Dabei werden Ansiedlungserfolge neuer Unternehmen natürlich gern genommen. Das allein wird wohl, auf das ganze Land gesehen, nicht reichen. Wir müssen die vorhandene Kleinteiligkeit als Chance begreifen, unsere Stärken in der Forschungs- und Hochschullandschaft nutzen und aus beidem heraus neu wachsen. Das ist die Aufgabe. Sie überspannt Haushaltsjahre und Legislaturperioden.
Gründungen und Start-up-Unternehmen sind gelebter Strukturwandel. Mutige und kreative Menschen, die den Schritt in die Selbstständigkeit wagen und aus ihren Ideen Realität werden lassen, sind Potenzial für die Modernisierungsgeschichte Sachsen-Anhalts. In jedem Fall müssen wir den Fokus darauf legen, dass diese Menschen hier ihren Ideen freien Lauf lassen können und gute Bedingungen dafür vorfinden. Dazu gehören auch ein vernünftiger Breitbandausbau und eine gute Hochschulförderung. Auch die erleichterten Ausgründungen aus Hochschulen werden Teil der Novelle des Hochschulgesetzes sein; dies wurde heute bereits mehrfach angekündigt.
Wir sind in der Gründerförderung in SachsenAnhalt gut aufgestellt. Hierbei gelingt uns erfreulich viel. Es gibt eine stark differenzierte, umfangreiche Förderlandschaft, aber natürlich können auch wir dabei noch besser werden. So sollten wir die Gründungsförderung so gestalten, dass auch
nicht technologiezentrierte Konzepte einfacher als förderfähig gelten. Auch in der Phase des Austestens einer Geschäftsidee könnte mit geringstem Risikokapital mehr angeschoben werden.
Eine immerwährende Baustelle ist die Bürokratie. Wenn die Verwaltung mit strengem Blick auf die Richtlinien einem geförderten Gründer sagen muss, das Bauteil für 50 € könne er nicht einfach so im Internet bestellen, sondern dazu müssten erst einmal drei Angebote eingeholt werden, und dann wird geprüft und schon im nächsten oder übernächsten Monat bestellt, dann wissen wir natürlich, dass es so in der Wirtschaft nicht läuft, nicht laufen kann. Dort müssen wir besser werden. Die Investitionsbank hat Änderungen versprochen.
Meine Redezeit ist knapp bemessen. Einen weiteren Aspekt möchte ich aber noch ansprechen: das Verhältnis von Ökologie und Ökonomie. Leider sehen viele Menschen - auch unter den Entscheidungsträgern - diese als Gegensatz. Eine Ökonomie, die darauf angewiesen ist, die Lebensgrundlagen der Gesellschaft zu verbrauchen, zu zerstören, scheitert aber letztlich, weil sie ihre eigenen Grundlagen vernichtet. Das gilt nicht nur im Energiebereich. Wenn wir nicht in der Lage sind, so zu wirtschaften und unsere Lebensmittel so zu erzeugen, dass es auch zukünftig zum Beispiel noch Insekten gibt, dann ist nicht das Wohlergehen der blauflügeligen Ödlandschrecke das Thema, sondern natürlich unser eigenes.
Ökonomie und Ökologie sind keine Gegensätze, sie müssen gemeinsam gedacht werden. Es ist eine in der Kenia-Koalition angelegte Stärke, dass wir das können und es auch immer wieder tun. Dabei gibt es gerade mit dem Wirtschaftsminister eine vertrauensvolle Zusammenarbeit.
Aber wir haben natürlich auch noch Reserven. Ich will das wohlige Knistern am kenianischen Lagerfeuer nicht mit Geschichten aus Harzer Bergdörfern stören - zumindest nicht über Gebühr -, möchte aber noch ein Beispiel aus dem Tourismus bringen.
In jedem Jahr findet das „Tourismusbarometer“ der Sparkassen statt. In jedem Jahr sagen die Experten dort: Wiederholt nicht die Fehler anderer. Es geht nicht um Masse, es geht um Qualität. Fixiert euch nicht auf Besucherzahlen, sondern nehmt die Wertschöpfung in den Blick. - Die Experten sind dort nicht irgendwie grün drauf, Sie meinen das nicht ökologisch, sondern sie haben einfach einen Blick auf die nachhaltige Entwicklung der jeweiligen Tourismusdestination.
Dann gibt es tosenden Beifall. Alle gehen hinaus und diskutieren darüber: Wie können wir denn jetzt Flächen abholzen und Wasserbassins bzw. Wassersilos zur Beschneiung anlegen, damit wir die Besucherzahlen vervielfachen? - Das ist ein Widerspruch. Ich würde mir manchmal mehr Nachdenklichkeit und den Blick auf langfristige Wirkungen wünschen, damit wir Ökologie und Ökonomie gemeinsam denken und nach vorn bringen können. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Meister. Es gibt keine Nachfragen. - Somit spricht als Letzte Frau Dr. Pähle für die SPD-Fraktion. Sie haben das Wort. Bitte, Frau Dr. Pähle.
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich danke der Landesregierung, insbesondere Herrn Minister Armin Willingmann, für die Gelegenheit, aus Anlass seiner Regierungserklärung heute eine Aussprache über die wirtschaftliche Entwicklung in unserem Land und über Wirtschafts- und Wissenschaftspolitik für unser Land durchzuführen; denn das ist, wie die Regierungserklärung deutlich gezeigt hat, ein lohnendes Thema. Es ist auch ein erfreuliches Thema, das zeigt, dass Sachsen-Anhalt besser ist als sein Ruf, an dem wir auch hier im Plenarsaal viel zu oft hängen.
Die positiven Kennziffern, die Herr Minister Willingmann hier vorgetragen hat, zeichnen das Bild einer wachsenden Wirtschaft und eines deutlich entspannten Arbeitsmarktes. Selbstverständlich ist diese gute wirtschaftliche Entwicklung ein Teil der insgesamt sehr starken und robusten Konjunktur, das will ich nicht verschweigen. Aber das heißt nicht, dass wir uns damit abfinden müssen.
schaftspolitik ist eben nicht, achselzuckend danebenzustehen und zu sagen, Wirtschaft werde in der Wirtschaft gemacht, sondern es muss uns darum gehen, die gegenwärtige Phase einer guten, starken Konjunktur dafür zu nutzen, Weichen in die richtige Richtung zu stellen, damit unsere regionale Wirtschaftsstruktur noch leistungsfähiger und in Zukunft weniger krisenanfällig wird, damit sie sich noch stärker mit regionalen und überregionalen Partnern vernetzen kann und ihre Innovationsfähigkeit ausbaut und dabei die eigenen Stärken unseres Landes noch intensiver nutzt.
ders gefreut. Ich finde die Haltung, dass man Äpfel nicht mit Birnen und das überwiegend ländlich geprägte Sachsen-Anhalt nicht mit angesagten Metropolregionen vergleichen darf, ausdrücklich richtig. Der Versuch, mit Benchmarks alles über einen Leisten zu scheren, hat schon in anderen Politikbereichen nicht so richtig funktioniert,
weil es der vielfältigen Lebenswirklichkeit in einem föderal geprägten Land nicht gerecht wird. Der Verfassungsauftrag, gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen, muss in Sachsen-Anhalt nun mal mit anderen Instrumenten umgesetzt werden als in Baden-Württemberg und in Halle anders als in Stuttgart.
Politik für nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung - das ist nicht nur Wirtschaftspolitik im engeren Sinne - muss sich daran messen lassen, dass sie sich zentralen Zukunftsfragen stellt, zum Beispiel: Wie begegnen wir dem drohenden Fachkräftemangel? Ich finde es schön, dass wir uns im Jahr 2018 in einer Debatte über eine Arbeitslosenquote von 8,4 % unterhalten und nicht, wie vor 20 Jahren, über eine Quote von 20,4 % - nur, um einmal zu verdeutlichen, was wir in Sachsen-Anhalt geschafft haben.
Für die Bewältigung des Fachkräftemangels müssen wir ein ganzes Bündel von Faktoren nutzen. Wir müssen mit dem Bund - nicht nur in den jetzigen Koalitionsverhandlungen - über verschiedene Maßnahmen sprechen, zum Beispiel über eine gesetzliche Mindestausbildungsvergütung, über Schulgeldfreiheit für alle Ausbildungsberufe, wie es Petra Grimm-Benne in dieser Woche gerade für die Pflege getan hat, über ein Azubi-Tickets für mehr Mobilität
Eine weitere Herausforderung ist: Wie machen wir mehr Mut für Existenzgründungen? - Ich meine, gerade auf diesem Gebiet kann sich der Ansatz von Armin Willingmann ganz besonders sehen lassen. Was hier mit der Meistergründungsprämie und insbesondere auch mit dem Thema Firmenübergang auf den Weg gebracht wurde, findet unsere volle Unterstützung.
Welche Rolle unsere Hochschulen im Kontext von Existenzgründungen spielen, darauf komme ich noch zu sprechen.
Ganz besondere Beachtung findet natürlich zu Recht die Frage: Wie stellen wir die digitale Infrastruktur zur Verfügung, die jeder Wirtschaftsbetrieb heute braucht? - Ich begrüße ausdrücklich
das Bekenntnis des Ministers zu einer ehrlichen Bestandsaufnahme und einer ebenso realistischen wie pragmatischen Kurskorrektur. Ziele, die weder finanziell noch technisch umsetzbar sind, helfen niemandem weiter.
Wir werden aber alle gemeinsam - der Landtag ebenso wie die Landesregierung, dessen bin ich mir sicher - bei diesem Thema weiterhin unter verschärfter öffentlicher Beobachtung stehen, nicht zuletzt deshalb, weil Breitbandversorgung eben bei Weitem nicht nur ein Thema für die Wirtschaft ist. Sie wird immer mehr zu einer Frage gleichwertiger Lebensverhältnisse.
Meine Damen und Herren! Zu den Standortfaktoren, die wir noch stärker nutzbar machen sollten, gehört insbesondere auch die Innovationskraft unserer Hochschulen. Sie sind schon jetzt durch die Ausbildung von Fach- und Führungskräften, als Kooperationspartner in gemeinsamen Projekten und als Ideengeber und Berater von großer Bedeutung für die heimische Wirtschaft.
Der Ansatz, der jetzt mit einem neuen Hochschulgesetz verfolgt werden soll, geht jedoch deutlich darüber hinaus. Es geht um die Möglichkeit einer Hochschule, unmittelbar selbst eigene Unternehmen zu gründen oder sich an bestimmten Unternehmen zu beteiligen. Diese geplante Gesetzesänderung zugunsten einer eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit der Hochschulen erleichtert es jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern erheblich, Innovation am Markt zu platzieren, ohne den Raum ihrer Hochschule verlassen zu müssen und damit ihren bisherigen wissenschaftlichen Background zu verlieren.
Neben den ebenfalls geplanten Verbesserungen für die Arbeitsverhältnisse junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den Hochschulen entstehen damit auch andere Berufsoptionen und Perspektiven als in einer klassischen Universitätskarriere.
Ich verspreche mir davon gute Chancen, mehr junge Akademikerinnen und Akademiker in Sachsen-Anhalt zu halten, und zwar auch außerhalb unserer Hochschulen und Universitäten.
Der Minister hat dargelegt, welche weiteren Vorhaben sein Haus für den Ausbau der Forschungsinfrastruktur voranbringen wird. Wir werden die weiteren Fortschritte bei der Umsetzung mit Interesse im Ausschuss für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung verfolgen.
An dieser Stelle, auch wenn es mich Zeit kostet, ein kurzer Hinweis in Richtung AfD-Fraktion. Der Logik folgend, die Herr Farle hier vorgestellt hat, hätte Carl Benz wahrscheinlich vor sein Automobil
Was wäre die Folge? - Ja, es wäre möglicherweise cooler gewesen, aber die Anreise von Seeburg nach Magdeburg mit der Kutsche hätte wahrscheinlich zwei Tage gedauert. All das müssen wir in den Blick nehmen, wenn wir jetzt schon wissen, was alles nicht geht. Beim einfachen Googeln, Herr Farle, hätten Sie herausgefunden, dass Sie Brennstoffzellenauto der Firmen Toyota und Honda schon jetzt in Deutschland käuflich erwerben können. Ich glaube, an dieser Stelle bewegt sich doch mehr, als Sie vielleicht wahrgenommen haben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Jahr 2018 wird - den Eindruck muss man schon nach weniger als vier Wochen gewinnen - wieder ein bewegtes Jahr. Es ist aber zugleich auch ein Jahr, in dem es gilt, an verschiedene geschichtliche Entwicklungen zu erinnern, da sich in diesem Jahr das Ende des Ersten Weltkrieges, die Novemberrevolution und die mit ihr verbundenen Umwälzungen zum 100. Mal jähren. Diese Ereignisse haben unser Land und unsere Gesellschaft verändert und wirken bis heute fort. Das betrifft keineswegs nur solche herausgehobenen Verfassungsfragen wie die Ausrufung der Republik oder die Einführung des Frauenwahlrechts. Es betrifft auch das Wirtschaftsleben, und hier insbesondere das Verhältnis von Unternehmern und Arbeitnehmern.
Das Kaiserreich mit Sozialistengesetzen und preußischem Dreiklassenwahlrecht hätte auch die patriarchalische Macht der Fabrikherren gegenüber ihren Beschäftigten abgesichert. Mit der Novemberrevolution im Jahr 1918 wurden die Grundlagen dafür gelegt, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie ihre Interessenvertretungen den Eigentümern künftig auf Augenhöhe gegenübertraten. Niemand Herr, niemand Knecht.
Schon zwei Tage nach seiner Konstituierung verkündete der Rat der Volksbeauftragten, gebildet aus SPD und unabhängigen Sozialdemokraten, in seinem Aufruf an das deutsche Volk die Einführung des Acht-Stunden-Arbeitstages und die Aufhebung der Gesindeordnung. Drei Tage später erkannten die Arbeitgeberverbände die Koalitionsfreiheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie die Gewerkschaften als deren Vertretung an und verpflichteten sich, betriebliche Arbeitsverhältnisse in Kollektivvereinbarungen zu regeln.
erinnern, dass sie hart erkämpft wurden, und auch - das hat die Geschichte gezeigt -, dass sie nicht von sich heraus ewigen Bestand haben.