Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Hochschulgesetzes des Landes SachsenAnhalt und anderer Vorschriften
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf der Landesregierung wurde in der 71. Sitzung des Landtages am 22. Mai 2019 erstmals beraten und zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung bzw. zur Mitberatung in den Ausschuss für Finanzen überwiesen.
Das Ziel des Gesetzes soll die Neuordnung der Regelungen für das zentrale Vergabeverfahren sein. Damit tragen die Länder der Forderung des Bundesverfassungsgerichts nach einer chancenoffenen, eignungsorientierten Studienplatzver
gabe Rechnung. Unterstützt wird dies durch die Einbindung in das dialogorientierte Serviceverfahren.
Das neue Zulassungssystem knüpft an das vom Bundesverfassungsgericht bestätigte und auch bisher geltende Ziel, die Chancengleichheit durch Quoten und Kriterienvielfalt zu erreichen, an. Es ist als Gesamtsystem zu betrachten, das Studieninteressierten ausgewogen Chancen eröffnet, mit der Möglichkeit, sich über unterschiedliche Quoten und Kriterien insgesamt als geeignet für den angestrebten Studiengang zu empfehlen. Neue,
einheitliche Verfahrensgrundsätze stellen im dezentral mehrgleisigen System hinreichende Verfahrenstransparenz sicher.
In der 30. Sitzung am 15. August 2019 wurde der Gesetzentwurf im Ausschuss zum ersten Mal beraten. Dem Ausschuss lag eine mit dem GBD und dem Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung abgestimmte Synopse vor, die der Ausschuss zur Beratungsgrundlage erklärte. Eine vorläufige Beschlussempfehlung wurde auf der Grundlage der Synopse erarbeitet und unverändert mit 7 : 0 : 5 Stimmen beschlossen.
Der mitberatende Ausschuss für Finanzen hat in der 68. Sitzung am 11. September 2019 den Gesetzentwurf und die vorläufige Beschlussempfehlung beraten und hat eine Beschlussempfehlung an den federführenden Ausschuss erarbeitet. Mit 5 : 0 : 4 Stimmen stimmte der Finanzausschuss für die Annahme des Gesetzes in der Fassung der vorläufigen Beschlussempfehlung.
Der Ausschuss für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung hat sich in der 31. Sitzung am 12. September 2019 erneut mit dem Gesetzentwurf und der vorliegenden Beschlussempfehlung des mitberatenden Ausschusses befasst und erarbeitete die Ihnen in der Drs. 7/4919 vorliegende Beschlussempfehlung, die der Ausschuss mit 7 : 0 : 5 Stimmen beschlossen hat.
Danke. - Da wir es hier mit einer verbundenen Debatte zu tun haben, kommt jetzt als Nächster zu Wort der Einbringer zu Tagesordnungspunkt 8 b), der Minister Prof. Dr. Willingmann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Wenn man wie ich vor 20 Jahren seine Tätigkeit an einer Hochschule dieses Landes aufgenommen hat und viele Jahre lang Ehre und Vergnügen hatte, eine Hochschule zu leiten und für die Rektorenkonferenz Sprecher zu sein, dann ist es schon ein besonderer Moment, wenn wir nach über zehn Jahren zum ersten Mal wieder das Hochschulgesetz novellieren, und zwar gründlich novellieren; darum geht es in dem hier vorliegenden, einzubringenden Gesetzentwurf.
Wir wollen ein modernes Gesetz. Wir wollen Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit unserer Hochschullandschaft deutlich steigern. Wir wollen für rund 54 000 Studierende, für mehrere Tau
send Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, für rund 1 000 Professorinnen und Professoren einen rechtlichen Handlungsrahmen schaffen, der die weitere Entwicklung unserer Hochschullandschaft nach vorne bringt. Deshalb darf ich auf einige wesentliche Punkte der Novelle eingehen. Es sind wesentlich mehr als die, die ich Ihnen hier vorstellen kann. Aber diese sollen jedenfalls genannt werden.
Zunächst: Die Hochschulen werden nach dem Entwurf mehr Autonomie und Eigenverantwortung erhalten. Es hat sich in den letzten Jahren erwiesen, dass es vernünftig ist, dass Hochschulen ihr Recruitment, ihre Stellenbesetzung weitestgehend autonom und eigenständig durchführen. Wir wollen das Berufungsrecht - eine langjährige Forderung der Hochschulen - vollständig übertragen. Die Zustimmung des Ministeriums zum Berufungsvorschlag ist künftig nicht mehr erforderlich.
Wir werden beteiligt zum Beginn des Verfahrens, dann, wenn es darum geht, welche Stelle ausgeschrieben wird. Wir werden aber nicht mehr am Ende daran beteiligt, wenn es um die konkrete Personalie geht, wer berufen wird und warum. Das alles können Hochschulen autonom und alleine; denn in diesem Prozess um die klügsten Köpfe, um Spitzenwissenschaftler aus dem In- und Ausland geht es dann um Geschwindigkeit. Man muss schnell sein, um die richtigen Leute zu bekommen, und man muss autonom sein, um selbst verhandeln zu können.
Wir werden die Mitwirkungsmöglichkeiten aller Mitglieder der Hochschule stärken. Der Senat will ja zum entscheidenden Gremium im Zusammenhang mit Hochschulstruktur- und Entwicklungsplanung, mit Zielvereinbarung und Wirtschaftsplanung werden. Er erhält mehr Einfluss auf Entscheidungen als bisher. Das stärkt die demokratische Kultur. Mir erscheint das gerade in der heutigen Zeit, gerade auch an Hochschulen besonders wichtig. Sie sind in diesem Zusammenhang Vorbilder.
Ein weiterer wichtiger Punkt der Novelle ist das Gründungsgeschehen, das in Sachsen-Anhalt tatsächlich einen ordentlichen Schwung verdient. Wir sind, wenn es um Gründungen, um Ausgründungen aus den Universitäten und Hochschulen geht, weiß Gott nicht führend; im Gegenteil, da tut man sich bei uns immer noch sehr schwer. Wir wollen bürokratische Hürden für die Gründungsaktivitäten abbauen und dafür sorgen, dass Hochschulen auch für die Wirtschaft attraktive Partner sind, wenn es um Forschung und Innovation geht. Denn längst nicht alle Innovationen, die an unseren Hochschulen entwickelt werden, gelangen zur Marktreife. Und nur selten münden die Forschungsprojekte auch in Gründungen von
Start-ups. Das wollen wir erleichtern, indem wir die wirtschaftlichen Betätigungsmöglichkeiten der Hochschulen ausbauen und Start-up-Gründungen erleichtern.
Dazu ist eine Maßnahme die Reduktion von Prüfrechten. In diesem Zusammenhang schlagen wir vor, dass der Landesrechnungshof künftig bei Beteiligungen der Hochschule bis zu einem Wert von 40 000 € die zu gründende Unternehmung nicht mehr prüft.
Meine Damen und Herren! Weil da gelegentlich Verwirrung entsteht: Selbstverständlich prüft unserer Rechnungshof kundig, äußerst kompetent und schon seit vielen Jahren die Hochschulen, und zwar bei allen ihren Aktionen, auch bei einer Unternehmensbeteiligung. Nur: Bei der Prüfung des dann entstehenden Unternehmens, das aus dieser Beteiligung hervorgeht, bei dieser Form der Beteiligung bis 40 000 € sind wir der Ansicht, dass der Landesrechnungshof nicht mehr erforderlich ist. Wir wissen auch aus der Wirtschaft, dass es da eine gewisse Zurückhaltung gibt, was die Gründungsaktivitäten betrifft.
Entscheidend ist aber, dass das Unternehmen, um das es geht, seinen Sitz in Sachsen-Anhalt nimmt. Darauf werden wir zu achten haben.
Darüber hinaus sollen die Hochschulen mit eigenen Mitteln Unternehmensgründungen fördern, sie sollen leichteren Laborzugriff, leichtere Infrastrukturzugriffe und die Nutzung der Hochschulbibiliotheken erlauben und sie sollen dazu beitragen können, dass aus ihren Kreisen heraus Startups und Unternehmensgründungen stattfinden, indem nämlich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für einen gewissen Zeitraum beurlaubt werden können, auch zum Zwecke einer Unternehmensgründung, auch zum Zwecke von Wissens- und Technologietransfer.
Das Gesetz enthält zahlreiche Regelungen, um familienfreundliche wissenschaftliche Karrierewege zu fördern, Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Anerkennung von Kindererziehungszeiten und Pflegezeiten im Rahmen von Berufungsverfahren, das aktive Stimmrecht für Gleichstellungsbeauftragte in den Berufungskommissionen und vieles andere mehr.
Wichtig ist uns, dass wir das Tenure-Track-Modell in unserem Gesetz ausdrücklich festschreiben und dass es möglich sein wird, künftig Professorinnen und Professoren zu halten, die von andernorts einen Ruf erhalten haben und zum jetzigen Zeitpunkt von uns für die Hochschule nicht gewonnen werden können.
Meine Damen und Herren! Zwei Punkte sind noch von besonderer Bedeutung, weil sie uns auch überregional in die Schlagzeilen gebracht haben.
Das eine ist die Frage der Promotion. Da schlagen wir in diesem Gesetz ein Modell vor, das die Chancengleichheit beim Zugang zur Promotion deutlich erhöht.
Es soll für forschungsaffine Professorinnen und Professoren von Hochschulen für angewandte Wissenschaften die Möglichkeit eröffnet werden, Promotionen in Kooperation mit Fakultäten von Universitäten durchzuführen. Sie werden dort also sozusagen Mitglieder und nehmen das Fakultätspromotionsrecht wahr.
Darüber hinaus schaffen auch wir, wie beispielsweise das Land Hessen, die Möglichkeit, besonders forschungsstarken Fachbereichen von Hochschulen für angewandte Wissenschaften ein Promotionsrecht zu verleihen.
Meine Damen und Herren! Last, but not least werden die Langzeitstudiengebühren mit diesem Gesetzentwurf abgeschafft.
Es sind ohnehin nur noch fünf Bundesländer, die diese Langzeitstudiengebühren noch haben. Meine Damen und Herren! Es hat sich gezeigt, dass die Lenkungswirkung, die man sich seinerzeit, vor etwa 15 Jahren, vorgestellt hat, nicht greift. Langzeitstudiengebühren sind ja keine Einnahmequelle für die Hochschulen, sondern Langzeitstudiengebühren sollen eigentlich verhindern, dass zu lange studiert wird.
Wenn aber der Anteil der Langzeitstudiengebühren in den letzten Jahren kontinuierlich gewachsen bzw. unverändert hoch geblieben ist, dann merken wir, dass der Steuerungseffekt nicht mehr eintritt. Dann kann man vernünftigerweise darüber nachdenken, welche Gründe denn eigentlich dazu führen, warum ein Langzeitstudium erforderlich wird. Wenn wir ehrlich sind - Hand aufs Herz, meine Damen und Herren -: Viele Studierende müssen bei den heute sehr, sehr engen Studienplänen nebenher jobben, müssen zu ihrem Lebensunterhalt beitragen. An dieser Stelle sind Langzeitstudiengebühren nichts anderes als eine Strafgebühr. Davon wollen wir wie auch mehr als zehn andere Bundesländer Abschied nehmen.
Meine Damen und Herren! Das umfassende Gesetzeswerk, das wir heute einbringen, ist nicht hinter verschlossenen Türen entstanden. Sie konnten in den letzten Monaten - wenn wir ehrlich sind, in den letzten drei Jahren - immer wieder mal in den Medien zu einzelnen Punkten etwas lesen. Es ist schön, dass es Zuspruch von vielen Seiten gab, genauso schön, dass es Kritik von sehr unterschiedlichen Seiten gab. Das alles ist
ein schöner Auftakt für eine jetzt anstehende Diskussion über das neue Hochschulgesetz. Sachsen-Anhalt ist damit meines Erachtens auf einem sehr vernünftigen Weg.
Ich bin gespannt. Ja, ich sage es ganz offen: Ich freue mich auf die Diskussion über dieses Hochschulgesetz im Ausschuss. - Vielen Dank.
Danke. - Ich kann gleich loslegen, Herr Willingmann. Mir sind drei Punkte in dem Gesetz aufgefallen, die ich ganz kurz skizzieren will. Erstens findet sich in dem Gesetz keinerlei Korruptionsprävention mehr. Zweitens werden immer dann, wenn es um wirtschaftliche Aktivitäten geht, die Regeln im Vergleich zum jetzigen Gesetz intransparenter. Drittens gibt es aus meiner Sicht eine auffällige Vermeidung von externer Kontrolle, zum Beispiel durch den Landesrechnungshof oder auch durch das Wirtschaftsministerium.
Mit der Erfahrung als Mitglied des Finanzausschusses, des Rechnungsprüfungsausschusses und des 15. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses sind bei mir alle Alarmleuchten angegangen. Darum zu Beginn der Diskussion über das Gesetz nur zwei Fragen, Herr Willingmann:
Die erste Frage: Wie wollen Sie mit diesem Gesetzentwurf in den Bereichen der Berufungen und der wirtschaftlichen Betätigung Korruption und Vetternwirtschaft verhindern?
Die zweite Frage: Warum forcieren Sie mit diesem Gesetzentwurf eine so auffallende Machtkonzentration bei den Hochschulleitungen?