Protocol of the Session on April 4, 2019

Vielen Dank, Frau Ministerin Grimm-Benne. Es gibt keine Anfragen. - Somit können wir in die Dreiminutendebatte der Fraktionen einsteigen. Die erste Debattenrednerin wird für die SPDFraktion die Abg. Frau Schindler sein. Sie haben das Wort, bitte.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist der Kinderkommission des Deutschen Bundestages ausdrücklich zu danken, dass sie sich des Themas Qualitätssicherung in Kindschaftsverfahren angenommen hat und dass sie in ihrer Stellungnahme vom 9. November 2018 die besondere Problematik, aber auch die besondere Bedeutung von Kindschaftsverfahren herausgearbeitet hat.

Allein die bloße Zahl von bundesweit 340 000 Kindschaftsverfahren im Jahr 2017 macht die Dimension des Themas deutlich. Wie kaum bei einer anderen gerichtlichen Entscheidung haben das Verfahren, seine Durchführung und am Ende sein Urteil, Einfluss auf die unmittelbare Lebenswirklichkeit von Kindern und ihren Eltern. Kinder sind die Hauptbetroffenen des Verfahrens. Sie sind es, die wir auch bei unseren weiteren Überlegungen zum Thema in den Blick nehmen müssen. Umso wichtiger ist es, sich die Ergebnisse der Kinderkommission genau anzuschauen.

Die Stellungnahme macht es in seltener Klarheit deutlich, wie die Probleme liegen und welche Lösungen gefunden werden können. Die Defizite wurden genauso klar benannt wie die Handlungsoptionen, immer mit dem Ziel, die Rechte von Kindern zu wahren und unter der Abwägung aller Faktoren die beste Lösung für das Kindeswohl zu finden.

Ein Großteil der Vorschläge der Kinderkommission bezieht sich auf Bundesrecht. Mir ist aber auch bewusst, dass die Stellungnahme der Kinderkommission nicht nur den Bundestag, sondern auch die Länder angesprochen hat. Das war uns als SPD-Fraktion auch der Grund, warum wir schon im Februar dieses Jahres einen Selbstbefassungsantrag im Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung gestellt haben, um dieses wichtige Thema, zusammen mit der Landesregierung, zu diskutieren. Diese Beratung findet entsprechend der bereits vorliegenden Ein

ladung in der nächsten Woche statt. Deshalb war es schon etwas befremdlich, dass jetzt, also in der Woche vor der Beratung des Ausschusses, der Antrag der LINKEN kommt. Wir greifen deshalb mit der hierzu heute geführten Debatte der Diskussion im Ausschuss vor.

Wir wollen einen Gesamtüberblick über die für so viele Menschen bedeutsamen Empfehlungen der Kinderkommission schaffen, die hier in dem Antrag der LINKEN punktuell aufgegriffen werden, über die wir heute aber nicht abschließend entscheiden sollten.

Wir schlagen deshalb in unserem Alternativantrag vor, dass die Landesregierung im Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung über den aktuellen Stand der Evaluierung des Gesetzes über das Verfahren zu Familiensachen berichtet, so wie die Ministerin es ausgeführt hat, und dass wir dann gemeinsam über konkrete Schlussfolgerungen aus den Empfehlungen der Kinderkommission beraten können. Deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem Alternativantrag. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Abg. Schindler. Ich sehe hierzu keine Anfragen. - Der nächste Debattenredner ist für die AfD-Fraktion der Abg. Herr Höse. Sie haben das Wort. Bitte.

Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Nach § 158 Abs. 1 des Familienverfahrensgesetzes hat das Gericht einem minderjährigen Kind in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, einen geeigneten Verfahrensbeistand zu bestellen, soweit dies zur Wahrnehmung seiner Interessen erforderlich ist. Diese Bestellung ist in der Regel in fünf Punkten erforderlich, keinesfalls aber in allen Fällen zwingend vorgeschrieben. Und sie ist vom Gericht in Art und Umfang festzulegen und auch zu begründen.

Für die bestellten Beistände war bislang laut Gesetzeslage keine besondere Aus- oder Weiterbildung vorgeschrieben. Konkrete Anforderungen an die fachliche Qualifikation eines Verfahrensbeistandes sieht das Gesetz nicht vor. Sie müssen einzig und allein persönlich dazu geeignet sein. Es müssen auch keine Pädagogen, Psychologen, Erziehungswissenschaftler, Juristen oder Psychosozialisten sein, wie es die LINKINNEN gerne so hätten.

(Heiterkeit bei der AfD - Eva von Angern, DIE LINKE: Was sind denn Psychosozialis- ten?)

Aus der gerichtlichen Praxis gab es zumindest bisher keine Hinweise darauf, dass die Qualifikation der in Sachsen-Anhalt zur Verfügung stehenden Verfahrensbeistände unzureichend ist. Was wir bzw. die Kinder aber brauchen, sind Menschen mit Fingerspitzengefühl und Sozialkompetenzen, am besten Menschen, die selbst schon, vielleicht sogar mehrfache, Väter oder Mütter sind.

Und ja, liebe LINKE, selbst der Taxifahrer als engagierter Laie, der im Rechtsausschuss so angeprangert wurde, könnte das in unseren Augen sein, wenn bei ihm nämlich das Kindeswohl und die daraus folgende positive gerichtliche Entscheidung im Sinne des Kindes im Fokus stehen. Warum auch nicht?

Eine verschulte und akademisierte Fortbildung zum Verfahrensbeistand öffnet aber nur jenen die Tür zur Mitsprache in Familienangelegenheiten, die mit einer Familie, zumindest in unserem traditionellen Sinne, wohl eher nichts anfangen können und selbst Lichtjahre vom ersten eigenen Kind entfernt sind,

(Beifall bei der AfD)

in erster Linie wahrscheinlich nur Ihren Heerscharen von Sozialarbeitern, die Sie damit in Lohn und Brot bringen wollen.

(Eva von Angern, DIE LINKE: So ein Schwachsinn!)

Es ist in unseren Augen nichts weiter als ein riesiges Arbeitsbeschaffungsprogramm von links. Zudem schränkt die Akademisierung der Verfahrensbeistände die Auswahl der infrage kommenden Personen nur unnötig ein.

Unsere Forderung dagegen wäre: Alle Verfahrensbeistände sollten auf jeden Fall schon einmal Eltern geworden sein; denn diese können mit der nötigen Sensibilität und praktischen Erfahrung Konflikte zum Wohl des Kindes lösen. Persönlichkeit sollte hierbei an erster Stelle stehen. Es ist ausreichend, wenn Verfahrensbeistände mit einem nachweislich guten Leumund von einem Richtergremium nach einem Gespräch in persona ausgewählt werden.

Wir sehen für eine Reform des Familienverfahrensgesetzes außerhalb punktueller Nachjustierungen keine Notwendigkeit.

Den LINKEN-Antrag lehnen wir selbstverständlich ab, den Koalitionsantrag nicht. - Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Höse. Ich mache einen kleinen Hinweis. Es ist Ihnen sicherlich entgangen, dass

hier kein Präsident sitzt, sondern ich als Präsidentin.

„Frau Präsident“ heißt das.

Nein, Sie haben gesagt: Herr Präsident!

Nein: Frau Präsident. Das steht im Protokoll.

(Zurufe von der AfD)

Wir schauen uns das noch einmal an.

Trotzdem: Frau Präsident!

Es gibt keine Fragen, Herr Abg. Höse. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Abg. Herr Striegel.

(Zurufe von der AfD: Nein!)

Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Höse, ich weiß nicht, was Sie vor Ihrer Rede geraucht haben. Aber vielleicht sollten Sie es beim nächsten Mal kindersicher wegschließen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN - Unruhe bei der AfD)

Also, das ist echt nicht gut, das Zeug. Ich finde es, ehrlich gesagt, schwierig, dass Sie bei so einem ernsten Thema hier entsprechend an den Start gehen.

Verfahren in Kindschaftssachen gehören nämlich zum sensibelsten Bereich der deutschen Justiz. Die hier getroffenen Entscheidungen stellen nicht selten entscheidende Wegmarken im Leben der betroffenen Kinder dar; denn es wird für sie entschieden, wer das Sorgerecht hat und welcher Elternteil wann wie viel Umgang mit dem Kind haben darf, um nur zwei Beispiele zu nennen.

Dem Staat, und hier konkret der Justiz, kommt an dieser Stelle eine besondere Verantwortung und Sorgfaltspflicht zu. Wenn beteiligte Elternteile nicht fähig oder auch nicht willens sind - auch das kommt vor -, ihren Konflikt zu lösen, muss ein

Gericht entscheiden. Das kann nie die beste Lösung sein. Insofern muss auch gefragt werden, was im Vorfeld getan werden kann, damit getrennte Eltern gar nicht erst in einer gerichtlichen Auseinandersetzung landen.

Kommt es so weit, muss man schon die Frage stellen, ob alle Verfahrensbeteiligten in der Lage sind, in diesen hoch komplexen und emotionalen Konstellationen das Kindeswohl zu erkennen und ihr Handeln daran zu orientieren. Hier möchte ich doch einige größere Fragezeichen machen.

Das beginnt schon bei den Familienrichterinnen und -richtern. In der juristischen Ausbildung fristet das Familienrecht ein Schattendasein, ganz zu schweigen vom Kinder- und Jugendhilferecht. Es ist keine Seltenheit, dass Juristinnen und Juristen in Deutschland zwei Examina bestehen, ohne auch nur einmal in nur eines der Bücher des SGB schauen zu müssen. Das spricht Bände.

Die Kenntnisse angehender Richterinnen und Richter über Strukturen und Angebote der Kinder- und Jugendhilfe sind also nicht selten dünn. Noch schlechter ist es oftmals um die dringend notwendigen Kompetenzen im kommunikativen und analytisch-diagnostischen Bereich bestellt. Ich kann hier den Empfehlungen der Kinderkommission des Deutschen Bundestages nur zustimmen, wenn sie verpflichtende Fort- und Weiterbildungen in diesem Bereich fordert.

Eine besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang den Verfahrensbeiständen als Anwälten des Kindswohls zu. Das ist deutlich gemacht worden. Es muss sich um eine geeignete Person handeln, die nach dem freien Ermessen des Gerichts bestimmt wird. Hier muss man die Frage stellen, ob es nicht doch konkreter Qualifikationskriterien bedarf, die gesetzlich verankert werden sollten.

Sowohl die Verfahrensbeistände als auch die in Gerichtsverfahren enorm einflussreichen Gutachterinnen und Gutachter sollten dabei gesetzlich zu regelmäßigen Weiterbildungen verpflichtet werden. Das scheint mir das Mindeste zu sein. Es ist daher sehr zu begrüßen, dass momentan eine gründliche Evaluierung der Regelungen des Gesetzes erfolgt.

Wir alle sollten einen genauen Blick auf die Ergebnisse werfen und die nötigen politischen Konsequenzen ziehen. Hier lohnt die Mühe besondern; denn es geht ganz konkret um das Wohl unserer Kinder. Wenn ein Gericht entscheiden muss, ist in ihrem Leben schon viel Schaden angerichtet worden. Wir sollten daher alles in unseren Möglichkeiten Stehende tun, damit dieser Schaden nicht noch vergrößert wird. - Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abg. Striegel. Auch hierzu sehe ich keine Fragen.

(Zurufe von der AfD: Doch! - Thomas Höse, AfD: Hier!)

- Deutlicher machen. - Es gibt eine Frage, Herr Striegel.