Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Gesetzgeber steht oftmals im Spannungsfeld zwischen verschiedenen Rechtsmeinungen, fiskalischen Zwängen und gesellschaftlichen Rufen. Genauso verhält es sich beim KAG, wobei das KAG noch nebulöser erscheint als andere Gesetze. Die Koalitionsfraktionen versprechen nicht nur, sondern sie halten auch Wort.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf setzen wir ein Vorhaben des Koalitionsvertrages um und wollen eine faire und rechtssichere Erhebung von Kommunalabgaben. Mit der Novellierung des KAG schlichten wir den seit Monaten andauernden Abwasserstreit. Wie Sie wissen, dreht sich der Streit allein um die Bescheide, welche während der Übergangsfrist durch die Verbände erlassen wurden.
Hierzu kann ich Ihnen sagen, dass Gerichte in unserem Land über die rückwirkende Beitragserhebung bereits urteilten. Nach der Auffassung des Oberverwaltungsgerichtes entspricht die
Übergangsregelung dem rechtsstaatlichen Gebot der Belastungsklarheit und Belastungsvorhersehbarkeit.
Mit dieser gerichtlichen Bindungswirkung für den Gesetzgeber erwarten wir sehr aufmerksam die verfassungsrechtliche Überprüfung durch das Landesverfassungsgericht.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst die doch sehr unterschiedlichen Zielgruppen aufzählen, die durch das KAG betroffen sind:
erstens die Beitragszahler, die eine staatliche Leistung erhalten und ihre Bescheide beglichen haben, und
Diesen beiden Gruppen muss man an dieser Stelle einmal Danke dafür sagen, dass sie geltendes Recht konsequent umgesetzt haben.
Doch es gibt auch Beitragspflichtige, die in Widerspruch gegangen sind bzw. bei denen eine Klage anhängig ist. Zudem gibt es Verbände, die aufgrund sehr unterschiedlicher Umstände, wie zum Beispiel fehlender Daten, fehlender Kalkulationen sowie Satzungen oder Unstimmigkeiten in den Verbandsgremien, aber auch wegen der Widerstände im kommunalpolitischen Raum, in den letzten Jahren keine Bescheide herausschicken konnten oder wollten.
Genau diesen beiden letztgenannten Betroffenen wollen wir mit dem neuen Gesetz unter die Arme greifen und ihnen mehr Freiheiten einräumen.
Erstens geht es um eine Absenkung der Verzinsung. Wir wollen eine zweiprozentige Verzinsung über dem Basiszinssatz bei kommunalabgabenrechtlichen Ansprüchen.
Der Zinssatz beträgt zurzeit 6 %, ohne dabei zu differenzieren, ob es sich um Stundungs-, Hinterziehungs-, Prozess- oder Aussetzungszinsen handelt. Ein solcher Zinssatz ist vor dem Hintergrund der andauernden Niedrigzinsphase nicht mehr zeitgemäß und kann im Einzelfall zu einer hohen Belastung führen. Daher passen wir diesen Zinssatz an.
Zweitens. Wir schaffen die gesetzliche Grundlage, Vergleichsverträge zu schließen. Wir wollen weiterhin, dass die Verbände und die Betroffenen einen Vergleichsvertrag schließen können. Im Abgabenrecht herrscht eine strenge Bindung an das Gesetz. Die nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts in engen Grenzen für zulässig angesehene Gestattung von Vergleichsverträgen soll hiermit gesetzlich geregelt werden.
Diese gesetzliche Grundlage geht auf einen Vorschlag des Verbandes Haus & Grund zurück. Der Verband Haus & Grund schlug vor, während eines Übergangszeitraums für Altfälle die Möglichkeit einzuräumen, eine einvernehmliche Lösung zu finden. Vor dem Hintergrund hoher Zahlungsbeträge würden die Betroffenen somit entlastet werden.
Drittens ist die die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen zu nennen. Wir wollen letztlich, dass die kommunalen Aufgabenträger Entscheidungen über die sofortige Vollziehung von Beitragsbescheiden aussetzen können.
Im Ergebnis heißt das für die Grundstückseigentümer, erst einmal nicht zahlen zu müssen. Die Verbände haben nunmehr die Möglichkeit, auf ein Geldeintreiben zu verzichten. Wir kommen den Grundstückseigentümern also mit dem Moratorium bis zur endgültigen Klärung durch das Landesverfassungsgericht entgegen.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich an dieser Stelle darauf hinweisen, dass durch das Normenkontrollverfahren der Landtags
beschluss aus der letzten Wahlperiode über die Einholung eines Gutachtens über die Frage der Verfassungsgemäßheit der Übergangsvorschrift hinfällig ist. Das erspart dem Land unnötige Kosten.
Nun zum Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE. Das einzig Gute an diesem Gesetzentwurf ist das Kenia-Schwarz, mit dem der Entwurf gedruckt wurde.
Sie wollen ein Moratorium und fordern zugleich, dass das Land für eventuelle Rückzahlungen Steuern verschwenden soll. Wir als CDU fragen
(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei den GRÜNEN - Sebastian Striegel, GRÜNE: Nicht nur die CDU fragt sich das!)
Diejenigen, die nach Recht und Gesetz gehandelt und ihre Rechnungen bezahlt haben, werden durch Sie doppelt belastet. Sie senden eine Botschaft in unser Land hinaus nach dem Motto: Egal welche Leistungen Sie vom Staat erhalten, bezahlen Sie nicht; denn die Schulden werden mit Steuern beglichen.
Aber was sagen Sie denjenigen, die immer für die staatlichen Leistungen bezahlen? - Ich sage es Ihnen: Mit den LINKEN bekommen sie ihre Steuern nicht zurück. Das ist soziale Gerechtigkeit in Ihrer Partei. Ich glaube, der Landesrechnungshof ist froh, dass Sie nicht in der Regierung sitzen; denn Sie würden unser Land mit solchen Entscheidungen in den Ruin treiben.
Mit unserem Gesetzentwurf können die Betroffenen auf die Verbände zugehen und einen sozialverträglichen Vergleich schließen bzw. können die Verbände von einer Beitragserhebung generell absehen.
Es war gesetzgeberischer Wille, die Städte und Gemeinden nicht im Stich zu lassen. Deshalb haben wir bei der letzten Novellierung eine Fristenhemmung verankert. Wir können jedoch nicht verstehen, wenn man uns jetzt vorwirft, wir würden gesetzgeberische Experimente machen, wodurch die Haushalte der Aufgabenträger in eine Schieflage gerieten.
Die Aufgabenträger sind jetzt in der Verantwortung, kundenorientierte, kundenfreundliche Entscheidungen zu treffen. Sie haben nun endlich den geforderten Gestaltungsspielraum.
Wir wollen am Freitag endgültig über die Änderung abstimmen. Ich bitte Sie um Ihre Unterstützung, damit die Bürgerinnen und Bürger schnellstmöglich entlastet werden. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Bevor wir zum nächsten Redner kommen - ich freue mich, dass das Mitglied des Europaparlaments Sven Schulze hier zu Gast ist, und begrüße ihn recht herzlich auf der Besuchertribüne. Es ist ganz gut, wenn Europa einmal einen Blick nach Sachsen-Anhalt tut.
Für die Fraktion der AfD spricht der Abg. Herr Farle. Es ist ebenfalls Ihre erste Rede. Ich wünsche Ihnen dafür alles Gute.
Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Gäste! Ich lasse mein Redekonzept in der Tasche und spreche zu Ihnen in freier Rede.
Ich frage mich, nachdem ich die Beiträge der CDU gehört habe, ob wir in zwei verschiedenen Welten leben. Wer aufmerksam die „MZ“ von vor einem Tag gelesen hat und wer sich vor allen Dingen mit den Menschen im Land unterhalten hat, der konnte ohne Probleme feststellen, wie groß die Wut, die Aufregung und die Empörung sehr vieler Menschen über die Art und Weise ist, wie das Kommunalabgabengesetz hier im Dezember 2014 verändert wurde.
Diese 80 000 Bescheide an Haushalte in unserem Land sind nämlich zum Teil Schicksale. Darunter sind Bescheide für mittelständische Betriebe, die Rechnungen ins Haus bekommen haben, die bei 20 000 €, 30 000 €, 40 000 € liegen. So kann man mittelständische Betriebe ruinieren. Darunter sind Bescheide für die alte Oma, die seit Jahren allein in ihrem Haus wohnt und jetzt 10 000 € oder 11 000 € aufbringen soll und nicht weiß, wie sie das tun soll. Darunter sind Bescheide, die wirklich Menschen treffen. Dabei klingt es fast, sage ich Ihnen, wie ein bisschen Hohn, wie Sie, Herr Stahlknecht, zu diesem Thema gesprochen haben.
Ich komme auch auf die Doppelgesichtigkeit Ihres Ministeriums zu sprechen. Im Dezember 2014 wurde eine Übergangsfrist festgelegt. Normalerweise hätte sie am 1. Januar 2015 beendet sein können. Dann würden wir heute hier überhaupt nicht stehen und über dieses ganze Problem sprechen.
Sie haben die Frist aber bewusst auf Ende 2015 gelegt, weil Sie nämlich eine Taskforce bilden wollten - darauf hat DIE LINKE völlig zu Recht hingewiesen -, die mit Druckmitteln die Kreise, die Kommunen und die Abwasserzweckverbände zwingen wollte, diese Beiträge abzukassieren. Sie wollten das nämlich teilweise gar nicht.
Wenn man mit den Abwasserzweckverbänden ins Gespräch kommt, dann sagen sie einem: Wir haben das extra die ganze Zeit nicht abgerechnet. Wissen Sie warum? - Weil sie Kanäle abrechnen, die irgendwann in den 70er-, 80er- und 90er-Jahren gelegt worden sind, teilweise noch zu DDRZeiten. Kein Mensch weiß, was das gekostet hat.
Teilweise rechnen sie bei Leuten ab, die ihren Kanal selbst bis zu ihrem Haus gebaut haben. Die sollen jetzt dafür noch einmal zur Kasse gebeten werden.
Informieren Sie sich einmal, wenn Sie über ein solches Thema reden! Reden Sie hier nicht einfach ins Blaue, weil es so schön klingt und weil vielleicht die Fernsehkameras laufen.