Vielen Dank, Frau Dr. Pähle. Es gibt keine Anfragen. - Der nächste Debattenredner wird der Abg. Herr Daniel Rausch von der AfD-Fraktion sein. Sie haben das Wort, bitte.
Werte Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete! Wer einen Garten hat, der lebt schon im Paradies - so lautet das Zitat eines Unbekannten. Und wahrlich, so ist es. Wir führen heute eine Aktuelle Debatte zum Thema „Besorgniserregender Leerstand bei Kleingärten in Sachsen-Anhalt“.
Meine Damen und Herren! Kleingärten, auch Schrebergärten genannt, sind für uns ein wichtiges Kulturgut; denn sie verbessern nicht nur unsere Lebensqualität, sondern sie schenken uns Lebensfreude. Wahrscheinlich hat ein jeder von uns jemanden in der Familie oder im Freundeskreis, der einen Garten gepachtet hat. Auch ich habe schon so manche mühsame Stunde, aber auch manche freudige Stunde in einem solchen Garten verbracht.
In den Städten sorgen die Gärten mit ihrer Begrünung nicht nur für Lärmverringerung, sondern auch für Staubbindung, und sie sind ein wichtiger Faktor für den Biotop- und Artenschutz. Die Kleingärten bieten den Familien eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung, eine gärtnerische Betätigung und ermöglichen einen preiswerten Anbau von Nahrungsmitteln.
Nicht zu unterschätzen ist die soziale Komponente, die der Kleingartenverein bietet. Berufstätige können entspannen, die Kinder können spielen und in den Erlebnisräumen der Natur die Zusammenhänge des Seins erkennen. Arbeitslose Menschen können sich im Verein engagieren und werden wertgeschätzt. Aber auch für Behinderte und Senioren ist der Kleingarten ein Ort, um Gespräche zu führen, sich näher zu kommen und sich gegenseitig zu helfen.
Wir alle haben die Zahlen heute schon gehört: In Sachsen-Anhalt gibt es rund 1 750 Vereine mit insgesamt rund 114 000 Parzellen, davon sind 22 000 Parzellen ungenutzt. Das heißt also, jede fünfte Parzelle - das entspricht rund 1 000 ha - liegt in Sachsen-Anhalt brach. Dabei gibt es ein Stadt-Land-Gefälle. Während in Magdeburg ca. 7 % der Gärten leerstehen, sind es auf dem Land, zum Beispiel in Staßfurt, 31 %. Dies ist allerdings der Stand von 2017.
Was ist eigentlich ein Kleingarten? - Ein Kleingarten ist - meine Vorredner haben es bereits erwähnt - nach dem Bundeskleingartengesetz ein Garten, der dem Nutzer zur nicht erwerbsmäßigen gärtnerischen Nutzung, insbesondere zur Gewinnung von Gartenbauerzeugnissen für den Eigenbedarf, sowie zur Erholung dient und der in einer Anlage liegt, in der mehrere Einzelgärten mit gemeinschaftlichen Einrichtungen, zum Beispiel Wegen, Spielflächen und Vereinshäusern, zusammengefasst sind, also der Kleingartenanlage.
Ein weiterer wichtiger Punkt zur Definition von Kleingärten ist die Vorgabe, dass in der Regel mindestens ein Drittel der Fläche für den Anbau von Gartenerzeugnissen für den Eigenbedarf zu nutzen ist. Das ist der springende Punkt. Kleingärten sind nicht mit den sogenannten Erholungsgärten zu verwechseln, aber natürlich sollen Kleingärten heutzutage hauptsächlich der Erholung in der Natur dienen und sollen den Anbau von Obst und Gemüse ermöglichen.
Viele Kritiker behaupten, dass diese Eindrittelregelung der Grund dafür sei, dass sich junge Leute weniger für Kleingärten interessieren. Aber das ist falsch; denn wenn man mit den Vorständen der Kleingartensiedlungen spricht, erfährt man, dass diese Regelungen relativ großzügig ausgelegt werden. Eine Naschecke mit Beerensträuchern, Erdbeeren, Rhabarber oder Ähnlichem, ein paar Kartoffeln, einige Obstbäume - und schon ist ein Drittel der Fläche belegt. Man muss nicht Bio kaufen, man kann Bio anbauen.
Aber, meine Damen und Herren, wie gehen wir mit dem Problem des Leerstandes um? Durch die demografische Entwicklung im Allgemeinen und durch die Landflucht im Besonderen stehen immer mehr Kleingärten leer. Die Vorstände der Vereine haben die Probleme längst erkannt und
versuchen mit verschiedenen Mitteln, dem zu begegnen. Mit viel Engagement werden die Gemeinschaftsanlagen verschönert. Es werden Kindergartengärten, Tafelgärten, Therapiegärten und Schulgärten bereitgestellt.
Doch eines ist klar: Die Zeit lässt sich nicht zurückdrehen. Es besteht zweifellos ein historisch gewachsenes Überangebot an Gärten. Die Kleingartenanlagen werden sich gesundschrumpfen müssen. Gärten im Außenbereich müssen zurückgebaut werden oder ganze Gartenanlagen müssen früher oder später aufgegeben werden.
All dies kostet natürlich Geld. Der Landesverband der Gartenfreunde Sachsen-Anhalt beziffert die Kosten für den Rückbau - dies wurde übrigens auch schon gesagt - pro Parzelle auf etwa 4 000 €. Für den aktuellen Leerstand würde das eine Gesamtsumme von 72 Millionen € bedeuten. Diese Summe übersteigt natürlich die finanziellen Möglichkeiten der Vereine. Darum ist es dringend nötig, dass die Landesregierung unter Einbindung der verschiedensten Akteure ein Kleingartenkonzept vorlegt und dieses mit einem langfristigen Landesförderprogramm zum Rück- und Umbau der Kleingärten unterlegt.
Doch es gibt noch weitere Probleme. Im Einigungsvertrag wurde der Schutz von mehr als einer Million ostdeutschen Kleingärtnern festgeschrieben, doch die Schutzklausel war zeitlich begrenzt. Seit dem 4. Oktober 2015 kann der Grundstückseigentümer den Vertrag kündigen. Dies stellt natürlich einige Vereine vor enorme Probleme. Rund die Hälfte der Grundstücke - dies haben wir ebenfalls bereits gehört - befindet sich in kommunaler Hand, der Rest gehört Privatleuten, der Kirche, der BVVG oder Stiftungen.
manchmal das Gefühl, dass bewusst oder unbewusst an Spekulanten verkauft wird, die vorgeben, eine Streuobstwiese oder Sonstiges daraus zu machen. Es wird zum Teil Tafelsilber in besten Ortsrandlagen verkauft, direkt an Baugebiete angrenzend. Oftmals ist bereits abzusehen, dass dieses Land einmal Bauerwartungsland oder Bauland wird. Meist haben die Investoren einen langen Atem und werden in zehn oder 20 Jahren ihren Reibach machen.
Die Gemeinden planen kurzfristig, verkaufen für 1 €/m² und stopfen damit ihre Löcher im Haushalt. Hierbei sind die Stadt- und Gemeinderäte gefordert, verantwortungsbewusst mit den Genehmigungen solcher Grundstücksverkäufe umzugehen.
Alle Aspekte können wir jetzt nicht beleuchten. Fest steht jedoch: Die Politik, wir alle - darin sind
wir uns, denke ich, einig -, können die Kleingartenvereine mit ihren Problemen nicht allein lassen. Im Koalitionsvertrag auf Seite 122 bekennen Sie sich als verlässlicher Partner der Kleingärtner. Sie sehen den leerstandsbedingten Rückbau im Einvernehmen mit den Betroffenen als Teil der Stadtentwicklung an. Darum, meine Damen und Herren, sehe ich einer Initiative der Landesregierung mit wohlwollendem Interesse entgegen.
Zusammenfassend: Wir fordern ein Zukunftskonzept für Kleingärten in Sachsen-Anhalt. Wir fordern ein langfristiges Landesförderprogramm zum Um- und Rückbau der Anlagen. Wir fordern: keine Spekulationsgeschäfte mit den Grundstücken. Im Gegenteil, wir fordern den naturnahen Erhalt der Grundstücke, um Bienen, Insekten, Vögeln und anderem Getier einen Raum zu geben.
Zum Schluss gilt mein Dank - das möchte ich hier noch sagen - allen ehrenamtlichen Vorständen und Helfern in den Kleingartenanlagen. - Danke schön.
Vielen Dank, Herr Abg. Rausch. Ich sehe keine Nachfragen. - Somit kommen wir zum nächsten Debattenredner. Für die Fraktion BÜND
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Für einen gelernten Gärtner ist es eine Freude, zehn Minuten über Kleingärten reden zu können. Der Leerstand in den Kleingärten ist allerdings kein Anlass zur Freude.
Meine Damen und Herren! Wenn wir hier im Landtag zum Thema Kleingärten debattieren, darf ein Blick in die Entstehungsgeschichte der Kleingärten oder der Schrebergärten nicht fehlen; denn die Geschichte der Kleingärten hat hier im mitteldeutschen Raum ihren Anfang genommen, ist quasi ein Exportschlager, der mittlerweile in der ganzen Welt seine Verbreitung findet.
Die Entwicklung des Kleingartenwesens ist auf den für die späteren Anlagen namensgebenden Leipziger Arzt Moritz Schreber zurückzuführen. Schreber war jedoch nicht der Erfinder der Schrebergartenbewegung, wie landläufig noch immer angenommen wird, sondern nur der Namensgeber. Es war sein Mitstreiter, der Schuldirektor Ernst Innozenz Hauschild, auf dessen Initiative der erste Schreberverein zurückgeht, ein Schulverein, der in Zusammenarbeit - da haben wir die Parallelen zum Bildungsminister - mit den Eltern seiner Schüler entstanden ist. Man wollte ihn weder Schul- noch Erziehungsverein taufen, und
Im Jahr 1865 feierte man die Einweihung des ersten Schreberplatzes am Johannapark in Leipzig, einer Spielwiese, auf der Kinder von Fabrikarbeitern unter Betreuung eines Pädagogen spielen und turnen konnten. Bis hierhin hatte der Schreberplatz nichts mit Gärten zu tun.
Erst ein Lehrer namens Heinrich Karl Gesell war es, der an diesem Platz Gärten anlegte. Zunächst als weitere Beschäftigungsmöglichkeit für die Kinder gedacht, entwickelten sich die Gärten rasch zu Refugien der Eltern bzw. der ganzen Familie. Aus den Kinderbeeten am Rand des Schreberplatzes wurden Familienbeete, die man später parzellierte und umzäunte. Ab jetzt nannte man sie Schrebergärten. Bald gingen diese Gärtchen in die Obhut der Eltern über, und 1869, als die Initiative bereits rund 100 Parzellen umfasste, gab sie sich eine Vereinssatzung. Geräteschuppen, Lauben und Zäune wurden errichtet, und 1891 waren bereits 14 weitere Schrebervereine in Leipzig gegründet worden.
Die historische Kleingartenanlage „Dr. Schreber“ steht heute unter Denkmalschutz und beherbergt seit 1996 das Deutsche Kleingärtnermuseum. - Meine Damen und Herren, so viel zur Geschichte, aus der sich eine weltweite Bewegung entwickelt hat.
Kleingartenanlagen sind heute nicht mehr aus unseren Städten wegzudenken, erfüllen sie doch vielfältige Aufgaben, die gerade auch für die Stadtentwicklung wichtig sind. Heute, im Zeichen der Anpassung an die klimatischen Veränderungen, sind diese großräumigen Flächen die ökologischen Oasen der Städte. Die Kleingartenanlagen erfüllen eine wichtige stadtklimatische Ausgleichsfunktion. In den Freiräumen wirken Luftaustauschbahnen und Kaltluftabflüsse. Kleingärten steigern so die Lebensqualität angrenzender belasteter Siedlungsbereiche. Grünflächen ab etwa 5 ha können spürbare Temperaturabsenkungen bewirken. Von daher sind diese Flächen gerade bei solchen Wetterlagen, wie wir sie in den letzten Wochen erlebt haben, von enormer Wichtigkeit, wobei man erwähnen muss, dass nicht der Erhalt als Gartenanlage, sondern der Erhalt als Freifläche maßgeblich ist.
Ich erwähne das deshalb, weil im Zuge des zunehmenden Leerstandes von Gartenparzellen immer schnell die Idee aufgegriffen wird, Flächen in Kleingartenanlagen zusammenzufassen und auf der Grundlage einer Änderung des Flächennutzungsplans diese dann als Baugebiete auszuweisen.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich ganz deutlich sagen: Ökologische Oasen dürfen nicht zu Bauland verkommen. Wir müssen dafür sor
gen, dass diese Flächen in den Städten freigehalten und deren wichtigen klimatischen Ausgleichsfunktionen erhalten bleiben.
Ein weiterer wichtiger Grund, Kleingartenanlagen in ihrem Bestand zu erhalten, ist der Natur- und Umweltschutz. Für fast alle Kleingärtner ist es selbstverständlich, Grundregeln des naturnahen Gärtnerns selbst zu praktizieren. Besonders ausgeprägt ist das Bewusstsein von naturnahem Gärtnern bei jüngeren Kleingärtnern, die ihren Garten seit höchstens zehn Jahren bewirtschaften. Mehr als jeder zweite dieser Neukleingärtner betreibt biologischen Anbau von Obst und Gemüse. Fast zwei Drittel verzichten auf Kunstdünger. Mehr als vier Fünftel lehnen chemische Schädlingsbekämpfung ab.
Gefördert wird diese Entwicklung durch die Fachberatung der Vereine, die in den vergangenen zehn Jahren stark an Bedeutung gewonnen hat. Über 80 % der Vereine nutzen diesen Weg, um das Natur- und Umweltbewusstsein ihrer Mitglieder zu fördern. Ökologische Musterkleingärten, die es in jeder zehnten Anlage gibt und in denen Möglichkeiten des naturnahen Gärtnerns verdeutlicht werden, unterstützen diesen Prozess zusätzlich.
Noch einen Aspekt will ich beleuchten, der klarmacht, weshalb Kleingärten so wichtig sind. Es ist der soziale Aspekt. Für die Allgemeinheit bieten die Kleingärten eine bessere Lebensqualität in den Städten durch Lärmverringerung, Staubbindung, Durchgrünung, Auflockerung der Bebauung, Biotop- und Artenschutz, Lebensraumvernetzung und klimatische Auswirkungen. Familien bieten die Kleingärten eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung, eine gärtnerische Betätigung und das preiswerte Züchten von Gemüse, das persönliche Erlebnis von Säen, Wachsen, Gedeihen und Ernten von gesundem Gemüse - ein Gegengewicht zum Leben in Betonburgen und auf Asphaltflächen.
Kindern und Jugendlichen bieten die Kleingärten einen Ausgleich für die oft fehlenden Spielplätze, ein Spiel- und Kommunikationsfeld, einen Erlebnisraum in der Natur und die Wahrnehmung ihrer natürlichen Zusammenhänge. Berufstätigen bieten die Kleingärten eine Entspannung von Arbeitsstress durch gesunde Betätigung - eine ideale Alternative zum Arbeitsalltag. Arbeitslosen bieten
die Kleingärten eine sinnstiftende Tätigkeit, sind inklusiv im besten Sinne und sorgen für einen Zugang zu frischem Gemüse zu einem Minimalpreis.
Immigranten bieten die Kleingärten eine Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen und sich besser in das Aufnahmeland zu integrieren. Gar nicht so weit von hier, in Magdeburg-Neustadt, gibt es einen speziell dafür gegründeten interkulturellen Garten. In Deutschland haben 7,5 % der Kleingärtner - das sind 75 000 Kleingärtnerfamilien - einen Migrationshintergrund.
Menschen mit Beeinträchtigungen bieten die Kleingärten einen Ort, an dem sie am Vereinsleben teilnehmen, Kontakte knüpfen können und so der Isolierung entgehen. Sie können das Säen und Pflanzen, das Wachsen, Gedeihen und Ernten erleben. Senioren schließlich bieten die Kleingärten einen Ort des Gesprächs und der Ruhe durch die Zusammenführung von Menschen mit gleichen Interessen, über Jahre gewachsene Kontakte individueller Selbstverwirklichung, Beschäftigung im dritten Lebensabschnitt im eigenen Garten. Mittlerweile teilen sich Seniorinnen und Senioren einen Garten, um möglichst lange am Vereinsleben teilzunehmen.
Meine Damen und Herren! Alles, was ich aufgezählt habe, war notwendig, um die Bedeutung von Kleingärten darzustellen, um Schlussfolgerungen zu ziehen und Lösungsansätze aufzuzeigen. Wir müssen als Land dazu beitragen, Lösungen zu suchen, wie wir den Leerstand verringern können. Die Hauptverantwortung liegt jedoch bei den Kommunen. Diese haben zu Recht viele Freiheiten. Damit geht aber auch eine Verantwortung wie in diesem Falle einher. Die Lösung kann aus meiner Sicht keine millionenschwere Subventionierung von Rückbaumaßnahmen sein. Wir müssen in erster Linie alles daran setzen, die Flächen so in ihrer Nutzung zu erhalten, wie sie sind.
Speziell in den Städten gilt es, die Nachfrage bei weiteren Sparten zu steigern, und in den Regionen mit sehr viel Leerstand muss der Umbau und nicht der Rückbau organisiert werden. Einen Garten zu haben liegt im Trend. Aber die Menschen, die diese Gärten nutzen, ticken mittlerweile etwas anders. Das Image der Kleingärten muss etwas aufpoliert werden. Wenn wir auf Landesebene etwas anstoßen wollen, dann ist es, uns dafür einzusetzen, dass das Bundeskleingartengesetz den heutigen Ansprüchen an die Gartennutzung Rechnung trägt und etwas freizügiger und flexibler mit den Regelungen umgeht.
Wir können weiter etwas tun, nämlich prüfen, ob die Eingriffs- und Ausgleichsregelung auch für Kleingartenanlagen anwendbar ist. Mit Ausgleichsmaßnahmen kann der Umbau zum Beispiel zu Streuobstwiesen und Blühflächen und deren Pflege über Jahre finanziert werden.