Protocol of the Session on January 30, 2020

Ich will noch zwei Aspekte anfügen. Die eine oder andere Klausurtagung dieser Landesregierung und, wie ich glaube, auch der CDU-Fraktion fand im Südharzer Bereich statt. Vielleicht hatte in den Situationen - ich hörte zumindest solche Dinge - der eine oder andere von Ihnen einmal die Gelegenheit, sich dort mit jemandem zu unterhalten, der gute konzeptionelle Vorstellungen zur Entwicklung des Südharzer Tourismusraumes - übrigens zusammen mit den Thüringern auf der anderen Seite, mit dem Kyffhäuser - hat. Beide Regionen sagen - ich glaube, nicht ganz zu Unrecht -: Wir haben ein erheblich stärkeres Potenzial für den kulturtouristischen Bereich, zu dem Müntzer zweifelsfrei zählt; es ist aber zu wenig entwickelt worden.

Wir haben jetzt die Chance, in dieser Region - auch zusammen mit den Thüringern - etwas zu entwickeln, was kulturtouristisch interessant ist. Wir müssen es nur jetzt tun. Denn wenn wir noch 20 Jahre warten, dann kennt Thomas Müntzer niemand mehr. Aber die Leute, die ihn jetzt noch kennen - zumindest die ostdeutschen -, sind ein zahlungskräftiges Publikum. Die sind dafür interessant. An der Stelle sage ich jetzt einmal: Geld stinkt nicht; das können wir gebrauchen.

(Zustimmung bei der LINKEN - Guido Henke, DIE LINKE, lacht)

Ganz kurz ein allerletzter Gedanke. Der Bund hat eine gemeinsame Kulturstiftung für Thüringen und Sachsen-Anhalt angekündigt. Er will uns viel Geld geben. Wofür eigentlich, wissen wir nicht so richtig. Aber Himmelherrgott: Diese Kopfgeburt, die bisher nur finanziell untersetzt wird, kann man doch einmal inhaltlich untersetzen. Dafür wäre die Situation eigentlich gegeben.

Es gibt eigentlich nur Gründe, die dafür sprechen. Deswegen freue ich mich darüber, dass Sie unserem Antrag ganz bestimmt zustimmen werden. - Danke.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung von Jens Kolze, CDU, und von Frank Scheurell, CDU)

Vielen Dank, Abg. Gallert. - Bevor wir in die Dreiminutendebatte der Fraktionen einsteigen, hat für

die Landesvertretung - für die Landesregierung; Entschuldigung -

(Heiterkeit bei der CDU - Guido Heuer, CDU: Er vertritt auch das Land!)

der Minister Tullner in Vertretung des Staats- und Kulturministers Herrn Robra das Wort. Bitte schön.

Frau Präsidentin, vielen Dank. - Gestatten Sie mir nur zwei Vorbemerkungen, bevor ich die Rede der Kollegen aus dem Kulturministerium vortrage. Denn ich habe Ihnen, Herr Gallert, aufmerksam zugehört. Der erste Gedanke - deswegen habe ich auf der Regierungsbank spontan, die Präsidentin hat es Gott sei Dank nicht gemerkt, Reaktionen gezeigt - ist natürlich, dass man über Thomas Müntzer reflektieren kann und sollte, aber eben seine verzerrte Interpretation zu DDR-Zeiten als Vorkämpfer des Arbeiter- und Bauernstaates nicht nur nennen sollte. Vielmehr sollte man daraus - finde ich zumindest - den Anspruch ableiten, genau das nicht zu tun. Das Werben für ein differenzierteres Bild klang bei Ihnen nicht mehr ganz so durch. Denn Sie haben gesagt - ich verkürze das ein bisschen -: Früher wurde er missbraucht und heute wird er auch missbraucht.

(Zuruf von Wulf Gallert, DIE LINKE)

Das klingt für mich ein bisschen nach der Relativierung mancher Dinge. Aber vielleicht habe ich es falsch verstanden;

(Wulf Gallert, DIE LINKE: Ja! Mit Sicherheit! - Swen Knöchel, DIE LINKE: Davon ist auszugehen!)

deswegen will ich das gar nicht weiter vertiefen. Was ich aber vertiefen will, mein lieber Kollege Gallert:

(Wulf Gallert, DIE LINKE: Ja?)

Wenn man sich in digitalen Dingen nur rudimentär auskennt - weil Sie in den sozialen Medien durchaus aktiv sind, weiß ich genau, dass Sie sich auskennen -, dann müsste man nur einmal die Stichworte „Thomas Müntzer“ und „Geschichtsunterricht in Sachsen-Anhalt“ eingeben. Dann würde man die These, die Sie vertreten haben, dass er nach der Wende im Orkus der Geschichte verschwunden ist, nicht mehr so steil aufstellen. Beim Bildungsserver findet man Informationen über Thomas Müntzer selbstverständlich als Quellliteratur für den Geschichtsunterricht. Die Landeszentrale für politische Bildung hat zusammen mit dem Landkreis Mansfeld-Südharz Publikationen im Angebot usw. usf.

Also, so grobmotorisch zu behaupten, dass Thomas Müntzer nach 1990 vergessen worden ist - -

Das kann schon deswegen nicht sein, weil zahlreiche Schulen nach ihm benannt worden sind und sich mit ihrem Namenspatron auch heute noch auseinandersetzen. Von Straßen usw. will ich gar nicht reden. Also, ganz so ist es dann doch nicht.

Das war meine Vorbemerkung als Vertreter

(Daniel Wald, AfD: Drei Minuten sind um!)

und jetzt kommt die Rede als eigentlicher Mensch des Kulturbereichs.

(Heiterkeit bei allen Fraktionen - Zuruf von der LINKEN: Ah!)

- Kann man den Satz nachher noch aus dem Protokoll streichen? - Ich werde es versuchen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf das Jahr 2017, das Jahr des 500. Reformationsjubiläums mit dem Thesenanschlag in Wittenberg als international bekanntes Ereignis, war seinerzeit vom Land ein besonderer Schwerpunkt gelegt worden. Kollege Gallert hat das schon rekapituliert. Das erfolgreiche Reformationsjubiläum, das große und positive Aufmerksamkeit auf das Land SachsenAnhalt gelenkt hat, ist inzwischen Geschichte. Der weitere Verlauf des historischen Prozesses wird reichlich Gelegenheit bieten, weitere Jubiläen zu begehen. Die touristische Marke „Reformation“ ist nach wie vor ein Themenschwerpunkt unseres Landes. Deshalb bleiben Kulturereignisse im Themenkreis Reformation mit ihrer identitätsstiftenden Wirkung nach wie vor wichtig.

Die historischen Gestalten Martin Luther, Thomas Müntzer und andere sind dauerhaft mit dem Land Sachsen-Anhalt und insbesondere mit dem Landkreis Mansfeld-Südharz verknüpft. Martin Luther wurde in Mansfeld geboren, er ist in Eisleben gestorben. Sein Zeitgenosse Thomas Müntzer war Pfarrer in Allstedt. Ich füge hinzu: Geboren ist er in Stolberg; das steht nicht in der Rede. Der Ort Stolberg ist mir schon deswegen sehr vertraut, weil ich dort geheiratet habe und für ihn deswegen eine besondere Sympathie hege. Das muss Sie nicht interessieren, aber ich habe es hier doch einmal erwähnt; das habe ich mir vorgenommen.

(Wulf Gallert, DIE LINKE: Gleich sagt die CDU-Fraktion „zur Sache!“ - Heiterkeit bei der CDU)

Müntzer feierte als erster Reformator einen Gottesdienst in deutscher Sprache und hielt in der Hofstube seine berühmte Fürstenpredigt. Der Landkreis Mansfeld-Südharz präsentiert sich deshalb seit 2015 unter dem Slogan „Luthers Land und Müntzers Heimat“. Er ist Teil der historischen Landschaft, die besonders in die Geschehnisse des Bauernkrieges im Jahr 1525 einbezogen war.

Auch der Bauernkrieg und Müntzers Hinrichtung im Jahr 1525 bei Mühlhausen jährt sich im Jahr

2025 zum 500. Mal. Damit haben wir natürlich den Bezug zu Thüringen, den wir an dieser Stelle suchen. Das Kulturministerium von Sachsen-Anhalt ist bereits mit den Vorbereitungen des 500. Jubiläums des Bauernkriegs befasst. Zielgerichtet sanieren wir - jetzt kommt es: meine Traukirche - die St.-Martini-Kirche in Stolberg und kümmern um das Schloss Allstedt. Auch verschiedene Akteure in der Region sowie der Landkreis erarbeiten bereits Konzepte für Veranstaltungen, mit denen dieses Ereignis angemessen begangen werden soll.

Wir wissen, dass für solche Veranstaltungen ein längerer Planungsvorlauf erforderlich ist. Deshalb gehen wir davon aus, dass hierfür ab dem Jahr 2022 entsprechende Vorsorge im Landeshaushalt getroffen werden muss.

Darüber hinaus widmet die Landesregierung dem Thema im Zusammenhang mit der geplanten Marketingoffensive für die UNESCO-Welterbestätten des Landes, zu denen auch die Stiftung Luthergedenkstätten gehört, auch in Zukunft große Aufmerksamkeit.

Es liegt nahe, sich bei den Planungen am Wirkungskreis von Müntzer zu orientieren, also auch Thüringen einzubeziehen. Dort finden ebenfalls konzeptionelle Vorarbeiten statt. Ob daraus eine gemeinsame länderübergreifende Zweiländerausstellung erwachsen kann und wer als Träger dafür geeignet ist, wird sich zeigen. Die Landesregierung steht solchen Überlegungen jedenfalls aufgeschlossen gegenüber. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und entschuldige mich gleichzeitig dafür, dieses große historische Ereignis mit Banalitäten aus meinem Leben verknüpft zu haben. - Vielen Dank.

(Heiterkeit und Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. Ich sehe keine Fragen. - Somit können wir in die Dreiminutendebatte der Fraktionen einsteigen. Für die SPD-Fraktion spricht die Abg. Frau Prof. Dr. Kolb-Janssen. Sie haben das Wort, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Was haben Martin Luther und Thomas Müntzer gemeinsam? - Sie sind beide aus der gleichen Region: der eine ein Mansfeldisch‘ Kind, der andere aus Stolberg im Harz. Beide sind Theologen und zunächst Anhänger der Reformation.

Doch die Wege trennen sich bald. Beide sind, jeder auf seiner Art, frühe Revolutionäre. Der eine - Luther - wollte die Kirche radikal reformieren, aber nicht mit Gewalt. Der andere - Müntzer -

wollte eine totale Verchristlichung der Gesellschaft und das Reich Gottes auf Erden. Die aufständischen Bauern waren für ihn Auserwählte Gottes, die sich gegen die weltliche Ordnung auflehnten. Mit der Schlacht in Bad Frankenhausen im Jahr 1525 endete der Bauernkrieg blutig. Müntzer wurde wenig später in Mühlhausen enthauptet.

Ihrer beider Wirken war Folie von zahlreichen Interpretationen der nachfolgenden Generationen in den beiden deutschen Staaten und ist es wohl heute noch. Ich glaube, wir könnten auch hier im Haus eine Debatte führen, wer eine größere Bedeutung hat: Luther oder Müntzer. Wir würden zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen gelangen. Schon das spricht dafür, sich intensiv auch mit den Bauernkriegen und mit Thomas Müntzer auseinanderzusetzen.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Tübke hat das ja für sich beantwortet!)

- Genau. Viele von uns, die in der DDR sozialisiert worden sind, erinnern sich an das Panoramamuseum in Bad Frankenhausen und das berühmte Gemälde von Werner Tübke - auch ein Sohn unseres Landes, der in Schönebeck aufgewachsen ist.

Warum hole ich so weit aus? - Weil Thomas Müntzers Wirken nicht ohne Luther und die Reformation zu denken ist. Zahlreiche Wirkungsorte liegen nicht nur in unserem schönen Sachsen-Anhalt, wie in Stolberg, Allstedt und Eisleben, sondern eben auch in unserem Nachbarland Thüringen, wie in Mühlhausen und Bad Frankenhausen.

Der Freistaat Thüringen ist uns wieder einmal ein bisschen voraus. Er hat bereits eine Landesausstellung für das Jahr 2025 auf den Weg gebracht. Nach den länderübergreifenden Feierlichkeiten und den guten Erfahrungen, die wir in der Zusammenarbeit mit dem Bund und mit Thüringen im Zusammenhang mit dem Lutherjubiläum gemacht haben, bietet sich doch eine Zusammenarbeit geradezu an. Sie ist aus meiner Sicht ausgesprochen wünschenswert.

Auch auf regionaler Ebene, sprich im Landkreis Mansfeld-Südharz, gibt es erste Überlegungen, erste Bestrebungen für eine regionale Vernetzung und für eine Kooperation mit Vereinen und Verbänden. Ich finde, wir sollten sie in ihren Bestrebungen, in ihrer Arbeit unterstützen.

Deshalb lautet meine Bitte, das in konkrete Taten umzusetzen. Darüber, welche das konkret sein können, können wir gern in den Ausschüssen diskutieren. Ich denke, dafür ist der Ausschuss für Bildung und Kultur prädestiniert. Ich bitte auch um eine Mitberatung im Wirtschaftsausschuss, da das Thema natürlich auch eine touristische Dimension hat und ich von unseren Wirtschafts- und Touris

muspolitikern bereits gehört habe, dass sie diesbezüglich Ideen haben. Deshalb bitte ich um eine Überweisung in die Ausschüsse. Dort können wir uns über konkrete Ideen der Vernetzung Gedanken machen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der LINKEN, bei den GRÜNEN und von Frank Scheurell, CDU)

Vielen Dank, Frau Abg. Kolb-Janssen. Haben Sie um eine Überweisung zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Bildung und Kultur gebeten?

(Prof. Dr. Angela Kolb-Janssen, SPD: Ja!)

- Vielen Dank; das war nur für mich noch einmal zur Information.

(Prof. Dr. Angela Kolb-Janssen, SPD: Wirt- schaft mitberatend!)