Oder aber Sie vertreten die Ansicht, dass man in Sachsen-Anhalt nach 2035 Braunkohle verstromen könne, ohne einen Tagebau verfügbar zu haben. Den Widerspruch möchten Sie mir aufklären.
Widersprüche sehe ich nicht nur von uns, sondern auch seitens der Regierung. Sie wissen nicht, was hier eigentlich gemacht werden soll. Denn wenn wir hier am Ende stoffliche Kohlenutzungen haben wollen - - Das ist auch das, was wir in der ersten Debatte im Wirtschaftsausschuss verlangt haben, dass wir da technikoffen mitgehen würden. Aber so ist die Beschlussempfehlung nicht ausgeführt worden, dass wir da mitgehen. Das sehe ich nicht so, nein.
Vielen Dank, Frau Funke. - Wir kommen zum nächsten Debattenredner. Für die SPD-Fraktion spricht der Abg. Herr Hövelmann. Sie haben das Wort. Bitte, Herr Abgeordneter.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kern der Beschlussempfehlung, die Sie heute vor sich liegen haben, sind zwei Dinge: erstens die Anerkennung der Tatsache, dass der Kompromiss zum Kohleausstieg die Grundlage für die weitere Entwicklung des Mitteldeutschen Reviers ist, und zweitens die Forderung, diesen Kompromiss in allen seinen Teilen umzusetzen.
Seit wir diese Beschlussempfehlung im Ausschuss verabschiedet haben - das ist jetzt zehn Tage her -, hat es zwei neue Entwicklungen gegeben, die uns der Umsetzung dieses Kompromisses etwas näher bringen: erstens die Verständigung zwischen der Bundesregierung und den Ministerpräsidenten der betroffenen Länder über die Restlaufzeiten der Kohlekraftwerke. Dadurch wurde der Weg frei für zweitens den Entwurf des Kohleausstiegsgesetzes, den die Bundesregierung gestern beschlossen hat.
hat in Sachsen-Anhalt eine große Sorge von den Beschäftigten im Revier und, ich denke, von uns allen genommen. Die Sorge, eine vorgezogene Abschaltung des Kraftwerks Schkopau könne so schnell vor der Tür stehen, dass sich weder die einzelnen Beschäftigten noch die Region oder gar das ganze Land darauf einstellen könnten, ist vom Tisch, und das ist gut so.
Auch im Namen der SPD-Fraktion: Herr Ministerpräsident, herzlichen Dank für Ihre Verhandlungsführung.
Das Kohleausstiegsgesetz ist jetzt der konsequente nächste Schritt. Er setzt für diesen Prozess der Kraftwerksabschaltung die gesetzlichen Normen. Aber er tut noch viel mehr; denn die Bundesregierung führt mit diesem Gesetz das Anpassungsgeld, das im Steinkohlebergbau schon gute Dienste geleistet hat, ein, und zwar auch für die Braunkohlewirtschaft. Das erleichtert älteren Beschäftigten den Weg in die Rente, ohne dass sie Abschläge in Kauf nehmen müssen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin froh, dass solche arbeitsmarktpolitischen Instrumente nicht nur isoliert für die eine Branche eingesetzt werden, denn mit dem Arbeit-von-MorgenGesetz, auf das sich die Koalition in Berlin gestern ebenfalls verständigt hat, werden Transformationen und Strukturwandel auch für andere Industrien unter dem Blickwinkel der Interessen der Beschäftigten angepackt. Das betrifft vor allem die Automobil- und die Automobilzuliefererindustrie. Meine Damen und Herren! Das ist nicht unwichtig für unser Land Sachsen-Anhalt.
Wie andere Gesetze auch, ist das Kohleausstiegsgesetz erkennbar ein Kompromiss. Die Kröte, die es in diesem Fall zu schlucken gilt, ist das Steinkohlekraftwerk Datteln 4, das in Nordrhein-Westfalen neu ans Netz gehen soll. Diese Entscheidung, meine sehr verehrten Damen und Herren, halte ich für inkonsequent. Aber ich sehe auch, dass politische Mehrheiten und finanziell tragfähige Lösungen anders wohl derzeit nicht zu erreichen sind.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kohleausstieg, das heißt auch weiterer Einstieg in die erneuerbaren Energien. Denn wir wollen Industrieland bleiben - das haben wir oft genug bekundet - auf der Grundlage einer dauerhaft tragfähigen, leistungsstarken und klimaneutralen Energiegewinnung. Deshalb müssen weitere Schritte folgen.
Meine Damen und Herren! Mit dem Kohleausstieg leistet Sachsen-Anhalt nach den massiven Investitionen in Windkraft und Solarenergie einen weiteren wichtigen Beitrag für die Energiewende in ganz Deutschland und für den dringend notwendigen Klimaschutz.
Im Gegenzug haben die Menschen im Mitteldeutschen Revier, die Beschäftigten und die regionale Wirtschaft ein Recht darauf, dass die strukturpolitischen Maßnahmen für die Zukunft im Süden Sachsen-Anhalts zügig umgesetzt werden, zielgenau für die Infrastruktur und die infrastrukturelle Stärkung der Region eingesetzt werden und tatsächlich neue wirtschaftliche Perspektiven und Arbeitsplätze geschaffen werden; denn auch das gehört zur Umsetzung des Kohlekompromisses in all seinen Teilen.
Dafür, meine sehr verehrten Damen und Herren, muss zunächst zusammen mit dem Kohleausstiegsgesetz auch das Strukturstärkungsgesetz abschließend von Bundestag und Bundesrat beschlossen werden. Ich denke, insbesondere diesen Teil der Entwicklung und die konkrete Umsetzung vor Ort sollten und werden wir als Landtag kritisch begleiten. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Abg. Hövelmann. Es gibt eine Wortmeldung. - Herr Abg. Farle, Sie haben jetzt das Wort. Bitte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ihren Worten war jetzt zu entnehmen, dass Sie kein Junktim sehen zwischen dem Abschaffen von Arbeitsplätzen, der Stilllegung von Arbeitsplätzen und der Forderung, dass vorher neue Arbeitsplätze entstanden sein müssen. Das sehe ich aber.
Bevor man zustimmen kann, dass im Jahr 2038 keine Kohleverstromung mehr stattfindet, muss sichergestellt sein, dass wir mit den Strukturhilfen wirklich Ersatzarbeitsplätze in diese Region reingeholt haben, wo es hinterher mit gleicher Wirtschaftskraft weitergeht. Würde das nicht getan, bliebe am Ende nämlich nur das Dichtmachen der Zechen übrig.
Das habe ich im Ruhrgebiet sehr eindrücklich und klar erlebt. Die Arbeitsplätze waren weg und es sind zig Milliarden an Hilfen gezahlt worden, damit die ehemaligen Bergarbeiter dann irgendwie irgendwann mal in die Rente eingestiegen sind.
Wenn das aber die Entwicklung ist, dann wird es bei uns in einigen Jahren genauso schlimm aussehen, wie es im Ruhrgebiet gekommen ist. Da ist nämlich überhaupt nichts passiert. Da ist der Strukturwandel wirklich nur eine hohle Phrase der Politik geblieben. Das wünsche ich mir hier nicht.
Wenn Sie ein nagelneues Kraftwerk mit modernsten Filteranlagen, das Hunderte Millionen, wahrscheinlich sogar Milliardenbeträge gekostet hat, infrage stellen, dann frage ich mich, wo Ihre wirtschaftliche Vernunft ist. Deutschland ist nicht so reich, um solche Milliardenbeträge einfach in den Wind zu schießen; das geht nicht.
Herr Farle, ich muss Sie jetzt unterbrechen, Ihre Redezeit ist beendet. Das war keine Fragestellung, sondern eine Kurzintervention; so interpretiere ich das. - Aber Sie können darauf gern erwidern, Herr Abg. Hövelmann.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Das mache ich natürlich gern. - Manchmal fällt einem so viel gar nicht mehr ein, was man auf diese Art von Fragestellung noch antworten soll.
Ich habe in meinem Redebeitrag zwei Dinge deutlich gemacht. Das Erste: Ich bin sehr froh darüber, dass es das Anpassungsgeld für die Beschäftigten in der Braunkohle geben wird. Das heißt, dass die, die ausscheiden und nahe an der Rente sind, nicht mit Abschlägen rausgehen müssen, dass sie nicht finanzielle Einbußen hinnehmen müssen. Das finde ich völlig in Ordnung.
Jetzt sage ich salopp: Was den Kumpels in NRW recht war, sollte uns in Sachsen-Anhalt billig sein. Wir wollen das Gleiche genauso für unsere Beschäftigten haben. Das ist das eine, was ich gesagt habe.
- Jetzt lassen Sie mich bitte ausreden, Herr Farle. - Das Zweite ist: Sie wollen einen Scheck haben und wollen die Einlösung des Schecks heute schon realisieren. Wie soll denn das funktionieren? Jetzt gibt es ein Gesetzespaket, das auf den Weg gebracht wird. In diesem Gesetzespaket ist genau der Scheck definiert: Wie sollen neue Arbeitsplätze entstehen? Wo sollen die Investitionen erfolgen? Wie soll der Umbau in Innovation und Nachhaltigkeit geschehen?
fassen - ist in der Lage, heute festzustellen, an welcher Stelle in welcher Straße in welchem Ort im Süden Sachsen-Anhalts welcher Arbeitsplatz wie definiert und bezahlt im Jahr 2035 da sein wird. Das können wir nicht. Das können Sie auch nicht. Deshalb braucht es eine klare politische Grundrichtung. Die ist hier verabredet worden.
Darauf bin ich jedenfalls stolz. Ich freue mich auch, dass das gelungen ist. Ich glaube, es ist gut für das Land.
Vielen Dank, Herr Abg. Hövelmann. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht die Abg. Frau Eisenreich. Sie haben das Wort, bitte.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die heute hier zu besprechende Beschlussempfehlung begnügt sich mit Feststellungen und Appellen. - So viel vorweg.
Da kann man sich durchaus in Punkt 1 dem Ergebnis der Kommission „Wachstum, Beschäftigung und Strukturwandel“ als gute Grundlage anschließen. Aber wenn man allein die gesetzliche Umsetzung mit dem Strukturstärkungs- und dem vom Bundeskabinett gestern verabschiedeten Kohleausstiegsgesetz anschaut, so bleiben die doch weit hinter den Erwartungen und Forderungen von Klimaschützern und - ich betone: und - Wirtschaft zurück. Das wurde auf einer heutigen Pressekonferenz der Industrie- und Handelskammern deutlich, die durchaus ihrer Enttäuschung hierüber Ausdruck verliehen haben.
Obwohl alle mit diesem Kompromiss unzufrieden sind, ist es doch kein guter Kompromiss. Beispiel sind die Abschaltungsszenarien. Die Kommission hat einen linearen Abschaltplan vorgesehen. Jetzt finden die Abschaltungen von Kraftwerken wasserfallartig zu bestimmten Zeitpunkten statt. Das ist mehrfach problematisch.
Der CO2-Ausstoß ist wesentlich höher und die Klimaziele sind so nicht zu erreichen. Dazu kommt - ich beziehe mich hier ausdrücklich auf die anderen Reviere -: Die Auskohlung aller laufenden Tagebaue geht weiter. Die werden immer weiter abgebaggert. Das heißt auch Abbaggern von Dörfern und Wäldern. Es ändert sich also nichts so schnell.
Auch die Sicherheit der Energieversorgung leidet, wenn statt einer schrittweisen Ersetzung des Kohlestroms und Umsetzung von möglichen Energieeinsparungen dies nun ruckartig passiert. Damit ist auch eine Chance vertan, Innovationen im Energiesektor anzustoßen. Der beschleunigte
Ausbau der erneuerbaren Energien ist nun mal unerlässlich. Das ist aus meiner Sicht eine vertane Chance.
Sehr verehrte Frau Eisenreich, darf ich Sie kurz unterbrechen? - Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, den Geräuschpegel zu senken. Das gilt auch für meinen Fraktionsvorsitzenden. Wenn Sie etwas Dringendes zu besprechen haben - das ist dermaßen irritierend hier vorn -, dann gehen Sie doch bitte vor die Tür. Wir haben mehrere Gespräche, die sehr laut waren. Das macht es sehr schwer, auch für unsere beiden Mitarbeiterinnen hier vorn, die alles wortwörtlich mitschreiben müssen. - Vielen Dank. - Sie haben jetzt das Wort, Frau Eisenreich.