Protocol of the Session on August 24, 2017

Das alles, liebe Kolleginnen und Kollegen, dient natürlich dem Erhalt der Artenvielfalt. Dafür haben wir die Biodiversitätsstrategie. Wir werden hier im Lande unsere Anstrengungen zum Erhalt des Artenschutzes auch zukünftig verstärken. Genau darum überarbeiten wir gerade die Biodiversitätsstrategie, damit klar wird, mit welchen Maßnahmen und in welchen Zeiträumen wir das Artensterben stoppen wollen.

Wir wollen, ja, wir müssen eine Trendwende beim anhaltenden Verlust an biologischer Vielfalt bewirken. Wir haben es in der Hand, unsere Natur so zu nutzen und gestalten, dass wir den heimischen Tieren und Pflanzen die Möglichkeiten zum Leben lassen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Und langfristig - das ist klar - wird die Umsetzung der Biodiversitätsstrategie wesentlich von der finanziellen Ausstattung und von unserer Bereitschaft abhängen, den Erhalt der biologischen Vielfalt als gesamtgesellschaftliche Verantwortung wahrzunehmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Verlust sowie die Beeinträchtigung von Lebensräumen und das Artensterben sind auch vor dem Hintergrund der Verpflichtung zur Umsetzung der europäischen Richtlinie zum kohärenten Schutzgebietssystems Natura 2000 eine Herausforderung für uns alle. Erfolgreicher Naturschutz kann vor Ort nur betrieben werden, wenn es gelingt, alle Beteiligten als Bündnispartner zu gewinnen. Deswegen ist es mir ein besonderes Anliegen, dass die Natura-2000-Verordnung vor Ort fachlich ausgiebig erörtert wird.

Lassen Sie mich nun zu einem weiteren Naturschatz unseres Landes kommen, der Elbe. Sie werden mir sicherlich zustimmen: Die Elbe ist ein großer Schatz, den es zu hegen und zu pflegen gilt. Sie ist der längste Fluss Mitteleuropas, der noch frei fließen kann und nur ganz wenige Staustufen hat; ein Paradies für Flora und Fauna am Fluss. Der Elberadweg ist seit Jahren der be

liebteste Radweg Deutschlands; ein touristisches Pfund.

Deswegen habe ich mich sehr gefreut, als es Anfang dieses Jahres gelungen ist, sich auf das Gesamtkonzept Elbe zu verständigen und einen Elbausbau nur noch zu ökologischen Zwecken zu gestatten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dies war ein Schritt in die richtige Richtung, um in Zukunft eine umweltverträgliche Nutzung der Elbe im Einklang mit dem Naturraum Elbe zu erreichen.

Die aktuellen Probleme an der Elbe - ich nenne da insbesondere die Eintiefung des Flusses durch Sohlerosion - resultieren aus einer jahrzehntelangen falschen Flusspolitik, die allein die Schiffbarkeit im Fokus hatte. Die Sohlstabilisierung wird zukünftig im Vordergrund stehen, um den gesamten Lebensraum an der Flusslandschaft Elbe zu erhalten und zu stärken. Wir in Sachsen-Anhalt planen bereits ein ambitioniertes Pilotvorhaben. Im Bereich der Ortschaft Klöden, also im Landkreis Wittenberg, sollen Altarme wieder an die Elbe angeschlossen werden. Das Vorhaben soll der Elbe mehr Raum geben und gleichzeitig der Sohlerosion entgegenwirken.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das UNESCO-Biosphärenreservat Mittelelbe wird dabei ein entscheidender Mitakteur sein, so wie das Biosphärenreservat Mittelelbe ein entscheidender Mitakteur bei dem Naturschutz-Großprojekt mit dem WWF zur Deichrückverlegung in Lödderitz oder beispielsweise beim Projekt des Naturschutzbundes an der Unteren Havel ist. Das Ziel ist es immer, der Natur und dem Fluss ausreichend Platz zur freien und ungestörten Entfaltung zu geben. Hier entstehen wahre Vogelparadiese, und gleichzeitig verbessern wir den Hochwasserschutz, weil wir den Flüssen mehr Raum geben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zu einem weiteren wichtigen Vorhaben kommen. Im Koalitionsvertrag haben wir vereinbart, dass wir die ehemalige innerdeutsche Grenze zu einem durchgängigen Grünen Band entwickeln werden. Hier ist seit Jahrzehnten ein Ruheplatz der Natur entstanden, ein ungestörter Rückzugsraum für Tiere und Pflanzen, den wir so erhalten und schützen wollen.

Um dieses Ziel zu erreichen, wird die Stiftung Umwelt, Natur- und Klimaschutz ein Gesamtkonzept zum Grünen Band erstellen. Dieses Konzept ist auf den Natur- und Artenschutz und den nachhaltigen Tourismus ausgerichtet und natürlich vor allem auch darauf, die historische

Erinnerung an die Teilung Deutschlands aufrechtzuerhalten.

Parallel dazu werden wir die rechtlichen Schritte zur Ausweisung des Grünen Bandes als nationales Naturmonument erarbeiten. Und wir werden das Instrument des Flurneuordnungsverfahrens nutzen, um private Flächen in die öffentliche Hand zu überführen. Das Ziel ist es, ein flächenmäßig möglichst durchgängiges Grünes Band zu erhalten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich komme nun zu einem Thema, über das wir hier im Hohen Haus auch schon so intensiv diskutiert haben, wie darüber in der Bevölkerung diskutiert wird: die Rückkehr der Wölfe. Nicht immer, wenn ausgestorbene Arten zu uns zurückkommen, führt dies zu ungeteilter Begeisterung.

Im Monitoringjahr 2015/2016, also mit Stand April 2016, gab es in Sachsen-Anhalt inklusive der grenzübergreifenden Territorien zehn Rudel und drei Wolfspaare. Es wurden insgesamt 78 einzelne Wölfe nachgewiesen. Seitdem haben zwei dieser Wolfspaare Nachwuchs bekommen. Insofern zählen die nun als Rudel, sodass wir im aktuellen noch laufenden Monitoring von zwölf Rudeln und einem territorialen Paar ausgehen.

Die Landesregierung hat, wie angekündigt, das Wolfskompetenzzentrum in Iden, kurz WZI, gegründet. Die fünf Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen haben inzwischen ihre Arbeit aufgenommen oder werden dies spätestens zum 1. September tun.

Außerdem haben wir, ebenfalls wie versprochen, die Leitlinie Wolf erstellt. Sie wurde in ausführlichen Gesprächen mit Behörden und zahlreichen Verbänden erarbeitet und gibt Handlungsempfehlungen zum Umgang mit dem Wolf. Es sind Erkenntnisse zur Wolfsabwehr, zum Herdenschutz und zur Definition einzelner verhaltensauffälliger Wölfe eingeflossen. Weiterhin werden in der Leitlinie die Aufgaben des WZI festgelegt und Zuständigkeiten geklärt und auch der Umgang mit sogenannten Problemwölfen geregelt.

Doch es sollte allen klar sein: Eine Obergrenze, eine Bestandsregulierung oder eine Quote kann und will die Leitlinie nicht festlegen. So etwas kann Sachsen-Anhalt bei einer streng geschützten Tierart gar nicht festlegen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Unruhe bei der AfD)

Dazu bedarf es Regeln auf Bundes- und EUEbene. Deswegen hat die Umweltministerkonferenz auf Initiative Sachsen-Anhalts die Bundesregierung aufgefordert, in einen Austausch mit Polen zu treten, um verlässliche Daten für die hier und in Polen vorkommende Wolfspopulation zu generieren. - Das war der Wolf.

Fast ausgestorben war bei uns auch der Biber.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Aber schon lange nicht mehr!)

Dank der jahrzehntelangen strengen Unterschutzstellung und seiner Anpassungsfähigkeit ist sein Bestand in Sachsen-Anhalt wieder zunehmend. Im Jahr 2014 hatten wir in Sachsen-Anhalt ca. 3 300 Biber in ca. 1 020 besetzten Revieren. Die Biber lieben die Flusstäler mit ihren naturnahen Flussauen und Niederungen, zum Beispiel an der Elbe und im Drömling.

Etwa drei Viertel der Biber leben hier ungestört und ohne uns Menschen überhaupt aufzufallen. Probleme gibt es an kleineren Fließgewässern außerhalb der Flussauen. Sie sind eigentlich gar nicht optimal für den Biber. Der Biber ist jedoch in der Lage, seinen Lebensraum entsprechend seinen Bedürfnissen zu gestalten. An den kleinen Fließgewässern geschieht das durch den Anstau des Wassers. Hier entstehen dann die häufig diskutierten Probleme, regional in durchaus unterschiedlicher Intensität.

Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten zur Schadensprävention. Dazu haben wir eine Biber-Referenzstelle, die fachkundig und konkret vor Ort berät. Bei der Konfliktlösung setzen wir auf eine gute Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten vor Ort. Ich werde unter Berücksichtigung der Beratungen zum Biber-Management auf Bundesebene bis zum Ende des Jahres Handlungsleitlinien für ein erfolgreiches Biber-Management vorlegen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Unsere Kompetenzzentren für Weißstorch, Rotmilan und Großtrappe sind durch Verpflichtungsermächtigungen bis zum Jahr 2019 finanziell abgesichert. Das ist notwendig; denn wir tragen in Sachsen-Anhalt die Verantwortung zum Schutz von acht besonders bedrohten Arten, darunter eben der Rotmilan oder die Großtrappe.

In diesem Zusammenhang halten wir es auch für wichtig, die konkrete Natur- und Artenschutzarbeit der anerkannten Naturschutzverbände und der Landschaftspflegeverbände finanziell zu unterstützen. Sie können bis zum Jahr 2019 mit planbaren Zuwendungen rechnen; denn nur mit dem haupt- und ehrenamtlichen Engagement von beispielsweise dem BUND, dem Nabu, dem Landesjagdverband oder der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald lassen sich konkrete Projekte vor Ort überhaupt umsetzen. Nicht zuletzt leisten unsere Naturschützerinnen und Naturschützer vor Ort wichtige Aufklärungs- und Bildungsarbeit. Ich denke, meine Damen und Herren, dafür gebührt ihnen unser großer Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich gehe davon aus, dass das Hohe Haus als Haushaltsgesetzgeber auch in den Jahren nach dem Jahr 2019 die Finanzierung der anerkannten Naturschutzverbände und der Kompetenzzentren sichern wird.

Lassen Sie mich zu einem weiteren Thema kommen, das die Bürgerinnen und Bürger in unserem Lande stark beschäftigt. Das sind das Hochwasser und der Hochwasserschutz. Ich habe es im Zusammenhang mit den Starkregenereignissen in den letzten Wochen oft wiederholt: Wir verbessern den Hochwasserschutz systematisch und lassen die aktuellen Erfahrungen jeweils in die Planungen mit einfließen. Die Landesregierung ist bestrebt, den Schutz für die Bevölkerung auf einem hohen Niveau zu halten und stetig zu verbessern.

Sie haben es sicherlich in der gemeinsamen Pressemitteilung des Ministerpräsidenten und mir gelesen: Wir geben bis zum Jahr 2020 weit mehr als 1 Milliarde € für den Hochwasserschutz aus. Wir werden alle unsere Deiche DIN-gerecht sanieren und gleichzeitig wollen wir Retentionsflächen wiedergewinnen und Engstellen beseitigen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dabei gehen Hochwasserschutz und Naturschutz Hand in Hand. Ein hervorragendes Beispiel dafür ist die Deichrückverlegung im Lödderitzer Forst. Wir planen eine Vielzahl von Deichrückverlegungen und Polder-Vorhaben, mit denen wir den Flüssen wieder mehr Raum geben werden.

Das wird sich positiv auf den Hochwasserschutz, aber auch positiv auf die Flora und Fauna in den Flussauen auswirken. Der gesamte Umsetzungsprozess wird durch eine aktive Information der Beteiligten vor Ort begleitet; denn Maßnahmen wie Deichrückverlegung brauchen Zeit und vor allem eines: Akzeptanz in der Bevölkerung vor Ort.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜ- NE)

Auch im Einzugsgebiet der Selke möchte ich, dass wir Hochwasserschutz und Naturschutz sprichwörtlich unter einen Hut bekommen. Deshalb habe ich die emotionalen Diskussionen der Befürworter der Rückhaltebecken und der Verfechter alternativer Lösungen aufgegriffen und im Juni einen Verständigungsprozess gestartet. Ziel ist es, mit allen Beteiligten innerhalb eines Jahres eine für alle Seiten tragbare Lösung zu finden; denn die Hängepartie an der Selke muss endlich ein Ende haben.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Deshalb sage ich in aller Deutlichkeit: Wir werden im nächsten Jahr eine Entscheidung treffen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie haben gehört, vieles ist auf den Weg gebracht, und vieles ist noch zu tun. Ich möchte es nicht verantworten, dass unsere Enkelkinder nur noch ein paar Singvögel kennen, die sich an unsere grünen Städte angepasst haben. Nein, ich möchte, dass sie draußen auf dem Land den Rotmilan beobachten, dem Gesang der Feldlerche lauschen, Hamsterbaue entdecken und sich an gesunden Honig liefernden Bienenvölkern erfreuen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Es wird die Lebensqualität im ländlichen Raum wesentlich bestimmen, ob wir es schaffen, dass unsere Kulturlandschaft genügend Platz für die Entwicklung aller hat: die Menschen, die Tiere und die Pflanzen. Lassen Sie uns gemeinsam das Artensterben mit allen Mitteln aufhalten! Jeder kann im Blumenkasten auf seiner Fensterbank damit beginnen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)