Protocol of the Session on March 1, 2019

Eine Untersuchung des Hannoveraner PestelInstituts, das Daten der deutschen Rentenver

sicherung ausgewertet hat, zeigt: In Sachsen-Anhalt erhalten derzeit 99 000 Frauen und 40 000 Männer bei mindestens 35 Beitragsjahren eine Rente von weniger als 896 €. Das sind die Menschen, um die es geht: Männer und Frauen, die nach einem harten Berufsleben sehr, sehr niedrige Renten bekommen.

Wenn sich dann jemand traut, sich ins Portemonnaie schauen zu lassen, dann wird das plastisch. Susanne Holtkotte - den Namen habe ich mir gemerkt -, die Reinigungskraft aus Bochum, war kürzlich bei Plasberg zu Gast. Sie erhielte nach jetzigem Stand eine Rente von 715 €. Mit der Grundrente, so wie Bundessozialminister Heil sie vorschlägt, wären es 1 002 €. Das ist noch immer eine schmale Rente, aber es sind nahezu 300 € mehr.

Es ist kein Wunder, dass die Forderung nach einer Grundrente insbesondere in den neuen Ländern laut ist. Sie wird zum Beispiel von der CDU in Thüringen, von der CDU in Sachsen und von der CDU in Brandenburg gefordert.

(Zuruf von Siegfried Borgwardt, CDU)

Auch mein Kollege Laumann aus NordrheinWestfalen treibt das Thema zum Beispiel voran. Ich sage einmal ganz deutlich, weil jetzt immer dazwischengerufen wird: Ich hoffe nicht, dass das dort nur Wahlkampfgetöse ist. Denn wenn man das mit einer Bedürftigkeitsprüfung im Osten verknüpfen würde, dann wäre das kein Wahlkampfthema, sondern würde nach hinten losgehen.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Stimmt!)

Ich wiederhole mich diesbezüglich gern: Die Rente ist das Spiegelbild der Lebensleistung. Insbesondere in den neuen Bundesländern, wo die Altersvorsorge noch zu über 95 % von den Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung getragen wird und Betriebsrenten sowie private Altersvorsorge erst für die jüngeren Generationen zum Tragen kommen, ist eine auskömmliche Rente zwingend erforderlich, um nicht der Gefahr von Altersarmut und Ausgrenzung ausgesetzt zu werden.

Die drei Säulen in der Altersvorsorge konnten viele Menschen nach den Wendejahren hier einfach nicht aufbauen. Aus einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft geht hervor: Rentnerinnen und Rentner im Osten würden deutlich mehr von der geplanten Grundrente profitieren. Während bei den Frauen im Westen nur ein Drittel mit Anspruch auf eine Minirente einen Anspruch auf Grundrente hätte, würden im Osten fünf von sechs Frauen aus dieser Gruppe profitieren. Bei den westdeutschen Männern hätte jeder zweite Rentner die notwendige Mindestbeitragszeit erreicht. In Ostdeutschland wären es fast alle: zehn von elf.

Sicherlich kann man sich darüber streiten - das passiert auch in der aktuellen politischen Debatte -, welche Rentenhöhe nötig ist, um Altersarmut zu verhindern. Und sicherlich kann man sich auch darüber streiten, wie das Ziel Grundrente am besten umgesetzt wird. Wir müssen uns dabei aber vor allem von einer Frage leiten lassen: Was können wir für die Rentnerinnen und Rentner tun, die nach einem Berufsleben mit Niedriglöhnen jetzt eine Minirente bekommen?

Bereits der Sachverständigenrat hat in seinen Stellungnahmen zu den Rentenversicherungsberichten für die Jahre 2016 und 2017 deutlich gemacht, dass es keinen Königsweg für die Grundrente gibt. Vielmehr ist es letztlich eine politische Entscheidung, wie Altersarmut in der gesetzlichen Rentenversicherung verhindert werden soll.

In einem Bund-Länder-Sozialpartner-Dialog des Bundessozialministeriums zur Grundrente wurden verschiedene Modelle, zum Teil auch mit weiteren Varianten, dazu diskutiert, wie die Vorgaben des Koalitionsvertrages umgesetzt werden können. Das ist übrigens der Hintergrund, vor dem Bundesminister Hubertus Heil seinen Vorschlag einer Respekt-Rente vorgelegt hat, einen guten Vorschlag. Sie soll denen, die fast ihr gesamtes Erwerbsleben über Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung geleistet haben, ein Renteneinkommen sichern, das deutlich über dem Grundsicherungsniveau liegt.

Von großer Bedeutung bei der Ausgestaltung der Regelung zur Grundrente wird die Frage sein, wie Zeiten der Arbeitslosigkeit bei der Erfüllung des Zeitraumes von 35 Jahren zu berücksichtigen sind. Denn es ist zu erwarten, dass aufgrund längerer Zeiten der Arbeitslosigkeit auch in SachsenAnhalt viele zukünftige Rentnerinnen und Rentner das Erfordernis der Beitragszeit von 35 Jahren nicht mehr erfüllen werden. Darauf liegt unser Fokus in dem bevorstehenden Gesetzgebungsverfahren. Wir werden darüber diskutieren müssen, dass die Grenze von 35 Jahren nicht starr sein darf. Vielmehr muss es weiche Übergänge geben, damit es nicht zu großen Ungerechtigkeiten kommt.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren Abgeordneten! In dem vorliegenden Antrag der Fraktion DIE LINKE wird im Gegensatz dazu eine Mindestrente gefordert. Das zielt in eine völlig andere Richtung: eine Mindestrente von 1 050 € für jeden. Derjenige, der langjährig, aber aufgrund seines niedrigen Einkommens nur geringfügige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung abgeführt hat, soll genauso viel erhalten wie jemand, der, aus welchen Gründen auch immer, nicht eingezahlt hat.

Ich frage mich ehrlich: Wo bleibt an dieser Stelle der Respekt vor dem langjährig Versicherten? - Der bleibt meines Erachtens auf der Strecke. Wenn Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben, im Alter nicht mehr Rente erhalten als diejenigen, die keine Altersvorsorge betrieben haben, dann verliert das Rentensystem an Akzeptanz.

Außerdem wird das Thema Mütterrente aufgerufen. Auf der Grundlage des Gesetzes über Leistungsverbesserungen und Stabilisierung in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 28. November 2018 wurde die Anrechnung von Kindererziehungszeiten mit Wirkung vom 1. Januar 2019 von 24 auf 30 Kalendermonate angehoben. Diese Gesetzesänderung wird allgemein als Mütterrente II bezeichnet. In der Tat: An dieser Stelle gibt es noch immer eine Gerechtigkeitslücke.

Der Sozialausschuss des Landtages hat im September 2018 den Beschluss des Landtages zur Berichterstattung zur Rentenangleichung

Ost/West für erledigt erklärt. Hiervon unabhängig setzt sich die Landesregierung auch weiterhin dafür ein, dass die Rentenangleichung schneller als geplant vollzogen wird.

Damit zu dem dritten Punkt des Antrages der Fraktion DIE LINKE. Die Landesregierung soll sich dafür einsetzen, dass doppelte Krankenkassenbeiträge auf Betriebsrenten und Direktversicherungen abzuschaffen sind. Diese Forderung ist meines Erachtens obsolet; denn die Debatte wird längst geführt.

Mitte Januar 2019 hat die Bundesregierung den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Beitragsentlastung der Betriebsrentnerinnen und -rentner in der gesetzlichen Krankenversicherung vorgelegt. Die Krankenversicherungsbeiträge aus Betriebsrenten und Versorgungsbezügen sollen ab dem Jahr 2020 halbiert werden.

Das laufende bundesparlamentarische Verfahren kann dann genutzt werden, um Länderinteressen, auch die Interessen unseres Landes, zu diesem Gesetzentwurf geltend zu machen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Ministerin. Ganz toll, Sie sind wirklich in dem Zeitrahmen geblieben und haben sogar ein paar Sekunden eingespart. Vielen Dank.

(Ministerin Petra Grimm-Benne lacht)

Die nächste Debattenrednerin wird Frau Abg. Bahlmann für die Fraktion DIE LINKE sein. Sie haben das Wort, bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, einen schönen guten Morgen! Als ich diesen unseren Antrag zur armutsfesten Rente erarbeitete, erhielt ich die Nachricht, dass die SPD am heutigen Tag mit uns allen auch über das Thema Grundrente reden will. Das trifft sich gut, habe ich mir gedacht. Denn auch wenn Sie, liebe Abgeordnete von der SPD, dieses Thema heute nicht auf die Tagesordnung gesetzt hätten, wäre es ohnehin angesprochen worden, nämlich in der Debatte zu unserem Antrag.

(Beifall bei der LINKEN)

Er war zu diesem Zeitpunkt schon abgabebereit. Aber sei es, wie es ist. Am Ende bleibt: Ich habe mich gefreut. Für mich und viele Menschen in diesem Land ist diese Aktuelle Debatte heute ein klares Zeichen, dass sich die SPD doch auf ihr soziales Gewissen zurückbesinnt. Das finde ich gut und unterstützenswert. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Die gesetzliche Rente muss endlich wieder zum Leben reichen und den Lebensstandard, den sich die Menschen im Laufe des Arbeitslebens geschaffen haben, ganz klar sichern. Die Rente muss vor Armut im Alter schützen. Mittlerweile ist jeder fünfte Rentner in Deutschland arm. Er ist arm, weil er als allein lebender Rentner über ein Einkommen von weniger als 1 096 € verfügt. Betroffen davon sind in Deutschland 1,2 Millionen Männer und 1,6 Millionen Frauen im Alter von 65 Jahren und darüber. Damit sind 2,8 Millionen Menschen in dieser Bundesrepublik altersarm. Und im Osten? - Hier sind prozentual noch mehr Rentnerinnen und Rentner als im Bundesdurchschnitt altersarm.

Das haben wir schon mit unserer Großen Anfrage im Jahr 2017 klar und deutlich herausgearbeitet. Was ist seither im Land und im Plenum passiert? - Ich glaube, mich zu erinnern, dass es nicht viel ist. Deshalb ist die heutige Debatte ein wichtiger und richtiger Schritt.

Es darf nicht sein, liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete, dass eine Verkäuferin, die mehr als 40 Jahre lang ihre Arbeit im Sinne der Kundinnen und Kunden für die Wertschöpfung dieses Landes gearbeitet hat, nur 420 € Rente bezieht. In meiner eigenen Familie ist das nicht die Ausnahme. Davon kann man die in den letzten Jahren exorbitant gestiegenen Lebenshaltungskosten - Miete,

Strom, Heizung, Wasser, Abwasser, Müllgebühren, Steuern, Versicherungen und Telefon - nicht decken. Davon hat die ehemalige Verkäuferin sich auch noch nicht ernährt, keine Zahlung beim Arzt

oder für Medikamente und Hilfsmittel geleistet. Damit ist man im Alter auch noch nicht mobil.

(Zustimmung von Dr. Katja Pähle, SPD)

Denn auch Mobilität kostet Geld,

(Beifall bei der LINKEN)

egal, ob es ein eigenes Miniauto ist oder der Fahrschein für den nächsten Bus, um einkaufen zu fahren. Auch das ist bei 420 € eben nicht möglich. Aber das ist noch nicht alles: Selbst Kleidung, ein gutes Buch oder ein Besuch im Kino oder im Theater oder selbst ein Fahrrad, um von A nach B zu kommen - bei 420 € im Monat kann man das vergessen. Das wissen auch Sie, meine Damen und Herren Abgeordneten.

Meine Frage an Sie: Wollten Sie so leben? - Ich denke, die Antwort liegt klar auf der Hand: Keiner von uns hier im Plenarsaal möchte im Alter so leben. Und weil das so ist, ist es unangebracht, dies von anderen zu verlangen.

(Beifall bei der LINKEN)

Alle politischen Entscheidungsträger reden von Teilhabe, von Teilhabe an der Gesellschaft. Sie reden davon, dass der Vereinsamung im Alter mit Maßnahmen zu begegnen ist, um wiederum Krankheiten wie Altersdepression zu vermeiden. Altersdepression ist nachweislich eine Folge von Vereinsamung - und mit 420 € Rente im Monat wird Vereinsamung gefördert, meine Damen und Herren Abgeordneten.

(Beifall bei der LINKEN)

Denn Teilhabe an der Gesellschaft kostet nun einmal auch Geld - Geld, das altersarme Menschen eben nicht haben. Das gilt es ganz entschieden zu ändern.

(Beifall bei der LINKEN)

Wissen Sie, ich bin richtig begeistert, dass nicht nur wir Politiker uns Gedanken machen, wie es mit der lebensstandardsichernden Rente weitergehen kann. Die Gewerkschaften haben sich bereits in den Diskurs um dieses Thema eingebracht und nennen die Grundrente der SPD einen guten Vorschlag, um Altersarmut zu vermeiden. Wer langjährig gearbeitet und in die Rentenversicherung eingezahlt habe, müsse mehr haben als die bloße Grundsicherung, so die Gewerkschaften. Eine Bedürftigkeitsprüfung dürfe es laut Gewerkschaft und SPD nicht geben. Ich glaube, darin sind wir uns einig.

Als ich dazu gestern in der Presse - Kollegin Pähle hat es erwähnt - lesen musste, die SPD mache Politik für Randgruppen, war das unerträglich. Denn die Rentner in diesem Land, die einen Anteil von 26 % und damit mehr als ein Viertel der

gesamten Bevölkerung Sachsen-Anhalts ausmachen, stellen mit Sicherheit keine Randgruppe dar.

(Beifall bei der LINKEN)

Genau diese Bevölkerungsgruppe ist nicht zu unterschätzen, meine Damen und Herren. In anderen ostdeutschen Ländern werden die Pläne zur Grundsicherung ebenso begrüßt. Die Thüringer CDU und die Thüringer SPD sehen diese als ein Muss an. Auch wir empfinden diese Pläne als einen Schritt auf dem richtigen sozialen Weg.

Allerdings ist uns als LINKE die Schrittlänge noch zu kurz. Aus diesem Grunde fordern wir in unserem Antrag, dass Sie alle und die Landesregierung sich auf der Bundesebene für eine Mindestrente einsetzen, die ihren Namen auch verdient. Sie muss mindestens 1 050 € betragen und steuerfrei sein, und das bereits bis zum 1. Juli 2019.