Protocol of the Session on November 23, 2017

Gesetzentwurf Fraktion AfD - Drs. 7/2098

Der Einbringer für die Fraktion ist der Abg. Herr Farle. Herr Farle, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die AfD-Fraktion fordert die Vereinfachung der bestehenden plebiszitären Instrumente auf kommunaler Ebene und auf Landesebene und ihre Weiterentwicklung durch eine direktdemokratische Reform des Kommunalverfassungsgesetzes und der Landesverfassung. Darum haben wir die Einrichtung einer EnqueteKommission „Stärkung der Demokratie“ beantragt und als Minderheiten-Enquete auch durchgesetzt. Dies entspricht dem Bedürfnis der mündigen Bürger nach mehr Teilhabe an einer lebendigen Demokratie.

Wenn Demokratie mit Volksherrschaft übersetzt und ernst genommen wird, kann das Volk niemals eine Bedrohung für die Demokratie sein. Vielmehr setzt sie die Identität des Volkes und seiner Vertreter voraus. Jede repräsentative Ableitung der Volksgewalt ist zumindest insofern problematisch, als sie demokratietheoretisch gewollt oder ungewollt der Verselbstständigung, ja sogar der Degeneration von Bürokratien und Apparaten Vorschub leistet.

Daher will die AfD im Land und in den Kommunen die unmittelbaren Einflussrechte der Bürger auf Politik und Verwaltung stärken, um solchen Gefahren entgegenzuwirken.

Betrachtet man die Entwicklung der EnqueteKommission „Stärkung der Demokratie“, so muss man im Nachhinein festhalten, dass die Mehrheit der Teilnehmer nicht willens war, den Anstoß für eine direktdemokratische Verfassungsreform zu geben. Mehr noch erscheint die ursprüngliche Zielsetzung - ich zitiere aus der Dr. 7/768 - nicht erfüllt:

„Die Enquete-Kommission „Stärkung der Demokratie“ erhält den Auftrag, unter Einbeziehung von Sachverständigen Hand

lungsempfehlungen für den Landtag zu erarbeiten, die Grundlage für eine Stärkung der direkten Demokratie in Sachsen-Anhalt auf Landes- und Kommunalebene bieten soll.“

Dieser Auftrag wurde nicht erfüllt. So bleiben Sie, werte Kollegen der Regierungskoalition und der LINKEN, eine Antwort hinsichtlich der Landesebene vollumfänglich schuldig, und die EnqueteKommission hat ihren Auftrag damit gerade einmal zur Hälfte umgesetzt.

Im Gegensatz zu Ihnen hat die AfD-Fraktion in ihrem Sondervotum auch die direktdemokratischen Elemente für die Landesebene herausgearbeitet, die unseren Vorstellungen auf kommunaler Ebene vollständig entsprechen.

(Unruhe)

Erstens fordern wir die deutliche Senkung der Unterschriftenerfordernisse für Volksinitiativen in Artikel 80 Abs. 2 auf nur noch 10 000 Unterschriften.

Zweitens fordern wir eine Erleichterung der Volksgesetzgebung durch Volksbegehren und Volksentscheide.

Nach Artikel - -

(Siegfried Borgwardt, CDU: Herr Farle, wir haben TOP 10!)

- Das weiß ich.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Und nicht TOP 11!)

- Bitte?

(Tobias Krull, CDU: Das ist noch nicht die Enquete-Kommission! - Zuruf von Cornelia Lüddemann, GRÜNE - Zuruf: Lasst ihn doch mal! - Siegfried Borgwardt, CDU: Es geht um die Kommunalverfassung!)

- Genau darüber spreche ich jetzt. Es sind noch vier Sätze, die Sie abwarten müssten. Dann sage ich, genau wie hier im Land muss das auch in der Kommunalverfassung verändert werden, und zwar im Kommunalverfassungsgesetz.

(Zuruf von der LINKEN: Ah!)

Also wäre die Unterbrechung jetzt nicht gewesen, wäre ich schon mittendrin in der Kommunalverfassung.

(Zurufe)

- Alles klar. Also, dann mache ich diesen Teil etwas kürzer.

Gemäß Artikel 81 Abs. 2 führt die Landesregierung immer eine Zulässigkeitsprüfung für ein Volksbegehren durch, welche wir durch eine Zu

lässigkeitsprüfung durch das Landesverfassungsgerichtes ersetzen wollen.

Ich überspringe jetzt, dass wir die Öffentlichkeit der Ausschusssitzungen auf Landesebene fordern. Aber einen Punkt spreche ich noch an, weil der mir sehr wichtig ist. Wir wollen, dass der Ministerpräsident dieses Landes künftig direkt gewählt wird.

(Beifall bei der AfD)

Dann kann nämlich das Volk wirklich einmal über diese Wahl mitentscheiden. Das ist auch eine solide Wahl, die eine Legitimationsbasis für alle gibt.

Nun komme ich auf die Kommunalverfassungsebene. Die AfD-Fraktion sieht in der Kommune eine organisierte Gemeinschaft aus deutschen Staatsbürgern und wendet sich wegen fehlender Verwurzelung, Bindung und Bleibeperspektive gegen jede Erweiterung des Kreises der Bürger als der allein Mitwirkungsberechtigten auf kommunaler Ebene. Der bloße Aufenthaltsort berechtigt unseres Erachtens zu keinerlei politischer Teilhabe. Politische Rechte allein an den Aufenthaltsort zu knüpfen, verfälscht unseres Erachtens den Bürgerwillen.

Wir fordern daher die Streichung des § 21 Abs. 1 KVG und die Umbenennung der Bezeichnung des § 25 KVG in „Bürgerantrag“. Folgerichtig sind in § 25 KVG die Begriffe „Einwohnerantrag“ und „Einwohner“ durchgängig durch „Bürgerantrag“ bzw. „Bürger“ zu ersetzen. Der Bürgerantrag ist in der Sache nichts anderes als der Einwohnerantrag, nur dass uns eben für dieses politische Recht die bloße Einwohnereigenschaft nicht ausreicht.

Wegen fehlender Verwurzelung, Bindung und Bleibeperspektiven können Einwohner keinerlei politische Mitwirkungsrechte beanspruchen. Das ist bei Wahlen übrigens nicht anders. Selbst ein deutscher Staatsangehöriger muss nach den Wahlgesetzen mindestens drei Monate in der Kommune gemeldet sein, um dann dort auch wahlberechtigt zu sein.

Wir wollen jegliche politische Teilhabe ausschließlich an die Bürgereigenschaft des § 21 Abs. 2 KVG knüpfen. Das sind Deutsche im Sinne des Grundgesetzes plus die EU-Bürger über 16 Jahre mit einer Mindestwohndauer von drei Monaten. Dies sind eigentlich Selbstverständlichkeiten, die niemanden diskriminieren.

(Zuruf: Nein, nein!)

Der erste Teil unseres Gesetzentwurfs ist nur eine notwendige Klarstellung. Der Einwohner als politische Kategorie im KVG ist bestenfalls überflüssig und zeigt die ganze gesetzgeberische Un

bedarftheit des seinerzeitigen Gesetzgebers des KVG, zuletzt in der sechsten Wahlperiode.

Zugleich soll der Kreis der Antragsberechtigten auf die Ortschaftsräte ausgedehnt werden, um die Belange der Ortschaft leichter an die kommunalen Vertretungen heranzutragen. Das Quorum von bisher 5 % soll auf 3 % gesenkt werden, um auch kleinsten Strukturen wie etwa einer Anliegergemeinschaft Gehör zu verschaffen. In der Senkung der Quoren sieht die AfD-Fraktion ein wesentliches Element zur Stärkung der direkten Demokratie, die die repräsentative Demokratie ergänzen soll.

Teilhabe und Einbeziehung ist im Unterschied zum obrigkeitlichen oder bürokratischen Staat das Kennzeichen moderner Demokratien. So soll das Einleitungs- wie auch das Beteiligungsquorum für das Bürgerbegehren von 10 % auf 3 % bzw. von 25 % auf 10 % sowie die Mindestbeteiligung für die Gültigkeit von Bürgerentscheidungen von 25 % auf 10 % drastisch gesenkt werden. Eine solche drastische Senkung der Quoren ist das zentrale Element zur Stärkung der direkten Demokratie.

Stattdessen präsentierte uns die Kenia-Koalition in der Enquete-Kommission eine beabsichtigte Senkung des Quorums für eine Mindestbeteiligung beim Bürgerentscheid lediglich von 25 % auf 20 %. Dies zeigt uns nur, wie reformunwillig Sie nicht nur bei der Landesverfassung, sondern auch beim Kommunalverfassungsgesetz tatsächlich sind.

Augenwischerei betreibt auch die Fraktion DIE LINKE, die in ihrer Stellungnahme zum Bericht der Enquete-Kommission eine Staffelung des Quorums je nach Einwohnergröße vornehmen will. Für Gemeinden unter 10 000 Einwohner wollen Sie ebenfalls die 20 % Mindestbeteiligung. Das nimmt dann bei steigender Gemeindegröße etwas ab. Aber das ist kein Quantensprung im Vergleich zu dem, was Kenia vorschlägt, sondern geht allenfalls einen halben Schritt weiter. Unter anderem erkennt man daran, dass die Fraktion DIE LINKE ganz besonders auf der kommunalen Ebene längst zu den etablierten Parteien zählt.

(Zustimmung bei der AfD)

Zu mehr Demokratie in Sachsen-Anhalt hätte zum Beispiel mehr Transparenz in der Verwaltung ebenso gehört wie Informations- und Akteneinsichtsrechte der Bürger oder einzelner Ratsmitglieder. Das hätte ganz neu geordnet werden müssen, weil mit der jetzigen Rechtslage wirksam die Einsicht in Verträge verweigert werden kann.

Das haben etwa die GRÜNEN-Stadträte in Weißenfels im Jahr 2015 erfahren müssen, als sie beim Versuch der Akteneinsicht in einem Eigen

betrieb der Stadt vor dem Verwaltungsgericht Halle gescheitert sind, Aktenzeichen 6B27/15 Hall.

Ihre eigenen Leute, Herr Striegel, leiden an Ihrer Unzulänglichkeit hier im Landtag.

(Beifall bei der AfD)

Wir fordern dazu eine konkrete gesetzliche Regelung in § 131 KVG. Die Regelung fordert Kontrollrechte für die Gemeindevertreter gegenüber privatrechtlichen Unternehmen mit kommunaler Beteiligung. Dies soll soll nicht den Hauptsatzungen überlassen bleiben.

Vertrauliche Informationen zum Zustand der Unternehmen sollen jedem Gemeindevertreter erteilt werden müssen. Die Hauptsatzungen können hierzu Geheimschutzregelungen vornehmen.

Gestärkt werden sollen darüber hinaus die Ortschaftsräte als unterste Form der Selbstverwaltung auf der kommunalen Ebene.

Generell sollen die Anreize zur Bildung bzw. Wahl eines Ortschaftsrats gegenüber der Wahl eines bloßen Ortsvorstehers erhöht werden. Dies soll durch eine Aufwertung und Kompetenzzuwächse der Ortschaftsräte geschehen, die ein an der Einwohnerzahl orientiertes Budget aus dem Gemeindehaushalt zur Eigenverwendung erhalten sollen.

Im Interesse größtmöglicher Transparenz wollen wir die Öffentlichkeit bei Sitzungen aller kommunalen Gremien zur Regel machen, von der nur in besonders zu begründenden Ausnahmen abgewichen werden kann.