hat in den vergangenen Jahren gemeinsam mit allen anderen Bundesländern die Unterbringung von Geflüchteten im Rahmen der Humanitätskrise 2015/2016 ebenso gemanagt wie die Ankunft, Unterbringung und Betreuung von Menschen, die aufgrund des russischen Angriffs auf die Ukraine zu uns geflohen sind.

Erfolgreich war dies immer da, wo das Handeln von Land, Bund und Kommunen ineinandergriff und durch ehrenamtliches Engagement unterstützt wurde. Es waren die Kirchengemeinden,

antirassistische Gruppen, Sportvereine, Nachbarschaftsinitiativen und viele andere großartige Menschen, die das Ankommen in Sachsen-Anhalt organisiert haben. Ich wünschte mir, die Innenministerin oder die CDU würde all diesen Gruppen oder Personen ihren ausdrücklichen Dank noch viel stärker aussprechen und vor allem konkrete Unterstützung leisten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich sage Ihnen zudem - Herr Erben hat es schon deutlich gemacht -: Es wird nicht ausreichen, in der Migrationsfrage nur mit dem Finger auf den Bund zu zeigen und vermeintlich fehlende Aktivitäten dem Bundesinnenministerium anzukreiden. Ich darf daran erinnern: Noch stellt die CDU in Sachsen-Anhalt die Innenministerin. Wenn Sie also Handlungsbedarf erkennen, dann finden Sie in ihr Ihre erste Ansprechpartnerin.

Aber da Sie ja immer mit dem Finger auf die Bundesregierung zeigen, können wir auch noch einmal anführen, was diese bisher an positiven Dingen beschlossen hat.

(Oh! bei der CDU - Hannes Loth, AfD: Ach! - Zuruf: Richtig!)

Die Bundesregierung hat ein Gesetz zur Einführung des Chancen-Aufenthaltsrechts und ein Gesetz zur Beschleunigung der Asylgerichtsverfahren und Asylverfahren auf den Weg gebracht. Diese werden vom Bundestag beschlossen und am 1. Januar 2023 in Kraft treten. Mit diesen Gesetzen erkennen wir auch endlich an - Herr Kollege Kosmehl hat es gesagt -: Wir sind ein Einwanderungsland. Sie müssen sich ehrlich machen, meine Damen und Herren.

(Guido Heuer, CDU: Wir sind ehrlich! Das ist also völlig überflüssig!)

Wenn Sie das nicht tun, werden Sie in der Migrationsfrage nicht weiterkommen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Mit diesen Vorhaben schaffen wir für Menschen, die im System der entwürdigenden Kettenduldung feststecken, eine Perspektive auf ein dauerhaftes Bleiberecht. Das betrifft rund 240 000 Menschen, die teilweise bereits seit Jahren nur geduldet hier leben. Dieses Gesetz setzt Kraft frei für echte Integration. Es nimmt Menschen die ständige Angst, jeden Augenblick abgeschoben werden zu können. Mehr als 130 000 Menschen können bereits im kommenden Jahr von diesem Gesetz profitieren.

Das Gesetz trägt auch zur Bekämpfung des Fachkräftemangels bei, denn rund drei Viertel der in Deutschland geduldeten Menschen verfügten bislang nicht über eine Beschäftigungserlaubnis. Sie wurden aus rassistischen Gründen vom Arbeitsmarkt ferngehalten.

(Lachen bei und Zurufe von der CDU und von der AfD - Guido Heuer, CDU: Das gibt es doch wohl nicht! - Zuruf von Ulrich Thomas, CDU - Unruhe)

Übrigens stellen die Behörden in Sachsen-Anhalt in einer unvergleichbaren Praxis übermäßig oft die sogenannte Duldung light aus.

(Unruhe)

Diese Duldung light verhindert den Zugang zum Arbeitsmarkt und zur sozialen Teilhabe. Probleme der Überlastung der Behörden sind daher in Sachsen-Anhalt auch hausgemacht. Hieran könnte die Innenministerin ohne Probleme etwas ändern. Das Gesetz der Ampel gibt auch den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern Planungssicherheit dahin gehend, dass

ihre Mitarbeiter*innen nicht abgeschoben werden.

(Ulrich Siegmund, AfD, und Thomas Korell, AfD, lachen - Unruhe)

So können diese Menschen zukünftig auch auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen und qualifizierte Ausbildungsberufe erlernen und ausüben. Daher zeigt sich eben auch hier ein ungemein großes und bisher unbeachtetes Potenzial. Herr Kosmehl hat auf die Zahlen verwiesen. Hierbei können wir besser werden.

(Zuruf von Nadine Koppehel, AfD)

Die neuen Gesetze verringern auch die Arbeitsbelastung der Behörden. So schafft die Bundesregierung die obligatorischen anlasslosen Überprüfungen der Bescheide durch das BAMF ab. Diese Verfahren haben in einem Maße Arbeitskraft gebunden, das in keinem Verhältnis zu den daraufhin erfolgten Rücknahmen oder Widerrufen stand.

Behördenunabhängige Verbände bieten zukünftig flächendeckend und gesetzlich verankert Asylverfahrensberatung an. Dadurch werden Bescheide für die Asylbewerber*innen verständlicher, und es wird eine höhere Qualität der Bescheide erzielt, wovon auch die Asylbehörden und letztlich die Verwaltungsgerichte profitieren werden. Denn momentan verlieren die Behörden in Sachsen-Anhalt noch 42 % der Verwaltungsgerichtsverfahren teilweise oder vollständig. Das ist eine viel zu hohe Anzahl an fehlerhaften Bescheiden, und man muss sich fragen, wo hierfür die Ursachen liegen.

(Ulrich Siegmund, AfD, lacht)

Die Verwaltungsgerichte werden unter anderem auch entlastet, indem die Verfahren durch

höchstrichterliche Rechtsprechung vergleichbarer werden und zügiger bearbeitet werden können. Das ist in Sachsen-Anhalt bitter nötig. Noch immer stellen in Sachsen-Anhalt die Asylverfahrensklagen rund 37 % der Verfahrenseingänge an den Verwaltungsgerichten dar. Zwar ging die Gesamtzahl der Eingänge im Jahr 2021 zurück und die Bearbeitungszeit reduzierte sich im Schnitt von rund 15,1 Monaten auf jetzt 13,7 Monate, dennoch bleibt die Belastung auf einem zu hohen Niveau.

Richtig ist: Aktuell gibt es weltweit mehr als 100 Millionen Vertriebene. Im Jahr 2022 wurden in Europa rund 72 % mehr Asylanträge gestellt als im Vorjahr. Deutschland hat rund 52 % mehr Menschen aufgenommen als im Vorjahr. An der Westbalkanroute sind die Zahlen aktuell rückläufig. Es wurden aber bis Anfang Dezember insgesamt rund 128 000 irreguläre Grenzübertritte oder Grenzübertrittsversuche gezählt. Das sind rund 170 % mehr als in dem Vorjahrszeitraum, wobei man diese Zahl mit Vorsicht behandeln sollte, da von den Grenzbehörden kein Unterschied zwischen versuchten, mehrfach versuchten und erfolgreichen Grenzübertritten gemacht wird.