Protocol of the Session on April 19, 2018

In Krisenzeiten sollen die Milchlieferungen verringert werden, um die Preise zu stabilisieren. Das muss in allen EU-Mitgliedsländern gleichzeitig passieren, damit es nicht zu Wettbewerbsverzerrungen kommt. Nach der Krise könnten die Betriebe ihre Mengen wieder hochfahren. Das zeigt schon, dass es sich eben nicht um die im April 2015 abgeschaffte Quote handelt.

Zweitens wollen wir, dass Deutschland die seit Dezember 2017 geltenden neuen Möglichkeiten des Artikels 148 der EU-Verordnung zur gemeinsamen Marktorganisation nutzt und schriftliche Verträge zwischen Milcherzeugern und Molkereien vorschreibt. Das Vorschreiben der schriftlichen Verträge war bislang auch schon möglich, aber neu ist, dass diese Verträge auch ganz konkret feste Preise für eine bestimmte Menge und einen bestimmten Lieferzeitraum vorsehen können. Das schafft Planbarkeit und Sicherheit für beide Seiten. Die Erzeuger wissen, mit welchem Milchpreis sie kalkulieren können. Die Molkereien wissen, mit welchen Mengen sie kalkulieren können.

Mit Verträgen erhalten die Milcherzeuger auch die dringend erforderliche Mitsprache. Sie werden gestärkt in ihren berechtigten Interessen, emanzi

pieren sich auch von der jahrzehntelangen Andienungspflicht und ihrem Status als Restgeldempfänger. Denn mit der noch bestehenden Andienungspflicht dürfen die Landwirtinnen und Landwirte nur an eine Molkerei liefern und müssen letztlich das Milchgeld akzeptieren, das ihnen Wochen später nach der Lieferung gegeben wird.

Wir müssen wegkommen von der Andienungspflicht, sodass Milchlieferanten ihre Milchmengen flexibel am Milchmarkt unterbringen können.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜ- NE, und von Guido Heuer, CDU)

Diese im Antrag formulierten Vorschläge und Forderungen erfordern politisches Handeln; denn bei der Milch haben wir es mit einem Marktversagen zu tun, das ich mit folgendem Vergleich noch etwas beleuchten möchte: Ihren Aufwand für die Erzeugung von Bier und Mineralwasser bekommen die Brauereien und Brunnenbetriebe über den Verkauf bezahlt und für einen Gewinn ist auch noch etwas drin. Ganz logisch, könnte man meinen.

Doch bei der Produktion von Milch funktionieren die Gesetze des Marktes nicht. Hier gibt es ein Überschussproblem, das bei Bier und Mineralwasser nicht auftritt. Die Brauereien als die Biererzeuger verkaufen ihr Produkt selber auf dem Markt. Sie kennen die Nachfrage. Bei den Milcherzeugern ist das aber anders. Die landwirtschaftlichen Betriebe wissen gar nicht, wie viel Milch der Markt zu einem vernünftigen Preis verträgt. Denn nicht sie, sondern die Molkereien als Verarbeiter verkaufen die Milch und die Milchprodukte, wie zum Beispiel Käse, an den Handel und an die Lebensmittelindustrie.

Die Industrie sieht die Milch als Rohstoff an und hat natürlich auch ein Interesse daran, dass dieser Rohstoff so billig wie möglich angeboten wird.

In der Regel erst sechs Wochen nach der Lieferung erhalten die Bäuerinnen und Bauern, die an der Preisbildung nicht beteiligt sind, das Geld für die zuvor abgelieferte Milch. Die Molkereien verdienen aber an jedem Liter. Sie haben ein Interesse daran, viel zu verkaufen. Deshalb fokussieren sie zum Teil auch auf den Export außerhalb der EU. Denn wenn sie geringe Preise pro Liter am Markt erzielen, geben sie diese niedrigen Preise an die Milcherzeuger weiter, und diese fahren im schlimmsten Fall hohe Verluste ein.

Genau deshalb brauchen wir Verträge mit konkreten Angaben zu Mengen und Preisen, damit sich die Milcherzeuger auf feste Preise für ihre produzierte Milch verlassen können und damit auch planen können.

Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Bei nahezu allen Handelsbeziehungen sichern sich Pro

duzenten von Waren und deren Käufer vertraglich ab. Wir wollen, dass schriftliche Verträge sowohl bei den privaten Molkereien als auch bei den genossenschaftlich organisierten Molkereiunternehmen greifen.

Der Milchgenossenschaftsbereich sollte nicht ausgenommen werden. Auch wenn sich die Satzungen bei den Genossenschaften in Zukunft im Hinblick auf die Konkretheit verbessern sollten, ist dennoch auf Verträge zu drängen, damit auch wirklich Transparenz hergestellt wird und nicht mehr von den Mitgliedern aus Unwissenheit fragwürdigen Satzungen zugestimmt wird.

Wir sind der Ansicht, dass Verträge so ausgestaltet werden müssen, dass die Milchviehhalter ohne Wenn und Aber gleichzeitig mehrere Abnehmer beliefern können und ein Molkereiwechsel ohne große Hürden möglich ist.

(Zustimmung von Cornelia Lüddemann, GRÜ- NE)

Nur damit kann auch mehr Wettbewerb um die Milch entstehen, ansonsten bleibt das Marktrisiko weiterhin allein bei den Erzeugern.

Verträge mit planbaren Mengen, die im Voraus vereinbart werden, sind eine von mehreren Maßnahmen zur dauerhaften und krisenfesten Milchmarktstabilisierung.

(Zustimmung von Cornelia Lüddemann, GRÜ- NE)

Verträge können helfen, das Problem der Überschussmengen besser in den Griff zu bekommen. Verträge schließen die Krisen nicht aus, aber sie helfen, dass das Krisenintervall größer wird und dass die Krisenamplitude kleiner wird.

Erfreulicherweise gibt es bereits Bewegungen in den Milchlieferbeziehungen, die auf Verbesserungen hoffen lassen. Die große Genossenschaftsmolkerei DMK vereinbart inzwischen zum einen auch schon Verträge sowohl mit ihren Mitgliedern als auch mit freien Anbietern, allerdings nicht zu festen Preisen. Zum anderen gestatten sie auch, dass die Erzeuger Teilmengen bei anderen Verarbeitern abliefern können. Es passiert also schon etwas, aber wir wollen mit unserem Antrag erreichen, dass durchgreifend etwas passiert und dass Verträge überall gemacht werden.

(Zustimmung von Cornelia Lüddemann, GRÜ- NE, und von Guido Heuer, CDU)

Nach der Krise ist vor der Krise. Der Milchpreistrend ist seit einigen Monaten rückläufig. Im Februar wurden durchschnittlich 30 Cent pro Kilogramm Milch von den sachsen-anhaltischen Molkereien gezahlt. Selbstverständlich hat jeder Betrieb andere variable Kosten und auch andere Fixkosten, zum Beispiel für die Kapitalverpflich

tungen. Dennoch gibt es auch hierfür Durchschnittswerte. Nach dem Milch-Marker-Index liegen die Erzeugungskosten zurzeit bei durchschnittlich 41,81 Cent pro Kilogramm Milch.

Für die meisten Betriebe bedeutet dieses Verhältnis, dass sie ihre Kosten nicht decken können. Zudem müssen die Verlustlöcher der letzten Krisen gestopft werden. 30 Cent pro Kilogramm Milch reichen hinten und vorne nicht. Einen Betriebsverlust wie 2015/2016, als wir 10 % der Betriebe bundesweit verloren haben, soll es nicht noch einmal geben.

Allein in Sachsen-Anhalt ist die Zahl der Milchkuhhalter von September 2015 - das war das letzte Mal, als wir uns hier im Parlament über dieses Thema unterhalten haben - bis heute, also innerhalb von zweieinhalb Jahren, von 449 auf 355 Betriebe, also um 20 % gesunken. Das sind dramatische Zahlen. Wir wollen sie nicht wieder sehen. Deshalb müssen wir etwas tun.

Das bestehende Sicherheitsnetz reicht eben nicht mehr. Das Sicherheitsnetz der europäischen Intervention mit einem Magermilchberg von 370 000 t kann zur Marktentlastung nichts mehr beitragen; denn die Lager sind einfach voll.

Wenn die Lager jetzt gelehrt werden, dann droht auch noch ein weiterer Preisverfall. Deshalb brauchen wir zusätzlich auf EU-Ebene ein dauerhaftes Kriseninstrument. Dazu soll bei der Milchbeobachtungsstelle ein Frühwarnsystem geschaffen werden, welches die Milcherzeuger bei einer sich abzeichnenden Krise rechtzeitig informiert, sodass diese die Mengen gleichhalten oder drosseln können.

Der Bund Deutscher Milchviehhalter hat ein dreistufiges Kriseninstrument vorgeschlagen: Frühwarnung mit freiwilliger Mengenreduzierung, Entschädigung für Mengenreduzierung und dann als letzte Stufe verpflichtende, entschädigungslose Mengenreduzierung.

Das ist jetzt aber nur ein Beispiel gewesen. Wir haben uns im Antrag ganz bewusst nicht darauf festgelegt, wie das Frühwarnsystem funktionieren soll. Wir haben keine Indikatoren und keine Referenzmodelle genannt. Wir wollen mit unserem Antrag das grundsätzliche Bekenntnis zu einer Mengenreduzierung in Krisenzeiten erreichen.

Für eine Diskussion über die detaillierte Ausgestaltung des Frühwarnsystems wäre der jetzige Zeitpunkt falsch.

Wir brauchen das grundsätzliche Bekenntnis. Das müssen wir nach Berlin senden, und Berlin muss es dann weiterreichen an die EU-Ebene.

Wir brauchen das Bekenntnis zu einer Mengensteuerung, Mengenreduzierung in Krisenzeiten, zeitlich befristet.

Deshalb stimmen Sie dem Antrag zu, um ruinöse Erzeugerpreise zu beenden, um die Existenz von Milchviehbetrieben zu sichern, für eine flächendeckende und prosperierende Landwirtschaft und für lebendige ländliche Räume.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung von Jürgen Barth, SPD)

Es gibt keine Nachfragen. Deswegen können wir nunmehr in die Fünfminutendebatte einsteigen. Für die Landesregierung spricht die Ministerin Frau Prof. Dr. Dalbert.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass die zunehmende Liberalisierung des europäischen Milchmarktes deutliche Schwankungen der Milcherzeugerpreise und damit auch des Einkommens unserer Landwirte und Landwirtinnen zur Folge hat. Deswegen begrüße ich Ihren Antrag ausdrücklich.

Die Auswirkungen der Marktschwankungen waren in der Milchpreiskrise der Jahre 2015/2016 sehr gravierend. Das Sicherheitsnetz der Intervention war ausgereizt.

Derzeit befinden sich in der Europäischen Union immer noch 380 000 t Magermilchpulver in den öffentlichen Lagerbeständen.

Um im Krisenfall auf dem Milchmarkt künftig besser agieren zu können, ist es unerlässlich, das derzeitige Sicherheitsnetz in der gemeinsamen Marktordnung um schnell wirkende Notfallmaßnahmen zu ergänzen. Deshalb halte ich auch die Aufnahme eines dauerhaften Instruments, mit dem im Krisenfall die Milchmenge EU-weit reduziert wird, für dringend geboten.

Das Kriseninstrument sollte jedoch zusätzlich Spielraum für einzelbetriebliches Wachstum lassen. Ich denke hierbei insbesondere an den BioMilchsektor.

Kommen wir zur Marktbeobachtung. Die Marktbeobachtungsstelle der EU ist bereits ein sehr gutes Instrument zur Marktanalyse, aber eben auch nur das.

Sie haben Recht, es sollte ein effizientes Frühwarnsystem aufgebaut werden, das auch den Milcherzeugern und Milcherzeugerrinnen eine rechtzeitige Marktorientierung erlaubt.

Die Warenindizes verschiedener Institutionen wie zum Beispiel der europäische Rohstoffwert Milch, der Futterkostenindex, Futures-Preise des Warenterminhandels und Weiteres liegen für die Ent

scheidungsfindung für den Einsatz von Krisenmaßnahmen bereits vor. Sie müssen aber gebündelt werden, um die Marktinformation und Preisentwicklung besser abbilden zu können.

Kommen wir zu einem weiteren Punkt. Der Staat hat sich aus dem Milchmarkt zurückgezogen. Damit gewinnen die Liefer- und Abnahmebedingungen für die Funktionsweise der Wertschöpfungskette Milch immer mehr an Bedeutung. Es gibt jedoch Defizite bei der marktgerechten Abstimmung von Milchmengen und Absatzmöglichkeiten zwischen den Milcherzeugern und den Molkereien.

Viele der derzeitigen Verträge zwischen Milcherzeugern und Molkereien in Deutschland führen bei schlechter Absatzlage zu steigenden Rohmilchmengen, da Milcherzeuger versuchen, den Preisrückgang durch eine Mengensteigerung zu kompensieren, zumindest so lange, wie die Produktionsschwelle nicht unterschritten ist. Dieser sich selbst verstärkenden Preisspirale nach unten kann nur mit einer modernen Lieferbeziehung, die an den Markt angepasst ist, begegnet werden.

Ziel muss es insbesondere auch sein, dass der Lieferrahmen im Voraus feststeht und darüber hinausgehende Anlieferungsmengen mit einem eigenen, der Verwertung entsprechenden Milchauszahlungspreis vergütet werden.

Mit einer detaillierten vertragsgebundenen Milcherzeugung kann mehr Planbarkeit hinsichtlich der Entwicklung der Milcherzeugerpreise und -mengen für die Marktbeteiligten erreicht werden.

(Alexander Raue, AfD: Planwirtschaft!)

Ich sehe in der Modernisierung der Vertrags- und Lieferbeziehungen ein bedeutsames Instrumentarium zur Abmilderung künftiger Marktkrisen.