An dieser Stelle noch mal eine kurze Vorbemerkung. Ich darf daran erinnern, dass die Beschlussfassung das Quorum von zwei Dritteln der Abgeordneten, mithin mindestens 58 Mitglieder des Hohen Hauses erfordert, die ihre Zustimmung dann erteilen müssen. Zur Feststellung einer Mehrheit, die nach der gesetzlichen Zahl der Mit
glieder des Landtags zu berechnen ist, sieht § 75 Abs. 1 unserer Geschäftsordnung eine Abstimmung durch Namensaufruf vor.
Ich bitte die Kollegin Heiß, mit dem Aufruf der Namen zu beginnen. Mein Kollege links neben mir wird die Abstimmungslisten führen. - Sie können beginnen.
Vielen Dank, Frau Abg. Heiß. - Ich sehe gerade, dass Abgeordnete im Plenarsaal sind, die noch nicht abgestimmt haben. Sie haben jetzt die Möglichkeit, ihre Stimme abzugeben. Das sind die Abg. Borchert und Güssau.
Gibt es noch Abgeordnete im Plenarsaal, die ihre Stimme nicht abgeben konnten? - Das ist nicht der Fall. Dann zählen wir die Stimmen aus.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben das Ergebnis vorliegen. Mit Ja stimmten 63 Abgeordnete und mit Nein 23 Abgeordnete. Enthaltungen gab es keine. Somit ist die erforderliche Mehrheit für den Antrag gegeben.
Gewalt- und anderen Straftaten gegen die Demokratie mit allen Mitteln des Rechtsstaates entgegentreten
Die Redezeit je Fraktion beträgt zehn Minuten. Die Landesregierung hat ebenfalls eine Redezeit von zehn Minuten. Folgende Reihenfolge wurde
vereinbart: GRÜNE, DIE LINKE, AfD, SPD und CDU. Zunächst hat für die Antragstellerin, die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die Fraktionsvorsitzende Frau Lüddemann das Wort. Bitte, Sie haben das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Abgeordnete der demokratischen Parteien dieses Hohen Hauses!
Am 2. Juni dieses Jahres wurde der Kasseler Regierungspräsident und CDU-Politiker Walter Lübcke auf der Terrasse seines Hauses gezielt durch Kopfschuss getötet. Dieser Mord stellt in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland eine Zäsur dar. Das erste Mal seit dem Ende des Nationalsozialismus wurde ein deutscher Politiker, also ein Repräsentant unseres demokratischen Gemeinwesens, von einem Rechtsextremisten getötet.
Wenn ich das hier betone, vergesse ich nicht die Blutspur, die der Rechtsextremismus bereits zuvor durch die Nachkriegsgeschichte gezogen hat. Das größte terroristische Attentat in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland war der Bombenanschlag auf das Münchner Oktoberfest im Jahr 1980 mit zwölf Toten und 213 Verletzten.
Es wurde von einem Mitglied der rechtsextremen Wehrsportgruppe Hoffmann verübt. Die Hintergründe sind bis heute nicht vollständig aufgeklärt.
Die Bundesregierung geht allein seit der Wiedervereinigung von 83 Opfern rechter Gewalt aus. Viele halten diese Zahl für zu niedrig. Die Antonio Amadeu Stiftung
Ebenfalls nicht zu vergessen: Der NSU, der Nationalsozialistische Untergrund, konnte jahrelang unerkannt morden und seine Bluttaten begehen.
Walter Lübcke war nicht der erste Politiker, der angegriffen wurde. Ich will an Henriette Reker, die Oberbürgermeisterin Kölns, erinnern. Sie wurde auf offener Bühne mit einem Messer lebensgefährlich verletzt.
Wir alle kennen die sich dramatisch mehrenden Berichte über Drohungen und Einschüchterung gegen Politikerinnen und Politiker, insbesondere auf lokaler Ebene, die sich gegen Rechts positionieren, auch in unserem Bundesland, vor unserer
Haustür. Alle werden die Berichte von Markus Nierth, der als Fanal in dieser Frage gelten kann, kennen.
Die Bedrohungslage ist also nicht neu. Aber der kaltblütig geplante und ausgeführte Mord an Walter Lübcke sendet nun eine klare Drohung von neuer Qualität. Von nun an werden es sich Menschen zweimal überlegen, ob Sie sich tatsächlich politisch und zivilgesellschaftlich engagieren und mit ihrem Namen dafür einstehen. Die Berichte über Feindes- und Todeslisten machen die Sache nicht einfacher. Dieser Angst und diesem Ungeist müssen sich mehr denn je alle Demokratinnen und Demokraten gemeinsam entgegenstellen.
Ganz klar: Wir alle stehen miteinander im politischen Wettstreit. Wir haben widerstreitende Ideen und konkurrieren um die politische Macht. Aber wir dürfen darüber nicht vergessen, dass wir noch eine andere, nach meiner Auffassung viel wichtigere Aufgabe haben, nämlich die Arbeit für die Demokratie an sich, für die Demokratie selbst.
In dem Sinne müssen wir uns alle fragen, warum die Demokratie in unserer Gesellschaft nicht die Wertschätzung erfährt, die sie verdient und die sie braucht; denn ohne überzeugte Demokratinnen und Demokraten wird es keinen Rechtsstaat und keine Demokratie geben können.
Wir alle müssen uns fragen, ob die Art und Weise, wie wir Politik machen, Werbung für die Politik und die Demokratie ist. Wir alle müssen uns fragen, warum populistische und sogar menschenverachtende Phrasen für so viele Menschen in diesem Land attraktiv sind.
Kolleginnen und Kollegen! Es gibt Zeiten, in denen müssen die eigenen Angelegenheiten zugunsten einer größeren Sache zurückstehen. Ich meine, in einer solchen Zeit leben wir. Daher mein klarer Appell: Wir brauchen eine klare Grenze.
Wir stehen vor einer Situation, in der 5 bis 10 % der Gesellschaft ein geschlossenes rechtes Weltbild haben. Und Teile dieser Ideologie wie Rassismus, Antisemitismus, Autoritarismus und Nationalismus scheinen sich immer mehr in die Mitte der Gesellschaft auszubreiten.
Das ist nicht neu. Doch was früher ein gesellschaftliches Hintergrundrauschen war, ist nun in die Parlamente eingezogen. Die Grenze des Sagbaren verschiebt sich immer weiter, und wir müssen feststellen, dass nun innerhalb und außerhalb
Wenn aber der demokratische Basiskonsens, dass die Würde des Menschen unantastbar ist, nicht mehr geteilt wird, dann, verehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Parteien, ist unsere Republik in Gefahr.