Protocol of the Session on June 20, 2017

Kartenzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? - Niemand. Wer enthält sich der Stimme? - Das sind die Fraktion der AfD und die Fraktion DIE LINKE. Damit ist der Alternativantrag angenommen worden und der Tagesordnungspunkt 1 ist erledigt. Wir werden jetzt einen Wechsel in der Sitzungsleitung vornehmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es geht gleich weiter.

Wir steigen ein in den

Tagesordnungspunkt 2

Erste Beratung

Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Kinderförderungsgesetzes

Gesetzentwurf Fraktion DIE LINKE - Drs. 7/1435

Einbringerin ist die Abg. Frau Hohmann für die Fraktion DIE LINKE. Sie haben das Wort. Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit nunmehr fast vier Jahren ist das novellierte Kinderförderungsgesetz in Kraft. Gestatten Sie mir die Bemerkung: Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ein anderes Gesetz bereits vor dem Inkrafttreten und noch vier Jahre danach so kontrovers diskutiert wurde wie dieses. Keiner der an der Kita-Finanzierung Beteiligten ist zufrieden.

Mittlerweile beschäftigen sich Gerichte und die Schiedsstelle im Land mit dem Kinderförderungsgesetz. Es liegt sogar ein Urteil des Landesverfassungsgerichts vor, das die Landesregierung auffordert, das Gesetz bis zum Ende des Jahres 2017 in einigen Teilen nachzubessern.

Was war passiert? - Vor der Novellierung im Jahr 2013 beteiligten sich fünf Partner an der KitaFinanzierung zu unterschiedlichen Konditionen. Dies waren das Land, die Landkreise, die Gemeinden, die freien Träger und die Eltern. Alle bemängelten damals die Intransparenz der Geldströme. Niemand konnte annährend Auskunft darüber geben, wie teuer ein Kita-Platz ist.

Mit der Einführung des Ganztagsanspruches für alle Kinder unabhängig vom sozialen Status der Eltern, welcher sehr wichtig und richtig war, sowie der Verbesserung der Personalschlüssel änderte sich mit der letzten Novelle die Finanzierungsgemeinschaft. Aus ehemals fünf Beteiligten wurden nun vier, was zu etwas mehr Übersichtlichkeit

und Transparenz führen sollte. Doch damit wuchs die Unzufriedenheit. Das ist teilweise nachvollziehbar, da der Eigenanteil der freien Träger komplett von den Gemeinden übernommen werden musste.

Weiterhin schließen die Landkreise seitdem Entgeltvereinbarungen mit den freien Trägern ab. Die Gemeinden und die Eltern teilen sich das verbleibende finanzielle Defizit. Diese Praxis hat dazu geführt, dass sich die Elternbeiträge in den letzten Jahren rasant erhöht haben.

Auch wenn wir im Landtag eine finanzielle Entlastung der Eltern im letzten Jahr beschlossen haben, kam diese vor Ort nicht an. Jedenfalls kenne ich keine Gemeinde, die daraufhin ihre Elternbeiträge gesenkt hätte.

Die Erzieherinnen beklagen den Umstand, dass sie nicht über ausreichend Ressourcen verfügen, um das im Gesetz verankerte Bildungsprogramm „Bildung elementar - Bildung von Anfang an“ umzusetzen.

Einige Abgeordnete der Fraktionen nutzten in den vergangenen Wochen das Angebot der GEW, im Rahmen ihrer Veranstaltungsreihe zum KiFöG mit Erzieherinnen, Elternvertretungen und Trägern von Einrichtungen dazu ins Gespräch zu kommen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Mit unserem Gesetzentwurf haben wir den Versuch unternommen, mehr Transparenz in das Finanzierungssystem zu bekommen, die Qualität in den Einrichtungen zu verbessern und die Eltern bezüglich ihrer Gebühren zu entlasten.

Was ist im Einzelnen geplant? - Erstens. Wir stellen die Finanzierungssystematik um und beteiligen im ersten Schritt nunmehr drei Partner an der Kita-Finanzierung, das Land, die Landkreise und die Eltern. In einem zweiten Schritt werden es dann nur noch das Land und die Landkreise sowie die kreisfreien Städte sein.

Damit wir als Land überhaupt einen Zugriff auf die Elternbeiträge haben, werden wir die bisherige Finanzierung komplett auf eine Personalkostenfinanzierung umstellen und diese prozentual umlegen. Somit fallen die derzeitigen unsäglichen Landespauschalen weg, von denen heute kaum noch einer weiß, wie sie überhaupt entstanden sind.

Zweitens. Mit der Personalkostenfinanzierung können wir schrittweise in den nächsten fünf Jahren die Elternbeiträge reduzieren und den Kita-Besuch letztlich beitragsfrei stellen.

Drittens. Für die Verbesserung der frühkindlichen Bildung erhalten die Erzieherinnen Vor- und Nachbereitungszeiten. Dies halten wir für zwin

gend notwendig, damit sie die Anforderungen des Bildungsprogrammes umsetzen können.

Viertens. Für Ausfallzeiten aufgrund von Krankheiten oder Fort- und Weiterbildung erhalten die Kindertageseinrichtungen ein Kontingent an Reservestunden. Die Verbesserung beider Stundenzuweisungen werden wir ebenfalls schrittweise vornehmen. Nach fünf Jahren steht dann 20 % mehr Personal in den Einrichtungen zur Verfügung.

Fünftens. Wir möchten auch den jahrelangen Streitpunkt der Leiterinnenfreistellung beenden. Wir haben dazu den Begriff „angemessen“ nunmehr genau definiert.

Sechstens. Die Gemeinden brauchen in Zukunft kein Defizit mehr zu tragen. Somit sind sie genau wie die freien Träger gleichberechtigte Verhandlungspartner des Jugendamts. Damit wollen wir die Qualität in allen Einrichtungen sicherstellen.

Siebentens. Die derzeit im Gesetz geregelte Geschwisterstaffelung weiten wir auf die Hortkinder aus.

Achtens. Um sich den aktuellen und verschiedenen Herausforderungen in Kita und Hort zu stellen, möchten wir verstärkt auf multiprofessionelle Teams setzen. Dazu haben wir den Personenkreis erweitert, welcher in den Einrichtungen tätig sein kann.

Neuntens. Wir definieren im Gesetz ebenfalls, was Verpflegungskosten sind, und entlasten die Eltern von den Küchennebenleistungen.

Zehntens. Die Elternbeiträge fallen zukünftig dort an, wo Eltern ihren Betreuungsvertrag abschließen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben uns viel vorgenommen. Wir sind der Auffassung, dass unser Angebot umsetzbar ist. Dazu gehört der politische Wille aller hier im Hause.

(Beifall bei der LINKEN)

Natürlich sind wir uns dessen bewusst, dass es auch andere Ideen gibt. So haben wir mehrfach von der CDU das Ansinnen gehört, den Ganztagsanspruch zu reduzieren. Dies, liebe Damen und Herren von der CDU, ist mit uns nicht zu machen. Dass damit angeblich Einsparpotenziale verbunden sind, die möglicherweise an die Eltern weitergereicht werden, meine Damen und Herren, halte ich für einen Trugschluss.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Was passieren wird, ist vorhersehbar. Es wird ein enormer Verwaltungsaufwand entstehen, da Eltern nachweisen müssen, dass sie Arbeit haben. Falls sie eine Betreuung von mehr als acht Stunden benötigen, müssen sie sich jede weitere

Stunde hinzukaufen. Das bedeutet, die Begrenzung der Elternbeiträge auf die Höhe des Kindergeldes von 192 € im Monat ist eine Mogelpackung.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Spätestens jetzt wird jedem klar sein, warum die Koalition mit der Novellierung des KiFöG bis nach der Bundestagswahl warten möchte.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zur letzten Tagung des Städte- und Gemeindebundes in Gardelegen wurde unser Gesetzentwurf vom Vorsitzenden Herrn Trümper stark kritisiert. Der Kern der Kritik bestand darin, dass wir mit unserem Gesetzentwurf den Gemeinden etwas wegnehmen. Ja, wir nehmen ihnen das verbleibende Defizit weg.

(Silke Schindler, SPD, lacht)

- Ja, darüber können wir im Nachhinein diskutieren. - Wir nehmen ihnen aber keine Kita, kein Personal und kein Eigentum weg.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Wir sorgen dafür, dass sie genauso ihre Kosten, die ihnen zum Betreiben einer Einrichtung entstehen, mit dem Jugendamt verhandeln und geltend machen können. Zurzeit ist dies oft nicht gegeben, da viele Gemeinden keinen ausgeglichenen Haushalt haben oder sich in Konsolidierung befinden. Das endet gelegentlich damit, dass zum Beispiel Spielgeräte, die vom TÜV gesperrt wurden, nicht instand gesetzt werden können, weil der Haushalt nicht genehmigt ist oder weil kein Geld zur Verfügung steht.

Sehr geehrte Damen und Herren! Eine weitere Kritik, die im Zusammenhang mit der Einbringung unseres Gesetzentwurfes zu hören war und sicherlich auch heute wieder von einigen vorgetragen wird, ist der Vorwurf, wir würden uns über das Bundesverfassungsgericht stellen. Es heißt, es wäre unseriös, jetzt ein Gesetz einzubringen, obwohl es noch keine Entscheidung gibt. Dazu kann ich Ihnen nur sagen, dass wir uns mit unserem Entwurf an das derzeit gültige SGB VIII halten.

(Zuruf von Silke Schindler, SPD)

Frau Ministerin Grimm-Benne hatte bereits in der letzten Landtagssitzung sehr ausführlich die Paragrafen benannt, welche die Zuständigkeit für Tageseinrichtungen näher bestimmen.

(Zustimmung bei der LINKEN - Zuruf von Silke Schindler, SPD)

Ich zitiere hierzu nochmals aus der Antwort Ihrer Ministerin:

„Kinderbetreuung und Kindertagespflege sind Leistungen der Jugendhilfe. Das Bundesrecht sieht für Leistungen der Jugend

hilfe in § 85 Abs. 1 SGB VIII grundsätzlich die Zuständigkeit der örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor. Gemäß unserem § 1 Abs. 1 des Ausführungsgesetzes des Kinder- und Jugendhilfegesetzes Sachsen-Anhalt sind die Landkreise und kreisfreien Städte in Sachsen-Anhalt örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Demnach richtet sich der bundesrechtliche Rechtsanspruch auf Förderung in Tageseinrichtungen in Kindertagespflege gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 24 SGB VIII gegen den örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe.“