Protocol of the Session on November 23, 2018

Die Diskussionen um den Dickstoffversatz der Sodawerke Staßfurt in den Ausschüssen im Jahr 2015 hinterließen bei mir einen bitteren Gedanken. Es drängt sich der Eindruck auf, dass eine Ersatzpflicht allzu gern in Kauf genommen wird - ich sage absichtlich nicht: herbeigeredet wird -, um gleichzeitig gefährlichen Sondermüll einzulagern. Dann ist man den los und Firmen haben sich auch noch eine goldene Nase verdient. Das passt zur CDU. Mit dem Ziel, nicht Müllimportland zu sein, ist es dann allerdings auch vorbei.

(Zurufe von der AfD)

Wie sicher solche Salzstöcke sind, sieht man in der Asse. Noch ein kleiner Tipp zu den gestrigen Fragen zu DK 0 und DK 1: Die hätten unter Tage übrigens auch Platz. Aber das ist dann wohl nichts, womit man viel Geld verdienen kann. - Aber ich wollte nicht zu sehr polemisch werden.

Meine Damen und Herren! Bei der Anlage Staßfurt haben die Menschen der Region eine Umweltverträglichkeitsprüfung verlangt. Ich kann mich noch an das Abschmettern dieser Forderung

durch das Bergamt erinnern: Man befinde sich schließlich im Bergrecht, da das keine Müllentsorgung, sondern eine Bergbaufolgemaßnahme sei. Das ist mittlerweile meine Lieblingsargumentation - juristisch wohl sauber, in der Wirkung eiskalt, für die Umwelt nachteilig und für die Menschen vor Ort völlig unverständlich.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Die Unternehmen freut es. Diese Argumentation hören wir natürlich auch in Brüchau und in Angersdorf. Es würde mich wundern, wenn in Vehlitz und Möckern nicht ganz ähnlich gedacht wurde.

Meine Damen und Herren! Ich kann schon ahnen, was kommt: Es gibt erste Auswertungen, dass kein akutes Gesundheitsrisiko besteht. Man ist in der Feinabstimmung, um Langzeitwirkungen zu analysieren. Messnetze sollen abgestimmt werden. Den Menschen vor Ort, die zu Recht beunruhigt sind, hilft das kein bisschen.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Denn bei den Auswirkungen, die ich am Anfang nannte, sehe ich ganz klar Gefahr im Verzug, und dann macht man eines: abschalten, die Einlagerung stoppen, bis die Ursache beseitigt ist. Das könnte übrigens die GTS auch selbst machen - im Sinne einer guten Nachbarschaft und im Sinne dessen, dass man die Akzeptanz des eigenen Geschäftes nicht noch weiter aufs Spiel setzen will. Aber das bleibt wohl leider ein Wunsch. Also müssen die Behörden aktiv werden.

Meine Damen und Herren! Nun gibt es eine ganz interessante Idee, das Problem Geruch schnell zu beheben: Desodorieren. Ich dachte erst an „Febreze“, aber es scheint tatsächlich elegante Lösungen zu geben, um Duftstoffe zu binden und zu neutralisieren. Angeblich sind die dann entstehenden Verbindungen so schwer, dass sie zur Erde sinken und nicht durch den Abwetterschacht in die Umwelt gelangen. - Ich bin skeptisch, obwohl ich technikaffin bin; denn ich weiß nicht, ob bei dem dort vorherrschenden Luftsog ein solches Versprechen wirklich gehalten werden kann. Gerüche sind immer auch eine Botschaft. Wenn es stinkt, geht man weg. Die Frage ist also: Was entweicht noch aus dem Schacht?

Auch die Bilder von offenen Abladestellen mit Stäuben beunruhigen die Leute vor Ort, und das völlig zu Recht. Insbesondere wenn es windig ist, ist unklar, was dort in die Umwelt entlassen wird. Deshalb braucht es ein umfassendes Netzwerk. Wir brauchen eine objektive Erfassung dessen, was eingelagert wird, und vor allem dessen, was dann als Mischung unter Tage versetzt wird.

Meine Damen und Herren! Ja, einen Gebirgsschlag wollen wir alle nicht erleben. Ja, die Gru

ben müssen gesichert werden. Ich bleibe aber dabei, dass die dabei verwendete Methode des Verbringens von hochgiftigem Abfall die falsche ist.

Ja, wir leben in einem Rechtsstaat, und da gilt der Rechtsschutz für jeden, auch für die Firma GTS. Wenn aber die gesundheitlichen Auswirkungen so gravierend sind wie bei den Anwohnern rund um die Grube Teutschenthal, dann muss das Interesse der Bevölkerung im Mittelpunkt stehen und nicht das Interesse eines Unternehmens.

(Beifall bei der LINKEN, bei der AfD und bei den GRÜNEN)

Deshalb fordern wir, den Rechtsrahmen auszuschöpfen. Es ist Gefahr im Verzug. Stoppen Sie die Einlagerung, bis die Ursachen beseitigt sind, und übertünchen Sie nicht nur Gerüche! Steuern wir endlich auf eine Grubensicherung hin, bei der nicht Müllentsorgung betrieben wird, bei der tatsächlich eine entsprechende Grubensicherung und keine Müllentsorgung nach dem Bergrecht stattfindet. Das, meine Damen und Herren, muss das Ziel sein.

(Beifall bei der LINKEN und bei der AfD)

Nun zu Ihrem Antrag: Ich freue mich, dass ich zumindest eine Antragstellung beschleunigen konnte, indem wir als Opposition eine klare Position bezogen haben. Allerdings muss ich sagen: In Ihrem Antrag steht im Moment nichts anderes als das, was derzeit passiert. Das finde ich ein wenig zu weich. Denn so, wie es formuliert ist, habe ich das Gefühl, geht es genau so weiter wie bisher, und wir haben keine Beschleunigung in den Verfahren.

Ich kann nur hoffen, dass eine solche politische Debatte, wie wir sie heute führen, und der Druck der Menschen vor Ort Sie dazu bringen und insbesondere das Ministerium dazu bringen, zu handeln, so schnell wie möglich zu handeln und alles dafür zu tun, dass die Zustände abgestellt werden und man bei der Grubensicherung endlich umschaltet, hin zu einer ökologischen Variante, dass man nicht Müll verbringt, den man dort den Leuten vor die Füße verklappt. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN und bei der AfD)

Herr Lange, Herr Harms hat sich zu Wort gemeldet.

Herr Harms?

Ja, Herr Harms.

Jetzt bin ich bespannt. Herr Harms will bestimmt etwas zu Brüchau sagen.

Herr Harms, Sie haben das Wort.

Herr Kollege Lange, haben Sie eine Entwicklung im Ausschuss wahrgenommen, die dahin geht, dass das Bergrecht keinesfalls in der Lage ist, umweltrechtliche Standards zu verdrängen oder gar auszuschließen?

Das habe ich jetzt nicht verstanden. Ich glaube nicht, dass umweltrechtliche Standards verdrängt werden. Ich weiß nicht, was Sie meinen.

Ich habe in den Ausschusssitzungen - auch in der letzten Wahlperiode - insbesondere zu Staßfurt erlebt, dass man gesagt hat, man könnte eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchführen, wenn es sich um eine Anlage zur Müllentsorgung handeln würde. Aber hierbei handelt es sich um eine bergrechtliche Anlage. Da ist es nicht möglich, die Unterlagen einzufordern.

Ich habe auf meinem Platz noch das Protokoll der Sitzung des Umweltausschusses liegen. Dort wurde genau das besprochen. Ich habe dann gesagt, wenn es einfacher ist, den Müll nach Bergrecht zu entsorgen als nach den Standards, die wir im Umweltrecht haben, dann haben wir ein Problem.

(Zustimmung bei der AfD - Lydia Funke, AfD: Richtig!)

Darüber müssen wir reden. Jetzt kann man sagen: Okay, dann müssen wir das Bergrecht ändern. Hier sitzen zwei Koalitionspartner, die das auf Bundesebene anpacken könnten. Ich fürchte aber, dass man das nicht tun wird, weil es ja auch bequem ist.

Dann muss man sich aber darüber Gedanken machen, welche Rechtsnormen der eigentliche Rechtsrahmen bietet. Dazu sage ich: Egal, in welchem Rechtsrahmen man sich befindet, wenn Gefahr im Verzug ist, dann kann man handeln.

Wenn bei Menschen derartige Gesundheitsschäden auftreten, dass man zum Beispiel die Kinder nicht mehr regelmäßig in die Schule schickt, weil sie sich nicht fühlen, wenn man in einer Zweitwohnung wohnt, weil man nicht mehr zu Hause schlafen kann, wenn Menschen, die sich kurieren müssen, nicht mehr dort wohnen können, wo sie ihr Haus haben, weil sie dort nicht zur Ruhe kommen und es dort permanent stinkt - Entschuldigen Sie,

was ist denn das? Das ist Gefahr im Verzug, und da kann man auch handeln, egal ob Bergrecht oder Umweltrecht.

(Beifall bei der LINKEN und bei der AfD)

Herr Harms hat noch eine Nachfrage. Bitte.

Herr Lange, ich habe danach gefragt, ob Sie die Entwicklung zur Kenntnis genommen haben, dass das Bergrecht nicht mehr allein im Raum steht, sondern dass stets die geltenden Umweltstandards nach Bergrecht zu berücksichtigen sind, wie es der Minister im Ausschuss selbst ausgeführt hat, inzwischen auch das Landesbergamt, und wie es von einer breiten Mehrheit des Ausschusses getragen wird.

Wenn man das macht und das so umsetzt, dann sollte man es tun. Bisher habe ich eher Aussagen im Hinterkopf, dass man sagt: Ja - aber das Bergrecht.

(Lydia Funke, AfD: Richtig!)

Das ist das, was ich regelmäßig wahrnehme. Solange man das so macht, bewegt man sich vielleicht in einem juristisch sicheren Rahmen, aber man hilft den Menschen vor Ort nicht.

(Beifall bei der LINKEN und bei der AfD)

Ich danke Herrn Lange für die Ausführungen. Weitere Fragen sehe ich nicht.

Frau Frederking hat sich noch gemeldet.

Sie hat Ihre Meldung zurückgezogen. Herr Lange, ich danke für die Einbringung.

Zu Tagesordnungspunkt 7 b) ist Herr Aldag der Einbringer. Bitte, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Anfang September 2018 war ich zum ersten Mal in Angersdorf. Der Grund, mich für einen Besuch dort zu entschließen, waren zahlreiche E-Mails und Anrufe von Bürgerinnen und Bürgern, die mich um Hilfe baten. Was als Gespräch im kleinen Kreis gedacht war, mündete in eine Versammlung am Sonntagfrüh bei strömendem Regen mit rund 50 Einwohnerinnen und Einwohnern von Angersdorf und Teutschenthal.

Viele von Ihnen kennen vielleicht solche Situationen. Sie kennen, dass Erwartungen an einen gestellt werden, Erwartungen, die man gar nicht erfüllen kann. Auch mir war das klar, aber das Mindeste, was wir machen können, das Mindeste, was wir auch immer tun müssen - ich denke, das ist unser aller Job -, ist, rauszugehen und den Menschen zuzuhören.

Was berichten die Bürgerinnen und Bürger? - Bereits zu Beginn dieses Jahres wurden erstmals unangenehme Gerüche wahrgenommen, die vorerst nur temporär auftraten. Mitte Juli begann es dann fürchterlich zu stinken, nicht nur temporär, sondern ausdauernd. Gesundheitliche Beschwerden traten auf: Übelkeit, Atemnot, tränende Augen. Mehrmals rückte die Feuerwehr aus und führte Messungen durch. Rettungskräfte wurden gerufen, um bei Fällen von extremen Schwindelgefühlen zu helfen. Erste Messungen mit einem Spezialfahrzeug der Feuerwehr, veranlasst durch den Bürgermeister, lieferten erste Erkenntnisse: eine erhöhte Ammoniakkonzentration, so der damalige Kenntnisstand.

Eine Frau übergibt mir eine Liste mit Eintragungen zum Verlauf der Geruchsbelästigungen. Es ist beängstigend, was ich dort lese. Ein Imker erzählt mir vom Tod seiner zwölf Bienenvölker: alle in einer Nacht gestorben. Ein Mann erzählt mir von toten Hühnern. Eine junge Mutter erzählt verzweifelt, sie hätte mehrmals beim LAGB angerufen, dort aber keine Auskunft erhalten. Ich spüre Verunsicherung, viele haben Angst, viele sind verärgert, weil ihnen niemand sagen kann, was los ist - auch ich nicht.

Vier Monate nach dem Auftreten der Geruchsbelästigung debattieren wir im Landtag über dieses Thema. Die Tatsache, dass hierzu zwei Anträge eingebracht wurden, zeigt, wie wichtig uns allen dieses Thema ist, wie wichtig es ist, mit Nachdruck eine Lösung herbeizuführen.