Protocol of the Session on September 27, 2019

Nur ganz kurz: Mit der Überweisung in den Bildungsausschuss bin ich natürlich einverstanden, allerdings darf der Antrag dort nicht lange liegen bleiben, denn die Entscheidungen drängen.

Schule ist kein Bereich, in dem man nach dem Motto hopp oder top bzw. rein in die Kartoffeln und raus aus den Kartoffeln verfahren kann. Die Diskussionen finden jetzt statt. Es wird die Gretchenfrage schlechthin sein. Dazu können wir über viele Dinge diskutieren. Wird diese 11. Klasse dort weitergeführt werden oder müssen die Schüler zum Halbjahr woanders hingehen, weil dort ein oder zwei Schüler fehlen? Diese Frage wird der entscheidende Punkt sein.

Herr Minister Tullner, Sie werden sich an dem messen lassen müssen, was Sie hier und auch an anderer Stelle gesagt haben, wenn auch mit einer erheblichen Distanz, diese gestehe ich Ihnen aber zu: Dann will ich doch mal sehen, oder dann sollen die doch mal zeigen, was sie können.

Sie wissen natürlich, dass wir dabei über die ehemalige und sehr erfolgreiche Sekundarschule, die heutige Gemeinschaftsschule in Wolmirstedt

sprechen, die schon viel unter Beweis gestellt hat. Nur: Wenn Sie es nicht zulassen, dass diese Schule einen Abiturientenjahrgang hat, dann konterkarieren Sie sich selbst, dann verhindern Sie, dass diese Schulform zeigen kann, was sie drauf hat, und zwar bis zum Abitur innerhalb von 13 Jahren. Das ist eine pragmatische Geschichte, und dafür kann ich nur noch einmal werben.

An Frau Gorr gewandt, weil ich natürlich, als ich das aufgeschrieben habe, schon wusste, dass Sie es noch einmal ansprechen werden; denn es wird immer angesprochen: Das ist einfach ein insgesamt akzeptierter und auch breit verwendeter Begriff. Wenn ich über das Schulsystem und dessen Gliederung spreche, dann wird von „Selektion“ gesprochen. Das ist nicht die negative Belastung. Vielmehr werden die Schüler einfach nur sortiert. Das ist die Übersetzung von Selektion. Das ist nicht etwas, was ich jetzt hier mit einem gewissen Unterton in die Debatte einbringe,

(Angela Gorr, CDU: Trotzdem kann ich ja den Begriff zurückweisen!)

sondern das ist der übliche Sprachgebrauch, wenn man über solche Strukturen spricht. Das sollten wir auch weiterhin tun. Wir sollten uns über andere Sachen streiten, aber nicht über diesen einen Begriff.

(Angela Gorr, CDU: Sprache ist manchmal entlarvend!)

- Dieses Wort ist aber nicht von mir erfunden, sondern das ist der übliche Sprachgebrauch. Das kenne ich auch von anderen aus der CDU-Fraktion. Herr Willems hat sich auch immer gern darüber aufregt; es ist aber so.

(Beifall bei der LINKEN)

Dann sind wir am Ende der Debatte und kommen zur Abstimmung. Es wurde die Überweisung des Antrags in den Bildungsausschuss beantragt. Wer der Überweisung des Antrags in der Drs. 7/4935 in den Bildungsausschuss zustimmt, den bitte ich jetzt um sein Kartenzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen und die Fraktion DIE LINKE. Wer ist dagegen? - Das sind einige, mehr werdende Abgeordnete der AfD-Fraktion. Wer enthält sich der Stimme? - Das sind zwei fraktionslose Abgeordnete. Damit ist dieser Antrag in den Bildungsausschuss überwiesen worden und wir haben den Tagesordnungspunkt 24 beendet.

Bevor wir zum Tagesordnungspunkt 25 kommen, führen wir hier vorn einen kleinen Wechsel durch.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 25

Erste Beratung

Bessere Opferhilfe und -entschädigung in Sachsen-Anhalt

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 7/4922

Einbringerin ist die Abg. Frau von Angern. Bitte, Sie haben das Wort.

Danke, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren Abgeordneten!

„Vertrauen in den Rechtsstaat muss hauptsächlich durch den Schutz von Opfern, aber auch durch eine intensive Täterarbeit hergestellt werden. Nur ein solches Herangehen kann zu einem effektiven Opferschutz führen. So prüft DIE LINKE Sachsen-Anhalt die Einrichtung einer Opferhilfestiftung, um schnell und möglichst ohne Barrieren in Notsituationen Hilfe zu leisten. Bestehende Hilfemechanismen müssen dringend hinsichtlich ihrer Wirksamkeit auf den Prüfstand.“

Dies ist eine Textpassage aus dem Wahlprogramm meiner Partei zur Landtagswahl 2016. Wir wollen dieses Versprechen heute mit unserer parlamentarischen Initiative einlösen. Im Fokus stehen heute die Rechte und die Unterstützung von Opfern von Kriminalität.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen! Aber nicht nur in unserem Wahlprogramm findet man eine entsprechende Forderung mit dem Ziel der Verbesserung und Effektivierung von Opferschutz und Opferhilfe. Nein, auch der Koalitionsvertrag von CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN enthält eine entsprechende Passage. Und für jene unter Ihnen, die nicht jede einzelne Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag parat haben, haben wir es leicht gemacht und die entsprechende Formulierung in unsere Begründung hineingeschrieben.

Wir sollten unsere klugen Ideen zusammentun und für die Opfer von Kriminalität bessere Hilfen und Unterstützung, vor allem zügig, realisieren. Wir haben in dieser Wahlperiode bereits einige Male über die Situation von Opfern gesprochen, beispielsweise in der Debatte über die Situation von Frauen und Kindern in Frauenschutzhäusern oder in der Debatte über die Zukunft der Rechtsmedizin, die mit ihrer Arbeit einen wesentlichen Beitrag in den Opferambulanzen leistet. Natürlich war und wird auch weiterhin die Debatte über die Personalsituation in der Justiz in Sachsen-Anhalt ein wichtiger Baustein bei der Wahrung der Rechte von Opfern, aber auch bei der Wahrung von Vertrauen in unseren Rechtsstaat, sein.

Einige von Ihnen erinnern sich vielleicht noch daran, dass wir in diesem Haus - damals auf Antrag der FDP-Fraktion - bereits über die Einrichtung einer Opferhilfestiftung debattiert haben. Dies war bereits in der fünften Wahlperiode. Es waren vor allem fiskalische Gründe, die damals eine Einrichtung verhindert haben.

Doch, meine Damen und Herren, dies war damals eine kurzsichtige und politisch unkluge Entscheidung. Besonders in einer Zeit, in der die soziale Spaltung einer Gesellschaft zu einem Vertrauensverlust in Politik, Demokratie und Rechtsstaat führt, müssen uns die Interessen von Menschen, die unsere Hilfe brauchen, besonders wichtig sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Werden schwerwiegende Straftaten und deren Folgen öffentlich diskutiert, ist nicht selten zu hören, dass Täterschutz vor Opferschutz geht und dass man sich mit der Schuld des Täters mehr beschäftigt als mit dem Opfer und seiner Situation.

Mir liegt es fern, die Rechte von Tätern einzuschränken oder gar gegen den Resozialisierungsgedanken, der dem Strafvollzugsgesetzbuch innewohnt, zu reden; im Gegenteil: Ich vertrete die Ansicht, dass gute Arbeit mit Täterinnen und Tätern ein wesentlicher Beitrag zum Opferschutz ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Zudem müssen wir konstatieren, dass in Sachen Opferschutz in den letzten Jahren sehr viel geschehen ist. Wir haben das Opferentschädigungsgesetz, die Möglichkeit der Zulassung der Nebenklage, den Opferanwalt auf Staatskosten, mehr Informationsrechte von Opfern und zuletzt die Änderung zur Einführung der psychosozialen Prozessbegleitung, und wir stehen möglicherweise kurz vor der Reform des Opferentschädigungsrechts.

Das ist nicht wenig, um die Rechte und Interessen von Opfern schwerer Kriminalität zu wahren. Doch im Konkreten kann es eben doch sein, dass Menschen durch das Opferentschädigungsnetz fallen und damit, meine Damen und Herren, zum zweiten Mal Opfer oder auch zum zweiten Mal traumatisiert werden.

Ein ernster und immer wieder zu hörender Kritikpunkt ist die Dauer des Verfahrens, sei es im Strafprozess, sei es aber auch das Verfahren über die Entschädigungsleistungen. Für Letzteres besteht im Übrigen die Möglichkeit einer gesetzlich fixierten Frist. Gleich nach der Kritik an den Verfahrensdauern werden die hohen Hürden kritisiert, die genommen werden müssen, um auch tatsächlich Ansprüche nach dem Opferentschädigungsgesetz zu haben.

Hierzu seien zwei Beispiele genannt: Wer den Täter nicht rechtszeitig anzeigt - häufig im Übrigen im Falle von häuslicher Gewalt -, gefährdet seinen Anspruch. Wer sich vorhalten lassen muss, sich selbst in Gefahr begeben zu haben, riskiert ebenfalls seinen Anspruch. Auch hier kommen nicht selten Fälle häuslicher Gewalt infrage. Das ist meines Erachtens ein ganz klarer Widerspruch zur Istanbul-Konvention.

(Beifall bei der LINKEN)

Nicht selten werden Bedenken an der Qualifikation der Gutachter geäußert. Unter all diesen Zweifeln halte ich es für richtig, eine Clearingstelle einzurichten. Im Übrigen wäre das auch gut, weil in der geplanten Reform auf Bundesebene der Nachweis der Tat und auch der Schädigungsfolgen nicht erleichtert werden.

Ich möchte noch einmal auf den Phänomenbereich der häuslichen Gewalt zurückkommen. Bei Ersttätern ist immer wieder festzustellen, dass häufig auf den Privatklageweg verwiesen und das strafrechtliche Ermittlungsverfahren eingestellt

wird. Das signalisiert den Opfern: Du musst dich um dein Problem allein kümmern, ein öffentlich relevantes Problem ist dein Problem jedenfalls nicht. Das, meine Damen und Herren, ist ein fatales Signal bei den Opfern mit fataler Wirkung, insbesondere beim ersten Mal.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist ein wesentliches Moment des Opferschutzes, dass verlässlicher Schutz früh angeboten und auch tatsächlich umgesetzt wird. Meine Ausführungen zeigen: Es gibt Lücken im System und es gibt Opfer von Kriminalität, die erleben, dass sie der Staat allein lässt. Das kann im Einzelfall für Opfer und ihre Angehörigen dramatisch sein und es erschüttert auch in jedem Einfall das Vertrauen in den Rechtsstaat.

Deshalb ist es unserer Fraktion ein besonderes Bedürfnis, unser Wahlkampfversprechen gemeinsam mit Ihnen auf den Weg zu bringen. Lassen Sie uns dieses so wichtige Instrument also gemeinsam zeitnah ins Leben rufen.

Die „Volksstimme“ hat in einem Kommentar am Montag richtigerweise festgestellt, dass es noch zu erledigende Hausaufgaben gibt. Das ist korrekt. Auch der Ihnen vorliegende Antrag unserer Fraktion beantwortet nicht alle Fragen. Eine wesentliche Frage ist natürlich: Woher kommt das Geld für einen solchen Opferhilfefonds? Die Koalitionsvereinbarung vermittelt eine Idee, die wir gern aufgriffen haben, die aber nicht ganz ohne Hürden ist.

Wir sehen auch in den Geldbeträgen gemäß § 153a StPO eine Finanzierungsquelle. Zu klären ist natürlich, wie das rechtlich umsetzbar ist. Die größte Hürde wird die richterliche Unabhängigkeit sein. Korrekt ist auch, dass diese insgesamt 4,5 Millionen €, die jährlich auf diese Weise an Vereine und Verbände fließen und ihnen in der täglichen Arbeit helfen, natürlich auch eine finanzielle Lücke reißen. Doch es ist auch jetzt schon so, dass keiner dieser Vereine und Verbände fest mit diesem Geld rechnen kann. Die Antwort der Landesregierung auf meine diesbezügliche Kleine Anfrage hat gezeigt, dass nicht wenige Mittel dieser Geldsumme an große Stiftungen und Verbände außerhalb des Landes Sachsen-Anhalt fließen. Meines Erachtens ist es durchaus an der Zeit, eine gern auch befristete Lösung zu finden, um Kriminalitätsopfern in Sachsen-Anhalt konkret helfen zu können. Lassen Sie uns dazu einfach die beste gemeinsame Lösung finden.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun konnte ich der „Volksstimme“ entnehmen, dass es bereits erste Überlegungen gibt, wie die Mittel eines Opferhilfefonds ausgereicht werden können. Lassen Sie uns aber hier zunächst erst einmal analysieren, wie Opfer von Kriminalität

derzeit in Sachsen-Anhalt betreut werden und wer die dafür am besten geeignete Stelle wäre.

Unsere Fraktion schlägt für die Debatte die Installierung einer Stelle für einen Opferhilfebeauftragten vor. Diese kann unseres Erachtens beispielsweise auch am Oberlandesgericht angesiedelt sein, um auch die Akzeptanz in der Richterschaft für eine solche Stelle zu erhöhen.

Die Institution des Opferhilfebeauftragten ist in Deutschland bisher nicht etabliert. Wenn wir an Opferhilfe denken, denken wir an den Allgemeinen Sozialen Dienst der Justiz, an den Weißen Ring, die Mobile Opferberatung für Opfer rechter Gewalt oder Frauenberatungsstellen bzw. Frauenhäuser. Doch ein Blick über den Tellerrand in andere Bundesländer lohnt sehr wohl. Es gibt verschiedene Modelle in den Bundesländern.

Wenn wir beispielsweise nach Nordrhein-Westfalen schauen, sehen wir, dass es dort seit dem Jahr 2017 eine Opferhilfebeauftragte gibt. Sie ist unabhängig und lediglich organisatorisch dem Justizministerium angegliedert. Ich kann nur sagen: Der Blick in den entsprechenden Jahresbericht lohnt. Von einer telefonischen Hotline über schriftliche Kontaktaufnahmen bis hin zu persönlichen Gesprächen oder die Vermittlung von psychosozialer Prozessbegleitung wird hier alles realisiert.

Darüber hinaus wird sie auch - das finde ich besonders spannend - proaktiv tätig, informiert über sämtliche den Opfern zur Verfügung stehenden Rechte. Und die wichtigste Botschaft dieser Beauftragten ist: Sie ist verlässliche Ansprechpartnerin für alle Opfer von Kriminalität.

Die Darstellung der individuellen Tätigkeit ist tatsächlich beeindruckend und sie wirkt. Sie vernetzt zudem auch sämtliche in der Opferarbeit tätigen Institutionen in Nordrhein-Westfalen. Diese Vernetzung ist für die Opfer von Gewalttaten, von Kriminalität von nicht unwesentlicher Bedeutung. Sie erleichtert häufig den Zugang zu Hilfeleistungen und würde es uns ermöglichen, dass wir die sogenannten weißen Flecken aufdecken, sehen und entsprechend nachjustieren.