Protocol of the Session on May 24, 2018

Das Mittel, um dieses Ziel zu erreichen, ist eine zusätzliche Förderung für Kitas mit besonderen Herausforderungen. Kinder aus schwierigen Verhältnissen brauchen einfach mehr Zuwendung. Sie brauchen mehr Zeit und Aufmerksamkeit als Kinder, die unter günstigeren und fördernden Bedingungen aufwachsen. Um diesen Kindern einen guten Lebensstart zu ermöglichen - damit ist natürlich auch ein guter Schulstart gemeint -, braucht es zum Beispiel eine besondere Sprachförderung oder eine Stärkung der Mitbestimmung der Kinder, um deren Selbstwirksamkeit zu erhöhen, damit Kinder von klein auf lernen: Ja, ich habe mein Leben ein Stück weit selbst in der Hand, ich kann bestimmen, was aus mir und meinem Leben wird, ich bin den widrigen Gegebenheiten nicht schutzlos ausgesetzt.

Auch die Arbeit mit den Eltern kann verbessert werden. Wir alle wissen: Die Erziehungskompetenz der Eltern ist ein wesentlicher Faktor, damit sich Kinder aus ihrer sozialen Lage befreien können.

Anderswo können Ansätze der Gesundheitsförderung hilfreich sein. Schließlich wissen wir, dass Armut statistisch gesehen auch zu einer schlechteren Gesundheit führt. Die Bertelsmann-Stiftung kommt in ihrer Studie zu den Auswirkungen von Armut zu dem Schluss - ich zitiere -:

„Arme Kinder sind bei der Einschulung häufiger auffällig in ihrer Visuomotorik und der Körperkoordination, sie können sich schlechter konzentrieren, sprechen schlechter Deutsch und können schlechter zählen als“

„Kinder […] Neben der individuellen Armutslage eines Kindes beeinträchtigt auch die Armutskonzentration im Quartier und vor allem in der Kita die Entwicklungsmöglichkeiten von Kindern.“

Genau da, liebe Eltern und Erzieherinnen im Land, genau da setzen wir an, nämlich bei einer quartiersbezogenen Förderung für Kitas. Mit den zusätzlichen Mitteln wollen wir es den Kitas in Quartieren mit sozialen Herausforderungen ermöglichen, den Kindern mehr Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, um sie damit besser fördern zu können.

Das hilft nicht nur den Kindern, sondern unterstützt auch die Erzieherinnen und Erzieher vor Ort. Wir alle wissen: Der Personalschlüssel im Land ist im bundesweiten Vergleich nicht der allerbeste. Deswegen werden wir mit dem neuen KiFöG auch an dieser Stelle ansetzen.

Aus den Eckpunkten für das neue KiFöG haben Sie erfahren, wir werden zehn Krankheitstage in die Berechnung einbeziehen und damit die Personalsituation im gesamten Land konkret verbessern.

Die nun in Rede stehende besondere Förderung von Kitas in - salopp gesagt - sozialen Brennpunkten - das ist nicht unbedingt meine Wortwahl, aber Sie werden im Folgenden noch hören, dass es bei den Betroffenen selber durchaus als Brennpunkt ankommt -, diese Förderung, über die ich hier schon seit fünf Minuten rede, kommt noch on top.

Gerade dem Personal in diesen beschriebenen Kitas tut eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen besonders gut. Sie brauchen schlicht mehr Zeit für die Kinder. Sie brauchen mehr Zeit für Vor- und Nachbereitung. Diese Zeit stellen wir diesen Kitas zur Verfügung. So können sie die Herausforderungen ihres Berufes besser meistern. Ich setze darauf, dass Stress und Arbeitsverdichtung dadurch ein Stück weit abgebaut werden. Ich setze darauf, dass es heute ein Einstieg ist.

(Zustimmung von Dorothea Frederking, GRÜNE)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube fest an den Wert frühkindlicher Bildung. Deshalb kämpfe ich - Sie wissen das -, seit ich Mitglied dieses Hohen Hauses bin, auch sehr dafür, dass wir die Qualität der Kindereinrichtungen in unserem Land verbessern, und die Verbesserung dreht sich eben immer wieder - daran führt kein Weg vorbei - um den Personalschlüssel. Nur wenn wir beim Personalschlüssel gut aufgestellt sind, können gute Kitas ihre Wirkung entfalten.

Die Bildungsprozesse in den ersten Lebensjahren sind das Fundament der gesamten Bildungsbiografie und damit das Fundament für das gesamte Leben. Trägt dieses Fundament nicht, dann können Schule, Ausbildung und Studium und weitere berufliche Fortbildungen weit schwerer oder gar nicht greifen.

Kinder in Vierteln mit besonderem Entwicklungsbedarf sind doch nicht als dümmer geboren oder weniger talentiert oder haben weniger drauf, um es salopp zu sagen. Nein, sie leben nur in Verhältnissen, die diese Talente, die in jedem Kind schlummern, nicht zur Entfaltung kommen lassen. Deswegen, weil wir als Gesellschaft kein Kind zurücklassen dürfen - davon bin zumindest ich felsenfest überzeugt -, weil kein Kind in die Lage geraten soll, sein Potenzial nicht voll ausnutzen zu dürfen, müssen wir zuerst investieren.

Die alte Redewendung, was Hänslein nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr, hat schon ihre Berechtigung. Insofern bin ich fest davon überzeugt, mit noch besseren Kitas werden wir auch eine geringere Schulabbrecherquote im Land haben. Es liegt auf der Hand: je besser die Förderung in den ersten Jahren, desto größer die Wahrscheinlichkeit, die späteren Bildungsstationen gut absolvieren zu können.

Unser Bildungsprogramm „Bildung elementar“ setzt daher zu Recht hohe Maßstäbe. Es formuliert einen umfassenden Bildungsbegriff und kommt dem humanistischen Ziel einer kindgerechten, humanen und fundierten Kita sehr nahe. Gelingt es, dieses Programm in die Praxis umzusetzen, dann haben wir beste Voraussetzungen für unsere Kinder geschaffen.

Knackpunkt der Umsetzung, wie bereits mehrfach ausgeführt, ist der Personalschlüssel. Wie dargestellt, packen wir ihn zweifach an. Ich sehe das als Einstieg in die weitere Qualitätsverbesserung frühkindlicher Bildung in Sachsen-Anhalt.

Wir brauchen frühkindliche Bildung in hoher Qualität, die für alle Kinder bzw. für deren Eltern ohne finanzielle Hürden zugänglich ist.

Einige von Ihnen werden jetzt sagen, na ja, diejenigen, die nichts haben, bekommen den Platz sowieso, sie bekommen den Beitrag erstattet; damit gibt es doch eigentlich kein Problem. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie es immer so bei bedarfsgeprüften Leistungen ist, es gibt immer Menschen, deren Einkommen knapp über der Bemessungsgrenze liegt, die ganz wenig haben, aber trotzdem den vollen Beitrag zahlen müssen. Genau um diese Gruppe müssen wir uns bevorzugt kümmern. Auf Dauer ist das eine Situation, die so nicht hinnehmbar ist. Deshalb, werte Kolleginnen und Kollegen, brauchen wir beides, Beitragsfreiheit und Qualitätsverbesserung.

(Zustimmung von Dorothea Frederking, GRÜNE)

Es ist gut, dass es der Bund inzwischen auch erkannt hat. Wie zu hören ist, will die GroKo tätig werden. Ich bin sehr dafür, dass wir die Gelder, die aus Berlin zu erwarten sind, für mehr Personal und für die weitere Entlastung der Eltern einsetzen.

Mit der heutigen Sonderförderung werden wir aber zuvorderst dort ansetzen, wo es am nötigsten ist. Wenn Kitas als Schutzfaktoren gegen die negativen Folgen von Armut wirken, dann ist dies nachhaltige Armutsprävention.

Wir Bündnisgrünen halten die spezielle Förderung von Kitas mit besonderen Bedarfen seit Langem für den Schlüssel zur Armutsbekämpfung auf Landesebene. Ich bin stolz darauf, dass wir diesen Ansatz im Koalitionsvertrag verankern konnten. Ich bin stolz darauf, dass wir ihn in den Eckpunkten für das KiFöG verankern konnten. Ich denke, ich werde auch stolz sein, wenn wir es in der Praxis wirksam werden lassen können.

Heute nun wird dieser Punkt eben mit dem Antrag untersetzt und dem konkreten Auftrag an die Landesregierung, ein entsprechend konkretes Konzept zu erarbeiten. Ziel ist es, zeitgleich mit dem neuen KiFöG auch die Sonderförderung wirksam werden zu lassen.

Im Übrigen ist dieser Weg eines gesonderten Förderstranges ein wissenschaftlich gut fundierter Ansatz. Das Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik in Frankfurt hat entsprechende Landesförderungen etwa in Hessen, Hamburg oder Berlin evaluiert.

Meine Fraktion hatte die Projektverantwortliche dafür zu unserem Fachtag zur Frage „Kinderarmut. Was kann die Kita tun?“ eingeladen. Die Ausführungen und die gesamten Evaluationsergebnisse sind im Netz nachlesbar. Sie zeigen, es gibt natürlich länderangepasst Unterschiede, aber was alle Sonderförderungen eint, das ist, sie führen stets zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen vor Ort. Sie führen stets zu intensiverem

Kontakt zu den Eltern. Sie führen stets dazu, dass einzelne Kinder individuell besser gefördert werden können.

Was noch ein spannender Nebeneffekt ist: Sie führen auch dazu, dass die Erzieherinnen und Erzieher mehr Fortbildungen wahrnehmen. Ich erkläre es mir so, dass sie die Zeit dafür haben, erstens überhaupt eine Fortbildung zu besuchen und zweitens das, was sie bei der Fortbildung gelernt haben, auch umzusetzen. Das sind alles Dinge, von denen wir in Sachsen-Anhalt noch weit entfernt sind.

Ich bin mir aber sicher, dass das, was wir heute auf den Weg bringen, tatsächlich zu nachhaltiger Qualitätsentwicklung in Sachsen-Anhalt beitragen wird.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Wenn ich noch einmal aus der entsprechenden Studie der Bertelsmann-Stiftung zitieren darf - sie kommt nämlich zu dem Schluss, dass sich in Kitas, die eine zusätzliche Förderung aufgrund ihres Status als Sozialer-Brennpunkt-Kita erfahren haben, das Risiko der Kinder reduziert, etwa eine schlechtere Hand-Augen-Koordination zu erlangen. Zum Bereich Konzentrationsschwäche schreiben die Autoren:

„Generell gilt, dass eine hohe Armutskonzentration in der Kita das Risiko einer Konzentrationsschwäche aller Kinder in der Kita erhöht.“

Das heißt, findet in der Kita soziale Segregation, also Kulmination von Armut statt, dann potenzieren sich sogar noch die negativen Folgen von Armut und gelten für alle Kinder in dieser Einrichtung.

Es gibt aber auch eine gute Nachricht; denn weiterführend wird festgestellt:

„Soziale-Brennpunkt-Kitas können das Risiko reduzieren, wenn an diesen Status der Brennpunkt-Kita eine besondere Förderung geknüpft ist.“

Wir haben es, kurz gesagt, mit einer gezielten Förderung zu tun, die auf spezifische Bedarfe antwortet und dem Prinzip folgt, Ungleiches ungleich zu behandeln.

Damit die Frage erst gar nicht aufkommt und keine Missverständnisse entstehen: Dieses Prinzip macht deutlich, eine besondere Förderung für bestimmte Kitas und bestimmte Kinder nimmt den anderen nichts weg. Wir sind dabei - das habe ich eingangs beschrieben -, das Niveau insgesamt zu heben.

Das, was wir jetzt hier machen, kommt eben noch on top, wenn wir feststellen, dass es besondere Herausforderungen gibt. Jede Kita hat andere

Herausforderungen zu managen. Auf diese unterschiedlichen Gegebenheiten vor Ort antwortet unser Ansatz mit der Sonderförderung durch die Möglichkeit, individuell tätig zu werden.

Auf dem bereits erwähnten Fachtag zur Frage „Kinderarmut. Was kann die Kita tun?“ traten Erzieherinnen einer Kita aus Halle an der Saale auf. Sie hatten sich im Vorfeld mit einem offenen Brief an mich gewandt, haben ihn dort aber auch verlesen. Sie haben sehr eindringlich selber darum gebeten, ihre tägliche Arbeit besser vom Land unterstützt zu sehen.

Sie schreiben: Das Wohnumfeld unserer Brennpunkt-Kita ist durch hohe Arbeitslosigkeit geprägt. Viele Familien sind sozialschwach und bildungsfern. Die psychische Belastung ist besonders groß. Angst um den Arbeitsplatz, Gewalt, Suchtprobleme, finanzielle Probleme prägen die Alltagssituationen in den Familien und sind täglich Gesprächsthema in der Kita.

Sie schildern, wie sie diese Beanspruchung zerreibt, und appellieren, dringend mehr Personal für Kitas in sozialen Brennpunkten bereitzustellen. Es macht mich glücklich, dass wir heute diesem Appell Taten folgen lassen können,

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

und zwar nicht - das ist mir ganz wichtig - als karitativer Akt, sondern weil wir in der viertreichsten Industrienation der Welt die verdammte Pflicht haben, uns um jedes Kind zu kümmern, jedem Kind die Möglichkeit zu geben, seine Chancen und Potenziale voll zu entfalten.

(Zustimmung von Frank Scheurell, CDU)

Vielen Dank.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Abg. Lüddemann. Es gibt eine Nachfrage. - Bitte, Herr Backhaus.

In Ihrem Antrag sprechen Sie von Kindern und Familien in Armutslagen. Sie haben aber keinesfalls Familien darin, die bewusst auf die Kindertagesstätte verzichten. Welche Förderung haben Sie für diese in Ihrem Konzept - für Familien,