Protocol of the Session on June 2, 2016

Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Hohes Haus! Nach dem, was hier gerade passiert ist, fällt mir ein Zitat ein, das dem deutschen Maler - das würde der AfD sicherlich gefallen - Max Liebermann zugeschrieben wird:

„Ich kann gar nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte.“

(Beifall bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Das betrifft nicht nur das Verhalten der AfD jetzt eben, sondern es betrifft insbesondere den Redebeitrag von Herrn Poggenburg. Das, was wir hier gehört haben, ist eine Aneinanderreihung von Beleidigungen, Diffamierungen und Unterstellungen gegenüber demokratischen Parteien.

Das Bild, das er von unserem Sachsen-Anhalt gezeichnet hat, von einem Land, das wie ein Karren in den Dreck gefahren worden sei, führt dazu, dass Leute verunsichert sind, es führt dazu, dass Leute Angst haben, dass sie Sorge haben. Das ist doch keine Politik! Das ist einfach „Angst essen Seele auf“! Genau das macht diese Partei.

(Beifall bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Und von Grundwerten, egal ob es die Meinungsfreiheit ist, ob es das Recht auf die freie Entfaltung der Kunst ist - das haben wir gestern erlebt -, davon hält diese Partei nichts und sie schmückt sich auch noch damit. Ich glaube an dieser Stelle, es kommt auf alle zivilgesellschaftlichen Partner an, dem ganz entschieden entgegenzutreten.

(Beifall bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN - Hendrik Lange, DIE LINKE: Auch auf die Konservativen!)

- Auf die Zivilgesellschaft. - Wer denkt, dass Veränderung immer verunsichert oder dass man Sachen zurückdrehen kann, der hat - ehrlich gesagt - aus dem, wie sich unser Land entwickelt hat, nichts gelernt.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜ- NE)

Wir haben viel dazugewonnen, indem Ideen von außen zu uns gekommen sind, indem Menschen zu uns gekommen sind, die mit Innovationen hier angefangen haben. Dabei ziehe ich den Rahmen nicht nur um die letzten 26 Jahre, sondern auch um viele Jahrzehnte und Jahrhunderte vorher. Ich glaube, auf solche Veränderungen können wir nicht nur nicht, sondern dürfen wir nicht verzichten.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜ- NE)

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, ob Sachsen-Anhalt verlässlich, gerecht und nachhaltig regiert wird, das entscheidet sich natürlich nicht hier im Parlamentssaal, das entscheidet sich nicht durch unsere Debatten im Landtag.

Ob die Menschen unsere Politik als verlässlich empfinden, ob sie das Handeln von Regierung und Parlament als gerecht erleben, ob sie in ihrem Alltag erfahren, dass wir gemeinsam für einen sozialen Ausgleich sorgen, und ob unsere Entscheidungen nachhaltige Wirkungen entfalten, das alles macht es aus, dass Sachsen-Anhalt zukunftsfähig bleibt. All das wird sich nur in konkreten Vorhaben ausdrücken, die wir umsetzen wollen.

Deshalb fangen wir bereits in dieser Landtagssitzung an, kommunal- und bürgerfreundliche Sofortmaßnahmen anzugehen, beispielsweise beim Kinderförderungsgesetz, über das wir gleich im Anschluss an diesen Tagesordnungspunkt verhandeln werden.

Aber natürlich ist es gut und richtig, dass die Regierung zu Beginn einer Wahlperiode die Generallinien ihres Handelns darlegt und im Landtag zur Diskussion stellt. Ministerpräsident Haseloff hat in seiner Regierungserklärung die gesamte Bandbreite der Politikansätze und Projekte dargelegt, mit denen unsere Koalition das Land gestalten und voranbringen will.

Ich will nicht auf die Breite dieser Themen eingehen, sondern ich will mit Ihnen darüber debattieren, was unser sozialdemokratischer Beitrag zu dieser Koalition ist und warum es gut ist, dass meine Partei den Weg in diese neue, ungewöhnliche und für viele ungewohnte Konstellation gegangen ist.

Ich kenne die Meinung und wir haben sie vorhin auch wieder von Herrn Poggenburg gehört. Parteien, die allesamt Stimmenanteile verloren haben, haben nicht das Mandat, sich zusammenzuschließen, um gemeinsam eine Regierung zu bilden. Das ist aber meiner Meinung nach ein Irrtum.

Denn Menschen gehen nicht mit einer festen Vorstellung darüber zur Wahl, wie hinterher der Landtag zusammengesetzt sein wird. Sie wählen vielmehr Parteien und Personen, denen sie die Vertretung ihrer Interessen zutrauen. Unsere Aufgabe ist es, dieses Vertrauen durch unsere tägliche Arbeit immer wieder zu erneuern und zu festigen.

(Zustimmung von Frank Scheurell, CDU)

Weil das so ist, haben die Parteien, die eine gemeinsame inhaltliche Basis haben, das Mandat und den Auftrag, eine stabile Regierung zu bilden und damit genau diese Interessen der Wählerin

nen und Wähler in praktische Politik, in erfahrbare Ergebnisse umzusetzen.

(Zustimmung von Ministerin Petra Grimm- Benne)

Wir alle haben auch die Aufgabe, aus Fehlern zu lernen, Politik besser, gerechter, verständlicher, bürgernäher zu machen. Auch dafür braucht es eine Regierung, die in der Lage ist, Fehlentwicklungen zu erkennen, zu korrigieren und neue Weichenstellungen vorzunehmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die SPD steht in dieser Konstellation für eine Politik, die es ernst meint mit guter Arbeit. Denn das ist seit 153 Jahren eine sozialdemokratische Idee. Nur die Rahmenbedingungen und die Ansprüche an gute Arbeit haben sich in den Jahren immer wieder verändert. Darauf haben wir reagiert.

In der Regierungserklärung wurde deutlich, dass das heute eine Aufgabe ist, die man nur durch das Verstellen verschiedenster Stellschrauben erreichen kann, erstens durch die Neujustierung der Wirtschaftsförderung.

Wir müssen Mitnahmeeffekte vermeiden und davon wegkommen, immer nur nach Neuansiedlungen zu schauen. Vielmehr müssen wir die hier ansässigen kleinen und mittelständischen Unternehmen unterstützen,

(Zustimmung von Katrin Budde, SPD, und von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)

die Arbeitsplätze schaffen und sie sichern.

Ich begrüße es ausdrücklich, dass Minister Felgner umgehend die Debatte zu den Konsequenzen aus dem Bankrott bzw. der Schließung von Fricopan angestoßen hat.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir brauchen eine Stärkung der Tarifbindung auch über die Vergabe- und Fördermittelpraxis. Willkommen in Sachsen-Anhalt sind all jene, die gute Löhne zahlen, in die Qualifikation ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter investieren und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen.

Wir wollen einen öffentlich geförderten Arbeitsmarkt, auf dem auch diejenigen wieder Chancen bekommen, die aus dem ersten Arbeitsmarkt seit Langem herausgefallen sind. Jeder und jede soll und muss die Möglichkeit haben, sich sinnvoll in das Gemeinwesen einzubringen, um von der eigenen Arbeit leben zu können.

Durch dauerhaft gesicherte Investitionen in die Hochschulen und die verstärkte Förderung von Forschung in der Industrie wollen wir die Zukunftsfähigkeit, die Innovationskraft unseres Landes sichern. Und wir wollen durch gezielte Förde

rung einer qualifizierten Zuwanderung und die Integration von Flüchtlingen in Ausbildung und Arbeit den Fachkräftebedarf sichern und Menschen, die zu uns kommen, eine Perspektive bieten.

Nicht jeder kann einen schwarzen Nationalspieler zum Nachbarn haben, aber jeder freut sich, wenn ein neuer Arzt in der Nachbarschaft die Gesundheitsversorgung absichert, völlig egal, woher er kommt.

(Beifall bei der SPD - Nadine Hampel, SPD: Genau! Richtig!)

Diese Politik für gute Arbeit geht Hand in Hand mit einer guten Sozialpolitik, die jene Menschen unterstützt, die unsere Solidarität brauchen, die es den Menschen ermöglicht, Lebensrisiken abzusichern und abzufedern, die Menschen aber auch befähigt, Benachteiligungen auszugleichen und sie zu überwinden, um damit eine aktive Rolle in Gesellschaft und Arbeitswelt spielen zu können.

Die Grundlage dafür legen wir mit frühkindlicher Bildung; denn hier beginnt der Einsatz für gleiche Chancen, und das ist gut so.

Sachsen-Anhalter und Sachsen-Anhalterinnen

sind stolz darauf, dass wir so einen Vorsprung im Bereich der frühkindlichen Bildung und Kinderbetreuung haben. Wir werden gemeinsam dafür Sorge tragen, dass dieser Vorsprung erhalten bleibt, indem wir Erzieherinnen und Erziehern auch gute Arbeit bieten, indem ihre Bezahlung angemessen ist, ohne dass die Kommunen dabei überstrapaziert werden.

Wir wollen die Qualität in der frühkindlichen Bildung steigern und in diesen Bereich investieren und gleichzeitig die Angebote für alle Eltern bezahlbar halten. Das Gesetz zur Änderung des KiFöG, den die Koalitionsfraktionen in enger Zusammenarbeit mit Ministerin Grimm-Benne erarbeitet haben, weist den Einstieg in diese Politik.

Die SPD steht dafür, dass aus einem sehr engen Zusammenwirken der Ressorts Arbeit und Soziales einerseits und Wirtschaft und Wissenschaft andererseits eine Politik für starke Wirtschaft und gute Arbeit aus einem Guss entstehen kann. Das heißt für uns sowohl Unterstützung für jene, die Hilfe brauchen, um ihre eigenen Chancen entfalten zu können, als auch die Unterstützung von Wirtschaftswachstum und Innovation. Beides zielt gleichermaßen darauf ab, dass Menschen Arbeit finden und für sich selbst sorgen können.

Zu beiden Häusern sind aber zusätzliche Aufgabenfelder hinzugekommen: erstens die Digitalisierung, weil auch dieser Bereich eine Aufgabe der Zukunftssicherung ist. Wir können und dürfen keine Region in unserem Land von Existenzgründungschancen und netzbasierter Daseinsvorsorge abhängen. Die Auseinandersetzung mit der vor

anschreitenden Digitalisierung von Industrieprodukten und allen anderen Wirtschaftsbereichen ist eine notwendige Aufgabe.

Zweites Aufgabenfeld, das im Bereich der Ministerin Grimm-Benne hinzugekommen ist, ist der Bereich Integration. Integration ist Grundlage für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Sie ist dafür unerlässlich.

Ich bin dem Ministerpräsidenten sehr dankbar dafür, dass er diese Herausforderung ausführlich beschrieben hat. Auf dieser Grundlage sollten wir gemeinsam für ein gelingendes Zusammenleben Mut machen und die verabredeten Maßnahmen konsequent umsetzen und damit auch ein deutliches Signal gegen die Hetze der AfD setzen.

(Zustimmung bei der SPD, bei der LINKEN und von Gabriele Brakebusch, CDU)

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten werden jedem entgegentreten, der auf weitere Spaltung, Verunglimpfung und Ausgrenzung setzt. Unser Land wird seine Entwicklungspotenziale nur entfalten können, wenn jeder und jede daran mitwirken kann und sich mitgenommen fühlt.

Wer hier lebt, braucht Zukunftschancen. Für die Rahmenbedingungen, für den Abbau von Benachteiligungen und dafür, dass es gerecht zugeht, dafür ist Politik da, dafür stehen die Fraktionen, die sich hier in dieser neuen Konstellation in Verantwortung begeben haben.