Ja, kann ich dazu nur sagen, recht hat er. Es ist dürftig, wenn die Kanzlerin und ein paar Minister gelegentlich ein paar verbale Streicheleinheiten an die Demonstranten verteilen: Man finde ja im Prinzip ihr Anliegen gut und wolle doch eigentlich das Gleiche wie sie. - Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, das wollen die Damen und Herren auf den Regierungsbänken im Bund und in den Ländern nicht.
Die Demonstranten wollen, dass der Pariser Klimaschutzvertrag eingehalten wird. Die Bundesregierung behauptet viel, tut aber viel zu wenig und unterläuft die getroffenen Vereinbarungen systematisch und in vollem Bewusstsein. Diese Einschätzung haben Tausende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erst kürzlich in einer Stellungnahme bestätigt.
Zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens sollte unter anderem die Verbrennung von Kohle bereits im Jahr 2030 weitgehend beendet sein. Die Beschlüsse der deutschen Klimakommission mit dem geplanten Ausstieg erst im Jahr 2038 stehen dazu offenkundig im Widerspruch. Nun gehen junge Leute gegen diese klare Missachtung der internationalen Klimaschutzziele auf die Straße. In vielen deutschen Städten, auch in Sachsen-Anhalt, in Magdeburg und Halle.
Schülerinnen und Schüler erteilen der Politik Nachhilfe. Das gab es lange nicht und deshalb irritiert es. Das soll es auch. Den jungen Leuten ist es ernst. Sie wollen mit ihren berechtigten Zukunftssorgen gehört und ernst genommen werden. Sie wollen, dass die Politik nicht zur üblichen Tagesordnung übergeht, sondern dass sich etwas ändert.
Sie wissen offenbar ganz gut, dass man dazu nicht nur spektakulär auftreten muss, sondern dass man auch hartnäckig sein muss, weil neoliberale Politik ansonsten auch weiterhin nur auf die Wünsche der Konzerne hört und eben nicht auf die Stimmen aus dem Volk, erst recht nicht, wenn es die Stimmen von Kindern und Jugendlichen sind.
Viele von denen, die dazulernen und die sich auch ändern müssen, hoffen, dass die Bewegung möglichst schnell und möglichst folgenlos wieder verschwindet. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie könnten unsere Jugend unterschätzen.
Wie borniert muss man sein, das Engagement der Schülerinnen und Schüler für eine der zentralen Menschheitsfragen mit einer Schulpflichtdebatte abwürgen zu wollen.
Der Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen lässt sich doch nicht gegen die natürlich ebenso wichtige Zukunftsfrage einer guten Bildung ausspielen.
Wenn Sie nicht wollen, dass in Sachsen-Anhalt so viel Unterricht ausfällt, dann müssen Sie einfach nur vor Ihrer eigenen Haustür kehren.
Für den in jedem Schuljahr nicht regulär erteilten Unterricht könnten jeden Freitag etwa 60 000 Schülerinnen und Schüler den ganzen Tag lang demonstrieren - das ist ein Drittel unserer gesamten Schülerschaft im Land;
so viel zum Sinn von Fakten und Zahlen, und auch nur, um Ihnen einmal die Relationen zu verdeutlichen.
Es geht Ihnen bei der Ablehnung von Fridays for Future nicht um den Stundenausfall. Es geht darum, dass die jungen Leute Freitag für Freitag den Regierenden einen Spiegel vorhalten, in den sie nicht hineinschauen wollen.
(Beifall bei der LINKEN - Ulrich Thomas, CDU: In Thüringen machen sie das beson- ders heftig! - Guido Heuer, CDU: Nennen Sie mir einen Grund dafür, dass die De- monstrationen am Freitagvormittag stattfin- den müssen!)
Allein im März haben rund 300 000 Menschen in 230 deutschen Städten an den Klimaschutzprotesten teilgenommen. Dass Schülerinnen und Schüler selbstbewusst ihre staatsbürgerlichen Rechte vertreten, ist offenbar auch 30 Jahre nach der friedlichen Revolution für einige Zeitgenossen nur schwer zu ertragen,
(Beifall bei der LINKEN - Guido Heuer, CDU: Wir haben montags gegen Truppen wie euch demonstriert! - Weitere Zurufe von der CDU)
erstaunlicherweise insbesondere in der CDU, die doch so gern für sich in Anspruch nimmt, geradezu ein Hort der Demokratie zu sein.
(Beifall bei der LINKEN - André Poggen- burg, fraktionslos: Freibrief zum Schwän- zen! - Zurufe von der CDU und von der AfD)
Sie setzen sich für das Gemeinwesen und für die Einhaltung internationaler Verpflichtungen ein. Auch für sie gilt das Demonstrationsrecht aus dem Grundgesetz. Darin steht nirgendwo, dass man das Demonstrationsrecht nur in seiner Freizeit und nicht während der Unterrichtszeit ausüben dürfte.
(Lars-Jörn Zimmer, CDU: Es gilt die Schul- pflicht! - Oliver Kirchner, AfD: Ein Lehrer gegen die Schulpflicht! - Weitere Zurufe von der CDU und von der AfD)
Das ist nichts weiter als der Ausdruck der Hilflosigkeit, um mit der Bewegung fertigzuwerden, und die Autorität einer Politik, die regelmäßig vor den Energiekonzernen einknickt, gegenüber den Schülerinnen und Schülern aber die Muskeln spielen lässt. Es wird trotzdem weiter gestreikt werden, auch zur nächsten Landtagssitzung am 24. Mai. Dann soll dem Vernehmen nach sogar ein europaweiter Streiktag stattfinden.
Auch unsere Regierung reagiert hilflos: Der Bildungsminister lässt die streikenden Schüler im Landesschulamt melden und die Schulleitungen auf die drohenden Konsequenzen bei Klassenarbeiten hinweisen. Der Ministerpräsident ist ganz auf Tauchstation gegangen und auch unsere Klimaschutzministerin lässt den Dialog mit den jungen Leuten bisher leider vermissen.
Es geht nicht nur darum, dass die Regierung den jungen Menschen einen konstruktiven Dialog zum Klimaschutz verweigert. Es geht konkret darum, wie der wirtschaftliche Strukturwandel in SachsenAnhalt, der ja die Perspektive der jungen Menschen betrifft, Teil des Dialoges mit Fridays for Future werden kann.
Für uns jedenfalls ist der Strukturwandel eine hervorragende Gelegenheit, darüber ins Gespräch zu kommen, wie mit dem Füllhorn der in Aussicht gestellten Bundesmittel zukunftsfähige Ausbildungs- und Arbeitsplätze und eine bessere Infrastruktur für die jungen Menschen gefördert und geschaffen werden können.
Was man bisher von der Landesregierung dazu hört, ist doch schlicht eine Katastrophe. Bei so viel Ideenlosigkeit muss man sich doch als junger Mensch verzweifelt an den Kopf fassen.
Minister Willingmann, öffnen Sie Fridays for Future die Tür für eine ernsthafte Debatte über den Strukturwandel.
Ministerin Dalbert, laden Sie die Demonstranten zu Diskussionen über die Klimaschutzpolitik des Landes Sachsen-Anhalt ein.
(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Weiter nach links gerückt! - Sebastian Striegel, GRÜNE: Er ist weiter nach links gerückt!)