Danke schön. - Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit Freude nehme ich zur Kenntnis, dass heute das sogenannte Bildungsfreistellungsgesetz im Mittelpunkt unseres Interesses steht. Meine Freude an den zum Teil unpassenden Äußerungen von Herrn Raue geht dagegen gleich null.
Aber nun zum Redeanlass. Wir werden nach der Einbringung des Gesetzentwurfes der Fraktion DIE LINKE in den Ausschüssen darüber beraten. Deshalb werde ich mich heute kurzfassen. Minister Tullner hat auf einige Punkte hingewiesen, wie zum Beispiel auf den entsprechenden Passus im Koalitionsvertrag sowie auf die Notwendigkeit der Entwicklung neuer Formate in der Bildungsfreistellung. Ebenso hat er auf die vielfältigen Angebote in der Erwachsenenbildung, die neben der Bildungsfreistellung stattfinden, hingewiesen.
Die Landeszentrale für politische Bildung arbeitet zum Beispiel seit Jahren intensiv mit den anerkannten Einrichtungen der Erwachsenenbildung in unserem Bundesland zusammen, um flächendeckende Angebote der politischen Bildung für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes zu entwickeln und vorzuhalten. Das Demokratielabor wurde bereits erwähnt. Dieses war im Übrigen der ausdrückliche Wunsch des Kuratoriums der Landeszentrale, also der Parlamentarier aller Fraktionen, um den Bereich politische Bildung an alle Bürgerinnen und Bürger im Lande, also auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, heranzutragen.
Ich möchte jetzt die Gelegenheit nutzen, den Wunsch auszusprechen, dass wir parallel zu dem Gesetzentwurf darüber diskutieren, warum in Sachsen-Anhalt diese Form der Weiterbildung nicht so angenommen wird, wie es erstrebenswert wäre. Sicherlich liegt das nicht in erster Linie an den angebotenen Themen, sondern an den be
sonderen strukturellen Bedingungen in unserem Bundesland; der Minister erwähnte das bereits. Ich denke, an dieser Stelle müssen wir wirklich neue Lösungsansätze finden.
In den zurückliegenden Jahren habe ich im Bildungsausschuss wiederholt darauf hingewiesen, dass wir ein Akzeptanzproblem bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern haben. Insbesondere fehlt eine ausreichende Informationsstrategie, um diese Weiterbildungsmöglichkeit attraktiv zu machen. Leider haben die bisherigen Bildungsminister in dieser Hinsicht ein bisschen die Zeit verschlafen. Deswegen baue ich auf Minister Tullner.
Ich bin auf die Diskussion in den Ausschüssen gespannt und bitte um Überweisung - es wurde ebenfalls schon gesagt - zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Bildung und Kultur sowie zur Mitberatung in die Ausschüsse für Arbeit, Soziales und Integration sowie für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung.
Ich sehe auch hierzu keine Fragen. Zum Abschluss der Debatte spricht noch einmal für die Fraktion DIE LINKE die Abg. Frau Hildebrand. Frau Hildebrand, Sie haben das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich freue mich über die Debattenbeiträge. Ich habe trotzdem noch ein paar Anmerkungen. Herr Stepphuhn, die Forderung nach einem eigenen Gesetzentwurf der Landesregierung ist ja ganz niedlich. Aber wir haben den Gesetzentwurf jetzt eingebracht, weil sich einfach so lange nichts getan hat.
Zur Anhörung im Ausschuss. Glauben Sie denn, die Gewerkschaften erzählen in Abhängigkeit davon, ob ein oder zwei Gesetzentwürfe vorliegen, irgendetwas anderes? - Ich glaube, sie werden sich freuen, dass sie dazu ein Statement abgeben können.
Herr Tullner und auch Herr Aldag haben erwähnt, dass das Bildungsfreistellungsgesetz bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern noch nicht ausreichend bekannt ist. Das Angebot von Frau Gorr, im Ausschuss auch einmal darüber zu reden, wie man dieses bekannter machen könnte und ob man dafür eine Informationsstrategie entwickeln könnte, finde ich richtig gut. Im Zweifelsfall würde
ich, wenn das Gesetz beschlossen ist, einen Antrag im Plenum stellen, dazu eine Werbekampagne zu verwirklichen. Das ist überhaupt kein Thema.
Den Ansatz, als Themenfelder auch Nachhaltigkeit und Umweltbildung aufzunehmen, finde ich hervorragend. Deswegen freue ich mich ganz gewaltig auf die Beratung in den Ausschüssen. Diese sind jetzt dreimal erwähnt worden; ich muss sie nicht wiederholen. - Ich bedanke mich.
Auch hierzu gibt es keine Fragen. Deswegen kommen wir jetzt zum Abstimmungsverfahren. Wir kommen zur Überweisung. Jetzt muss ich einmal fragen, weil ich mir nicht hundertprozentig sicher bin. Mit Sicherheit soll der Gesetzentwurf in den Bildungsausschuss überwiesen werden.
(Angela Gorr, CDU: Arbeit und Soziales sowie Wirtschaft mitberatend! - Zuruf von Andreas Steppuhn, SPD)
- Die Ausschüsse für Arbeit, Soziales und Integration sowie für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung sollen mitberatend sein.
- Dann stimmen wir darüber ab. Wer mit der Überweisung in die genannten Ausschüsse einverstanden ist, den bitte ich um sein Kartenzeichen. Das sind die Koalitionsfraktionen und die Fraktion DIE LINKE. Wer ist dagegen? - Das sind die AfDFraktion, ein Abgeordneter aus der CDU-Fraktion und fraktionslose Abgeordnete. Damit ist der Gesetzentwurf in der Drs. 7/3845 in die genannten Ausschüsse überwiesen worden. Wir beenden damit Tagesordnungspunkt 10.
Entwurf für ein Drittes Buch Justizvollzugsgesetzbuch Sachsen-Anhalt - Vollzug des Jugendarrests - (Drittes Buch Justizvollzugs- gesetzbuch Sachsen-Anhalt - JVollzGB III LSA)
Die Einbringerin für die Landesregierung steht schon am Rednerpult und hat nunmehr das Wort. Ministerin Frau Keding, bitte sehr.
Vielen Dank. - Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie sehen den Entwurf für ein Drittes Buch des Justizvollzugsgesetzbuches. Ich habe eben in der Regierungserklärung, aber auch im Rahmen der Einbringung des Entwurfes eines Justizvollzugsdatenschutzumsetzungsgesetzes davon gesprochen, dass wir für unser Justizvollzugsgesetz eine neue Struktur auflegen wollen, und zwar mit vier Büchern eines Justizvollzugsgesetzbuches. Diese Bücher sind komplette Regelungswerke, stehen nebeneinander und sind im Justizvollzugsgesetzbuch zusammengefasst.
Bislang gibt es in Sachsen-Anhalt keine eigenständige Rechtsgrundlage für den Vollzug des Jugendarrests. Es gibt nur einige Einzelbestimmungen im Jugendgerichtsgesetz und im Strafvollzugsgesetz.
Die nähere Ausgestaltung des Jugendarrests erfolgte bislang durch die Jugendarrestvollzugsordnung, eine bundeseinheitliche Rechtsverordnung aus dem Jahr 1976.
Der Jugendarrest ist keine Strafe im Rechtssinn, sondern ein sogenanntes Zuchtmittel nach dem Jugendgerichtsgesetz. Als kurzzeitige Freiheitsentziehung für Jugendliche und Heranwachsende steht der Jugendarrest zwischen den Erziehungsmaßregeln und der Jugendstrafe. In aller Regel wird er verhängt, wenn eine Verwarnung oder die Erteilung von Weisungen und Auflagen nicht mehr ausreichen, um den Jugendlichen das Unrecht, den Unrechtsgehalt ihrer Vergehen vor Augen zu führen und ein Bewusstsein für das begangene Unrecht nicht besteht, aber eine Gefängnisstrafe noch nicht geboten ist.
In diesem Sinne sieht das Jugendgerichtsgesetz verschiedene Formen des Jugendarrests vor. Es gibt den Freizeitarrest, den Kurzzeitarrest, den Dauerarrest, den Warnschussarrest und den Beugearrest.
Neben diesen straffällig gewordenen Jugendlichen befinden sich aber auch Jugendliche im Arrest, die durch Schulabsentismus eine Ordnungswidrigkeit begangen haben, gegen die daher eine Geldauflage oder eine Auflage zu gemeinnützigen Arbeitsstunden verhängt worden ist und die diese Sanktionen nicht erfüllt haben.
Meine Damen und Herren! Was passiert nun im Vollzug des Jugendarrests? - Ein wichtiges Ziel ist die Befähigung der jungen Menschen zu einem eigenverantwortlichen Leben. Dem Erlernen eines
strukturierten Tagesablaufs - das ist viel häufiger notwendig, als man es glauben mag - und einer sinnvollen Freizeitbeschäftigung gilt dabei das besondere Augenmerk. Ebenso steht die Vermittlung von Werten und Prinzipien eines gewaltfreien Zusammenlebens im Fokus.
Eine Herausforderung für die Vermittlung dieser Ziele ist allerdings die kurze Aufenthaltsdauer der Jugendlichen einerseits und andererseits die häufig sehr komplexen und vielschichtigen Probleme gerade dieser Jugendlichen. Es bedarf keiner näheren Erläuterung, glaube ich, dass in der zur Verfügung stehenden Zeit von maximal vier Wochen eine systematische und fundierte Anamnese und Aufarbeitung einer problematischen und teilweise traumatischen Kindheit und Jugend nicht möglich ist.
Der Vollzug des Jugendarrests kann nur einen Impuls für eine veränderte Lebenseinstellung geben, die Vermittlung in weitergehende Hilfen veranlassen und die Jugendlichen zu einer aktiven Rolle in ihrem Leben motivieren.
Deswegen setzt der Gesetzentwurf bei niederschwelligen Behandlungsmaßnahmen an, etwa bei intensiven Gesprächen in Einzel- oder Gruppensettings sowie bei Maßnahmen zur Verbesserung der sozialen Kompetenz und zur lebenspraktischen Entwicklung. Begleitet werden diese Angebote durch die Möglichkeit der sportlichen Betätigung.
Meine Damen und Herren! Ich bin davon überzeugt, dass der vorliegende Gesetzentwurf über den Vollzug des Jugendarrests in Sachsen-Anhalt eine gute gesetzliche Grundlage für die geschilderten Aufgaben darstellt und vor allem den Bedürfnissen der Jugendlichen, aber auch den Belangen der Vollzugspraxis gerecht wird. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und bitte um die Beratung des Gesetzentwurfs im Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung.
Danke, Frau Ministerin. Es gibt keine Fragen. - Demzufolge können wir in die Debatte der Fraktionen mit einer Redezeit von jeweils drei Minuten einsteigen. Für die AfD-Fraktion spricht der Abg. Herr Höse. Herr Höse, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Verehrte Abgeordnete! Wie die Ministerin schon sagte: Mit dem Entwurf für ein Drittes Buch des Justizvollzugsgesetzbuches - Vollzug des Jugendarrests - sollen in SachsenAnhalt die wenigen Einzelbestimmungen aus
dem Jugendgerichtsgesetz und dem Strafvollzugsgesetz erstmals in ein Gesetz gegossen werden. Diese Bestrebung war überfällig und wird dem Vorbehalt des Gesetzes gerecht, da der Arrest in Grundrechte eingreift. Die Landesregierung geht hiermit den richtigen Weg. Dennoch bedarf es unserer Meinung nach einiger Korrekturen.
„Den Jugendlichen sind Maßnahmen zur lebenspraktischen, schulischen und beruflichen Entwicklung anzubieten.“