Protocol of the Session on April 20, 2018

Sehr geehrte Damen und Herren! Hiermit eröffne ich die 47. Sitzung des Landtages von SachsenAnhalt der siebenten Wahlperiode. Ich begrüße Sie alle auf das Herzlichste.

Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses fest.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir setzen nunmehr die 22. Sitzungsperiode fort und beginnen die heutige Beratung mit den drei Themen der Aktuellen Debatte unter dem Tagesordnungspunkt 6.

Ich erinnere daran, dass Minister Herr Webel für heute ganztägig entschuldigt ist.

Wir kommen zum

Tagesordnungspunkt 6

Aktuelle Debatte

Für die Aktuelle Debatte liegen drei Themen vor, wobei das erste Thema in verbundener Beratung mit einem Antrag behandelt werden soll. Die Redezeit beträgt zehn Minuten je Fraktion. Die Landesregierung hat ebenfalls eine Redezeit von zehn Minuten.

Ich rufe das erste Thema der Aktuellen Debatte auf:

Betriebliche Mitbestimmung stärken - Betriebsverfassungsrecht fortentwickeln

Antrag Fraktion SPD - Drs. 7/2717

Betriebsräte besser schützen - betriebliche Mitbestimmung in Sachsen-Anhalt stärken!

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 7/2689

Alternativantrag Fraktionen CDU, SPD und

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 7/2752

Eine gesonderte Einbringung der dazu vorliegenden Anträge ist nicht vorgesehen. Es wurde folgende Reihenfolge vereinbart: SPD, DIE LINKE, CDU, AfD, GRÜNE.

Zunächst hat die Antragstellerin, die SPD, das Wort. Für die SPD sprechen die Abg. Frau Dr. Pähle und der Abg. Herr Steppuhn. Sie teilen sich das? - Okay. Sie haben das Wort, Frau Dr. Pähle. Bitte.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Hohes Haus! In der letzten Landtagssitzung am 8. März 2018 haben wir in einer Aktuellen Debatte über 100 Jahre Frauenwahlrecht diskutiert. Heute sprechen wir über die betriebliche Mitbestimmung, die in ihren Anfängen genauso wie das Frauenwahlrecht und so viele andere demokratische Rechte mit der Novemberrevolution von 1918 erkämpft wurde.

Doch es gibt einen wesentlichen Unterschied: Niemand stellt heute das Frauenwahlrecht infrage. Ganz im Gegenteil: Wir haben uns das Ziel gesetzt, die Beteiligungschancen von Frauen auch im Wahlrecht weiter auszubauen. Das Recht der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, einen Betriebsrat zu wählen, ist hingegen an vielen Orten noch immer keine Selbstverständlichkeit, leider auch in Sachsen-Anhalt nicht.

Eine Betriebsrätekonferenz, zu der meine Fraktion vor 14 Tagen eingeladen hatte, hat leider ganz aktuell wieder belegt, dass es Beschäftigte, die in ihrem Betrieb die Initiative ergreifen, um einen Betriebsrat zu wählen, oftmals mit Schikanen und Kündigungsdrohungen zu tun bekommen. Aber auch gewählten Betriebsräten werden Steine in den Weg gelegt.

Meine Damen und Herren! Wir sind daher froh, dass der Landtag heute ein eindeutiges Bekenntnis zur Unterstützung der Arbeit von Betriebsräten abgeben wird. Das ist angesichts der noch laufenden Betriebsratswahlen das richtige Signal.

Es gibt viele Gründe, dieses Signal zu senden und Betriebsräten und Beschäftigten den Rücken zu stärken. Einerseits ist die Wahl von Interessenvertretungen auf betrieblicher Ebene ein demokratisches Recht, das sich keine Arbeitnehmerin, kein Arbeitnehmer streitig machen lassen sollte.

(Zustimmung bei der SPD)

Zum anderen ist die Zusammenarbeit von Arbeitnehmern und Arbeitgebern für beide Seiten nachweisbar von Nutzen. Alle Studien zeigen, dass sich Mitbestimmung positiv auf Produktivität, auf Lohnentwicklung und Lohngleichheit, auf Rendite, auf Arbeitsplatzsicherheit sowie auf Ausbildung und Weiterbildung auswirkt, um nur einige Faktoren zu nennen. Mitbestimmung ist damit ebenso wie Tarifbindung ein Standortfaktor.

Es sind übrigens nicht immer nur die Unternehmer, bei denen es Vorbehalte gegen die Wahl von Betriebsräten gibt. Es gibt teilweise auch in den Belegschaften große Unkenntnis darüber, welche Vorteile Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben, wenn ein Betriebsrat in ihrem Namen sprechen und mitbestimmen kann. Hierbei ist viel Aufklärungsarbeit nötig und möglich. Auch das müssen wir in den Blick nehmen.

Meine Damen und Herren! Wirtschaft und Arbeitswelt stehen am Beginn eines weiteren tiefgreifenden technologischen und strukturellen Wandels. Das bedeutet Herausforderungen nicht nur für Politik und Unternehmen, sondern auch für Gewerkschaften und betriebliche Interessenvertretungen.

Gerade weil die Digitalisierung für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie für die ganze Gesellschaft Chancen und Risiken birgt, werden wir für die Gestaltung dieses Wandels die Instrumente der betrieblichen Mitbestimmung dringender denn je brauchen.

Ich möchte nur einige der Fragen anführen, die sowohl in der Politik als auch zwischen den Tarifparteien und natürlich in der Praxis der Betriebe beantwortet werden müssen:

Wie setzen wir der Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eine Grenze? - Ich bin der Landesregierung sehr dankbar dafür, dass sie in der Digitalen Agenda bereits eine entsprechende bundespolitische Initiative für die Modernisierung und Verbesserung des Arbeitsschutzes angekündigt hat. Das ist notwendig.

Wie gewährleisten wir Datenschutz für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die mit Geräten mit künstlicher Intelligenz arbeiten oder - so muss man es schon sagen - zusammenarbeiten? KI beruht ja darauf, dass Maschinen menschliches Verhalten beobachten und auswerten. Dabei fallen Unmengen von Daten an, bezüglich derer noch nicht geklärt ist, wie diese unter welchen Schutz gestellt werden können und vor dem Zugriff für unzulässige Zwecke geschützt werden.

Wie wird Mitbestimmung ganz praktisch organisiert, wenn die Belegschaft an unterschiedlichen Orten digital zusammenarbeitet? Kann es Betriebsversammlungen zukünftig auch online geben? Das ist eine Frage dabei.

Wir müssen damit rechnen, dass die weitere Digitalisierung eine weitere Stufe der Globalisierung anschieben wird. Wie setzen wir durch, dass in Deutschland gesetzlich verankerte Mitbestimmungsrechte auch dann gelten, wenn die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zwar hier arbeiten, das Unternehmen aber anderswo angesiedelt ist?

Schließlich sehe ich eine besonders wichtige Aufgabe der Mitbestimmung bei der Ausgestaltung von Ausbildung und Weiterbildung. Die veränderten Bedingungen müssen auch hier angepasst werden, damit alle Arbeitnehmerinnen die Chancen auf Weiterbildung nutzen können, um sich der Arbeitswelt tatsächlich immer weiter anpassen zu können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Johannes Rau sagte bereits im Jahr 2001:

„Die Mitbestimmung schränkt das alleinige Verfügungsrecht der Kapitaleigner so ein, wie es dem Geist und dem Buchstaben unseres Grundgesetzes entspricht. Das Grundgesetz garantiert ja bekanntlich nicht nur den Gebrauch des privaten Eigentums und seinen Schutz. Das Grundgesetz verlangt auch, dass das private Eigentum zugleich dem Allgemeinwohl zu dienen hat. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass die gesetzlichen Grundlagen der organisierten Mitbestimmung modern sind und den Verhältnissen von heute entsprechen.“

Diese kritische Beurteilung gilt heute erst recht. Deshalb ist es unsere aktuelle Aufgabe, das Betriebsverfassungsgesetz fortlaufend zu modernisieren und an die neuen Herausforderungen anzupassen. Es ist offenkundig eine Daueraufgabe, den Unternehmen, die sich auf Weltmärkten behaupten wollen, aber Angst vor der Mitbestimmung haben, Mut zuzusprechen und ihnen die Vorteile immer wieder geduldig zu erklären. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Dr. Pähle. - Herr Steppuhn, Sie haben das Wort. Bitte schön.

Danke schön. - Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt wohl keinen besseren Zeitpunkt als kurz vor dem 1. Mai, dem Tag der Arbeit, um über die Rechte von Betriebsräten und über Mitbestimmung zu debattieren.

Betriebsräte - meine Kollegin Katja Pähle hat es schon erwähnt - sind ein wichtiger gesellschaftspolitischer Faktor in der Arbeitswelt und somit auch im Arbeitsleben, wenn es um die Interessenvertretung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in den Unternehmen geht. Sie sind zugleich ein Garant für die Gestaltung von fairen Arbeitsbedingungen in vielen Bereichen unserer Wirtschaft. Oft kennen die Betriebsräte die Probleme im Unternehmen besser als ihr Chef. Deshalb habe ich große Achtung und Respekt vor dem, was Betriebsräte gerade in Krisensituationen gemeinsam mit den Gewerkschaften im Rahmen einer funktionierenden Sozialpartnerschaft leisten.

Dennoch wissen wir auch, dass Betriebsräte nicht überall willkommen sind. Manche von ihnen werden nicht beachtet oder man hält sie für Störenfriede. Beispiele für Entlassungen und für die Ausübung von Repressalien sind uns aus dem ganzen Land bekannt, sind uns von den Gewerkschaften benannt worden. Sogar Rechtsanwälte, die sich damit rühmen, jeden Betriebsrat loszu

werden, werden eingesetzt. All dies nur, weil sich Betriebsräte für ihre Kolleginnen und Kollegen im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes einsetzen.

Es gibt zahlreiche Beispiele dafür, dass Unternehmen die Einleitung und die Durchführung von Betriebsratswahlen behindern. Zahlreiche Prozesse vor den Arbeitsgerichten zeugen davon. Es gibt sogar Fälle, in denen die Wahlbekanntmachungen am Schwarzen Brett in den Unternehmen mit Polizeieinsätzen durchgesetzt werden mussten. Einige konkrete Beispiele seien an dieser Stelle genannt. Natürlich sind auch die Namen der Betriebe bekannt; ich will darauf verzichten, sie hier zu nennen.

Da ist ein Betrieb aus dem Bereich der IG BCE in Oebisfelde. Dort musste der Wahlvorstand per Gericht eingesetzt werden. Zuvor war dem Initiator der Wahl gekündigt und er von der Arbeit freigestellt worden. Einem Wahlvorstandsmitglied war sogar fristlos gekündigt worden. Das, meine Damen und Herren, ist nicht die Mitbestimmung, die wir uns vorstellen.

Da ist ein Maschinenbaubetrieb aus Magdeburg. Das Unternehmen wurde plötzlich aufgespalten, nur um die Wahl eines Betriebsrates zu verhindern.

Da ist ein Unternehmen aus Barleben mit 120 Beschäftigten, in dem die Wahl eines Betriebsrates im Keim erstickt wurde. Den Initiatoren wurde ebenfalls gekündigt bzw. sie wurden freigestellt.

Und da gibt es ein großes Reinigungsunternehmen im Land, wo das Personalbüro Briefwahlunterlagen öffnet und die Wahl kontrolliert - das gleiche Unternehmen, das in einer großen Klinik die Beschäftigten mit Akkordleistungen unter Druck setzt und erklärt, man brauche keinen Betriebsrat, und wo die Kolleginnen und Kollegen Mühe haben, den Mindestlohn zu erhalten.

Meine Damen und Herren! Wir befinden uns gerade in dem Zeitraum der Betriebsratswahlen, die alle vier Jahre stattfinden. Ich hoffe sehr, dass es gelingt, mehr Betriebsräte zu wählen als in der Vergangenheit. Deshalb werbe ich ausdrücklich dafür, von den Möglichkeiten des Betriebsverfassungsgesetzes Gebrauch zu machen. Betriebsräte sorgen für die Mitbestimmung in den Unternehmen und haben eine Schutzfunktion für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Demokratie darf nicht am Werkstor oder am Eingang zum Büro enden, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der SPD)

Herr Kollege Steppuhn, Ihre Redezeit ist schon überschritten.

Das sehe ich, Frau Präsidentin. - Vielleicht noch der Hinweis: Schon in Betrieben mit mehr als fünf Beschäftigten darf ein Betriebsrat gewählt werden. Übrigens - ich weiß nicht, ob es alle hier in diesem Hause wissen -: Mitbestimmung bei Betriebsschließungen, Kündigungen und damit auch Sozialplänen gibt es nur mit einem Betriebsrat. Das sind wichtige Gründe dafür, einen Betriebsrat zu haben. Meine Damen und Herren! Nur am Rande sei erwähnt