Protocol of the Session on April 2, 2019

(Zustimmung bei der CDU und bei der AfD - Ulrich Siegmund, AfD, lacht - Zuruf von Se- bastian Striegel, GRÜNE)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Wolfgang Aldag, GRÜNE: Wir machen das noch zwei Jahre mit, Herr Kurze! - Zuruf von Andreas Schumann, CDU)

Frieden, Freiheit und Wohlstand unter erschwerten Bedingungen der globalisierten Welt zu erhalten - darin liegt die große Verantwortung der zukünftigen Europapolitik. Prof. Dr. Sven Simon, Inhaber des Lehrstuhls für Völker- und Europarecht an der Philipps-Universität in Marburg, hat in einem Beitrag für die „FAZ“ deutlich gemacht, dass wir dem europäischen Einigungsprojekt die längste Friedensperiode unserer Geschichte und auch den größten Wohlstand, den wir je hatten, zu verdanken haben. Dieser Gedanke allein sollte ausdrücken, wie wichtig diese Gemeinschaft von Ländern sein kann.

Ich werde nicht müde zu betonen, dass die infrastrukturelle, ökonomische, ökologische und soziale Entwicklung in unserem Land ohne die Hilfe aus Europa unvorstellbar gewesen wäre. So wurden zahlreiche Projekte durch die europäischen Struktur- und Investitionsfonds unterstützt.

Zum einen war die Vollendung der deutschen Einheit, meine sehr verehrten Damen und Herren, nur in einem sicheren und freien Europa möglich. Das wusste Helmut Kohl; das wusste die CDU. Dafür sind wir unserem Altkanzler dankbar, nicht nur in der Union, sondern in ganz Deutschland, vor allem sicherlich in den neuen Bundesländern.

Zum anderen sind seit Anfang der 1990er-Jahre Mittel in Höhe von mehr als 9 Milliarden € von Brüssel nach Sachsen-Anhalt geflossen. Bei jeglichen Reden zu Europa ist es mir persönlich wichtig, das zu betonen, um zu zeigen, wie sehr auch Sachsen-Anhalt von der EU bisher profitiert hat.

(Zuruf von Andreas Schumann, CDU)

Die Einbindung unseres Landes in ein starkes und gemeinschaftliches Europa ist die beste Antwort auf die Herausforderungen der Globalisierung.

Sachsen-Anhalt ist ein weltoffener Partner in einem starken, handlungs- und wettbewerbsfähigen demokratischen und sozialen Europa. Der Europäische Binnenmarkt mit seinem freien Personen-, Waren-, Kapital- und Dienstleistungsverkehr ist für die Menschen in Europa eine große Chance.

Voraussetzung dafür, diese Chance nutzen zu können, ist die Vermittlung interkultureller Kompetenz bei gleichzeitig klarem Bekenntnis zu unseren Werten, mit denen unsere Großeltern und Eltern unser Land, unseren Wohlstand geschaffen und somit einen unverzichtbaren Beitrag für das starke Haus Europa geleistet haben.

Mit dem noch immer unklaren Ausgang des Brexits ist ein Höhepunkt in der Kritik an Europa erreicht. Dies zeigt, dass viele Bürger das Vertrauen in die Europäische Union verloren haben. Der Austritt des Vereinigten Königreiches würde weitreichende finanzielle Auswirkungen auf den Haushalt der EU bedeuten.

Doch das ist momentan nicht das einzige Streitthema innerhalb der europäischen Staaten. Zwischen Deutschland und Frankreich gab es Streitigkeiten wegen der Ostseepipeline Nord Stream 2. Viele Menschen in unserem Land sagen, wir dürfen nicht abhängig sein und brauchen verschiedene Anbieter, um für unsere 82 Millionen Einwohner Energiesicherheit vorzuhalten. Zudem muss die Energiesicherheit natürlich bezahlbar bleiben - auch das noch einmal ein ganz klarer Gruß an die GRÜNEN.

Italiens Haushaltsplan ist massiv überschuldet. Italien macht Frankreich den Vorwurf, dass es für die hohen Zahlen an Migranten verantwortlich sei. Des Weiteren werden Entscheidungen in Brüssel als Bürokratiemonster bezeichnet. So gibt es weiterhin keine gemeinsame Verteidigungs- und Außenpolitik der EU.

Man stelle sich vor, jeder Vierte aus Afrika will nach Europa. Wenn aus Afrika jeder Vierte von den 1,3 Milliarden Menschen - Stand 2017 - nach Europa will und wir die Außengrenzen nicht ernsthaft schützen, brauchen wir uns hier über die Einhaltung der Klimaziele, meine sehr verehrten Damen und Herren, wohl keine Gedanken mehr zu machen.

(Oliver Kirchner, AfD: Das stimmt!)

Ungarn mit seinen Nachbarn kritisiert die EU und wirft ihr vor, verpflichtende Ansiedlungsquoten einführen zu wollen und das Recht der Mitgliedstaaten auf Grenzschutz zu schwächen. Zudem hat aktuell mit Rumänien ein Land den Ratsvorsitz, das ein großes Problem mit Korruption im Lande hat. Die Gelbwestenproteste in Frankreich können insgesamt als ein Ausdruck der Unzu

friedenheit mit der eigenen Regierung, aber auch mit der EU aufgefasst werden.

Diese genannten Beispiele sind auch ein Beleg dafür, dass der EU-Binnenmarkt als weltweit größter Wirtschaftsraum zerstrittener erscheint als die Konkurrenz. Verstärkt wird diese Situation dadurch, dass nationalistische und radikale Kräfte immer wieder betonen, der europäische Gedanke, die Institution Europa könne nicht funktionieren.

Doch in Richtung jener Kräfte sei gefragt: Wie soll die Sicherung von EU-Außengrenzen ohne eine Europäische Union funktionieren? Wie soll ein Staat für sich allein in der globalisierten Welt die Migrationspolitik, Bereiche der Verteidigungspolitik, die Terrorismusbekämpfung sowie die Energieautonomie und die Telekommunikation bewältigen?

Die Europäische Union ist mittlerweile ein großes Konstrukt mit verschiedenen unterschiedlichen Interessen und auch Ansprüchen, die jedes einzelne Land für sich definiert. Das wissen wir alle.

Das macht es aber für die Zukunft nicht einfacher, diese Gruppe beieinander zu halten. Dabei ist es gewiss auch nicht hilfreich, mit den Mitgliedstaaten auf Konfrontationskurs zu gehen. Wir werden mehr Europa nur dann herbeiführen können, wenn wir den Konsens finden, und zwar über alle unterschiedlichen und auch berechtigten nationalen Interessen hinaus.

Wir haben Regeln in der EU. Und wenn wir Regeln haben, dann müssen diese natürlich für alle gelten. Diese Aufgabe ist anspruchsvoll und herausfordernd, aber nur so kann es funktionieren.

Daher muss es also auch in der Zukunft vor allem darum gehen, dass wir weiterhin alle miteinander und nicht übereinander reden und zu Kompromissen zu finden, die das Gesamtschiff Europa weiter voranbringen. So sagte Professor Simon auch hierzu, die EU sei die einzig realistische Größe, um den aktuellen globalen Herausforderungen gerecht zu werden. Diese Stärke, meine sehr verehrten Damen und Herren, müssen wir nutzen und dafür müssen wir die Dinge berücksichtigen, die ich eben vorgetragen habe.

Für uns als CDU war das Zusammenwachsen Europas vor 70 Jahren vor allem eines: ein Sicherheitsversprechen für seine Bürgerinnen und Bürger. Nach den Erfahrungen furchtbarer Kriege mit Millionen Toten und millionenfachem Leid soll diese Phase der Geschichte der Vergangenheit angehören. Heute beschäftigen wir uns mit anderen Themen: Terrorismus, Klima, digitaler Wandel, globaler Handel. All das macht vielen Menschen Angst und diese Angst müssen wir ihnen nehmen.

Dazu bedarf es einer gemeinsamen Verteidigungspolitik. Wir wollen die Koordinierung der Nachrichtendienste und Antiterrorbehörden verstärken und eine gemeinsame Datenplattform schaffen für den Kampf gegen Terrorismus, organisierte Kriminalität und illegale Migration.

Insgesamt müssen sich die Mitglieder der EU wieder stärker einander annähern und sich weiter miteinander vernetzen. Dieser vernetzte Ansatz bringt bei internationalen Krisenherden Verteidigungs-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik zusammen, um Flüchtlingsbewegungen zu verhindern. Wir brauchen international mehr und nicht weniger Kooperation.

Freiheit, Demokratie und Rechtstaatlichkeit, meine sehr verehrten Damen und Herren, kann Europa nur durch entschlossenes und mutiges Handeln sichern. Wenn Europa stehenbleibt, wird es zerrieben zwischen den globalen Kräften. Deshalb treten wir als CDU für ein starkes Europa ein.

Der Tatsache, dass die Zukunft Europas und damit auch die kommenden Europawahlen wichtiger denn je sind, trägt auch der Koalitionsvertrag auf Bundesebene besondere Rechnung. Im Titel heißt es dort. „Ein neuer Aufbruch für Europa“. Denn nur eine starke Europäische Union kann ein Garant für eine Zukunft in Frieden, Sicherheit und Wohlstand sein. Die Herausforderungen, vor denen wir in der Europäischen Union stehen, sind nun einmal, wie eben bereits beschrieben, enorm.

Im Jahr 2016 stimmten die Bürgerinnen und Bürger des Vereinigten Königreichs mehrheitlich gegen den Verbleib in der EU. Das war bereits 2016. Bis heute zieht sich dieser Prozess hin. Jeden Tag hören wir dazu neue Nachrichten und neue Informationen. Es wird noch eine spannende Frage sein, was in den nächsten zehn Tagen mit Großbritannien und letztlich auch mit der Union passiert.

Die Herausforderungen durch Flucht und Migration stellen die europäische Partnerschaft daher auf eine sehr harte Probe. Wachstum und Beschäftigung kommen zwar in Europa wieder besser in Schwung, die Folgen der Wirtschaftskrise sind aber noch nicht vollständig überwunden. Die Jugendarbeitslosigkeit ist in Teilen Europas immer noch sehr hoch. Europa muss aber ein Kontinent der Chancen sein, besonders für junge Menschen; denn sie sind die Zukunft Europas.

Wir wollen, dass junge Menschen ihre Hoffnungen auf Europa setzen. Wir wollen, dass sie gute Jobs finden, sich frei und mobil in Europa entfalten können, sodass sie im Austausch mit anderen Freundschaften schließen und das europäische Zusammenleben praktisch erfahren können. Deshalb wollen wir die Austauschprogramme, wie Erasmus+, ausbauen und die Jugendarbeitslosig

keit innerhalb der Europäischen Union mit mehr Mitteln bekämpfen.

Neue Schwerpunktsetzungen der USA, das Erstarken Chinas und die Politik Russlands machen deutlich: Europa muss sein Schicksal mehr als bisher in die eigenen Hände nehmen. Dazu gehört es auch, faire Mobilität zu fördern, jedoch missbräuchliche Zuwanderung in die Systeme der sozialen Sicherheit zu unterbinden. Diesem haben wir uns auch im Koalitionsvertrag auf Bundesebene verschrieben. Ein zentraler Punkt für die Zukunft muss es daher sein, den digitalen Binnenmarkt in Europa endlich zu vollenden. Das würde auch unserem Land wieder zugutekommen.

Das deutsche Handwerk bildet mit rund einer Million Betrieben und mehr als 5,3 Millionen Erwerbstätigen eine tragende Säule des deutschen Mittelstandes. Es ist hoch innovativ, regional verankert und erschließt durch seine leistungsfähigen Unternehmen auch erfolgreich neue Märkte auf europäischer und internationaler Ebene.

Dieser Binnenmarkt, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist eine große Chance. Wir wollen mit dem Blick auf internationale Anforderungen die Rahmenbedingungen so gestalten, dass die Positionen im europäischen und internationalen Wettbewerb dauerhaft gestärkt werden. Hierfür müssen vor allem kleine und mittlere Unternehmen bei der Erschließung von und der Behauptung in Märkten unterstützt werden. So haben wir es in Sachsen-Anhalt im Koalitionsvertrag verankert.

Wir unterstützen eine Politik der EU, die verhindern soll, dass kriminelle Schlepper und Schleuser entscheiden, wer nach Europa kommt. Wir wollen Anreize ausschließen, die dadurch entstehen, dass Minderjährige von ihren Eltern unter Gefährdung des Kindeswohls zukünftig auf die gefährliche Reise vorgeschickt werden.

In den vergangenen Jahren ist die Welt unberechenbarer und unsicherer geworden. Internationale Ordnungen und fundamentale Prinzipien, wie Multilateralismus, das Völkerrecht und die universelle Gültigkeit von Menschenrechten, sind unter Druck und drohen weiter zu erodieren.

Die Folgen des Klimawandels, Risiken von Handelskriegen, Rüstungswettläufen und bewaffneten Konflikten, Instabilität im Nahen und Mittleren Osten, Fluchtbewegungen sowie neue aggressive Nationalismen innerhalb und außerhalb Europas fordern uns heraus und wirken bis in unsere Gesellschaft hinein. Wir wollen eine Europäische Union, die nach innen erfolgreich ist und zugleich in der globalisierten Welt unsere Interessen wahrt und mit unseren Werten überzeugt.

Hierzu braucht sie eine kraftvolle gemeinsame Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik so

wie eine Entwicklungspolitik, die weit intensiver als bisher mit einer Stimme spricht mit gut ausgestatteten, aufeinander abgestimmten zivilen und militärischen Instrumenten.

Ich blicke einmal zu der LINKEN hinüber. Man mag manchmal auch erstaunt sein, was es für Anträge innerhalb des Europäischen Parlaments gibt, die inhaltsgleich, wie man feststellt, wenn man sie nebeneinanderlegt, eigentlich auch direkt von der anderen Seite kommen könnten. Den Weg, den DIE LINKE innerhalb der EU gehen will, hat Herr Gallert zwar versucht, eindeutig zu beschreiben. Aber wenn man genauer hinschaut, dann merkt man, dass gerade bei der LINKEN mehrere Strömungen vorhanden sind, bei denen man nicht hundertprozentig weiß, welche nun der richtige Weg ist, den wir einschlagen wollen. Denn wenn wir ein starkes Europa haben wollen, dann kommen wir nicht umhin, auch eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik zu betreiben.

Bei dieser Frage müssen auch Frankreich, England und Deutschland enger zusammenarbeiten. Ich habe es vorhin gesagt: Wenn jeder Vierte aus Afrika nach Europa will - 325 Millionen Menschen können wir in Europa nicht mehr verkraften. Wir haben schon mit zwei Millionen eine Menge Probleme in unserem Land.

(Zustimmung von Ulrich Thomas, CDU, und von Lars-Jörn Zimmer, CDU)

Wir setzen uns für eine Vertiefung der europäischen Integration und die Entwicklung gemeinsamer europäischer Lösungen unter der Wahrung des Subsidiaritätsprinzips ein; auch das ist ein wichtiges Argument im Rahmen unserer Politik. So stärken wir trotz unzweifelhaft großer Herausforderungen das Vertrauen in Europa und treten europafeindlichem Populismus entgegen.

Darum soll dem Thema Europa auch im Schulunterricht deutlich mehr Gewicht verliehen werden. Hierfür sind den Schulen und der Landeszentrale für politische Bildung als Akteure die notwendigen Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Aber ich glaube, meine sehr verehrten Damen und Herren, auch das haben wir nicht nur im Koalitionsvertrag verankert, sondern auch haushaltstechnisch untermauert. Exzellente Partner hierbei sind auch die beiden Europa-Informationszentren in Magdeburg und in Halle, deren Einrichtungen nur zu begrüßen sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Präsident der Europäischen Kommission JeanClaude Juncker hat die Leistung der Europäischen Union in seiner Rede zur Lage der Union im vergangenen Jahr positiv beschrieben. Trotz düsterer Wolken nach der Finanzkrise 2008 wachse Europas Wirtschaft wieder kontinuierlich. Seit 2014 seien nahezu zwölf Millionen neue Ar

beitsplätze entstanden. 339 Millionen Menschen stünden in Lohn und Brot, so viele wie nie zuvor in Europa. Selbst die Jugendarbeitslosigkeit stehe mit 14,8 % auf dem geringsten Stand seit 2000. Ich weiß, dass die Jugendarbeitslosigkeit in den einzelnen Ländern unterschiedlich hoch ist. Aber das ist nun mal der Durchschnitt. Ich denke, das kann uns am Ende positiv stimmen.

Juncker hat damals betont, wenn es darauf ankomme, müsse Europa zusammenstehen; denn nur wenn Europa stark und geeint sei, könne es die Menschen vor Bedrohungen von innen und außen schützen, vom Terrorismus bis hin zum Klima.

Diesen Worten, meine sehr verehrten Damen und Herren, können wir uns als CDU nur anschließen. Dabei kann und wird das Vereinigte Königreich, egal wie die Abstimmung zum Brexit nun letztlich ausfällt, für die EU nie ein Drittland wie jedes andere sein. Es wird stets ein sehr enger besonderer Partner und Nachbar bleiben, politisch, wirtschaftlich und in Fragen der Sicherheit.

Die Europäische Union ist ein historisch einzigartiges Friedens- und Erfolgsprojekt. Jeder Einzelne kann dazu beitragen, dass es so bleibt. Am besten gelingt das natürlich bei der Europawahl am 26. Mai 2019 mit einem Kreuz bei der CDU.