Protocol of the Session on January 30, 2020

(Zurufe von der AfD)

Zum Thema „Rassistische Diskriminierung“. Mal abgesehen von dem Fauxpas, dass man über vertrauliche Verhandlungen

(Zurufe von der AfD)

möglicherweise nicht coram publico reden sollte, weil das das Verhandlungsklima zerstört - das sehe ich Ihnen angesichts Ihres mäandernden Verhandlungsstils nach -: Erst haben Sie die Reform in Schindelbruch mitgetragen, um dann hinterher wieder auszusteigen, weil Ihre Fraktion Sie offensichtlich Maß genommen hat und Sie wieder auf Linie gebracht hat. Das will ich gar nicht alles thematisieren. Aber die Rolle des GBD hier im Hause ist eine unterstützende, eine beratende. Dort werden keine Letztauslegungsentscheidungen über Gesetze getroffen.

Zum konkreten Sachverhalt. Der GBD vertritt die von Ihnen dargestellte Auffassung, dass damit der Schutzbereich eingeschränkt werde. Ich teile diese Auffassung nicht. Es handelt sich um Europarecht, was hier angeführt wird, worin der Begriff

der Rasse im Übrigen in seinem englischen Original als „Race“ auftaucht. Die englische Terminologie „Race“ hat eine andere Konnotierung als die deutsche Terminologie „Rasse“. Aber viel entscheidender ist: Es geht dort um eine Richtlinie, und Richtlinien sind durch die Länder nicht wortwörtlich, sondern dem Gehalt nach umzusetzen. Das tun wir mit der Formulierung ganz konkret.

Dass Sie ein Problem mit dem Verbot rassistischer Diskriminierung haben, wundert mich nun überhaupt nicht. Aber dann führen Sie hier nicht irgendwelches merkwürdiges verfassungspolitisches „Geschwurbel“ - so haben Sie das, glaube ich, genannt - an. - Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf von Ro- bert Farle, AfD)

Herr Abg. Roi, Sie haben jetzt die Möglichkeit, zu sprechen. - Nein, Sie verzichten auf das Wort. Vielen Dank. Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. - Nächster Debattenredner ist für die SPD-Fraktion der Abg. Herr Erben.

Frau Präsidentin - -

Sie haben jetzt das Wort. Ich wollte Ihnen die Möglichkeit geben, das Rednerpult hochzufahren.

Jetzt haben Sie das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Farle, so gern ich jetzt meine Redezeit dazu nutzen würde, Ihr Verhalten, Ihr Mittun, Ihr Nichtmittun, Ihre Wendungen und Pirouetten im Rahmen der Verhandlungen um das Gesetzespaket hier darzulegen, werde ich das nicht tun.

Verfassungsrecht legt die grundlegenden Grundrechte des Einzelnen vor allem gegenüber dem Staat, die Ziele und Aufgaben staatlichen Handelns, aber auch die Spielregeln unserer parlamentarischen Demokratie fest. Deswegen ist unsere ja schon im Jahr 1992 verabschiedete Landesverfassung das grundlegende Regelwerk für das Miteinander in unserem Land Sachsen-Anhalt.

Sie ist damals schon ein Produkt eines intensiven Prozesses parlamentarischer Aushandlung, aber

auch des Dialoges mit der Gesellschaft im Land gewesen. Zudem: Unsere Verfassung trägt die Handschrift des damaligen Vorsitzenden des Verfassungsausschusses und späteren Ministerpräsidenten Reinhard Höppner, der leider viel zu früh von uns gegangen ist und an dessen Wirken ich an dieser Stelle erinnern möchte.

(Beifall bei der SPD)

Denn nach zwei Diktaturen auf dem Boden unseres heutigen Sachsen-Anhalts war damals die neue Landesverfassung eine elementare Zäsur und ein Statement für ein demokratisches Miteinander in unserem Land.

(Beifall bei der SPD)

Von Zeit zu Zeit braucht auch ein solches Regelwerk ein Update, eine Anpassung an eine sich verändernde Gesellschaft und die sich neu stellenden Herausforderungen. Das gilt natürlich auch für die Regelungen, die wir hiermit anpacken, vom Volksabstimmungsgesetz bis zur Geschäftsordnung des Landtages.

Die letzte Änderung der Verfassung, im Jahr 2014 erfolgt, hat bereits die Kinderrechte in die Landesverfassung aufgenommen. Es geht bei der Modernisierung, die wir heute hier fraktionsübergreifend einbringen, um eine lebhaftere, transparentere parlamentarische Demokratie, aber auch um ganz grundlegende Fragen und Werte.

Das fängt schon bei der Präambel der Verfassung an. Erstmals schreiben wir dort die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in unserem Land hinein, denn kaum eine Veränderung trifft unser Land aktuell so wie die demografische Entwicklung. Wir können sie nicht stoppen. Aber wir können unser Mögliches tun, damit keine Region, keine Stadt und keine Gemeinde in unserem Land abgehängt wird oder sich auch nur abgehängt fühlt.

Mit welcher Emotionalität die betroffenen Menschen solche Fragen diskutieren, erlebe ich tagtäglich in meiner eigenen Heimat, im Burgenlandkreis. Strukturwandel und Gesundheitsversorgung sind dort eben keine abstrakten politischen Begriffe mehr, sondern sie sind mit ganz realen Unsicherheiten, mit Ängsten, manchmal auch mit Zorn verbunden.

Eines ist klar: Es werden nicht die letzten Kliniken und Industriearbeitsplätze sein, um die wir in den nächsten Jahren kämpfen werden. Umso wichtiger ist es, dass diese Verpflichtung zu einer ausgewogenen Landesentwicklung auch in der Verfassung niedergeschrieben wird.

Eine weitere Ergänzung findet bei dem Staatsziel „Klimaschutz“ statt. Abgesehen von einigen Klimaleugnern ist es wohl in unserer Gesellschaft

überall angekommen, dass es sich dabei nicht nur um Wetter

(Stefan Gebhardt, DIE LINKE, lacht)

und dessen übliche Schwankungen handelt, sondern dass es um Klimaveränderungen geht. Es geht darum, durch welche Maßnahmen und in welchen Zeitschienen wir eine CO2-Reduktion erreichen. Wie das passiert, darüber lässt sich trefflich streiten. Aber dass wir der globalen Erwärmung etwas entgegensetzen müssen, ist wohl unbestritten.

In den letzten Jahrzehnten hat sich auch das gesellschaftliche Miteinander verändert. Es ist ein neues Bewusstsein für die Wirkung von Sprache und die Form der alltäglichen Diskriminierung entstanden. So war im Jahr 1992 noch das Diskriminierungsverbot aufgrund des Begriffes „Rasse“ als Ablehnung des menschenverachtenden Vernichtungswahns der Nazis formuliert worden. Der Begriff selbst ist aber höchst problematisch, da er selbst das unwissenschaftliche Konstrukt der „Rasse“ legitimiert. Folgerichtig streichen wir nun gemeinsam den Rassebegriff.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Zum anderen nehmen wir in den gleichen Absatz das Diskriminierungsverbot aufgrund der sexuellen Identität auf. Dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, begründet nur ein allgemeines Willkürverbot, bietet den Betroffenen im Fall entsprechender Diskriminierung aber keine ausreichende Grundlage, dagegen vorzugehen.

Wir legen hier als Bundesland vor und hoffen, dass es im Bund endlich Bewegung in dieser Angelegenheit gibt und sich eine ähnliche Vorschrift bald auch im Grundgesetz wiederfindet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Besonders erwähnenswert finde ich noch den neuen Artikel 37a zur - ich zitiere - Nichtverbreitung nationalsozialistischen, rassistischen und antisemitischen Gedankenguts.

Alle dürften mitbekommen haben, dass bis zum letzten Wochenende in Bad Bibra im Burgenlandkreis unter dem Titel „Deutsches Reichsbräu“ Bier mit Reichsadler und eindeutigen Nazicodes in einem scheinbar ganz normalen Getränkemarkt vertrieben wurde. Dass so ein verherrlichender Nazischund auch noch reißenden Absatz findet, zeigt, wie nötig eine eindeutige Positionierung in unserer Landesverfassung ist.

(Beifall bei der SPD und bei der LINKEN)

Wichtig ist mir dabei, dass der Artikel nicht nur den Staat, sondern jeden Einzelnen von uns in die Pflicht nimmt, nicht wegzusehen und entsprechend zu handeln.

Ob es der schreckliche Anschlag von Halle oder der alltägliche Antisemitismus und Rassismus auf unseren Straßen ist: Wenn wir uns heute nicht gegen solche Umtriebe klar zur Wehr setzen, werden wir es morgen bereuen.

(Zustimmung bei der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eingangs habe ich erwähnt, dass unsere demokratischen Spielregeln auch hin und wieder ein Update brauchen.

(Zuruf von Volker Olenicak, AfD)

Bürgerinnen und Bürger fordern zu Recht Einfluss und Transparenz. Für uns war es deshalb folgerichtig, Vereinfachungen und Verbesserungen der Regelungen und der direkten Demokratie in dem Gesetzentwurf vorzunehmen sowie Veränderungen im parlamentarischen Bereich. Eine der wichtigen und wichtigsten Änderungen für die Abläufe in diesem Haus ist es, dass zukünftig Ausschusssitzungen generell öffentlich sind.

Alle die, die das aus ihrer Erfahrung in Stadt- und Gemeinderäten kennen - auch wenn das keine Parlamente sind -, werden sich immer wieder gefragt haben: Warum machen wir nicht eine Regelung, wie wir sie haben, nämlich eine generelle Öffentlichkeit? Da gibt es ganz klar formulierte Ausnahmen, wann zum Schutz bestimmter Rechte diese Öffentlichkeit nicht gilt und wann nicht öffentlich getagt wird. Das bilden wir hier nach. Das ist zum Glück Konsens in der Verhandlungsrunde gewesen.

Darüber hinaus wird es eine ganze Reihe von Änderungen geben. Eine will ich an dieser Stelle noch ansprechen: Mir hat es sich bereits seit langer Zeit nicht erschlossen, warum man in Sachsen-Anhalt - der Ministerpräsident möge mir das nicht übel nehmen - leichter Ministerpräsident werden konnte als Datenschutzbeauftragter.

(Heiterkeit bei der SPD und bei den GRÜ- NEN)

Das ist ja aktuelle Rechtslage.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Ministerpräsi- dent braucht keiner auszuschreiben!)

- Zukünftig wird es immer noch leichter sein, denn man benötigt keine Ausschreibung. - Aber wir stellen das Verfahren um, und ich glaube, wir kommen auf diese Weise auch in einem sehr geordneten Verfahren bald zu einem Nachfolger des aktuellen Datenschutzbeauftragten.

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Das Gesetz zur Parlamentsreform 2020 enthält zahlreiche moderne und zukunftsweisende Änderungen, die einem Land, das mit der Losung „Modern denken“ Werbung macht, gut zu Gesicht stehen.

Ich danke an dieser Stelle zuerst der Frau Präsidentin für den Moderationsprozess, ihrer Landtagsverwaltung, dem Gesetzgebungs- und Beratungsdienst für die immer wieder guten Ideen und für das fleißige Mitarbeiten bei diesem komplizierten Gesetzeswerk. Ich danke meinen Kollegen Markus Kurze, Sebastian Striegel und Stefan Gebhardt für die Mitarbeit und Ihnen für die Aufmerksamkeit. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der LINKEN)