Protocol of the Session on September 2, 2016

Lüge 2 im dritten Satz der Begründung - immerhin stimmt der zweite Satz -:

„Viele Kommunen sind an ihrer Belastungsgrenze angekommen oder haben sie bereits überschritten.

(Minister Holger Stahlknecht: Stimmt nicht!)

Das ist eine völlig falsche Tatsachenbeschreibung. Ein Anwalt würde Sie dafür abmahnen.

(Zurufe von der AfD)

Die sachsen-anhaltischen Kommunen haben

selbst zu den Hochzeiten des Zuzugs von Geflüchteten im vierten Quartal 2015 ihre Belastungsgrenze nicht überschritten. Die Landrätinnen und Landräte, die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister haben stattdessen in den allermeisten Fällen ruhig und besonnen die vor ihnen liegende Aufgabe angepackt und sind sie gemeinsam mit ihren Verwaltungen und Räten angegangen und haben sie erledigt,

(Zuruf von Lydia Funke, AfD)

und das im Übrigen auch durch ein gut arbeitendes Innenministerium. Ich kann Leuten wie Holger Stahlknecht oder auch Frau D. aus dem Ministerium dafür danken, dass sie das so professionell angegangen sind. Wir hatten in Sachsen-Anhalt keine groß angelegten Zeltstädte in irgendwelchen Kommunen, sondern wir haben das gut gemanagt.

(Zuruf von André Poggenburg, AfD)

Ganz ehrlich: Das fiel den Kommunen auch deshalb nicht schwer, Herr Poggenburg, weil unser Problem in Sachsen-Anhalt nicht die Einwanderung ist. Unser Problem in Sachsen-Anhalt heiß seit vielen Jahrzehnten Abwanderung. Unser Bundesland verliert Jahr für Jahr Zehntausende Einwohnerinnen. Im Jahr 2015 war die Bevölkerungsgröße erstmals seit Jahrzehnten stabil. Wir haben nicht weiter verloren. Es geht nicht um einen Zuzug in Größenordnungen oder um ein Aufwachsen; es geht darum, dass wir erstmals im Saldo einen ganz leichten Zugewinn bei der Bevölkerungsgröße hatten.

Aktuell befinden sich noch rund 19 000 Geflüchtete im Land. Bis Ende August sind in diesem Jahr ca. 7 000 Menschen als Asylsuchende in Sachsen-Anhalt registriert worden. Das sind im Übrigen alles Zahlen, die Sie nachlesen können, aber daran haben Sie offensichtlich kein Interesse.

Wir stehen eigentlich vor einer ganz anderen Herausforderung. Es wäre an der Zeit, dass wir als Bundesland den Zuzug nach Sachsen-Anhalt

verstetigen, dass wir alles tun, um mehr Menschen dazu zu bewegen, ihren Lebensmittelpunkt zwischen Arendsee und Zeitz zu wählen; denn nur so werden wir dem demografischen Wandel begegnen können.

(Zustimmung von Dorothea Frederking, GRÜNE)

Eigentlich ist das Thema Ihr Antrag und nicht Ihr populistisches Geschwafel. Kommen wir also zu dem Antrag. Das, was Sie fordern, ist für die Landkreise bereits Realität. Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 des Aufnahmegesetzes richtet sich die Aufnahmequote grundsätzlich nach der Einwohnerzahl und ist jeweils für ein Quartal zu bestimmen. Das Innenministerium ermittelt diese Aufnahmequote und teilt diese sowie die Anzahl der voraussichtlich aufzunehmenden Schutzsuchenden den Aufnahmekommunen mit.

Das Berichtswesen, das Sie fordern, ist bereits implementiert, und es zeigt, wir haben mitnichten eine Überforderung. Vielmehr besteht ein Mangel in der Auslastung. Der Innenminister hat es deutlich gesagt. Rüdiger Erben hat darauf verwiesen. Es stellt sich eher die Frage, was wir an Kapazitäten zurückbauen können.

Da Sachsen-Anhalt nach dem Königsteiner

Schlüssel zur Übernahme von Geflüchteten nach Bundesgesetz verpflichtet ist, würde auch eine nicht notwendige Überlastungsanzeige gegenüber dem Bund überhaupt keinen Effekt haben. Das wäre reine Symbolpolitik, die Sie betreiben wollen. Wir als Bundesland machen unsere Hausaufgaben, auch wenn sich die AfD dem verweigert, auch und gerade bei der Unterbringung von Geflüchteten. Sie wollen sich stattdessen in die Büsche schlagen. Das ist verantwortungslos.

Deswegen lehnen wir, im Übrigen in großer Einmütigkeit mit der CDU und mit der SPD, Ihren Antrag ab und sagen Ihnen sehr deutlich: Sachsen-Anhalt hat eine Aufgabe. Wir stellen uns dieser Aufgabe, und die AfD sitzt in den Büschen und wartet darauf, mit Hass und Gewalt die Dinge anzustacheln. Das ist das Problem.

(Zuruf von Volker Olenicak, AfD)

Vielen Dank, Herr Striegel. Sind Sie bereit für eine Nachfrage von Herrn Roi?

Ich will sie mir zumindest anhören. Ich kann nicht ausschließen, dass man sie auch beantworten kann.

Herr Roi, bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Striegel, Sie haben gerade gesetzliche Grundlagen zitiert, wonach die Einwohnerzahlen und verschiedene Parameter der Kommunen einbezogen werden. Wie bewerten Sie denn die Tatsachen, dass sich im Juni auf eine Anfrage von mir im Kreistag von Anhalt-Bitterfeld herausgestellt hat, dass im Landkreis Anhalt-Bitterfeld knapp 50 % aller Asylbewerber nur in der Stadt Bitterfeld-Wolfen untergebracht sind? - Es gibt neun weitere Kommunen in Anhalt-Bitterfeld. Wer hat denn das festgelegt und aufgrund welcher Richtlinien ist denn das möglich? - Sie haben gerade gesagt, es sei alles kein Problem.

(Minister Holger Stahlknecht: Das macht der Landkreis! - Zurufe von der SPD)

- Ja, sicherlich macht es der Landkreis. Aber wir wollen, dass die Kommune mitspricht. Sie haben aber gerade gesagt, es gebe Richtlinien, die das regeln, dass genau das nicht passiert. Dazu hätte ich gern eine Aussage.

Zweitens. Was sagen Sie denn zu den Aussagen des grünen Oberbürgermeisters von Tübingen Herrn Palmer, der auch Begrenzungen haben möchte und sagt, wir könnten nicht alle Flüchtlinge aufnehmen? Wollen Sie denn gemeinsam mit Ihrem Ministerpräsidenten in der Kenia-Koalition die in diesem Jahr angekündigte Obergrenze in der jetzigen Legislaturperiode auch umsetzen? Wie soll das dann aussehen? Was sagen Sie denn zu den Aussagen von Herrn Haseloff?

Herr Striegel, sind Sie bereit, diese Frage zu beantworten?

Selbstverständlich beantworte ich die Fragen 1, 2, 3.

Zur ersten Frage. Was ist mit dem Landkreis und mit den Kommunen? Ich glaube an Subsidiarität. Was man auf der kommunalen Eben im Verhältnis zwischen Gemeinden und Landkreis regeln kann, das soll auch dort geregelt werden. Wer hindert Sie daran, in Ihrem Kreistag, der Teil der Kreisverwaltung ist - vielleicht kennen Sie sich mit diesen Dingen noch nicht so gut aus -, die Verteilung der Geflüchteten nach bestimmten Schlüsseln zu organisieren? Das steht Ihnen frei. Sie müssen sich allerdings politische Mehrheiten dafür organisieren.

(Matthias Büttner, AfD: Dauert nicht mehr lange!)

Das gelingt Ihnen bisweilen nicht, weil auch Sachgründe dagegenstehen. Es reicht eben nicht,

populistisch mit dem Fuß aufzustampfen und wie ein kleines Kind „ich will, ich will, ich will“ zu rufen,

(André Poggenburg, AfD: Das ist doch Ihre Masche!)

sondern man muss auch Lösungen vor Ort finden.

(Zurufe von der AfD)

Das ist die Herausforderung.

Zur zweiten Frage. Sie haben nach Boris Palmer gefragt. Es gibt gute Gründe, warum Boris Palmer nicht mehr im Parteirat der GRÜNEN sitzt. Seine Position ist nämlich eine Minderheitenmeinung.

(Ulrich Siegmund, AfD: Mundtot machen! - Weitere Zurufe von der AfD)

- Nicht mundtod machen. Wir nennen es Demokratie, dass man sich mit seinen Positionen Mehrheiten erarbeiten muss. Das gilt auch für die GRÜNEN. Ich weiß nicht, wie hierarchisch Ihr Laden organisiert ist. Bei uns wächst Demokratie tatsächlich mit Mehrheiten von unten.

(Zurufe von der AfD)

Zu Ihrer Frage nach den Obergrenzen. Sie können gern im Koalitionsvertrag nachlesen. Da werden Sie den Satz finden, der besagt: Die CDU findet, dass es eine Obergrenze geben muss. Von den GRÜNEN steht da nichts. Selbst wenn es sie gäbe, wir sind in Sachsen-Anhalt noch lange nicht da. Unsere Herausforderung heißt: Wir brauchen mehr Menschen, die in Sachsen-Anhalt wohnen. Wir brauchen mehr Menschen, die mit uns Probleme lösen. Und ich sage Ihnen auch: Wir brauchen weniger Populisten von Ihrem Schlag; denn die helfen uns in diesem Land nicht weiter. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Es gibt mehrere Nachfragen, und zwar von Frau Funke und von dann geht es weiter.

Wir beantworten die gerne.

Danke schön. - Herr Striegel, ich muss es leider sagen, aber ich bin so was von hin und weg, dass jemand wie Sie so arrogant sein kann gegenüber der Bevölkerung.

Waren Sie schon einmal in den Kommunen und in den Städten als Stadtrat unterwegs? - Ich weiß, wie es beispielsweise in Nebra aussieht. Wir haben damals im Stadtrat beschlossen, dass wir

50 Asylbewerber aufnehmen. Wir haben gesagt, wir machen das mit; das wurde auch einstimmig beschlossen. Daraus wurden 250, weil man die Jugendherberge mit hinzugezogen hat.

(André Poggenburg, AfD: Gut zuhören!)