Vielmehr geht es Erdoğan darum, seine Idee einer imperialen Regionalmacht, die Wiederauferstehung des Osmanischen Reiches durchzusetzen und die erstarkende Opposition gegen sein autokratisches Regime zu spalten. Das hat er hervorragend durchgesetzt.
Wir wollen uns daran erinnern, dass vor Kurzem in Istanbul eine Oberbürgermeisterwahl stattfand, in der sein Favorit, der AKP-Kandidat, verloren hat gegen einen Oppositionskandidaten der CHP, der - man muss es heute leider so sagen - türkischen Nationalisten im Gegensatz zu den Islamisten der AKP. Dieser alternative Kandidat hat die Wahl nur aufgrund der deutlichen Unterstützung der HDP und der kurdischen Bevölkerung gewonnen.
Was sagt der Istanbuler Oberbürgermeister jetzt? - Er steht voll hinter dieser Militäraktion, er ist dafür, dass die kurdischen Selbstverwaltungskräfte und Hunderttausende Menschen aus dieser Region vertrieben werden.
Erdoğan hat ein innenpolitisches Interesse an diesem Krieg und er ist skrupellos genug, die Opposition mit dieser Geschichte zu schwächen. Auch das wird in Deutschland leider zu wenig formuliert. Deswegen muss es hier ausgesprochen werden.
Erdoğan hat das Ziel, aus der Region entlang der Grenze auf einer Breite von 400 km und einer Tiefe von etwa 30 km die dort lebende Bevölke
Was will er dann machen? - Er will die zwei bis drei Millionen syrische Kriegsflüchtlinge, die jetzt in der Türkei leben, dorthin exportieren. Er will eine groß angelegte Umsiedlungsaktion realisieren, indem er Hunderttausende Kurden, Jesiden und Christen aus dem Nordgebiet von Syrien vertreibt, um dann wiederum die Kriegsflüchtlinge aus der Türkei dort zwangsanzusiedeln. Das ist die Situation, mit der wir es zu tun haben.
Wir können uns alle nicht vorstellen, mit wie viel menschlichem Leid die Umsetzung dieses Planes verbunden sein wird. Aber es muss benannt werden, weil wir davon ausgehen, dass Menschenrechte unteilbar sind und dass auch wir nicht wegschauen können, wenn dieses Massenverbrechen dort in Gang gesetzt wird, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Darüber hinaus hat Erdoğan ganz eindeutig das Ziel, seine islamistischen Verbündeten, die er gegen seine innenpolitischen Feinde einsetzt, vor allen Dingen auch gegen die Kurden, und den IS gegen Assad einzusetzen und die gesamte Region zu destabilieren, um die vorherrschende Regionalmacht zu sein.
Es ist imperiale Politik, es ist menschenverachtende Politik, die hier passiert, und es ist die Politik unseres NATO-Partners. In Deutschland redet man von berechtigten Sicherheitsinteressen der Türkei. Das ist ein Skandal! Das ist moralisches Grundversagen! Das muss ausgesprochen werden, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Ganz klar: Die Reaktivierung des IS durch Erdoğans Verbündete und durch Erdoğan selber wird zuerst in Syrien, aber als nächstes im Irak zum Pulverfass werden und explodieren. Die Folgen für die Region und für Europa sind absehbar. Hier werden die neuen Flüchtlingskrisen organisiert und erzeugt, mit denen wir uns dann auseinanderzusetzen haben. Deswegen müssen wir uns jetzt damit auseinandersetzen und nicht erst, wenn es zu spät ist, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Kommen wir nun zu einigen weiteren an diesem Völkerrechtsbruch Beteiligten. Da wären als Erstes die USA zu nennen. Die hat zwar die Kurden im Kampf gegen den IS gebraucht, nun aber den Völkerrechtsbruch der Türkei durch den Abzug der eigenen Truppen ausdrücklich unterstützt.
Und ganz klar: Nicht anders sieht es mit Russland aus. Dessen strategisches Bündnis mit dem Assad-Regime lässt sie zwar mit Skepsis auf Ankara schauen, aber der Deal liegt bereits auf dem Tisch. Russland und die Türkei teilen sich den
Einfluss in Syrien auf Kosten der Kurden im Norden und auf Kosten von Menschenrechten im ganzen Land. Auch das ist ganz klar zu benennen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Die in den betroffenen Gebieten bisher existierende kurdisch geprägte Selbstverwaltung war gekennzeichnet durch den Versuch, demokratische Strukturen aufzubauen, und zwar in einem Gebiet, das ansonsten von Warlords und Despoten beherrscht wird. Und - das will ich hier auch ganz klar sagen - es war der Versuch, auch die innersyrische Diskriminierung von Kurden zu unterbrechen bzw. etwas dagegen zu tun.
Im Übrigen ist es die einzige wirklich funktionierende Selbstverwaltung in der Region, die ganz klar darauf gesetzt hat, Frauenrechte durchzusetzen und die Beteiligung von Frauen am demokratischen Willensbildungsprozess zu realisieren. Dies wird jetzt von den USA, von Russland und unserem NATO-Partner Erdoğan zusammen mit islamistischen Partnern vernichtet. Das ist ein Desaster, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Während die ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates den Völkerrechtsbruch der Türkei mit einem UN-Mandat beenden müssten, um dort eine Sicherheitszone für die in dieser Region lebenden Menschen zu etablieren, schlägt die CDU-Parteivorsitzende jetzt eine militärische EUIntervention in dieser Region vor.
haben? - So richtig wissen wir es nicht. So richtig weiß es übrigens auch die Regierung nicht. Und auch die NATO-Partner wissen es noch nicht so richtig.
Das Einzige, was ich aus ihrem Mund gehört habe, war, dass man diesen militärischen Einsatz in Übereinstimmung mit Erdoğan realisieren will. Das bedeutet nichts anderes, als dass man offensichtlich mit Erdoğan darüber diskutiert, wie europäische Truppen eingesetzt werden, um seine strategischen Ziele durchzusetzen. Aber das ist doch nun wirklich pervers!
Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann ich einen solchen Vorschlag nicht ernst nehmen. Der hilft Erdoğan, aber nicht den verfolgten und ermordeten Kurdinnen und Kurden in diesem Gebiet.
Zu den wirklichen politischen Handlungsalternativen, die dazu dienen könnten, den Aggressor zurückzudrängen und nicht mit dem Aggressor seine Ziele durchzusetzen.
Die türkische Wirtschaft ist durch verschiedene Faktoren schwer angeschlagen. Das hat übrigens dazu geführt, dass Erdoğans Putz bröckelt, dass die Opposition deutliche Positionskämpfe in diesem Land gewonnen hat.
Es ist bisher überhaupt nicht erkennbar, dass es auf dem Gebiet der Europäischen Union ernsthafte Bestrebungen gibt, echte Handelsboykotte durchzusetzen. Nicht einmal die Waffenlieferungen werden wirklich eingefroren, sondern man hat gesagt: In Zukunft werden mögliche neue Anträge für Waffenlieferungen in die Türkei nicht mehr positiv beschieden, allerdings nur für die Waffen, die wir ohnehin schon auf der Roten Liste hatten.
Nichts passiert auf dem Gebiet von Sanktionen. Nichts passiert auf dem Gebiet von militärischer Isolierung dieses Aggressors. Deswegen sind alle Debatten über ein militärisches Eingreifen völlig unrealistisch, weil man nicht einmal das versucht hat, was man wirklich umsetzen könnte.
Deswegen geht es darum, reale Wege zu finden, den Aggressor in die Schranken zu weisen. Dazu wären wir in der Lage. Dafür reicht es zum Beispiel aus, Hermes-Bürgeschaften nicht mehr zu genehmigen, dafür reicht es aus, über Sanktionen nachzudenken. Aber da sind wir offensichtlich so blockiert; die müssen wir gegenüber Russland durchhalten, bei der Türkei aber nicht; denn das ist unser NATO-Partner, da ist es nicht so schlimm.
Die Türkei kann als Aggressor Völkerrecht brechen, sie kann Hunderttausende Menschen ihrer Heimat berauben oder IS-Terroristen für sich in Anspruch nehmen - über Sanktionen wird überhaupt nicht richtig nachgedacht. Da schmeißt man mit Wattebällchen. Die Frage ist: Warum, liebe Kolleginnen und Kollegen?
Es gibt dafür einen einzigen Grund, den EUdeutschen Türkei-Deal zur Abwehr von Flüchtlingen. Erdoğan hat diese Karte in der Hand. Er sagt, entweder ihr macht das, was ich will, oder ich mache die Grenzen zur Europäischen Union auf.
Weil diese Europäische Union bisher nicht in der Lage gewesen ist, mit den auch von ihr produzierten Kriegsflüchtlingen in irgendeiner Art und Weise vernünftig und human umzugehen, hat Erdoğan dieses Erpressungspotenzial in der Hand.
Der Witz ist nur, dass Erdoğans Politik dazu führt, dass es permanent mehr Kriegsflüchtlinge gibt. Irgendwann wird er die Grenzen aufmachen; da hilft auch kein Deal. Deswegen ist Schweigen und Appeasementpolitik gegenüber Erdoğan, so wie sie jetzt realisiert wird, der größte Fehler.
nicht retten. Erdoğan erpresst uns. Man muss sich aus dieser Erpressung mit klarer Politik und mit einer humanen Flüchtlingspolitik in Europa befreien, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Lassen Sie uns von Magdeburg aus ein Signal nach Berlin senden, ein deutliches Signal an den Agressor auf der einen Seite, aber auch ein deutliches Signal an die Betroffenen in der Region und ihre hier lebenden Verwandten und Freunde. Stimmen Sie unserem Antrag zu. - Danke.
Vielen Dank, Herr Abg. Gallert. Es gibt zwei Fragesteller, und zwar ist das fast gleich. Aber ich nehme jetzt erst einmal - - Ja, Sie dürfen schon.
Vielen Dank. - Herr Gallert, mich würde Ihre Position zu dem Verein DITIB interessieren, der ja in Deutschland mehrere Vereine bzw. auch Moscheen unterhält und der sozusagen direkt dem Herrn Erdoğan unterstellt ist, indem die Menschen, die dort die geistige Vorleistung oder den geistigen Input liefern, der in den Moscheen dann auch transportiert wird, sozusagen direkt aus Herrn Erdoğans Haus gesteuert werden.
Vielen Dank, Herr Abg. Roi. - Bevor Sie Ihre Antwort geben können, habe ich die ehrenvolle Aufgabe, Schülerinnen und Schüler der Freien Schule im Burgenlandkreis „Jan Hus“ aus Naumburg recht herzlich hier bei uns im Hohen Hause zu begrüßen.
rierten Politik - ich sage: zum Teil durchaus auch mit einer faschistisch strukturierten Politik - bei den Menschen, die mit türkischer Abstammung hier in Deutschland leben, Einfluss zu gewinnen, sie zu organisieren, für eine kreuzgefährliche Situation und für eine realistische Bedrohung. Das ist so.