Das erinnert mich immer stärker an die verblichene DDR, in der sich interessierte Schützen, die in der DDR schießen wollten, bei der sozialismuskonformen GST, der Gesellschaft für Sport und Technik, anmelden mussten, um dann unter staatlicher Aufsicht mit zentral verschlossenen Waffen, wo wir vielleicht auch noch hinwollen, bei politischer Konformität ab und zu mal schießen zu dürfen. Von den Kreisparteisekretären der SED aufwärts kam man in den sozialistischen Genuss, Waffenträger zu sein.
Danke schön. - Die Hautevolee der Arbeiter- und Bauernmacht gönnte sich Schusswaffen und Jagdgewehre als Privileg. Es scheint wohl wieder in diese Richtung zu gehen. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Lehmann. - Ich sehe keine Wortmeldungen mehr. Deswegen steigen wir in das Abstimmungsverfahren ein. Einen Überweisungsantrag habe ich nicht vernommen. Wir stimmen damit direkt über den Antrag in der Drs. 7/4368 ab. Wer diesem Antrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Karten- oder Handzeichen. - Das ist die AfD-Fraktion. Wer stimmt dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen und die Fraktion DIE LINKE. Wer enthält sich der Stimme? - Niemand. Damit ist der Antrag abgelehnt worden.
Wir kommen zum nächsten Tagesordnungspunkt, dem heute letzten. Wie es aussieht, werden wir möglicherweise doch noch vorzeitig unser Ziel erreichen. Vielleicht könnten wir sogar noch einen Tagesordnungspunkt vorziehen.
- Das war ein Scherz. Genau das wollte ich jetzt hören. Deswegen: volle Kraft in den letzten Antrag hineingeben.
Herr Meister ist der Einbringer für diesen Antrag. Jetzt wollen wir ein bisschen Plattdeutsch sprechen. Bitte, Herr Meister.
Veehrte Fru Präsidentin! Veehrte Doamen un Herrn! Die niederdüütsche Sprook weer lange Tied överall to höörn in de Noorden vön unse Land. Nu besteht ober Gefohr, dattt disse Kulturgut verschwinnen deit.
Keine Sorge, ich halte die Rede nicht auf Platt, nicht nur, um mir nicht den Zorn des Stenografischen Dienstes oder der Kollegen Gebärdendolmetscher und Gebärdendolmetscherinnen zuzuziehen, die jetzt allerdings kreative Lösungen finden werden und, ich glaube, für Herrn Barth auch finden müssen,
sondern schlichtweg auch deshalb, weil ich, obwohl ich hier geboren und aufgewachsen bin, dieser Regionalsprache nicht mächtig bin. Da sind wir dann auch schon beim eigentlichen Problem.
Die Nutzung des Niederdeutschen ist deutlich zurückgegangen. Vom ehemaligen Status der weitverbreiteten Umgangssprache, den das Niederdeutsche im ländlichen Bereich im nördlichen Teil Sachsen-Anhalts, vom Harz bis in die Altmark, noch im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts hatte, sind wir heute weit entfernt.
Die Zahl der Niederdeutsch Sprechenden ist stark gesunken. Vielfach sind es vor allem ältere Menschen, die die Sprache heute noch beherrschen. Die Ursachen sind vielfältig. Niederdeutsch fand an den Schulen nicht statt. Es gab früher den Druck, ordentlich Hochdeutsch zu sprechen.
Auch die im 20. Jahrhundert immer vielfältiger werdende Mediennutzung ging am Niederdeutschen weitgehend vorbei. Wenn die Entwicklung in dieser Form fortschreitet, sind die Tage des Niederdeutschen als wirklich gelebte und lebendige Sprache in unserem Bundesland gezählt.
Nun kann man sich fragen: Wäre das Verschwinden dieser Sprache schlimm? In der langwierigen Vorbereitung dieses Antrages - es hat wirklich länger gedauert - gab es immer wieder überraschte Gesichter, wenn wir mit dem Plattdeutschantrag um die Ecke kamen. Die Kommunikation der Menschen funktioniert ja auch auf Hochdeutsch gut.
Mit jeder Sprache, die stirbt, stirbt eine Kultur, stirbt eine Welt. Selbstverständlich ist eine Sprache ein ganz besonderes Kulturgut. Das Verschwinden regionaler Sprachen ist kein speziell sachsen-anhaltisches Problem. Linguisten schätzen, dass etwa alle zwei Wochen auf der Welt eine Sprache endgültig ausstirbt. Auch in Europa stehen viele kleinere Regionalsprachen stark unter Druck.
Im Jahr 1992 hat der Europarat die Karte der Regional- und Minderheitensprachen verabschiedet. Erklärtes Ziel ist dabei, diese Sprachen als einzigartigen Bestandteil des kulturellen Erbes Europas zu erhalten, sei es nun Kornisch in Großbritannien, Bretonisch in Frankreich, Niedersorbisch in Brandenburg oder eben Niederdeutsch bei uns. Das Niederdeutsche gehört zu uns im nördlichen Sachsen-Anhalt. Es ist unser Kulturgut. Wir sind für den Schutz zuständig. Wenn wir es nicht schützen, geht es verloren.
Es geht aber nicht um Nostalgie und ein Zurück in die vermeintlich gute alte Zeit. So gut, wie es früher war, ist es bekanntlich nie gewesen. Wenn Sie mal im Mittelelbischen Wörterbuch blättern, das den Stand des Hoch- und des Niederdeutschen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts dokumentiert, erahnt man an so mancher dokumentierter Redewendung die gesellschaftliche Enge der damaligen Zeit. Wie klein und eng die Welt war, wird sehr schön an der uns aus Klein Wanzleben überlieferten Redewendung für eine weit, weit entfernte unbekannte Gegend deutlich. Dafür sagte man: Hinter Magdeburg. Also, das weit entfernte Unbekannte lag also bereits hinter Magdeburg.
Nun ja, die Bereiche hinter Magdeburg gelten heute wohl auch aus Klein Wanzlebener Sicht nicht mehr als unbekannt und sind nicht mehr so richtig weit entfernt. In diese enge Zeit wollen wir nicht zurück. Das Niederdeutsche ist kein Fall für nostalgische Betrachtungen. Es hat nur dann Zukunft, wenn es als lebendige Regionalsprache im normalen Alltag ankommt und besteht.
Es wird in jüngerer Zeit im politischen Bereich viel von Heimat geredet. Ja, tatsächlich gehört Niederdeutsch auch zu unserer Landesidentität
Es geht dabei nicht um etwas Ausschließendes, Ausgrenzendes, etwas Überhebliches im Sinne von „Wir sind überlegen“, nein, in einer enger zusammenrückenden, sich globalisierenden, in vielen Feldern damit aber auch austauschbarer werdenden Welt ist es wichtiger denn je, die Dinge zu pflegen, die die verschiedenen Regionen prägen, und sie selbstbewusst und lebendig als einen Teil des europäischen Ganzen zu verstehen und einzubringen. Bei uns gehört Niederdeutsch dazu. Deshalb müssen wir es schützen und fördern.
Wenn wir die niederdeutsche Sprache erhalten wollen, müssen wir dafür sorgen, dass sie wieder besser an die nächste Generation vermittelt wird. Insofern stellt der Antrag dann auch Bildungsangebote für den Erwerb und die Pflege des Niederdeutschen in den Mittelpunkt. Vor allem in interessierten Kindertagesstätten und Grundschulen sollten wir entsprechende Angebote unterstützen und fördern.
Ein anderer Aspekt ist der Versuch, die Sprache im öffentlichen Raum wieder sichtbarer zu machen. So soll, wie dies in anderen Bundesländern des niederdeutschen Sprachraums bereits möglich ist, Kommunen, die dies wünschen, die Möglichkeit eingeräumt werden, auf den Ortsschildern auch ihren niederdeutschen Namen wieder zu führen. Schön wäre es, wenn sich daraus weitere Initiativen und Ideen vor Ort entwickeln würden.
Gemäß Punkt 4 wollen wir die seit den 1930erJahren an der Martin-Luther-Universität Halle erfolgende Bearbeitung des Mitteldeutschen Wörterbuches - ich erwähnte es bereits - unterstützen und zu einem baldigen Abschluss bringen. Das Wörterbuch ist ein wichtiger Teil der wissenschaftlichen Arbeit auch am Niederdeutschen. In den Haushaltsberatungen haben wir dazu ja bereits ein Pflock eingeschlagen. Die wissenschaftliche Arbeit findet darüber hinaus aber auch an der Arbeitsstätte Niederdeutsch an der Otto-vonGuericke-Universität in Magdeburg statt.
Wenn ich eingangs die Situation als sehr ernst dargestellt habe, darf dies aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir sehr wohl viele Menschen in Sachsen-Anhalt haben, denen die Pflege des Plattdeutschen ein wichtiges Anliegen ist. Es erfolgt nicht nur die wissenschaftliche Arbeit in unseren Universitäten, sondern auch eine vielfältige ehrenamtliche Arbeit engagierter Menschen. Bei all denen möchte ich mich bedanken.
An dieses Engagement können wir anknüpfen. Die Landespolitik ist gut beraten, dieses Engagement wertzuschätzen und zu fördern. Auch
Lassen Sie uns die Förderung des Niederdeutschen verbessern, damit wir dieses Kulturgut bewahren und an die nächste Generation weitergeben können. - Vielen Dank.
Ick bitte um jemme Tostimmung to disse Andrach und bedanke mi för jemme Opmerksamkeit - Veelen Dank.
Vielen Dank, Herr Meister. - Für die Landesregierung spricht jetzt der Staats- und Kulturminister Herr Robra. Sie haben das Wort.
Schönen Dank, Frau Präsidentin. - Meine Damen und Herren! Ich war natürlich auch versucht, auf Plattdeutsch zu beginnen. Aber mit Rücksicht auf die fortgeschrittene Zeit will ich mir und Ihnen das ersparen.
Die niederdeutsche Sprache steht unter Artenschutz; das ist klar, wie die Rotbauchunke auch. Ich will die Gelegenheit nutzen, daran zu erinnern: Die erste Debatte zum Wert des Niederdeutschen im Landtag von Sachsen-Anhalt war in der 24. Sitzung am 19. November 1991 mit einem wunderbaren Beschluss, den man sich eigentlich hinter den Spiegel stecken muss. Vieles davon ist umgesetzt,
manches aber dann doch nicht so, wie es damals gedacht worden war. Ich muss denen danken - zum Teil hat es Herr Meister schon getan -, die sich heute schon sehr einbringen, der Landesheimatbund an allererster Stelle, die Otto-vonGuericke-Universität, die Schulen, die die Vorlesewettbewerbe organisieren - ich bin da auch gerne Schirmherr -, die Kindergärten, in denen „Platt för Kinner“ praktiziert wird, ganz viele, die sich bemühen, die niederdeutsche Sprache zu pflegen. Das wird natürlich von Generation zu Generation, wenn wir ehrlich sind, immer schwerer. Es gibt aber mittlerweile auch im Internet Angebote für die niederdeutsche Sprache.
Wichtig für uns alle ist, dass wir uns in der gemeinsamen Kabinettssitzung mit Brandenburg verpflichtet haben, diesen Kulturraum, der eigentlich ein einheitlicher ist, gerade für die Pflege der
niederdeutschen Sprache als Einheit zu betrachten. Es hat die ersten gemeinsamen Sitzungen zwischen den Ressorts in Brandenburg und Sachsen-Anhalt gegeben.