Protocol of the Session on December 17, 2019

(Beifall bei der LINKEN)

Eine der größten Peinlichkeiten dieses Haushaltsplanentwurfs ist Ihr erneutes Scheitern an der Einführung eines landesweiten Azubi-Tickets.

(Beifall bei der LINKEN)

Es wird also nicht kommen, obwohl die Wirtschaft, die Kammern und die Gewerkschaften es nachdrücklich fordern, obwohl es fast alle hier im Parlament wollen und unsere Nachbarländer damit längst durch sind. Nur unsere Landesregierung bekommt das nicht hin. Ob das an der fehlenden Kompetenz oder an Ressortegoismen liegt, ist egal. Das ist ein Sargnagel für die wirtschaftliche Entwicklung. Wir können uns solche Provinzpossen einfach nicht leisten.

(Beifall bei der LINKEN)

Völlig unzeitgemäß schreiben Sie die Unterfinanzierung des ÖPNV fort. Die Finanzierung erfolgt nur zu dem Mindestmaß der Leistungsanforderungen im ÖPNV-Gesetz. Eine an die Preisentwicklung angepasste Rabattierung im Ausbildungsverkehr gibt es nicht. Es gibt nichts mehr für die Barrierefreiheit an den Haltestellen. Für solche Fehlentwicklungen kann es keine Rechtfertigung geben.

Auch die Förderung des Rad- und Fußverkehrs spielt für die Landesregierung kaum eine Rolle. Eine Einmalfinanzierung für Lastenräder auf der einen Seite und Reduzierungen bei straßenbeglei

tenden Radwegen auf der anderen Seite - das ist keine zeitgemäße Verkehrspolitik.

(Beifall bei der LINKEN)

Vor Jahren ging man noch davon aus, dass Investorenwerbung nur mit einem positiven Landesimage und einer hohen Lebensqualität sowohl für Einheimische als auch für Touristen erfolgreich sein kann. Deshalb wurden Wirtschaftsförderung, Tourismuswerbung und Landesimage in der IMG zusammengefasst. Im letzten Jahr erhält dann plötzlich der Landestourismusverband eine millionenschwere Geldspritze und nun soll auch die Staatskanzlei ab dem nächsten Haushaltsjahr zusätzliche Mittel in Höhe von etwa 1 Million € für die Landesimagekampagne bekommen. Dann erfüllen also drei Institutionen eine Aufgabe, die nach unserer Ansicht in eine Hand gehört. Das wird weder zu einer besseren Wirkung noch zu einem effizienteren Einsatz der Mittel beitragen. Das ist schlicht Geldverschwendung.

Erst vor einigen Tagen wurde in einem Fachgespräch dargestellt, dass wir im Hinblick auf den Spitzensport in unserem Land den Anschluss an das internationale Niveau verlieren. Wir haben keine einzige Sportstätte, die für größere internationale Wettkämpfe geeignet ist. So geht Provinz, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Zustimmung bei der LINKEN - Zuruf von Tobias Krull, CDU)

Der schon lange geplante Neubau der JVA Halle steht, wie wir heute Morgen schon gehört haben, weiterhin in den Sternen. Auch mit diesem Haushaltsplan bleibt offen, ob überhaupt irgendwann mit dem Bau begonnen werden kann. Damit kommt es weiterhin und auf lange Sicht nicht zu der angestrebten Verbesserung der Haftbedingungen für die Gefangenen und der Arbeitsbedingungen für die Bediensteten.

Nicht viel besser ist es um die Pläne zur Unterbringung der vierten Einsatzhundertschaft der Landesbereitschaftspolizei in Halle bestellt. Nur im Schneckentempo kommt dieses Projekt voran und erzeugt Frust und zusätzliche Kosten, weil notwendige Entscheidungen nicht zügig getroffen wurden und dadurch langwierige Übergangslösungen erforderlich werden.

Für die ZASt in Halberstadt, der Sachsen-AnhaltVariante der Ankerzentren, werden die Kosten für die Bewachung nahezu verdoppelt. Mehr als 4 Millionen € soll uns das jetzt pro Jahr kosten.

(Zuruf von der CDU: Zu Recht!)

Die längere Verwahrung in der Erstaufnahmeeinrichtung ist nicht nur zutiefst inhuman, sondern auch kostspielig.

(Zuruf von Jens Kolze, CDU)

Abschieben, was das Zeug hält, und dabei humanitäre wie rechtliche Hindernisse einfach mal über Bord werfen, war das Ziel der Landesregierung und der Grund, um im laufenden Haushalt die Haushaltsansätze für Abschiebungen radikal zu erhöhen.

(Zuruf von Robert Farle, AfD)

Nun konnten Sie aber diese menschenverachtende Politik doch nicht so durchsetzen, wie Sie wollten. Darauf hatten wir hingewiesen.

(Zuruf von Jens Kolze, CDU)

Auch wenn Sie im vorliegenden Entwurf die Ansätze wieder deutlich gesenkt haben, liegen diese noch immer ganz klar über dem, was realpolitisch umsetzbar ist.

Würden die Regierungsfraktionen die gleiche Energie und das gleiche Geld in die Integration von Menschen investieren, das Sie hier stattdessen für deren Drangsalierung vorsehen, wäre uns allen sehr viel geholfen.

(Beifall bei der LINKEN)

Nach dem rechten Terroranschlag vom 9. Oktober in Halle erhöhen Sie massiv die Ansätze für den Verfassungsschutz. So wird von Ihnen eine Behörde aufgerüstet, bei deren effektiven Beitrag zur Gefahrenabwehr nach allen bisherigen Erfahrungen größte Skepsis angebracht ist und die nicht ausgebaut, sondern abgeschafft gehört.

(Beifall bei der LINKEN)

Dagegen gibt es auf der Seite der Zivilgesellschaft keine nennenswerte Erhöhung, etwa für das Landesprogramm „Demokratie, Vielfalt und Weltoffenheit“.

(Lachen bei der CDU)

Ohne Stärkung der Zivilgesellschaft im Kampf gegen den rechten Terror kann der Ausbreitung rechter Tendenzen bis in die Mitte der Gesellschaft nicht wirkungsvoll begegnet werden. Eine solche Botschaft ist fatal und Ausdruck für politisches Versagen.

(Beifall bei der LINKEN)

Natürlich sind wir uns einig bei den 1,5 Millionen € für Investitionen zum Schutz jüdischer Einrichtungen. Aber es bleiben drängende Fragen nach der Finanzierung der laufenden Kosten dieser Sicherung und nach einem gleichwertigen Schutz für muslimische Einrichtungen. Es drängt sich die Frage auf, ob der Schutz muslimischer Gemeinden und Gebetshäuser möglicherweise nicht so in den Blick genommen wird, weil ja, wie wir gelernt haben, der Islam angeblich nicht zu Deutschland gehört. Braucht es erst einen neuen 9. Oktober mit einem gezielten Angriff auf eine muslimische Gemeinde, bis Sie aufwachen und auch diesbezüglich bereit sind, Konsequenzen zu ziehen?

Ich will die Liste der Defizite für heute abschließen und unsere Forderung erneuern, für die Umsetzung der Istanbul-Konvention mehr Mittel bereitzustellen und damit vor allem ein Beratungsangebot für die von häuslicher Gewalt mitbetroffenen Kinder und Jugendlichen zu schaffen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir verlangen auch, dass der gerade erst eingeführte Hebammenfonds nicht gleich wieder abgeschafft, sondern weitergeführt wird. Und wir verlangen selbstverständlich, dass Beschlüsse des Landtages, wie etwa zur Weidetierprämie, im Haushalt auch umgesetzt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will noch darauf hinweisen, dass es im Haushalt neben Defiziten immer auch Aufwüchse gibt, die wir kritisch sehen. Ich habe einige schon erwähnt. Dazu zählen unter anderem die weiter steigenden Staatskirchenleistungen, die im nächsten Haushaltsjahr automatisch wieder um mehr als 1 Million € höher ausfallen. Doch auch in dieser Legislaturperiode wird die Koalition nicht einmal eine Idee entwickeln, wie man den Verfassungsauftrag zur Ablösung dieser Leistungen umsetzen kann. Sie lassen es vielmehr einfach weiter laufen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der riesige Investitionsstau in den Krankenhäusern und Kliniken, bei Straßen und Brücken, bei Schulen und Schwimmbädern, bei den Trainings- und Wettkampfstätten für den Breiten- und den Leistungssport, die fehlende Aussicht für die JVA, der Mangel an Schulsozialarbeit, an Lehrkräften und Ärzten, bei Richtern und im Strafvollzug und die systematische Unterfinanzierung der Kommunen - der Berg ungelöster Probleme ist gewaltig und Sie kommen mit diesem Haushalt dabei kein Stück voran.

(Beifall bei der LINKEN)

Ohne die rosarote Brille des Finanzministers muss doch auch dem Letzten langsam klar werden, dass die Finanzpolitik der letzten 20 Jahre nicht weiter fortgesetzt werden kann. Um den Investitionsstau, den Personalmangel und die Unterfinanzierung der Kommunen zumindest teil- und schrittweise zu beseitigen, sind in den kommenden zehn Jahren, grob geschätzt, mindestens 6 Milliarden € on Top zu den bisherigen Haushaltsansätzen erforderlich.

Wir rennen wie die Hamster im Laufrad, weil das Geld einfach vorn und hinten nicht reicht. Unser Landeshaushalt ist weiterhin mit mindestens 10 % unterfinanziert. Das merken Sie ja selbst, wenn Sie mit den Haushaltsanmeldungen bis zu 1 Milliarde € über den vorgegebenen Eckwerten liegen. Der Finanzminister hat es ja mit seinem Ausblick auf die nächste Legislaturperiode bestätigt.

Die Alternative, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist nicht, immer dann nach Berlin zu laufen, wenn Geld für den Kohleausstieg oder die Windkraft oder für die Digitalisierung unserer Schulen gebraucht wird. Es ist Zeit, von Berlin endlich eine andere Steuerpolitik und neue Verteilungsregelungen zu fordern. Wir brauchen deutlich mehr öffentliche Einnahmen für die Länder und die Kommunen.

(Beifall bei der LINKEN)

Dabei geht es auch um die Schuldenbremse. Inzwischen ist längst klar, dass sie zu einem Hemmnis für die wirtschaftliche Entwicklung wird. Die Wirtschaft begreift es. Die SPD hat es zumindest zum Teil verstanden. Die Leute draußen begreifen es und irgendwann wird es auch bei der CDU angekommen sein.

(Zuruf von Siegfried Borgwardt, CDU)

Die Schuldenbremse war und ist liberaler

Schwachsinn, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der LINKEN)

Nach dem ZDF-Politbarometer vom letzten Freitag sind 75 % der Bevölkerung für mehr Investitionen, auch wenn dafür Schulden gemacht werden müssten. Quer durch alle Parteien gibt es dafür große Mehrheiten, auch bei den Anhängern der CDU. Dabei ist die Alternative zur Schuldenbremse gar nicht das endlose Anhäufen neuer Schulden, wie immer reflexartig behauptet wird. Die Alternative ist die Generierung von mehr Einnahmen,

(Beifall bei der LINKEN)

und das auch nicht durch endloses Wachstum, sondern durch die Rückkehr zu einer ökonomisch sinnvollen Steuerpolitik.