Protocol of the Session on April 20, 2018

Aus Zeitgründen kann ich jetzt nicht alle Problemfelder der Nutzungseinschränkungen aufzählen, ich verweise aber auf eine Werft im Jerichower Land oder auf die Radwege an der Elbe, an der Saale, an der Unstrut und wo auch immer. Daher fordert meine Fraktion ein gesundes Augenmaß, ja, einen Dreiklang aus ökologischen und ökonomischen Belangen sowie der Akzeptanz in der Bevölkerung.

(Zustimmung bei der CDU)

Wir müssen bereits jetzt aktiv dafür sorgen, dass absehbare Folgen verhindert werden. Dies gilt für die künftige Entwicklung von Infrastruktur und Gewerbe genauso wie für die Entschädigungen. Denn Natura 2000 darf nicht zu einer Enteignung durch die Hintertür führen, indem eine Landnutzung nicht mehr erfolgen kann.

(Zustimmung bei der CDU)

Da die Natura-2000-Richtlinie Ausgleichszahlungen vorsieht, fordern wir, entsprechende Ausgleichszahlungen auch umfänglich und rechtssicher vorzunehmen. Dazu ist es erforderlich, nach dem Jahr 2020 die Natura-2000-Mittel anzuheben. Derzeit reichen sie schätzungsweise für eine Fläche von 10 000 ha. Benötigt werden sie

aber für betroffene Nutzflächen von 80 000 ha. Nach unseren Informationen können die Mittel für Ausgleichszahlungen auch nicht beliebig umgeschichtet werden.

(Zustimmung von Bernhard Daldrup, CDU, und von Guido Heuer, CDU)

Ein weiteres Beispiel: Einschränkungen für Ökolandwirte in Natura-2000-Gebieten werden nach jetziger Vorlage nicht nach den Öko-Richtlinien, sondern nach der Natura-2000-Richtlinie und damit niedriger abgegolten. Das vermindert die Akzeptanz zusätzlich. Das wäre natürlich auch widersinnig, weil wir den Ökolandbau über Jahre hinweg finanziell fördern und gefördert haben. Hierbei sollte eine Wahlmöglichkeit geschaffen werden.

(Zustimmung von Bernhard Daldrup, CDU, und von Guido Heuer, CDU)

Meine Damen und Herren! Natura 2000 darf nicht zur Entmündigung der Menschen im ländlichen Raum führen. Wir sind in diesem Land im Jahr 1989 aus drei Gründen auf die Straße gegangen: Wir wollten Demokratie, wir wollten Meinungsfreiheit und wir wollten uns wieder frei bewegen. Heute erleben die Menschen, die damals auf die Straße gegangen sind, dass ihre Meinung durch kleine und gut organisierte Interessengruppen erneut eingeschränkt wird und sie bei wichtigen Entscheidungen in ihrem unmittelbaren Lebensumfeld nicht mehr gefragt werden.

Solange das Mantra des Natur- und Artenschutzes über dem Schutz des Menschen steht, wird es keine Akzeptanz in der Bevölkerung geben. Natura 2000 sehen wir deshalb als Chance dafür, das Vertrauen in die Politik und in ein vereintes Europa zurückzugewinnen.

(Zustimmung bei der CDU)

Kehren wir wieder vollumfänglich zurück zum Subsidiaritätsprinzip! Denn mit immer neuen Restriktionen sagen wir den Menschen doch, dass sie nicht in der Lage sind, mit ihrer Natur, mit ihrer Heimat verantwortungsvoll umzugehen. Warum vertrauen wir unseren Menschen nicht? Freiwilliger Naturschutz - analog zu Frankreich oder anderen Ländern - wäre unsere Idealvorstellung.

(Zustimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Natura 2000 ist vom Grundsatz her ein gutes Instrument. Es muss aber auch Bestandteil regionaler Konzeptionen im Abwägungsprozess sein. Das Land Sachsen-Anhalt hat eine gute Dichte bei den Großschutzgebieten. Wir brauchen keine weiteren Schutzräume, die am Ende sogar, ganzheitlich betrachtet, eine Verschlechterung des jetzigen Zustands bedeuten würden.

Wir brauchen Entscheidungen mit Augenmaß, Entscheidungen, die eine künftige Entwicklung er

möglichen und das gesellschaftliche Leben nicht einschränken. Der beste Naturschutz ist jener, der die Bevölkerung nicht gängelt. Wenn wir Natura 2000 so umsetzen, dass die Menschen nicht merken, dass sie in einem Schutzgebiet leben, dann ist mir um deren Akzeptanz nicht bange.

(Zustimmung bei der CDU)

Das ist eine große Chance für die Politik. Wir haben es in der Hand, Sie haben es in der Hand, Frau Ministerin. - Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Ich sehe keine weiteren Fragen, deshalb können wir jetzt in die Debatte einsteigen. Die Redezeit beträgt, wie gesagt, jeweils zehn Minuten. Für die Landesregierung spricht Ministerin Frau Prof. Dr. Dalbert. Sie haben das Wort.

Danke. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Natur- und Umweltschutz ist Lebensschutz. Wir Menschen leben von der Natur und genau deshalb müssen wir sie erhalten. Das ist für mich auch eine Frage der Gerechtigkeit oder, noch genauer, der Generationengerechtigkeit; denn wir tragen die Verantwortung dafür, dass wir auch unseren Enkelkindern noch eine lebenswerte und intakte Umwelt hinterlassen, indem wir jetzt und hier in Sachsen-Anhalt für eine intakte Natur und eine lebenswerte Umwelt sorgen.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜ- NE)

Das massive Artensterben gehört zu den beiden großen Herausforderungen unserer Zeit. Es zeigt an, dass wir unsere Lebensgrundlagen systematisch vernichten. Genau deshalb müssen wir das Artensterben stoppen.

Wissenschaftler schätzen, dass täglich bis zu 150 Pflanzen- und Tierarten aussterben. Für unser Bundesland Sachsen-Anhalt gelten mindestens 1 293 Arten als ausgestorben oder verschollen. Deswegen ist es unsere gemeinsame Aufgabe, den Verlust von Lebensräumen aufzuhalten und unsere Landnutzung so anzupassen, dass die heimische Artenvielfalt erhalten bleibt. Die Vielfalt der Arten, sauberes Wasser, saubere Luft und gesunde Böden, das sind unsere Lebensgrundlagen, und diese dürfen wir nicht zerstören.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Deutschland ist eines der am dichtesten besiedelten Länder Europas. Historisch haben die Flächennutzungen einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung der biologischen Vielfalt geleistet. Aber derzeit verändern sich die Lebensbedingun

gen der heimischen Tier- und Pflanzenarten erheblich in eine Richtung, die zum Artensterben beiträgt. Hierzu zählen in besonderem Maße Änderungen der Flächennutzung, Verlust und Zerschneidung von Lebensräumen sowie die Auswirkungen der Klimakrise.

Wesentliche Ziele bei der nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt konnten bisher noch nicht erreicht werden, sodass trotz vieler Initiativen das Artensterben weiter fortschreitet. Genau deshalb sind dringend Maßnahmen notwendig, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken.

Ein zentrales Instrument - Herr Zimmer führte es aus - ist sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene das Natura-2000-Projekt, also die Anstrengung, historisch gewachsene Kulturlandschaften in einem Netz zusammenhängender Naturschutzgebiete darzustellen. Zu dessen Einrichtung und Entwicklung haben sich die Mitgliedstaaten verpflichtet.

Das heißt, für das Land Sachsen-Anhalt besteht die vordringliche Aufgabe derzeit in der nationalrechtlichen Sicherung von 266 FFH-Gebieten sowie 32 Vogelschutzgebieten mit einer Gesamtfläche von 232 000 ha. Das entspricht einem Anteil von 11 % der Landesfläche.

Kommen wir zum Abstimmungs- und Beteiligungsprozess. Der eingeleitete Prozess der Umsetzung von Natura 2000 in unserem Land hat zum Ziel, die europarechtlichen Anforderungen an die Sicherung der Natura-2000-Gebiete bis spätestens Ende 2019 zu erfüllen. Das ist unser Landesbeitrag, um das drohende Klageverfahren der EU, wenn möglich, abzuwenden.

Sie wissen, bereits im vierten Quartal 2014 startete das Landesverwaltungsamt ein breit angelegtes Vorverfahren mit dem Ziel, alle Nutzergruppen vorfristig in das Verfahren einzubeziehen und die geplanten Inhalte zu vermitteln und abzustimmen. Allein hierbei wurden etwa 150 Veranstaltungen in allen Landkreisen, mit Vertretern aller Nutzergruppen, mit Naturschutzvereinigungen, mit den Gemeinden, in Bürgermeisterdienstberatungen und mit den kreisfreien Städten, in den Umweltausschüssen, aber auch mit den betroffenen Bewirtschaftern durchgeführt. Die unteren Naturschutzbehörden und Großschutzgebietsverwaltungen wurden darüber hinaus im Rahmen schriftlicher Stellungnahmen an der Entwurfs- sowie der Kartenerarbeitung beteiligt.

Die Abstimmung der landwirtschaftlichen Bestimmungen begann bereits im Jahr 2013 und erfolgte sowohl mit den Landwirtschaftsbehörden als auch mit den berufsständischen Vereinigungen.

Der im Ergebnis des Vorverfahrens erstellte Verordnungsentwurf lag im Rahmen des förmlichen Beteiligungsverfahrens im Zeitraum vom 4. Okto

ber bis zum 4. Dezember 2017 in den betroffenen Städten, Einheits- und Verbandsgemeinden sowie im Landesverwaltungsamt öffentlich aus.

Herr Zimmer, da Sie die Zweimonatsfrist ansprachen, der sich dann noch die Online-Beteiligung angeschlossen hat: Überall dort, wo das Landesverwaltungsamt gebeten wurde, die Anhörungsfrist zu verlängern, weil eine Stellungnahme noch nicht fertig war, hat es diese verlängert. Insofern hatten, denke ich, alle in diesem Anhörungsverfahren eine gute Möglichkeit, sich zu beteiligen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Insgesamt sind im Landesverwaltungsamt 3 500 Stellungnahmen eingegangen, die jetzt bewertet und abgewogen werden. Dies läuft über eine Datenbank, in der alle Stellungnahmen erfasst sind. Im Augenblick ist der Stand, dass etwa drei Viertel der Stellungnahmen in den Prozess eingegliedert worden sind und die Gewichtung bzw. Abwägung vollzogen wurde.

Kommen wir nun, Herr Zimmer, zum Augenmaß bzw. zum Umgang mit der Kritik an Natura 2000. Dem kann man, denke ich, einen Satz voranstellen: Die in der Öffentlichkeit am Verordnungsentwurf pauschal geäußerte Kritik resultiert häufig aus der fehlerhaften Interpretation der Vorschriften. Insbesondere die Freistellungsregel des § 18 wird häufig nicht ausreichend berücksichtigt.

In vielen Fällen konnten diese Befürchtungen nach den entsprechenden Erläuterungen ausgeräumt und die Fälle geklärt werden. Ich nenne ein Beispiel, das auch durch die Presse ging: die Barthel-Werft in Derben, also südlich von Tangermünde. Das konnte dann geklärt werden. Sie haben es ja auch in Ihren Ausführungen gesagt: Es gibt die Möglichkeit, Ausnahmeregelungen zu gestalten, um solche Fälle einvernehmlich zu klären.

Ich möchte auf einen zweiten Fall eingehen, weil Sie dazu meines Erachtens in Ihrer Rede etwas Falsches gesagt haben. Für den Hammerbach und die Köhlerei gibt es Ausnahmeregelungen. Dazu ist die untere Naturschutzbehörde angewiesen worden.

(Lars-Jörn Zimmer, CDU: Das weiß ich nicht!)

Sie ist bereits zum zweiten Mal dazu angewiesen worden. Wir hatten im letzten Jahr eine Ausnahmegenehmigung, und es gibt für dieses Jahr bis zum nächsten Jahr eine Ausnahmegenehmigung dafür, die dortigen Nahrungsdämme des Bibers zu entfernen. Insofern wurde auch dort eine Abwägung zwischen den Interessen derer, die dort die Köhlerei betreiben, und dem Biberschutz vorgenommen. In diesem Fall ist sozusagen zugunsten der Köhlerei entschieden worden. Das möchte ich hier nur zu Protokoll geben, damit das nicht falsch in die Annalen eingeht.

Lassen Sie mich weiter zu Natura 2000 ausführen. Selbstverständlich können auch Handlungen von außen negativ auf ein Gebiet einwirken. Dazu zählen natürlich die Einflüsse von Lärm, Stoffeinträge oder Veränderungen des Wasserhaushaltes. Die Landesverordnung sieht deshalb Schutzbestimmungen auch für solche Handlungen vor, die in die besonderen Schutzgebiete von außen hineinwirken und so zu einer Verschlechterung des Erhaltungszustandes führen können. Besondere Bedeutung hat diese Regelung für die Fließgewässer.

Zusammenfassend ist also festzustellen, dass es sich bei den durch die Landesverordnung Natura 2000 aufgestellten Regelungen nicht, wie häufig angenommen, um entschädigungspflichtige Enteignungen, sondern um Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums gemäß Artikel 14 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes handelt.

Aber wir sind uns ebenso einig darüber - wir haben dies auch mit den Abgeordneten von der CDU, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN besprochen -, dass der Natura-2000-Ausgleich bis zum Ende dieser Legislaturperiode und darüber hinaus gesichert ist. Mehr noch, wir wollen beim Natura-2000-Ausgleich zu Verbesserungen kommen. Das halten wir gemeinsam im Sinne der Akzeptanz für zentral. Deswegen wird es auch, wenn die Verordnung letztlich vorliegt, eine vordringliche Aufgabe sein, hierfür gemeinsam ein gutes Bündel zu schnüren, sodass es zu einem besseren Natura-2000-Ausgleich kommt.

Auch in die Lösung der von Ihnen, Herr Zimmer, angesprochenen Angelegenheit mit dem Ökolandbau stecken wir - so sage ich es jetzt einmal salopp - Gehirnschmalz hinein, damit wir dieses Problem ebenfalls lösen. Insofern haben wir meines Erachtens eine gemeinsame Problemwahrnehmung und werden das auf einen guten Weg bringen.

Lassen Sie mich noch etwas zur Verwaltung sagen. Die Zuständigkeit für die Verwaltung der gesicherten Natura-2000-Gebiete liegt gemäß § 3 Abs. 1 der Zuständigkeitsverordnung für den Naturschutz bei den unteren Naturschutzbehörden.

Für den Vollzug der Landesverordnung ist ein Mehraufwand absehbar. Gegenüber den Landkreisen wurde seit 2014 der bevorstehende Arbeitsaufwand für die unteren Naturschutzbehörden mehrmals dargestellt. Es ist aber davon auszugehen, dass die komplette Verwaltung der Natura-2000-Gebiete zum Zeitpunkt des Erlasses der Landesverordnung noch nicht in Gänze durch die unteren Naturschutzbehörden leistbar sein wird. Zudem sind die Belastungen der Landkreise aufgrund der flächenmäßigen Betroffenheit sehr unterschiedlich.

Die obere Naturschutzbehörde wird daher den Vollzug noch für einen längeren Zeitraum intensiv