Protocol of the Session on December 19, 2018

Dritter Schritt: die anfängliche Schaffung von Pflegekammern auf der Ebene der Länder.

Vierter Schritt: Schulgeldfreiheit in der Fachschulausbildung und als aktuell weiterer Schritt das Eckpunktepapier aus dem Bundesgesundheitsministerium zu den Gesundheitsberufen.

All diese Einzelschritte weisen deutlich in eine Richtung: starke und eigenständige Pflege- und Heilmittelprofession. Aus diesen Einzelbildern setzt sich für mich das Gesamtbild einer für deutsche Verhältnisse geradezu revolutionären Entwicklung zusammen.

Das klassische Bild ist momentan meist noch: der männliche Arzt im Zentrum und alle Erbringerinnen von Dienstleistungen in den Gesundheitsberufen gruppieren sich mehr oder weniger als Anhängsel drumherum. Das funktioniert schon jetzt nicht mehr, weder im Einzelfall beim Zugang zur Leistungserbringung noch auf der Ebene der Selbstverwaltung.

Dieses Bild erodiert. Davon konnte ich mir selbst ein Bild machen, als ich vor 14 Tagen wieder meinen Hospitanztag hatte. Ich war in der Notaufnahme im städtischen Krankenhaus in Dessau. Wenn man eine solche Schicht einmal miterlebt hat, dann sieht man sehr deutlich, was es bedeutet, wenn nicht nur der Arzt im Mittelpunkt steht, sondern auch die Krankenschwester - salopp gesagt - etwas zu sagen hat.

Das Selbstverständnis der Ärzteschaft wandelt sich aber auch. Das zeigen die überproportional steigenden Zahlen angestellter Ärzte im ambulanten Bereich. Das zeigen neue Entwicklungen, wie beispielsweise Ärztegenossenschaften. Der Einzelkämpfer in eigener Niederlassung ist allmählich ein Bild der Vergangenheit. Heutige Medizinerinnen und Mediziner sind eher teamorientiert. Darauf müssen wir die Gesundheitsberufe, die Fachschulen vorbereiten.

Wir müssen aber neben der Akademisierung auch den Einstieg in die dreijährige vergütete duale Ausbildung schaffen, sowohl für die Gesundheitsberufe als auch für Erzieherinnen und Erzieher.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Der Wandel ist, wie gesagt, auch bei den Gesundheitsberufen angekommen. Alle Fachschulausbildungen stehen vor der Herausforderung, die Aka

demisierung in ihrem Bereich zu bewerten und zu organisieren. Grundsätzlich gesagt, wertet eine Akademisierung nicht nur den eigentlichen Bildungsabschluss auf - das tut sie auf jeden Fall -, sondern wenn in einem Bereich akademisch gelehrt wird, wird auch geforscht. Das ist, glaube ich, ein Professionalisierungsschub, der allen Gesundheitsberufen gut tut; denn dann haben wir auch evidenzbasierte Studienergebnisse. Dann können sich die Berufe im Gesundheitswesen und die Medizinerinnen und Mediziner tatsächlich auf Augenhöhe begegnen.

All die individuellen Erfahrungen, das intuitive Wissen um Wirkungszusammenhänge, die Pflegende, Hebammen und Erzieherinnen in ihren jeweiligen Arbeitspraxen haben, können dann wissenschaftlich fundiert aufbereitet und in den Gesamtdialog im Gesundheitsbereich eingebracht werden. Das tut, glaube ich, im Endeffekt den Patientinnen und Patienten am besten. Das ist das, was wir wollen.

Für die Argumentation sowohl gegenüber der Politik als auch gegenüber den Kostenträgern kann das im wahrsten Sinne des Wortes Gold wert sein. Gewiss ist: Die kommende Akademisierung wird eine Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe und der Ärzteschaft auf Augenhöhe massiv nach vorn bringen. Ob es am Ende auf eine tatsächliche Vollakademisierung oder eine Teilakademisierung im Zusammenspiel mit der dreijährigen dualen Ausbildung hinausläuft, ist, glaube ich, nicht entscheidend. Wichtig ist, dass wir den gesamten Bereich deutlich modernisieren und auch an die Curricula gehen.

Das Schulgeld muss ohnehin abgeschafft werden. Das habe ich schon gesagt. Es muss in den Curricula sichergestellt werden, dass nicht dann, wenn kein Schulgeld mehr gezahlt muss, massiv Geld gezahlt werden muss, um all die Fortbildungen zu machen, die nötig sind, um tatsächlich im Beruf arbeiten zu können. Wer diese einmal im Bereich der manuellen Therapie absolviert hat, der weiß, dass die Ausbildung an die 4 000 € kostet. Das ist für Berufseinsteiger und Berufseinsteigerinnen sehr viel Geld. Ich glaube, deshalb ist es sehr wichtig, dass wir neben der Praxisorientierung der Ausbildung auch auf die Inhalte eingehen.

Wir als GRÜNE haben dazu sehr langfristig - schon in der letzten Legislaturperiode - Vorschläge gemacht. Wir haben auf der Ebene der grünen Fraktionsvorsitzenden ein Positionspapier erarbeitet. Dieses werde ich in den Diskussionsprozess mit den regierungstragenden Fraktionen einspeisen, damit wir hierbei zu einer schnellen Lösung kommen. Die Aufwertung der Gesundheitsberufe ist kein Selbstzweck. Für uns alle sollte das Wohl der Patientinnen und Patienten im Mittelpunkt stehen.

Es ist aber nicht nur eine berufspolitische Frage, nicht nur ein Interessenkonflikt verschiedener Berufsstände um die Verteilung der Gelder aus dem Gesundheitsfonds. Es geht auch darum, die Stärkung der Gesundheits- und Pflegeberufe im gesamten Feld der Berufspalette, die sich Jahr um Jahr immer weiter diversifiziert, voranzutreiben.

Multiprofessionalität ist nicht nur in der Schule gefragt. Multiprofessionalität ist auch in Kliniken oder überhaupt im Gesundheitsbereich gefragt. Ich bin fest davon überzeugt: Wenn wir das leben - es gibt schon Stationen, wo man sich das anschauen kann, wo auf Augenhöhe gemeinsam gearbeitet wird -, dann verbessert das die Diagnosefähigkeit und die Behandlung der Patienten immens. Es ist auch für die ärztliche Versorgung gut, wenn ein kollegialer Austausch stattfindet, wenn etwa in MVZ, Gemeinschaftspraxen, ärztlichen Genossenschaften über Facharztgrenzen und Professionen hinweg gearbeitet wird.

Bisher ist es im Gesundheitsbereich vermeintlich eindeutig, wer Koch und wer Kellner ist. Aber ich denke, in Zukunft haben wir es mit vielen verschiedenen Köchen und Köchinnen zu tun, und diese werden den Brei nicht verderben, sondern schmackhafter und vor allem langfristig bekömmlicher machen.

Ganz klar: Die Versorgungsprofessionalität steigt, wenn Multiprofessionalität gelebt wird. Es sind diese Leitbilder, die einen grundlegenden Wandel im Gesundheitsbereich vorantreiben.

Noch einmal zusammengefasst: Wir GRÜNE wollen die Gesundheitsberufe zu starken eigenständigen Professionen weiterentwickeln, die Schulgeldzahlung abschaffen, die Akademisierung vorantreiben und eine dreijährige vergütete duale Ausbildung auf den Weg bringen.

Zum Abschluss noch ein Punkt - Frau Ministerin kennt das schon -, der mir besonders wichtig ist: Ich glaube, als Kleinstbaustein sollten wir uns noch einmal die Pflegehelferausbildung anschauen. Ich meine, dass die Verlängerung der Ausbildungsdauer auf zwei Jahre, wie sie Sachsen bereits vorgenommen hat, etwas Gutes ist, sowohl für diejenigen, die in dem Feld tätig sind und die im Moment echten Stress haben, um in einem Jahr diese Ausbildung zu schaffen, als auch deswegen, weil wir eine zweijährige Ausbildung durch die Bundesagentur für Arbeit gefördert bekommen. Das erschließt einen völlig neuen Kundenkreis bis hin zu Geflüchteten, die wir in diese Ausbildung zum Wohle der Patientinnen und Patienten aufnehmen können.

Das ist etwas - das möchte ich an dieser Stelle schon ankündigen, Frau Ministerin -, dem ich mich im nächsten Jahr widmen werde, damit wir das auch in Sachsen-Anhalt erreichen können. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Abg. Lüddemann. Auch hierzu sehe ich keine Wortmeldungen. - Wir kommen zur nächsten Debattenrednerin. Für die Fraktion DIE LINKE spricht die Abg. Frau Hildebrandt. Sie haben jetzt das Wort, bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Damen und Herren! Wir reden heute über ein gesellschaftliches Problem, das lange Zeit keines war. Die Gesundheitsbranche wächst rasant und entwickelt sich von der reinen Krankheitsbehandlung zur Prävention und Gesundheitserhaltung. Die nichtärztlichen Heilberufe haben erst in den letzten 20 Jahren an Bedeutung gewonnen.

In einer Gesellschaft, in der wir Menschen immer älter werden - und das bei guter Gesundheit -, steht Gesunderhaltung mittlerweile im Vordergrund. Physiotherapie oder Diätassistenz waren früher Praxen, in denen Ausnahmefälle behandelt wurden. Jetzt gibt es kaum noch Menschen, die nicht schon einmal in einer solchen Behandlung waren.

Ebenso sprunghaft angestiegen sind die Anforderungen im medizinisch-technischen Bereich. Die in den Krankenhäusern und Arztpraxen eingesetzten Geräte werden zahlreicher und moderner. Gab es vor 30 Jahren lediglich eine Röntgenabteilung in einer Klinik, stehen dort nun die unterschiedlichsten Diagnosegeräte bereit, die auch jemand bedienen können muss, wie aktuell die Medizinisch-technischen Assistentinnen, die Medizinisch-technischen Radiologieassistentinnen,

die Medizinisch-technischen Assistentinnen für Funktionsdiagnostik und die Medizinisch-technischen Laboratoriumsassistentinnen.

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Schwierige Worte!)

Eine flächendeckende Ausbildung für diese Berufe, die im Berufsbildungsgesetz geregelt ist und dual durchgeführt wird, war in der Historie nicht nötig. Deshalb kam es zu diesen schulischen Regelungen, die uns jetzt vor genau diese Herausforderungen stellen.

Allerdings kann ich es mir an dieser Stelle nicht verkneifen, auf die von Frank Thiel in der sechsten Wahlperiode gestellte Große Anfrage zu verweisen. In den damaligen Antworten der Landesregierung wurde deutlich, dass das Land die Entwicklung in der Gesundheitsbranche als Wirtschaftsfaktor weit unterschätzt und in dieser Beziehung einfach den Trend verpennt hat.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn das Land neben dem Auftrag der Daseinsvorsorge endlich auch die Wirtschaftsleistung der Gesundheitsbranche anerkennt, dann kommt vielleicht auch beim Letzten die Einsicht in die Notwendigkeit von Änderungen bei den Ausbildungen.

In der Erziehung hatten wir bis vor wenigen Jahren im Osten den Vorteil, dass es bereits seit vielen Jahren flächendeckend Kita-Plätze in ausreichender Anzahl gab und dass durch die kontinuierliche Ausbildung in der DDR auch genügend auf frühkindliche Bildung geschultes Personal vorhanden war. Allerdings verabschiedet sich nun - wie derzeit in fast jeder Branche - diese Generation der Erzieherinnen und Erzieher in die wohlverdiente Rente.

Die jungen Menschen, die heute ihre meist fünfjährige Ausbildungszeit erfolgreich beenden, stehen dank bundesweitem Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz vor der Wahl, wo sie arbeiten möchten, inklusive der Entscheidung, ob zu einem besseren oder schlechteren Betreuungsschlüssel, zu einer besseren oder schlechteren Bezahlung oder mit mehr oder weniger Vorbereitungszeit. Dass diese Wahl nicht unbedingt auf Sachsen-Anhalt fällt, dürfte jedem klar sein.

Heute, in Zeiten eines Fachkräftemangels, der weniger durch die gute Wirtschaftsleistung im Land, sondern vielmehr durch die demografische Entwicklung bedingt ist, müssen Wege gefunden werden, um den Fachkräftebedarf zu sichern. Dazu gehören gute Arbeitsbedingungen und gute Löhne. Aber gerade die Gesundheitspolitik hat dabei ein erhebliches Imageproblem. Hierbei geht es um schwere körperliche und seelisch belastende Arbeit, die zu schlecht bezahlt wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Solange das so bleibt, werden sich immer zu wenige Berufsanwärter für einen Beruf in Gesundheit und Pflege entscheiden. Erschwerend kommt hinzu, dass es sich bei der Ausbildung zu den Berufen, über die wir heute sprechen, um schulische Ausbildungen handelt. Dass es keine Ausbildungsvergütung gibt und dass Schulgeld erhoben wird, haben meine Vorredner bereits beleuchtet.

Schon im Jahr 2015 kam eine gemeinsame Arbeitsgruppe der Gesundheits- und Kultusministerkonferenz der Länder zu dem Ergebnis - ich zitiere -:

„Dabei stehen die Pflege- und Gesundheitsberufe in Konkurrenz zu anderen Ausbildungsangeboten; denn der Fachkräftebedarf erfasst alle Bereiche der Gesellschaft. Es ist daher erforderlich, die Ausbildung in den Gesundheitsfachberufen attraktiv zu halten. Dazu zählen auch die solide und

nachhaltige Finanzierung der Schulen sowie eine angemessene, das heißt tarifgerechte Ausbildungsvergütung.“

Das war im Jahr 2015. Auch vorher gab es bereits einige Lösungsansätze, die die Beteiligten selbst auf den Weg gebracht haben. Dies zeigt, dass das Umschwenken in eine quasi duale Ausbildung möglich ist.

Das eine war die Ausbildung zur sogenannten Krankenschwester/zum sogenannten Krankenpfleger - sie heißen heute anders -; das war in den 1990er-Jahren noch schulisch und unbezahlt sowie teilweise auch mit Schulgeld. Hier stellten sich die Arbeitgeber - damals noch fast alle kommunal - frühzeitig auf den drohenden Fachkräftemangel ein und legten das mittlerweile in § 17a KHG des Bundes geregelte Konzept einer schulisch-betrieblichen Berufsausbildung inklusive Ausbildungsvergütung vor. Es hat sich durchgesetzt.

In der Altenpflege gelang dies in den 2000er-Jahren, wobei die Umstellung problembehaftet war und es auch noch immer ist. Die Ausbildungsvergütung wird einzig und allein über die Pflegesätze finanziert, und die privaten Pflegeschulen erhoben weiterhin Schulgeld, das die gezahlten Vergütungen wieder auffraß.

Die Azubis mussten sich selbst ein Ausbildungsheim und eine Berufsschule suchen und in den meisten Fällen mit beiden verschiedene Verträge abschließen. All das führte zu einer Unattraktivität der Ausbildung, die jetzt nur sehr langsam aus dem Bewusstsein der Gesellschaft verschwindet. Das derzeitige Herumgeeiere von Bund und Land bei der Neugestaltung der generalisierten Pflegeausbildung ist dabei nicht besonders vertrauenerweckend.

Die beiden Uniklinika im Land haben bereits vor einigen Jahren erkannt, dass sie auch für die Personalgewinnung in den medizintechnischen und nichtärztlichen Heilberufen etwas tun müssen, wenn sie arbeitsfähig bleiben wollen. So bildet die Uniklinik Halle neben Gesundheits- und Krankenpflegerinnen, Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerinnen und Gesundheits- und Krankenpflegehelferinnen nun auch Medizinisch-technische Radiologieassistentinnen, Medizinisch-technische Laboratoriumsassistentinnen, Medizinisch-tech

nische Assistentinnen, Anästhesietechnische

Assistentinnen, Operationstechnische Assistentinnen, Hebammen und Entbindungspfleger, Logopädinnen und Physiotherapeutinnen aus.

Liebe Frau Ministerin, leider gibt es die Uniklinika nicht flächendeckend. Andere Krankenhäuser bilden nur Gesundheits- und Krankenpflegerinnen oder auch Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerinnen aus. Daher besteht das Problem, dass

wir hierbei zu keiner Ausbildungsvergütung kommen.

Zu der Sache mit ver.di. Die Gewerkschaft selbst hat geschrieben: