Protocol of the Session on February 28, 2020

Herr Poggenburg, das war schon mehr als ein Satz. Es gibt keine Wortmeldungen. - Somit kommen wir zum nächsten Debattenredner. Für die CDU-Fraktion spricht der Abg. Herr Borgwardt.

(Matthias Büttner, AfD: Oh, der Fraktions- vorsitzende persönlich!)

Sie haben das Wort, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich bitte eine Vorbemerkung voranstellen. Die beiden Aktuellen Debatten wären der klassische Fall für eine verbundene Debatte gewesen. Ich nehme aber zur Kenntnis, dass beide Initiatoren dies nicht wollten. Gleichwohl werden wir nur einmal reden.

Herr Lippmann, auch das vorangestellt, die CDU in Thüringen hat Bodo Ramelow nicht gestürzt. Bodo Ramelow hatte keine Mehrheit.

(Zustimmung bei der CDU und bei der AfD)

Das ist ein Riesenunterschied.

Was Sie nicht so gerne hören, weil es bei Ihnen nicht opportun ist: Die Schwierigkeiten fingen schon in der letzten Wahlperiode an. Damals hatten Sie nämlich nur durch einen AfD-Mann,

der übergetreten ist, mit einer hauchdünnen knappen Mehrheit gewonnen.

(Tobias Rausch, AfD: Richtig! - Weitere Zu- rufe von der AfD: Jawohl! Richtig!)

Aber das wollen Sie nicht sagen.

Die Schwierigkeiten in Thüringen beginnen also nicht erst jetzt. Das hat nichts mit der Persönlichkeit von Bodo Ramelow zu tun. Teilweise unterstütze ich das, was Sie sagen. Aber das muss man bitte auch sagen, wenn man über die Probleme in Thüringen spricht. So viel gehört zur Wahrheit dazu.

(Zustimmung von Lars-Jörn Zimmer, CDU)

Meine Damen und Herren! Dass in Thüringen keine Mehrheitsbildung ohne DIE LINKE oder AfD möglich ist, muss uns leider auch erkennen lassen, dass es einen massiven Verlust des Vertrauens in die Politik gibt.

(Tobias Rausch, AfD: Das liegt an eurem Kenia-Bündnis!)

Jetzt komme ich zu dem, was Herr Gallert vorhin den Ministerpräsidenten gefragt hat. Jeder, der sich jetzt an der Diskussion darüber beteiligt, dass wir uns als CDU gegenüber den Rändern öffnen müssen - klar ist, auf einem Strahl gibt es einen linken und einen rechten Rand -, der akzeptiert, dass es auf Dauer keine Mehrheit der demokratischen Mitte mehr geben wird.

Das kann nicht unser Anspruch sein; das ist zumindest auch nicht der Anspruch der CDU Sachsen-Anhalts oder der CDU Deutschlands; das ist völlig klar.

(Zustimmung bei der CDU)

Das Erstarken vor allem des rechten Randes in der Politik ist kein deutsches, sondern zumindest ein europäisches Problem. Wenn ich an Amerika denke, ist es möglicherweise sogar ein weltweites Problem.

(Zuruf von Matthias Büttner, AfD)

Um nur ein Beispiel zu nennen: Auch in Schweden - das wurde in einem Artikel der „Mitteldeutschen Zeitung“ vom 17. Februar thematisiert - hat die einwanderungs- und EU-kritische Partei, die sogenannten Schwedendemokraten, die mit der AfD relativ vergleichbar ist, nach Umfragen einen Wert von 23,3 %, ähnlich wie die AfD in Thüringen oder in Sachsen-Anhalt.

(Ulrich Siegmund, AfD: Die leben auch den Multikultitraum da drüben!)

2010 - mal zuhören! - schaffte die Partei mit 5,7 % erstmals den Sprung ins Parlament. 2018 erreichte sie 17,5 % und jetzt, wie gesagt, 23,3 %. Die Korrespondentin dieser schwedischen Tageszei

tung machte in diesem Artikel deutlich, dass es anfangs ein absolutes Tabu gewesen sei, mit den Schwedendemokraten zu sprechen oder zusammenzuarbeiten. Diese Strategie der Ignoranz der etablierten Parteien, so sagt die schwedische Korrespondentin, sollte dazu führen, dass die Wähler die Schwedenpartei ebenfalls ignorieren. Genau das Gegenteil ist eingetreten.

(Zustimmung bei der AfD - Dr. Hans-Tho- mas Tillschneider, AfD: Genau!)

Daraufhin haben die Moderaten und die Christdemokraten nach dem schmerzlichen Erkenntnisprozess ihre Strategie aufgegeben und die Fragen von rechts letztlich doch aufgegriffen und versucht, sie sich selbst zu beantworten. Mittlerweile hält die Korrespondentin eine Kooperation und Abmachungen in Sachfragen in Schweden für denkbar.

Warum führe ich das näher aus? - Weil wir wussten, dass wir nach den Wahlergebnissen 2016 in Sachsen-Anhalt, wenn wir in eine Kenia-Koalition gehen, die sich auch viele so nicht gewünscht haben - das gehört auch zur Wahrheit -, und feststellen müssen, dass alle versuchen, als Demokraten zusammenzuarbeiten - das ist auch nicht jeden Tag einfach; das können Sie uns glauben -, eine Grundfrage beantworten mussten, nämlich diese: Wie halten wir es beispielsweise mit der AfD?

Warum mussten wir das nicht mit der LINKEN? Das macht auch deutlich, Herr Lippmann, warum möglicherweise ein paar Gedankengänge bei Ihnen problematisch sind. - Weil das völlig klar war. Das waren nicht die Beweggründe unserer Koalitionspartner. Das wäre denen völlig egal gewesen oder nicht diskussionswürdig. Vielmehr gab eine klare Diskussion darüber, was die CDU mit der AfD macht. Wie verhalten sie sich?

Vor diesem Hintergrund haben wir damals unseren Beschluss gefasst: Abgrenzen statt ausgrenzen.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich sage Ihnen heute, dass das die einzige Antwort ist, die in Schweden die Antwort gewesen wäre; dann wäre es für die Schwedenpartei möglicherweise nicht so nach oben gegangen. Ich bin dort aber nicht zuständig; ich will es Ihnen nur sagen. Es ist die falsche Politik. Wir werden daran auch nichts ändern. Es geht darum, nicht per se auszugrenzen, sondern es geht darum, uns abzugrenzen und uns mit den Problemen zu befassen. Das ist die Verantwortung, die wir gegenüber dem Wähler haben.

Wir als christliche Demokraten haben auch eine Verantwortung gegenüber der Demokratie, meine Damen und Herren. Wenn wir als Demokraten

nicht den Anspruch hätten zu versuchen, nicht die AfD, sondern die Wähler der AfD in das demokratische Spektrum der Mitte zurückzuholen,

(Oliver Kirchner, AfD: Zu spät!)

dann hätten wir doch keinen Anspruch als Demokraten. Ich verstehe manchmal nicht, dass man hier über solche Postulate überhaupt reden muss. Ich sage Ihnen, das ist alles andere als pure Ideologie. Wir machen das so nicht.

(Zustimmung bei der CDU)

Das Verschieben von Grenzen hat in diesem Lande maßgeblich die AfD zu verantworten. Insoweit können Sie reden, was Sie wollen. Lüge, Hetze, Generalverdacht - all das ist vorgekommen. Der Unterschied der AfD zu der von mir vorhin genannten Schwedenpartei ist nämlich,

(Zuruf von Volker Olenicak, AfD)

dass sie sich an die Mitte herangearbeitet haben, indem sie sämtliche Rechtsaußen, die bei ihnen waren, kategorisch ausgeschlossen haben.

(Matthias Büttner, AfD: Das geht doch gar nicht!)

- Das haben sie gemacht. Das können Sie nachlesen, wenn Sie sich damit einmal beschäftigen.

Meine Damen und Herren! Ich muss auf das abscheuliche Attentat von Hanau zu sprechen kommen. Wie in Halle war auch der Täter dieses Attentats ein unbeschriebenes Blatt. Der Täter von Hanau, Tobias R., war den Behörden nicht als Rechtsextremist bekannt und schon gar nicht als potenzieller Terrorist. Angesichts vieler Hassparolen, Drohungen und Fantasien, die im Netz zu finden sind, sprechen Staatsschützer bereits von der Nadelsuche im Heuhaufen. Erst kürzlich wurde eine rechte Terrorzelle ausgehoben, die Anschläge auf Politiker und Angriffe auf sechs Moscheen plante. Vor diesem Hintergrund ist es inkonsequent, dass der Polizei nicht alle technischen Hilfsmittel zur Verfügung stehen und sie diese auch nicht nutzen kann. Ich wiederhole das gestern Gesagte.

Parteien, die derzeit die Quellen-TKÜ ablehnen, müssen sich fragen, ob das in der heutigen Zeit des Fortschritts technisch und vor allem vor dem Hintergrund dieser schrecklichen rechtsextremen Taten sinnvoll ist. Die Sicherheitsbehörden müssen in der Lage sein, auf verschlüsselte Kommunikation zurückzugreifen, um solche schrecklichen Taten im Vorfeld aufklären und verhindern zu können. Vorwürfe im Nachhinein an die Polizei und Sicherheitsbehörden zu richten ist der falsche Weg, man könnte sogar sagen, ist scheinheilig.

Wir müssen uns mit Argumenten sowohl der LINKEN als auch der AfD auseinandersetzen, wenn

wir versuchen wollen - das habe ich vorhin schon gesagt -, die Menschen zurückzuholen. - Ich muss meine Rede nun etwas einkürzen.

Zu der Frage, ob die AfD mit der LINKEN vergleichbar ist - auch diese Frage wurde permanent angesprochen -, sage ich, ohne in epische Breite zu gehen - darüber müsste man den ganzen Tag lang reden -: Natürlich nicht. Das erklärt sich schon aus den Entstehungsgeschichten beider Parteien. Das ist für mich völlig klar. Insofern ist auch das Kooperationsverbot zu sehen - die Vorgänger gingen bereits darauf ein -; denn wenn man nicht miteinander spricht, wäre eine Parlamentsreform mit einer Zweidrittelmehrheit gar nicht möglich gewesen. Das ist doch völlig logisch.

Nun zum Thema „Ansprechpartner zur Bildung einer Koalition“. Herr Lippmann, da brauchen Sie keine Sorge zu haben, wenn Sie das nicht möchten. Auch die CDU möchte nicht in eine Verbindung, in eine Koalition mit Ihnen gehen.

(Zustimmung bei der CDU - Zuruf von Tho- mas Lippmann, DIE LINKE)

Das ist aber etwas anderes als das, was der Kollege Striegel gesagt hat. Schauen wir mal. Wer reale Politik machen will, muss sehr genau überlegen, bei welchen Projekten er mitarbeitet und bei welchen nicht. Wir haben klar entschieden, dass die Parlamentsreform, unabhängig vom Quorum, eine sinnvolle Sache ist und wir deswegen reden müssen, damit wir das erreichen können.

Meine Damen und Herren! Ich will zum Schluss meiner Rede kommen. Wir müssen - das ist bei uns klar - jeder Radikalisierung mit Entschiedenheit und mit rechtsstaatlichen Mitteln entgegentreten. Für uns gibt es keine Akzeptanz weder des rechten noch des linken Extremismus, auch nicht des islamisch oder des religiös motivierten Extremismus.

(Zustimmung von Angela Gorr, CDU)