Protocol of the Session on January 25, 2018

Genau das ist bei den Forderungen der LINKEN und der Volksinitiative der Fall. Sie haben nicht verstanden, dass das Bildungswesen in Deutschland in Auflösung begriffen ist, weil sich die Grundlagen unserer Gesellschaft und Kultur in Auflösung befinden. Wir verstehen den Unmut der

Bürger, der sich darüber entlädt. Die Bürger sind im Recht; denn sie haben ein Recht darauf, dass der Staat ihre Kinder unterrichtet.

Nur ist leider das, was nun als Beschlussempfehlung vorliegt, ganz und gar nicht geeignet, den Lehrermangel zu beheben, und zwar nicht, weil die Forderungen der Volksinitiative im Petitionsausschuss zusammengestrichen wurden, sondern weil auch schon die ursprünglichen Forderungen Ausdruck eines verfehlten Ansatzes waren.

Man kann nicht einfach mehr Lehrer fordern, ohne genau zu sagen, woher sie kommen sollen, und vor allem, ohne gründlich analysiert zu haben, weshalb immer weniger junge Menschen den Beruf des Lehrers ergreifen wollen.

(Beifall bei der AfD)

Sie sind einfach nicht bereit, die bildungspolitischen und pädagogischen Irrwege der letzten Jahrzehnte zu hinterfragen. Sie sind nicht bereit, die Belastungen unserer Schulen mit sozialen Problemen aller Art auch nur ansatzweise infrage zu stellen. Sie fordern Seiteneinsteiger, haben aber, wie bei der Anhörung herauskam, überhaupt keine klaren Vorstellungen davon, wie diese qualifiziert sein sollten, und Sie wollen ohne jegliche Qualitätsprüfung ausnahmslos alle Absolventen in den Schuldienst übernehmen. Dem muss jeder verantwortungsvolle Bildungspolitiker widersprechen.

(Beifall bei der AfD)

Was nun nach der Bearbeitung durch den Petitionsausschuss vorliegt, ist eine etwas reduzierte Fassung des ursprünglichen Papiers, aber immer noch nichts, was der Krise abhelfen könnte. Deshalb haben wir einen Alternativantrag eingebracht, der skizziert, wie das Problem angegangen werden müsste.

Wir fordern an erster Stelle, 80 Millionen € neu in den Bildungshaushalt einzustellen. Damit würde der finanzielle Spielraum geschaffen, den wir brauchen, um den Lehrermangel zu bekämpfen. Wir finden, dass es besser ist, zuerst festzulegen, wie viel Geld man ausgeben will, und dann erst die Maßnahmen in Angriff zu nehmen - nicht umgekehrt.

Weiterhin fordern wir bei den Seiteneinsteigern den Nachweis einer angemessenen Mindestqualifikation, das heißt: entweder Promotion oder einen richtigen Studienabschluss. „Richtiger Studienabschluss“ heißt: Magister, Diplom oder Staatsexamen, im Bologna-System Master, kein Bachelor, und zusätzlich Lehrerfahrung an einer Universität oder in der Erwachsenenbildung. Wer diese Anforderungen erfüllt, der sollte aber - an

ders, als bislang üblich - nach drei Jahren Praxis verbeamtet werden. Solche Lehrer haben ihre Befähigungen schon in der Praxis, also dort, wo es darauf ankommt, unter Beweis gestellt. Es bedarf keines Kursprogrammes, um ihnen die Befähigung zum Lehramt zuzuerkennen.

Schlussendlich sind die Universitäten von allen sogenannten Zielvereinbarungen zu befreien, die sie daran hindern, Lehramtsstudiengänge einzurichten. Echte akademische Freiheit ist eines der besten Mittel gegen den Mangel an Lehramtsstudenten.

(Beifall bei der AfD)

Fazit: Mehr Geld, weniger Bürokratie auf allen Ebenen, Verbeamtung als Anreiz und hohe Ansprüche an die Qualifikation von Seiteneinsteigern - das ist der Vierklang, den wir den Forderungen der Volksinitiative entgegensetzen, die auf mehr Bürokratie und weitere Qualitätsverluste hinauslaufen und damit dem Übel nicht abhelfen, sondern die Krise nur weiter vertiefen würden.

(Dr. Hans-Thomas Tillschneider, AfD, trinkt aus dem Wasserglas)

Sie waren am Ende, Herr Dr. Tillschneider?

(Beifall bei der AfD)

Okay. Vielen Dank für Ihren Beitrag. Ich sehe keine Wortmeldungen.

(Thomas Jaeger, Vertrauensperson der Volksinitiative, meldet sich zu Wort)

- Herr Jaeger, das ist eigentlich nicht üblich. Aber es ist heute ja auch eine außergewöhnliche Situation, deshalb gestatte ich es Ihnen. Bitte, Herr Jaeger.

Thomas Jaeger (Vertrauensperson der Volks- initiative):

Auch wenn ich jetzt wieder hier in der linken Ecke stehe, wie Sie das nennen: Ich bin Vertreter der Volksinitiative und wollte gern von Ihnen zwei Dinge geklärt haben: In den ersten beiden Sätzen haben Sie wiederholt, dass die Volksinitiative falsche Ansätze habe. Ist das richtig?

Thomas Jaeger (Vertrauensperson der Volks- initiative):

Ich möchte nur noch einmal betonen, dass 100 000 Wähler eine nicht geringe Zahl sind, die die Sätze, die in der Volksinitiative standen, gelesen und unterschrieben haben.

Meine zweite Frage ist, da Sie sich sehr auf inhaltliche Aspekte konzentrierten: Haben Sie sich mit der gesamten Lehrerproblematik inhaltlich beschäftigt?

Herr Dr. Tillschneider, Sie haben das Wort.

Ich will es noch einmal erklären: Wir differenzieren streng zwischen dem Unmut der Bürger, der berechtigt ist, und zwischen den Lösungsansätzen, die Sie präsentieren. Wir sagen, dass diese Lösungsansätze nicht tauglich sind, weil Sie einfach nur auf Qualität und nicht auf Quantität setzen.

(Thomas Lippmann, DIE LINKE: Keine Ah- nung!)

Sie haben vorhin einen Satz gesagt wie: „Wenn wir nur genug Quantität haben, dann passt es mit der Qualität.“ Das ist Unsinn. Sie würden die Krise des Bildungswesens nur vertiefen, weil Sie unqualifizierte Leute in den Schulen einstellen würden. Diese säßen dann dort, und man könnte sie später nicht mehr entlassen. Es würden uns die Spielräume fehlen, um Qualifizierte einzustellen, wenn wir in Zukunft vielleicht wieder mehr Lehrer ausbilden. Ihre Lösung ist keine Lösung für das Problem. Wir schlagen deshalb eine Alternativlösung vor. - Das dazu.

Dass ich mich mit der Situation an Schulen beschäftigt habe, davon können Sie ausgehen. Wir haben in der Fraktion einen Arbeitskreis „Bildung, Kultur und Wissenschaft“. Dort waren schon Vertreter von Lehrerverbänden zu Gast, nicht von der GEW, aber von anderen. Ich bin in Kontakt mit Schulen, Lehrer schreiben mich ständig an, ich bin in Kontakt mit Lehrern. Gehen Sie also davon aus, dass das fundiert ist.

(Beifall bei der AfD - Thomas Jaeger, Ver- trauensperson der Volksinitiative, meldet sich zu Wort)

Es gibt doch noch eine Nachfrage. Danach würde ich weitermachen. Bitte.

Thomas Jaeger (Vertrauensperson der Volks- initiative):

Mir ist nur noch einmal Folgendes wichtig, damit das richtig rüberkommt: Wenn Sie sagen, dass wir

keine Lösungen anbieten: Ich bin mir ziemlich sicher, dass Sie die Lösungen, die wir angeboten haben, entweder überlesen haben, oder … Falsch kann es nicht sein, wenn sich Lehrer in unserem Land bewerben und wir nur durch die Ausschreibungspraxis einige Lehrer verlieren. Dass diese Lösungen einfach abgetan werden, ist für mich ein Ausdruck dessen, dass Sie grundsätzliche Lösungsansätze aller, die sich hier bewegen, einfach so dahingestellt sein lassen.

(Zuruf von der AfD: Nein, die Lösungen sind falsch!)

Nein, das mit dieser Einstellungspraxis stimmt nicht. Das ist ja nicht Ihre Hauptforderung, und damit wird man das Problem auch nicht lösen. Ihre Hauptforderung ist: 1 000 Lehrer mehr. Dazu frage ich mich, woher Sie überhaupt wissen, dass es 1 000 qualifizierte Lehrer gibt, die hierherpassen. Deshalb sagen wir nicht, 1 000 Lehrer mehr; denn wir leben in Zeiten des Lehrermangels, und es ist schwer, qualifizierte Lehrer zu finden. Wir sagen: Wir müssen mehr Geld in die Hand nehmen, damit haben Sie recht. Es muss mehr Geld in die Hand genommen werden, aber wir können nicht sagen, wir fordern 1 000 Lehrer mehr; denn wir wissen überhaupt nicht, ob es diese 1 000 Lehrer gibt. Also: mehr Geld, und dann mit aller Kraft nach Lehrern suchen, auch nach Seiteneinsteigern, und anders, als Sie es wollen, auf die Qualifikation achten. Nun verstehen Sie hoffentlich, worin sich unser Ansatz von Ihrem unterscheidet.

(Beifall bei der AfD - Zuruf von Thomas Lippmann, DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Dr. Tillschneider. - Wir kommen nunmehr zum nächsten Debattenredner. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Abg. Herr Aldag. Sie haben das Wort, Herr Aldag.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der Volksinitiative! Die Volksinitiative hat sich im letzten Jahr mit ihrem Anliegen an den Landtag gewandt. Die mit Nachdruck formulierten Forderungen haben ihren Lauf durch die Ausschüsse genommen. Sie haben das Denken und Diskutieren hier im Haus beeinflusst, und nun liegt eine Beschlussempfehlung vor. Bei dieser handelt sich nicht um eine Eins-zu-eins-Umsetzung der von der Volksinitiative vorgetragenen Forderungen. Viele, die unmittelbar von der vorliegenden Entscheidung betroffen sind und auf eine schnelle Verbesserung der Situation in un

serer Bildungslandschaft gehofft haben, mögen enttäuscht sein.

Auch ich habe lange überlegt, was ich an dieser Stelle sagen soll; schließlich habe ich mir selbst ein deutliches Zeichen für das Jahr 2018 gewünscht.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜ- NE)

Ich möchte betonen, dass wir bildungspolitischen Sprecherinnen und Sprecher innerhalb des vorgegebenen Rahmens alle uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausgeschöpft und um jeden einzelnen Punkt gerungen haben.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Dieser Rahmen bezieht sich zum einen auf die gemeinsame und aus unserer Sicht sinnvolle Einigung auf eine nachhaltige Haushaltsführung für unser Land. Zum anderen ist er durch die bundesweit prekäre Situation auf dem Lehrermarkt markiert. Dass nicht einmal die Einstellungsziele für das Jahr 2017 erreicht werden konnten, stellt dies auf eindrückliche Weise dar. Wir stehen nach wie vor vor einer großen Herausforderung. Und dennoch: Es hat sich etwas bewegt.

Im Einzelnen konnten wir erwirken, dass das im Koalitionsvertrag festgeschriebene Stellenziel für Lehrerinnen und Lehrern auf das Jahr 2019 vorgezogen wird. Ganze zwei Jahre eher wird das Geld für die Einstellung von Lehrkräften nun zur Verfügung stehen. Ich habe es mit Wohlwollen zur Kenntnis genommen, Herr Minister, dass es noch schneller geht. Sie sehen also, das Ganze ist in einem sehr dynamischen Prozess.

Als einen weiteren Erfolg verstehe ich die unverzügliche und flexible Ausschreibung der freiwerdenden Lehrerstellen. Außerdem konnte man sich darauf verständigen, dass das VZÄ-Ziel für Lehrerinnen und Lehrer an die gestiegenen Schülerzahlen anzupassen und damit zu erhöhen ist. Auch können alle freigewordenen und freiwerdenden Stellen für pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im laufenden Doppelhaushalt neu ausgeschrieben und wieder besetzt werden. Zudem werden im kommenden Haushaltsplan für 2019 300 Neueinstellungen von pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ermöglicht.