Protocol of the Session on August 30, 2018

zutiefst demokratischer, ja sozialdemokratischer Begriff.

(Zustimmung bei der SPD)

Im linken Spektrum lehnt man das Wort Heimat oft wegen einer vermeintlich nationalistischen Färbung ab. Die sozialdemokratische Bedeutung von Heimat hat mit Nationalismus absolut nichts zu tun.

Johannes Rau sagte einmal - ich zitiere -:

„Ich will nie ein Nationalist sein, aber ein Patriot wohl. Ein Patriot ist jemand, der sein Vaterland liebt, ein Nationalist ist es jemand, der die Vaterländer der anderen verachtet. Wir aber wollen ein Volk der guten Nachbarn sein, in Europa und in der Welt.“

Deshalb müssen wir den Heimatbegriff den Rechten in diesem Land entreißen und dürfen ihn ihnen nicht überlassen.

(Beifall bei der SPD - Oliver Kirchner, AfD: Wer sind denn die Rechten? - Lydia Funke, AfD: Ha, ha! - André Poggenburg, AfD: Das wird Ihnen nicht gelingen!)

Das wird umso besser gelingen, wenn die Menschen in diesem Lande nicht nur statistisch sicher sind, sondern sich auch sicher fühlen. Denn die Menschen wollen sicheren Grund unter den Füßen fühlen.

(André Poggenburg, AfD: Mit Messer- attacken?)

Das gilt für den Schutz vor Kriminalität und Unordnung genauso wie für die Sicherheit des Arbeitsplatzes. Seit vielen Jahren sinkt in SachsenAnhalt und in Deutschland insgesamt die Kriminalitätsbelastung. Die polizeiliche Kriminalitätsstatistik belegt das.

Doch wir müssen überhaupt nicht darum herumreden: Die Menschen in Sachsen-Anhalt sehen das mehrheitlich anders. Sie fühlen sich nicht im gleichen Maße sicher, wie es die Statistik es aussagt.

(Oliver Kirchner, AfD: Genau! - André Pog- genburg, AfD: Richtig!)

Im Gegenteil: Das Gefühl der Unsicherheit nimmt zu. Die Gründe für diese Entwicklung mögen vielfältig sein. Sie haben etwas mit Polizeipräsenz zu tun. Sie haben etwas mit Durchsetzung von Gesetz und Recht zu tun. Deswegen haben wir auch in der Koalition wichtige Weichenstellungen für mehr Personal bei der Polizei, für neue Eingriffsbefugnisse - ich will sie nicht alle aufzählen - vorgenommen.

Dazu gehört auch, dass es nicht nur die Aufgabe der Polizei, sondern auch der Kommunen ist;

denn manchmal fragen sich die Bürger, weswegen nicht gegen Unordnung vorgegangen wird, in den Kommunen Sachsen-Anhalts aber gleichzeitig Falschparker mit Enthusiasmus gejagt werden. Auch an dieser Stelle erwarte ich, dass dem Gefühl von Unsicherheit entsprechend begegnet wird.

Ähnlich, nämlich gefühlt einerseits und Statistik andererseits, verhält es sich bei der Arbeitsplatzsicherheit. Diesbezüglich sprechen die Statistiken eine eindeutige Sprache. Die Arbeitslosigkeit in Sachsen-Anhalt ist auf einem Niveau, von welchem wir vor 25, 20 und selbst vor zehn Jahren nur träumen konnten. Doch fühlen die Menschen sicheren Grund unter ihren Füßen? - Ich erlebe das jeden Tag in meinem eigenen Lebensumfeld. Wer heute im Bergbau, der Energiewirtschaft oder der chemischen Industrie arbeitet, der hat ein sehr gutes Einkommen. Trotzdem fühlen die Menschen im Burgenlandkreis Unsicherheit, was ihre Zukunft und die Zukunft ihrer Kinder betrifft.

Das Wort Strukturwandel nehmen sie als Bedrohung war. Sie haben in den letzten 28 Jahren einen Strukturbruch erlebt, der beschönigend als Strukturwandel bezeichnet wurde. Ich selbst habe im Revier einen solchen Bruch mit Massenarbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit erlebt. Dies ist als traumatisches Erlebnis in den Köpfen der Menschen im Süden unseres Landes noch immer sehr präsent.

Ich will nicht, dass aus Unsicherheit Angst und aus Angst Wut wird. Deshalb müssen erst Perspektiven für die Menschen im Revier und die Region geschaffen werden und dann muss über ein Datum für einen politisch gewollten Braunkohleausstieg entschieden werden. Es wird in den nächsten Monaten die Aufgabe der Kohlekommission sein, insoweit die richtigen Weichen zu stellen.

Es darf nicht sein, dass Arbeitsplatzverluste künstlich heruntergerechnet werden und locker die Aufforderung an die Kumpel ergeht, sie benötigten eine klare Ansage und sie sollten sich etwas Neues suchen. Denn Strukturwandel ist keine statistische Größe. Für mich hat Strukturwandel ein Gesicht, nämlich das Gesicht meiner Nachbarn, der Kollegen der IG-BCE-Ortsgruppe, des Feuerwehrmanns oder auch des Basketballfans in der Weißenfelser Stadthalle.

Wir wollen auch, dass die Menschen in diesem Land sicher sind und sich in ihrer Heimat sicher fühlen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hatte eingangs die These aufgestellt: Ohne Heimat keine Demokratie. Ich will diese um die These ergänzen: Heimat heißt auch Verantwortung. Im kommenden Mai werden in Sachsen-Anhalt Ort

schaftsräte, Stadt- und Gemeinderäte sowie Kreistage neu gewählt. Die Kommunalpolitik ist nicht das Kellergeschoss der Demokratie. Es ist Grundpfeiler der Demokratie. Deswegen hoffe ich, dass sich im nächsten Jahr Tausende Kommunalpolitiker finden, die für ihre Heimat Verantwortung übernehmen.

Mit der jüngsten Änderung des KVG haben wir die rechtlichen Voraussetzungen für deren Arbeit verbessert. Diese müssen jetzt genutzt werden; sie müssen von den in den Gemeinden ehrenamtlich Tätigen genutzt werden. Doch Verantwortung will man nach deren Übernahme auch leben dürfen; sonst führt ehrenamtliche Arbeit schnell zu Frustrationen.

Auch hierfür sind die Ursachen vielfältig und sicherlich geht es hierbei auch um die begrenzten finanziellen Mittel. Doch es geht um mehr. Es gibt eben immer noch Kommunalverwaltungen in diesem Land, die meinen, mit ihren ehrenamtlichen Gemeinderäten Schlitten fahren zu können.

(Zustimmung bei der SPD)

Es gibt zudem Kommunalaufsichtsbehörden, die von kommunaler Selbstverwaltung wenig halten und Kommunen in der Manier eines Rates des Kreises als nachgeordnete Behörden am Gängelband führen.

Wenn wir wollen, das Ehrenamtliche für ihre Heimat Verantwortung übernehmen, dann muss in so manche Verwaltung auch ein neuer Geist einziehen. Die bevorstehende neue Kommunalwahlperiode wäre sicherlich für manchen der dort Tätigen ein guter Zeitpunkt für einen Mentalitätswechsel.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zum Schluss kommen. Dostojewski hat einmal gesagt: „Ohne Heimat sein, heißt leiden.“

Wir wollen, dass sich die Menschen in SachsenAnhalt heimisch fühlen. In einer Zeit, in der sich die Welt immer schneller dreht und manchmal aus den Fugen zu geraten scheint, sind die Bedeutung von Heimat und die Sehnsucht nach Heimat umso größer.

Sachsen-Anhalt, seine Regionen und Kommunen sollen der Ort sein, in denen wir uns auskennen, in denen wir Orientierung haben und in denen wir uns auf unser Urteil verlassen können. Dafür und dass sich nicht wieder rechte Rattenfänger des Wortes Heimat bemächtigen, können Landtag und Landesregierung sehr viel tun.

Sehr geehrter Kollege Erben, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

(Zustimmung bei der AfD)

Einen Satz?

Einen Satz.

Ich will meine Rede mit dem Zitat eines Mannes schließen, bei dem Sie sich vielleicht wundern werden, dass ein Sozialdemokrat ihn zitiert. Ich zitiere:

„Der beste Schutz gegen Radikalismus ist die Lösung von Problemen.“

(Daniel Roi, AfD: Satz des Tages!)

Herr Kollege Erben, das waren schon drei Sätze.

Darf ich noch sagen, von wem es stammt?

Das dürfen Sie.

Es stammt von Bundesinnen- und Heimatminister Horst Seehofer. Recht hat er.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Erben. Es gibt eine Frage. Möchten Sie diese beantworten? - Herr Kollege Tobias Rausch, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Kollege Erben, Sie sagten gerade, dass die Kriminalität laut Statistik gesunken ist und dies gefühlt bei den Bürgern auch so ankommt. Wie erklären Sie sich die Statistik des Landeskriminalamtes, die besagt, dass Messerdelikte von 2014 bis 2017 in Sachsen-Anhalt um 21 % gestiegen sind. Wie passt das mit Ihrer gefühlten Sicherheit zusammen?

Sie haben zudem gesagt, dass Sie Probleme lösen wollten. Um Probleme zu lösen, muss man sich die Frage stellen, was man tut, um diese Vorfälle zu verhindern. Und wann spricht man über die Täter, die diese Delikte ausüben?

Ich will gern auf Ihre Fragen oder Feststellungen antworten. Wenn Sie mir richtig zugehört hätten, dann hätten Sie gehört, dass ich gesagt habe,

dass die Kriminalitätsbelastung statistisch seit vielen Jahren in Deutschland sinkt, auch in Sachsen-Anhalt.

Wenn Sie sich mit dem Thema beschäftigen und nicht nur Ihr Handy betätigen, dann werden Sie sich vielleicht auch damit beschäftigen müssen, was Kriminalitätsbelastungen im statistischen Sinne sind. Hierbei handelt es sich nämlich um die Zahl der registrierten Straftaten im Verhältnis zu 100 000 Einwohnern. Wenn Sie sich diese Statistik anschauen, dann werden Sie feststellen, dass die Zahl zurückgeht. Es gibt übrigens viele andere Bereiche - -

Sie haben meine Frage nicht beantwortet, Herr Erben.

Sie haben mir zwei Fragen gestellt und ich bin noch bei der Beantwortung der ersten Frage. Jetzt hören Sie zu; denn Ihre unflätigen Bemerkungen waren bereits mehrfach Anlass zu Diskussionen im Ältestenrat. Sie können nicht erst Fragen stellen und anschließend dazwischenquatschen.

(Zustimmung bei der SPD)