Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Der 16. Januar 1945 hat sich tief in die Geschichte der Stadt Magdeburg eingebrannt. Jedes Jahr läuten in den Abendstunden des 16. Januar die Kirchenglocken. Es wird akustisch an die verheerende Bombardierung Magdeburgs erinnert.
Um 21:28 Uhr des 16. Januar 1945 begannen mehr als 370 englische Flugzeuge mit der 39-minütigen Bombardierung der heutigen Landeshauptstadt. Noch heute sind die Narben der Bombardierung sicht- und spürbar. Wie schmerzhaft diese Narben auch sind, eines dürfen wir nicht vergessen: Es sind die Narben eines Krieges, den Nazi-Deutschland selbst entfachte und der mehr als 60 Millionen Menschen den Tod brachte.
Es sind die Narben eines Krieges, der im Jahr 1945 in sein Ausgangsland zurückgekehrt ist. Wir sind in der Pflicht, dies immer wieder hervorzuheben. Ein Vergessen dessen darf es nicht geben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Im Jahr 2001 instrumentalisierten Neonazis erstmals den Jahrestag der Bombardierung
Magdeburgs, um einen sogenannten Trauermarsch zu veranstalten. Den Teilnehmern ging es jedoch nicht um Magdeburg, nicht um den 16. Januar und schon gar nicht um die Bekundung von Trauergefühlen.
Auch den Verfassungsschutzberichten unseres Landes können wir entnehmen: Mit dem Trauermarsch verfolgten die Rechten die Strategie, sich in den Reihen der Trauernden anzubiedern. Es ging nicht um ein würdevolles Gedenken, sondern um Zündelei und Selbstinszenierung.
Ich sage Ihnen: Wer die Lektüre der Geschichtsbücher und der Zeitzeugenberichte so verdreht und ignoriert, der verletzt das Gedenken an die Opfer des nationalsozialistischen Terrors.
Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Dazu, dass der sogenannte Trauermarsch Geschichte geworden ist, hat das unermüdliche Engagement der Bürgerinnen und Bürger Magdeburgs geführt. So organisierte ein breites Bündnis der Zivilgesellschaft im Jahr 2009 die erste Meile der Demokratie. Seitdem besetzen jährlich um die 100 Organisationen, Vereine, Kirchen, Schulen, Parteien und öffentliche Einrichtungen mit der Meile den Raum der Innenstadt. Im Jahr 2017 fand erstmals kein Trauermarsch der Neonazis mehr statt.
In dem diesjährigen Aufruf zur zehnten Meile der Demokratie heißt es: Die Erinnerung an den 16. Januar 1945 zeigt uns, wohin Ausgrenzung und Nationalismus führen. Sie mahnt uns zu Frieden und Verständigung, Respekt und Wertschätzung und zur Achtung der Menschenrechte für alle Menschen in unserer Stadt.
Gerade in der heutigen Zeit, in der populistische Vereinfachung, Hetze, Ausgrenzung und Bedrohungen in vielen Bereichen der Gesellschaft sichtbar werden, müssen wir deutlich machen, dass dies keinen Platz in unserer Stadt hat.
Ich habe auch nach Ihrer Rede, Herr Poggenburg, den Eindruck gewonnen, dass Ihnen die Teilnahme nur zu einer Stoffsammlung für die heutige Debatte gedient hat.
Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die Teilnahme der AfD an der Meile der Demokratie hat für Kontroversen gesorgt, ja,
sowohl aufseiten der Veranstalter als auch aufseiten der teilnehmenden Vereine und Verbände. So machten sich Sorgen und Ängste über die Teilnahme jener Partei breit, die in Chats über „Deutschland den Deutschen“, die Erweiterung der Außengrenzen oder „Machtübernahme“ philosophiert.
Dies haben einige Vereine und Verbände zum Anlass genommen, um sich vom aktuellen Format der Meile der Demokratie zu verabschieden.
Das ist ihr gutes Recht. Sie sind unabhängige Nichtregierungsorganisationen und die Entscheidung über eine Teilnahme oder Nichtteilnahme ist eine selbstständige Entscheidung eines jeden Vereins.
Weil ich schon wusste, dass mein Vorredner insbesondere auf den Verein Miteinander eingeht, möchte auch ich ein paar Worte über den Verein sagen. Warum hat sich Miteinander gegründet? - Vergessen wir das nicht: rechtsextremistische Aufmärsche in Magdeburg, gewaltsame Übergriffe und das Wahlergebnis der DVU.
„Hintergrund war der Schock, den der Zuspruch der Wähler/innen für die rechtsextremistische DVU bei den Landtagswahlen am 26. April 1998 bei vielen Menschen im Bundesland ausgelöst hatte.“
In der Folge initiierte die Landesregierung das Programm „Weltoffenes Sachsen-Anhalt“ und beauftragte Miteinander e. V. mit der Umsetzung eines Teils des Konzeptes.
Der Kampf gegen Rechtsextremismus, gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit - dafür wollten wir alle aufstehen, dafür wollten wir uns stark machen, Zeichen setzen. Das galt und das gilt heute.
Wir wollen starke Demokratinnen und Demokraten sein. Wir wollen die unverzichtbare Arbeit für die Demokratie und die Arbeit gegen Extremismus fördern. Der Landtag hat dies dankenswerterweise mit Geld im Doppelhaushalt getan, indem er die entsprechenden Mittel aufgestockt hat.
Lassen Sie mich in aller Deutlichkeit für die Landesregierung sagen: Wir lassen wertvolles Engagement für Solidarität und gegen Fremdenhass wie das des Vereins Miteinander nicht diffamieren; denn wir haben aus der Geschichte gelernt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Dass die Arbeit gegen Geschichtsverklärung und Demokratiefeindlichkeit unsere Pflicht bleibt,