Protocol of the Session on November 22, 2018

(Zuruf von Florian Philipp, CDU)

Herr Kollege, ihre Redezeit ist bereits zu Ende.

Ja, das weiß ich. - Aber die Dinge müssen Sie sich doch klarmachen. Durch eine Owi gegen die Schülerinnen holen Sie niemanden in die Schule hinein.

Wir müssen uns diese Anstrengung, die das natürlich bedeutet, mit den Jugendämtern klarmachen. Wir brauchen vielleicht eine Debatte im Bildungsausschuss.

Herr Lippmann, bitte jetzt den letzten Satz.

Ich bin gleich fertig. - Wir müssen uns im Bildungsausschuss wirklich die Zeit nehmen und uns fragen, wie wir die anderen Systeme, die es ja gibt, die an vielen Stellen relativ gut funktionieren, aber die eben an vielen Stellen auch nicht funktionieren, so qualifizieren und weiterentwickeln können, vor allem wie wir sie so stärken können, dass wir mit den Jugendlichen, mit den Heranwachsenden klarkommen und die Schulpflicht umsetzen können.

Dabei spielt zum Beispiel das produktive Lernen eine sehr gute Rolle. Das sollten wir ausbauen und nicht den Schülerarrest.

Das haben Sie ganz geschickt gelöst, indem Sie einen Bandwurmsatz kreiert haben. - Es gibt eine Frage oder wollen Sie als Fraktionsvorsitzender sprechen? - Vielen Dank, Herr Lippmann. - Herr Fraktionsvorsitzender Borgwardt.

Danke schön, Frau Präsidentin. - Ich nutze jetzt einmal die Möglichkeit. Ich muss zumindest auf die Einlassung von Eva von Angern eingehen.

Wir sollten vielleicht aufpassen, Herr Lippmann - wir haben gestern ein sehr interessantes Gespräch am Rande des parlamentarischen Abends mit der Nordostchemie geführt -, wie wir hier argumentieren. Sie haben gesagt - ich habe es mir extra aufgeschrieben -: Die Schüler denken doch in dem Alter noch nicht darüber nach. - Da taucht bei uns natürlich sofort die Frage auf: Aber mit 16 Jahren wollen Sie sie wählen lassen?

(Beifall bei der CDU und bei der AfD)

Es gibt keine Trennung zwischen Verantwortung und Pflichten. Das ist eine klare Sache. Dazu haben wir eine deutliche Meinung.

Jetzt komme ich zu dem Einwurf von Eva von Angern zurück. Richtig ist, dass ich damals ge

sagt habe - das hat sie auch richtig wiedergegeben -, dass wir hieran etwas verändern müssen, wir müssen nach vorn gehen.

Damit meinte ich ausdrücklich den Widerspruch, dass Jugendgerichte aufgrund der Einspruchsverfahren sehr lange für eine Entscheidung brauchen und die Jugendlichen viel zu spät in den Arrest kommen, teilweise erst, wenn sie nicht mehr schulpflichtig sind.

Teilweise sind sie dort mit Kriminellen zusammen. Das war eine Zeitlang so, weil die Jugendrichter meinen, das sei das geringere Übel, und Arrest statt einer Jugendstrafe verhängen. Das ist auch ein Problem. Das haben wir angesprochen.

Dann war die Möglichkeit nicht gegeben. Sie wurden bestraft für Schulschwänzen, dort wurde aber nicht beschult. Dazu habe ich auch gesagt, das ist absoluter Irrsinn. Das meine ich mit Veränderung. Wir haben aber niemals gesagt, dass wir das völlig ignorieren und nicht als Ultima Ratio nutzen. Wir müssen aber - das sage ich noch einmal ganz deutlich - stärker die vorhergehenden Dinge nutzen.

Zu der Frage, die Frau Gorr ganz bewusst gestellt hat. Wir müssen aufarbeiten und dürfen es nicht hinnehmen, dass über ein Jahr alle vorgeschalteten Mechanismen versagt haben. Das müssen wir uns anschauen. Wenn dann Konsequenzen erforderlich sind, muss man darüber reden.

Ich komme noch auf einen anderen Fall zu sprechen. Wenn wir das jetzt einmal bewusst übertreiben, sehr geehrte Eva von Angern, dann können wir auch sagen, weil die Mutter putzen geht und der Vater Alkoholiker ist, bestrafe ich den klauenden Jugendlichen nicht. Das ist dasselbe Problem.

(Eva von Angern, DIE LINKE: Nein, da re- den wir gerade über eine Straftat!)

- Doch, das ist dasselbe Problem. - Denn wenn wir irgendwo - -

(Eva von Angern, DIE LINKE: Selbstver- ständlich!)

Im Moment ist Herr Borgwardt an der Reihe. Sie haben sich gemeldet, Frau von Angern. Sie sind gleich dran.

Die Logik, Frau von Angern, ist aber dieselbe. Das verstehe ich ja. Das sind ja meist soziale Brennpunkte. Wir kennen das doch alle. Dann ist doch völlig klar, dass ich nicht nach dieser Logik sagen kann, wenn das eben so ist, dann mache ich nichts mehr.

Es geht nur um den letzten Punkt. Wir streiten uns eigentlich nur um den letzten Punkt, um die Ultima Ratio; das weiß hier jeder.

(Angela Gorr, CDU: Den wollen wir auch verändern!)

Das hat gar nichts damit zu tun.

Wenn die anderen Mechanismen - das ist mein letzter Satz - greifen und wir die Ursachen besser heraus kriegen, dann ist möglicherweise die Ultima Ratio gar nicht mehr nötig. Aber diese zu streichen - das ist der Punkt gewesen, den der Minister angesprochen hat -, halte ich aus staatsrechtlicher Sicht - damit kennen Sie sich besser aus als ich - für falsch, weil das gar nicht geht.

(Zustimmung bei der CDU)

Dann muss ich das Wort „Pflicht“ streichen. Dann muss ich sagen, der Schulbesuch ist freiwillig; dann ist es klar. Ansonsten ist es nicht stringent im rechtlichen Sinne; das wissen Sie ganz genau.

Vielen Dank, Herr Borgwardt. - Ich habe jetzt eine Wortmeldung des Fraktionsvorsitzenden Herrn Lippmann und von Frau von Angern; sie würde gern auf die Dinge erwidern, die Herr Borgwardt jetzt gesagt hat.

Vielleicht will er mir nur eine Frage stellen.

(Thomas Lippmann, DIE LINKE: Eine Inter- vention!)

Eine Intervention. - Darauf können Sie trotzdem reagieren, Herr Borgwardt. - Bitte, Herr Lippmann.

Ich glaube, das Thema erfordert es, dass wir uns auf jeden Fall darum bemühen, uns nicht misszuverstehen.

Ja, das ist wichtig. Deswegen habe ich interveniert.

Ich muss mit meiner Intervention klarstellen, dass ich in meinem Redebeitrag versucht habe deutlich zu machen, dass vieles, was auf den Tisch gelegt wird, um diese Maßnahme zu verteidigen und gegen die Streichung zu argumentieren, Mythen sind und nicht zutrifft.

Zum Beispiel der Mythos der Abschreckung. Ich habe nicht gesagt, dass 14- oder 16-Jährige nicht überlegen, sondern ich habe gesagt, wenn ein 14-, 15- oder 16-Jähriger für sich individuell entscheidet, dass er nicht zur Schule geht, dann hat er eine ganze Menge individuelle Gründe. Um diese müssen wir uns kümmern. Das ist unser Thema.

Ihn interessiert aber dabei nicht - davon bin ich fest überzeugt -, ob es dafür eine Owi gibt oder nicht. Das beeinflusst seine Entscheidung, in dem Augenblick die Schule nicht zu besuchen, nicht. Daher habe ich nur gesagt, der Abschreckungsmythos trifft nicht zu. Ob wir die Owi haben oder nicht, hält spätere Schulschwänzer nicht vom Schulschwänzen ab. Das war meine Botschaft. Ich habe nicht gesagt, dass sie nicht nachdenken.

Ich sage nur einen Satz dazu. Wenn wir als Staat im Endeffekt die Ohnmacht dadurch ausdrücken - wir haben spätestens seit 2015 über alle möglichen Dinge gesprochen, bei denen der Staat offensichtlich nicht mit voller Wirkung bzw. rechtstaatlich gehandelt hat -, dass wir darauf verzichten, darauf hinzuwirken, was sind dann die Konsequenzen von ständigem nicht rechtmäßigem Handeln?

Wir verzichten darauf; das ist der Punkt. Wir sind uns bei allen anderen Punkten einig. Aber ich habe jetzt noch einmal ein Plädoyer für die andere Sichtweise gehalten. Wir wollen die Ultima Ratio ausdrücklich nicht, aber wenn alles nicht greift, dann ist es so.

Nennen Sie mir einen Grund, warum jemand, selbst wenn er in schwierigen materiellen oder sonstigen Verhältnissen lebt, keine gemeinnützige Arbeit leisten kann. Das müssen Sie mir einmal erklären. Das ist eine generelle Verweigerung. Ich gebe Ihnen Recht, dann nützt es auch nichts, wenn man denjenigen in den Arrest bringt. Aber wenn Sie dies von vorn herein aushebeln, dann können Sie alle Maßnahmen davor auch weglassen. Das ist doch das Problem, die Konsequenz, Frau von Angern.

Sehr geehrter Herr Borgwardt!

Frau Präsidentin, mea Culpa.

Frau von Angern, Sie haben jetzt das Wort und können Ihre Frage stellen.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Eine Reaktion und eine Frage. Ich möchte kurz daran erinnern, warum die Schulpflicht überhaupt einmal eingeführt worden ist. Sie war eine Schutzmaßnahme für Kinder und Jugendliche, damit sie eben nicht zum Arbeiten geschickt werden, sondern damit sie die Möglichkeit haben, in eine Schule zu gehen und dort zu lernen und sich weiterzuentwickeln. Insofern kann man diese Diskussion insgesamt auch ganz anders führen.

Herr Borgwardt, indem Sie den Schulpflichtverstoß mit einem Diebstahl gleichgesetzt haben, sind Sie soeben den Beweis angetreten, dass das, was ich gesagt habe, korrekt ist. Wir kriminalisieren junge Menschen und sie fühlen sich auch selbst kriminalisiert.

Jetzt komme ich zu meiner Frage, die mir der Minister nicht beantwortet hat, aber die Sie mir vielleicht beantworten. Erklären Sie mir den pädagogischen Sinn des Beugearrests.

Herr Borgwardt.

Erst einmal: Ich habe nicht gesagt, Schulschwänzen ist gleichbedeutend mit Diebstahl, sondern ich habe gesagt: Wie ist die Sichtweise desjenigen, der etwas tut? - Die eine Sache ist, dass er gegen Normen verstößt. Dann ist es mit der anderen Norm genauso; dann kann ich es dort auch lassen.