Wissen Sie, Herr Raue, Ihre Vermutungen zu volkswirtschaftlichen Tatbeständen im Rahmen einer Haushaltsdebatte by the way zu korrigieren, ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Ich will es einmal so beantworten: In dem Bemühen, die Grenzen für Menschen zu schließen, die dauerhaft dort leben wollen, werden die Briten jetzt ihre Grenzen für Güter und Dienstleistungen zwar nicht gänzlich schließen, aber deutlich verstopfen. Lassen Sie uns in zwei, drei Jahren schauen, was das für die Entwicklung Großbritanniens, seiner Wirtschaft, seines Wohlstandes, seiner Sozialsysteme bedeutet.
Ich sage Ihnen: Wenn sie diesen Weg wirklich gehen - das steht ja noch nicht ganz fest -, dann wird das absolut verheerend. Der Glaube, sie könnten das voneinander trennen, ist schlicht und ergreifend Unfug.
Ich will Ihnen auch eines sagen: Ich habe gestern noch per Facebook mit einem aus Berlin stammenden Freund aus Indien geschrieben. Er ist -
insofern trifft Ihr Beispiel auf mindestens eine Person nicht zu - gerade nach Japan eingewandert und arbeitet dort. Offensichtlich wird er dort gebraucht.
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Schmidt. Ich verstehe ehrlich gesagt nicht den Zusammenhang zwischen einem internationalen Handel und einer Migration. Denn geschlossene Grenzen bedeuten doch nicht prinzipiell, dass man sich einem Handel verschließt. Das ist doch völliger Quatsch. Es gab beispielsweise in der Europäischen Gemeinschaft in den vergangenen Jahrzehnten auch einen lukrativen Austausch von Gütern bei geschlossenen Grenzen. Das ist doch eine Organisationsfrage. Ware und Mensch sind doch etwas gänzlich Unterschiedliches.
Ich muss gestehen: Lieber stehe ich eine halbe Stunde lang an der Grenze, zeige meinen Pass und alles hat seine Ordnung, kann dafür aber wieder auf einen Weihnachtsmarkt gehen, ohne Angst haben zu müssen, von einem Lkw überfahren zu werden.
Das Land hat in diesen Tagen eine von ihm in Auftrag gegebene Studie über Investitionsneigung bzw. Investitionszurückhaltung vorgestellt. Da war niemand von Ihnen, aber das wundert auch nicht; denn man hätte dort etwas erfahren können. Diese Studie können Sie nachlesen. Dabei sind Unternehmerinnen und Unternehmer des Landes dazu befragt wurden, was ihre größten Probleme sind. Wissen Sie, was das erste und größte Problem war: Mangel an Arbeitskräften, und zwar nicht nur an Fachkräften - Mangel an Spezialisten, Fachkräften und Helfern.
Ich sage Ihnen Folgendes: Der Chef des Serumwerkes Bernburg hat auf dieser Veranstaltung - das Unternehmen hat 2 000 Leute - erklärt, noch schaffe er es in drei Monaten, die Arbeitsplätze für die studierten Pharmazeuten zu besetzen; für die Besetzung der Stellen der Chemikanten brauche er schon sechs Monate.
Wenn wir den Arbeitsmarkt nicht auch in Richtung Europa öffnen, werden in diesem Land SachsenAnhalt Ansiedlungen scheitern und es wird Wohlstand verloren gehen. Das geschieht bereits, wenn wir das zurückdrehen. So einfach ist das.
Dann müssen Sie das den Leuten in Bernburg, die keine Arbeit mehr haben, erklären. Denn das Serumwerk Bernburg sagt dann nämlich: Okay, dann ziehen wir woanders hin; dann ziehen wir in ein Land, in dem das noch möglich ist. Das werden Sie dann erklären müssen.
Danke schön. - Herr Dr. Schmidt, Sie haben gerade gesagt: So einfach ist das. - So einfach ist es aber nicht; denn es ist eine sachlogische Folge einer völlig verfehlten Demografie, die seit mehr als 30 Jahren absehbar ist. Seit den 80er-Jahren ist absehbar - das ist eine Konsequenz, die Ihre Mutterpartei mitverantwortet hat -, dass weniger Kinder geboren werden, als Menschen sterben. Dann ist es auch pure Sachlogik, dass eines Tages Arbeitskräfte fehlen. Das ist wie eins und eins zusammenzuzählen.
Die SPD und die CDU haben das über 30 Jahre hinweg verantwortet, und sie stellen sich jetzt hin und sagen als Lösung: Wir haben keine Leute mehr, wir öffnen jetzt die Grenzen und holen sie von sonst woher.
Das ist auch keine nachhaltige Lösung. Das ist eine Lösung, die gegenüber jeder Familie in diesem Land unfair ist.
- Ich verstehe gar nicht, warum Sie da herumkrakeelen. Das ist eine ganz sachlogische Argumentationsweise. Das ist volkswirtschaftlich valide und das ist wissenschaftlich valide.
Dr. Schmidt. Eine nachhaltige Lösung wäre eine gesunde Familienpolitik mit mindestens 2,2 Kindern, wie es in Frankreich funktioniert, wie es in Skandinavien funktioniert. Dann brauchten wir uns in 20, 30 Jahren keine Gedanken mehr darüber zu machen.
Herr Siegmund, wissen Sie, manchmal weiß man gar nicht, wo man anfangen soll - dieses Aufeinanderhäufeln von lauter Annahmen, die jeglicher Realität entbehren. Jeglicher Realität!
Ganz bestimmt kann Deutschland ein kinderfreundlicheres Land sein. Aber wissen Sie was? - Ich halte es für wirklich ganz großen Blödsinn, darüber zu reden, was man tun könnte, damit Frauen nicht 1,4 oder 1,6, sondern 2,2 Kinder kriegen. Ich nehme an, Sie haben nicht vor, Frauen dazu zu zwingen;
das liegt nicht in Ihrer Absicht. Ich halte es für viel zielführender, sich einmal um die Kinder zu kümmern, die da sind. Wissen Sie, was dazu Ihr haushaltspolitischer Sprecher gerade erklärt hat? - Er hat gesagt, es wäre viel besser, wenn die nicht so schlauen Kinder und die Migrantenkinder in andere Schulen gingen, für sich seien. Dann würden wir, hat er gesagt, Lehrer einsparen. Die logische Konsequenz dieser Denkweise ist, dass ich diese Schüler dann in einer schlechteren Schüler-Lehrer-Relation unterrichte, das heißt, sie abschiebe.
Dazu sage ich Ihnen Folgendes: Wenn Sie nicht einmal lernen, dass man sich um die Kinder, die da sind, kümmern muss, werden Sie keine Frau dazu kriegen, dass sie in einer Welt, in der Sie politisch etwas zu sagen haben, freudig ihr drittes Kind bekommt.
Ich sehe, es gibt keine weiteren Fragen. Ich danke Herrn Dr. Schmidt für die Ausführungen. - Wir fahren in der Debatte fort. Für die Fraktion
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nun liegt er vor uns, der zweite Haushaltsplanentwurf der Kenia-Koalition, über den wir am Anfang vom Finanzminister erwartungsgemäß schon viel Prächtiges gehört haben, der Haushaltsplanentwurf, der uns bereits im Vorfeld vor allem als eines angepriesen wurde, nämlich als ein Rekordhaushalt.
Es ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, im Übrigen bereits der 15. Rekordhaushalt in der Geschichte dieses Landes. Dennoch muss man sagen: Es ist leider erst der 15.; denn um die Leistungsfähigkeit des Landes zu erhalten oder sogar zu steigern, muss schlicht jeder neue Haushalt ein Rekordhaushalt sein. Doch genau das, nämlich die Sicherung der Erfüllung der staatlichen Aufgaben, ist in den letzten 20 Jahren im Wesentlichen nicht gelungen. Dabei macht auch das Haushaltsjahr 2019 keine Ausnahme.
Denn real ist das Haushaltsvolumen immer wieder gesunken, in jedem zweiten Jahr sogar in absoluten Zahlen, und in den meisten der anderen Jahre dadurch, dass die Steigerungen zu gering waren, um zumindest die Inflation und die Tarifsteigerungen auszugleichen.
So ist es auch jetzt. Die Erhöhung des geplanten Haushaltsvolumens betrug im noch laufenden Doppelhaushalt von 2017 zu 2018 noch nicht einmal 1 %. Im Haushaltsjahr 2019 soll das Haushaltsvolumen auch wieder nur um etwas mehr als 1 % steigen. Das reicht schon allein für die erwartbare Inflationsrate und die Tarifanpassungen nicht aus.
Bund und Kommunen zahlen seit diesem Jahr ihren Beschäftigten 3 % mehr. Es wäre töricht zu glauben, dass die Länder im Jahr 2019, wenn die Tarifrunde läuft, deutlich darunter abschließen. Aber eingeplant sind nur 2 %. Es wird also schnell deutlich, dass in diesem Haushalt einige ungedeckte Schecks stecken.
Und wie immer, wenn auf der Einnahmenseite wieder einmal die politische Resignation gesiegt hat, wird auf der Ausgabenseite gekürzt. So soll unter anderem die ohnehin zu niedrige Investitionsquote erneut gesenkt werden. Nimmt man dann noch den schleppenden Mittelabfluss in den Jahren 2017 und 2018 in den Blick, wird klar, dass selbst dieses magere Haushaltsvolumen gar nicht vollständig zur Finanzierung der Aufgaben des Landes und der Kommunen eingesetzt wird.
Nach allen bisherigen Erfahrungen mit dieser Landesregierung wird es auch im Jahr 2019 keinen Haushaltsabschluss in der jetzt geplanten Höhe geben. Er wird wieder um mindestens 500 Millionen € geringer ausfallen und damit deutlich unter 11 Milliarden € liegen. Sie sind also nicht einmal in der Lage, dasjenige Geld zielführend auszugeben, das Ihnen zufließt. Sie legen uns zum zweiten Mal infolge einen Haushalt vor, der in seinem realen Volumen rückläufig ist und der damit deutlich hinter den Erfordernissen für dieses Land zurückbleibt.
Dennoch brüstet sich die Landesregierung damit, einen Rekordhaushalt aufgestellt zu haben. Dieser sogenannte Rekordhaushalt, sehr geehrter Herr Minister Schröder und liebe Kolleginnen und Kollegen aus den Koalitionsfraktionen, ist nicht nur in höchstem Maße unambitioniert und ohne politische Schwerpunkte, er offenbart vor allem eines: den Blick aus einer Zwergenperspektive. Es ist ein Zwergenhaushalt und eben kein Rekordhaushalt.
Wozu wird also immer so massiv betont, dass es sich um einen Rekordhaushalt handelt? Was soll damit erreicht werden, dass man diese Selbstverständlichkeit so überhöht? - Das soll uns den Blick auf den Horizont verstellen. Es soll jede Überlegung im Keim erstickt werden, dass nach dem scheinbaren Höhenflug des Haushaltsplanentwurfs für das Jahr 2019 noch irgendetwas kommen könnte.
Die Botschaft ist also: Das, was hier vorgelegt wurde, ist das Maximum dessen, was überhaupt möglich und vorstellbar ist; mehr geht auf gar keinen Fall. Alles andere ist der Ruf nach dem Füllhorn - unrealistisch, unfinanzierbar, linker Populismus, was auch immer Sie noch an Formulierungen draufhaben.