Die umfangreiche Beantwortung der Großen Anfrage enthält aber genügend Hinweise und Anregungen zu dieser Thematik. Dies sieht man insbesondere dann, wenn man auch andere Publikationen, wie zum Beispiel den „Kommunalen Finanzreport 2019“ der Bertelsmann-Stiftung, als weitere Informationsquelle hinzuzieht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema Investitionsstau auf kommunaler Ebene ist bei Weitem keines, welches wir nur in unserem Bundesland behandeln. So beklagt der Deutsche Städte- und Gemeindebund einen solchen mit einem Umfang von 159 Milliarden €. In den ent
„Investitionen in die kommunale Infrastruktur werden durch überbordende Standards und Regelungen verteuert, verlangsamt und mitunter ganz verhindert."
Ich denke, allein diese Aussagen machen deutlich, dass sich das Thema Investitionsstau nicht allein auf das Thema Kommunalfinanzen - besser gesagt: auf fehlende Kommunalfinanzen - reduzieren lässt. Das macht auch der Forderungskatalog deutlich, der vom Deutschen Städte- und Gemeindebund beschlossen worden ist. Diese Forderungen sind - ich zitiere -:
Erstens aufgabengerechte Finanzausstattung. Die Kommunen müssen laut Deutscher Städte- und Gemeindebund von Sozialausgaben entlastet werden. Gleichzeitig muss die gemeindliche Steuerkraft gestärkt werden. Die Finanzhilfe des Bundes für finanzschwache Kommunen muss ausgebaut werden. Eine Sonderabgabe, ähnlich der des Solidaritätszuschlags, sei zu prüfen.
Zweitens Kooperationsgebot. Anstatt des Kooperationsverbotes wünscht sich der Verband ein Gebot. Gesamtgesellschaftliche Aufgaben sollten von allen Ebenen finanziert werden. Nur so könne die Grundlage für Chancengleichheit und für gleichwertige Lebensverhältnisse gelegt werden.
Drittens Abbau des Administrationsaufwandes. Gesetzgeberische Vorgaben, Vergabebestimmungen und beihilferechtliche Standards dürfen Investitionen genauso wenig hemmen wie Mittelzweckbindung oder zerstückelte Fördermittelprogramme mit unterschiedlichen Förderbedingungen.
Viertens Stärkung kommunaler Planungskapazitäten. Den Personalengpässen in der Verwaltung muss mit einer Verstetigung der Investitionsprogramme begegnet werden. Das erhöht die Planungssicherheit entsprechend.
Fünftens Stärkung interkommunaler Investitionsprogramme. Hemmnisse für die Zusammenarbeit zwischen Kommunen müssen auf allen Politikebenen aufgespürt und beseitigt werden.
Sechstens schnelle Digitalisierung. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund drängt auf einen schnelleren Umstieg auf die digitale Verwaltung, da diese große Effizienzgewinne mit sich bringt.
Siebentens nutzerorientierte Investitionsprogramme. Diese Form der Finanzierung, wie es sie im Fall der Lkw-Maut gibt, sorgt für zielgenaue Finanzströme und könne mehr Transparenz und zusätzliche Steuerungsmöglichkeiten schaffen.
Achtens Bürgschaftsbeteiligung. Die Bürger müssen frühzeitig in Projekte einbezogen werden, um mangelnde Akzeptanz und organisierten Widerstand zu verhindern.
Auch die Forderungen des Landkreistages wurden heute schon mehrfach thematisiert. Ich möchte sie einmal ein wenig ausführlicher vorstellen, weil sie mir bisher zu verkürzt gebracht worden sind.
Kommunale Finanzausstattung - Aufgaben angemessen fortschreiben. Mangels eigener Steuereinnahmen sind die Landkreise auf einen auskömmlichen Finanzausgleich angewiesen, der die Kosten der ihnen übertragenen Aufgaben deckt, aber auch Raum für freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben lässt. Die derzeit festgeschriebene Finanzausgleichsmasse hat sich dem Grunde nach bewährt, muss aber allein wegen der Personalkostenentwicklung dynamisiert werden.
Konnexitätsverpflichtung strickt einhalten. Die Übertragung neuer oder die Veränderung bestehender Aufgaben führt immer wieder zu Rechtsstreitigkeiten, weil in den Kommunen entstehende Mehrbelastungen nicht oder nicht ausreichend vom Land ausgeglichen werden. Der Konnexitätsgrundsatz nach Artikel 87 Abs. 3 unserer Landesverfassung ist konsequent zu beachten, damit die kommunale Selbstverwaltung nicht ausgehöhlt wird.
Investitionstätigkeit stärken. Bei der Infrastruktur der Landkreise besteht ein milliardenschwerer Investitionsstau, der im Interesse gleichwertiger Lebensverhältnisse dringend abzubauen ist. Landeszuweisungen für Kreisstraßen müssen auf mindestens 40 Millionen € pro Jahr steigen. Die vom Land für die Krankenhäuser bereitzustellenden Investitionsmittel sind spürbar zu erhöhen und auch der Nachholbedarf bei der Digitalisierung erfordert zusätzliche Landesmittel.
Meine sehr geehrten und geschätzten Damen und Herren! Viele von uns hier im Hohen Haus haben selbst kommunalpolitische Erfahrung und würden die vom Landkreistag Sachsen-Anhalt und vom Deutschen Städte- und Gemeindebund vorgetragenen Punkte ohne Zögern unterschreiben. Wir sitzen hier aber im Landtag von Sachsen-Anhalt. Deshalb müssen wir bei unserer Entscheidung auch die finanziellen Möglichkeiten des Landes mit im Blick behalten.
Das Land Sachsen-Anhalt hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Schritte unternommen, um die Finanzsituation der Kommunen und damit auch deren Möglichkeiten für Investitionen zu verbessern. In der Beantwortung der Frage 15 der Großen Anfrage finden sich dazu umfangreiche Ausführungen. In Kurzform sind das ein verlässliches Finanzausgleichsgesetz im Umfang
von 1,628 Milliarden € bis 2021, ohne dass dabei steigende Steuereinnahmen der Kommunen in Anrechnung gebracht werden. Eine Überprüfung der Angemessenheit erbrachte das Ergebnis, dass bis zum Jahr 2021 die angemessene Finanzausgleichmasse nicht unterschritten wird.
Umsetzung des Teilentschuldungsprogrammes Stark II, Unterstützung bei der energischen Sanierung und Modernisierung öffentlicher Infrastruktur Stark III, GRW-Mittel zur Investitionsförderung, Breitbandförderprogramme, Schul-IKT-Förderprogramme durch die Übernahme der kommunalen Eigenanteile durch das Land bei dem entsprechenden Bundesprogramm, Mittel zur Finanzierung des kommunalen Straßenbaues, Förderprogramme für den Bereich Feuerwehr, zusätzlich der kommunale Investitionsimpuls, der zu Anfang dieses Jahres auf den Weg gebracht worden ist.
Erste Erfolge sind zu verzeichnen. So meldete das Statistische Landesamt Sachsen-Anhalt am 17. September, also vor wenigen Tagen, ein Absinken der kommunalen Schulden pro Kopf, wenn auch zugegebenermaßen ein geringes. Dabei muss natürlich auch beachtet werden, dass sich die vorhandenen Verbindlichkeiten durch den Bevölkerungsrückgang auf insgesamt weniger Bürgerinnen und Bürger verteilen.
Insgesamt sind die kommunalen Haushalte in Sachsen-Anhalt zum Ende des ersten Halbjahres 2019 mit 2,702 Milliarden € verschuldet. Während der Schuldenstand bei den kreisfreien Städten um 6,4 % stieg, sank er bei den Landkreisen um 4,1 % und bei den kreisangehörigen Gemeinden um 3,4 %.
Im bereits erwähnten „Kommunalen Finanzreport 2019“ der Bertelsmann-Stiftung findet man weitere interessante Zahlen. So stiegen die Investitionsausgaben der Kommunen in Sachsen-Anhalt im Jahr 2018 um 64 € je Einwohner und lagen damit über dem Durchschnitt von 60 € in den ostdeutschen Flächenländern. Aber es ist auch ein Teil der Wahrheit, dass wir weitere Schritte tun müssten, um auf den ostdeutschen Durchschnitt zu kommen.
Aber selbst dann, wenn ausreichend Finanzmittel zur Verfügung stehen, gibt es weitere Schwierigkeiten. So fehlt es in den öffentlichen Verwaltungen auf allen Ebenen an entsprechendem Fachpersonal, zum Beispiel an Ingenieuren und Statikern, um die Planung voranzutreiben und die Ausführung der entsprechenden Arbeiten zu überwachen. Der Mangel an Fachpersonal ist also auch hier ein Grund für den Investitionsstau.
Auch das Vergaberecht behindert an mancher Stelle die Umsetzung der so dringend benötigten Investitionen. Konkrete Beispiele kennen die Bürger hier im Saal und im Land sicherlich zur Ge
nüge. Ich verweise hier nur beispielhaft auf das Bauprojekt Verlängerung der Strombrücke in Magdeburg.
Deshalb müssen entsprechende Regelungen inklusive des Landesvergabegesetzes vor Ort auch praktisch umsetzbar sein und nicht zu hohe bürokratische Hürden setzen. Je höher diese nämlich sind, desto unattraktiver ist es für Unternehmen, sich an entsprechenden Verfahren zu beteiligen.
Wiederholte Ausschreibungen der öffentlichen Hand aufgrund fehlender Angebote kennt wohl jeder und jede aus der kommunalen Praxis. Der Sanierungsstau wird nicht nur wegen des Verschleißes an der öffentlichen Infrastruktur, sondern allein schon durch den Anstieg der Baupreise nicht geringer. Allein im Straßenbau haben sich die Preise um 6,6 % zum Vormonat verteuert, so eine Meldung aus dem Mai dieses Jahres.
Uns als CDU-Landtagsfraktion liegen die Kommunen besonders am Herzen. Genau deshalb haben wir uns im Rahmen einer Vorstandsklausur im Mai dieses Jahres für ein kommunales Investitionsprogramm ausgesprochen. Im Rahmen der anstehenden Haushaltsdebatten werden wir dieses Thema mit auf der Agenda haben; egal zu welchem Zeitpunkt der Haushalt tatsächlich eingebracht und darüber debattiert werden kann. Für uns als CDU-Landtagsfraktion gilt der klare Grundsatz: Starke Kommunen gleich ein starkes Land. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Fragen sehe ich nicht, dann danke ich Herrn Krull für den Redebeitrag. - Bevor Frau Buchheim das Schlusswort erhält, begrüße ich Damen und Herren der Selbsthilfekontaktstelle des Landkreises Harz aus Halberstadt. Seien Sie herzlich im Hohen Hause willkommen!
Vielen Dank. - Dann schauen wir doch noch einmal auf die Vorbemerkung der Landesregierung zu unserer Großen Anfrage. Darin verweist die Landesregierung darauf, dass die in dem KfWKommunalpanel dargestellten Daten nur auf Schätzungen der einzelnen Kommunen beruhten. Im Grunde genommen wird ausgeführt, dass daraus nur bedingt Rückschlüsse auf den tatsächlichen Investitionsbedarf der Kommunen in Sachsen-Anhalt gezogen werden können.
in den Medien darüber berichtet wurde, wie es in den Kommunen aussieht und wie drastisch der bestehende Sanierungs- und Investitionsstau ist. Ich muss ganz ehrlich sagen, ich handle immer nach dem Motto: „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg“.
Wenn die Landesregierung es gewollt hätte, dann hätte sie diese Abfrage gemacht; denn die Daten lagen in den Kommunen vor. Jede Kommune musste in Anbetracht der Fördermittel, die in Aussicht standen, Prioritätenlisten erarbeiten. Es sind überall Statistiken erarbeitet worden, um zu beleuchten, wo der Bedarf am dringendsten ist. Danach sollten entsprechende Beschlüsse gefasst werden.
Im Grunde genommen schließt sich daran die Frage an, wie die Landesregierung denn plant, den Investitionsbedarf der Kommunen festzustellen,
wenn tatsächlich keine Abfrage erfolgt und die kommunalen Spitzenverbände nicht verpflichtet sind, entsprechend zu antworten, wie uns hier erklärt wird.
Ich möchte darauf verweisen, wie es meiner Kollegin Dr. Sahra Wagenknecht im Bundestag ergangen ist. Sie hatte jüngst, im August, gefragt, wie der Sanierungsstau in den Schulen bundesweit ist. Darauf gab es ebenfalls diese lapidare Antwort; denn offensichtlich hat man auch auf Bundesebene keine Lust, darauf zu schauen, wie der Zustand in den Schulen tatsächlich ist. Es wurde darauf verwiesen, dass die Bundesregierung dafür nicht zuständig sei und dass dies in die Zuständigkeit der Landesregierungen und der zuständigen Träger falle.
Mit Blick auf den Straßenbau fehlt mir jetzt leider Herr Thomas. Er hat ja hier protestiert, als ich ihn vorhin zitiert habe, und er hat gesagt, ich solle mich überraschen lassen; mittlerweile gibt es eine Ausführung des Innenministers. Er ist leider nicht anwesend, sodass er darauf nicht reagieren kann.
Nun einige Ausführungen zu den Finanzen. Der Abbau des Sanierungs- und Investitionsbedarfs hängt letztlich davon ab, wie die Finanzausstattung der Kommunen in Zukunft aussehen wird und welche Fördermittel ausgereicht werden können.