Protocol of the Session on May 4, 2017

(Beifall bei der LINKEN)

Es ging um eine Würdigung der Leistungen von Gustav-Adolf Schur als Sportler und nicht als Politiker.

Die Frage, ob denn die sportlichen Leistungen auch entsprechend anerkannt werden, wenn man politische Positionen vertritt, die eben nicht auf ungeteilte Zustimmung der Entscheider stoßen, ist eine spannende Frage.

Leider wurde sie -„leider“ aus unserer Sicht - am letzten Freitag wie folgt beantwortet: Eigentlich zählen die sportlichen Leistungen, aber bei Täve Schur gelten andere Maßstäbe. Jemand, der nicht bereit ist, seine eigene Vergangenheit zu leugnen, kann nicht Bestandteil der Hall of Fame des Sports sein. Somit rücken sportliche Leistungen klar in den Hintergrund.

Da wir aber der Auffassung sind, dass es sich eben um eine Hall of Fame des Sports handelt, will ich nun auf die sportlichen Erfolge von Gustav-Adolf Schur eingehen.

Wie kam es dazu, dass Täve Schur zu einer Radsportlegende wurde? - Mit dem Radsport begann er mit 19 Lebensjahren hier in Magdeburg bei der damaligen BSG Grün-Rot Magdeburg. Bereits im Jahr 1952 gehörte Täve Schur dem Friedensfahrtteam der DDR an, die Friedensfahrt, immerhin das größte Amateurradrennen der Welt, auch als Tour de France des Ostens bezeichnet.

Bei der Friedensfahrt ein Jahr darauf belegte er den dritten Platz in der Gesamtwertung und hatte damit großen Anteil daran, dass die damalige DDR-Mannschaft als beste Mannschaft das Rennen im Jahr 1953 abschloss.

Im gleichen Jahr wurde Täve Schur von der Bevölkerung der DDR zum Sportler des Jahres gewählt. Es war das erste Mal überhaupt, dass eine solche Umfrage gestartet wurde.

Im Jahr 1954 wurde Täve Schur zum ersten Mal DDR-Meister im Radrennen und belegte den sechsten Platz bei der Amateurweltmeisterschaft. Damit war er der bestplatzierteste deutsche Teilnehmer.

Im Jahr 1955 gewann Täve Schur als erster deutscher Radfahrer die Friedensfahrt. Dies wiederholte er 1959. Er war damit der erste Radfahrer überhaupt, der das weltweit bedeutendste Amateurradrennen zweimal für sich entscheiden konnte.

Im Jahr 1958 wurde Täve Schur Weltmeister. Ein Jahr später verteidigte er den Weltmeistertitel. Ein weiteres Jahr darauf, nämlich 1960, avancierte dann Täve Schur endgültig zum Sportidol und zur Radsportlegende, weil er es fertigbrachte, seinen Mannschaftskollegen Bernhard Eckstein vor dem Zieleinlauf den Vortritt zu lassen, statt selbst als Erster über die Ziellinie zu fahren.

Diese Entscheidung führte schließlich dazu, dass seine Mannschaft die Mannschaftswertung insgesamt gewann. Er zog es vor, der Mannschaft zum Sieg zu verhelfen und selbst auf einen dritten WM-Titel hintereinander zu verzichten. Auch infolgedessen wurde er 1960 dann zum achten Mal in Folge Sieger der Umfrage „Sportler des Jahres“.

Bei den sportlichen Erfolgen von Täve Schur will ich nicht unterschlagen, dass er 1956 und 1960 Mitglied der damaligen gesamtdeutschen Olympiamannschaft war und auch hier einmal für das gesamtdeutsche Team Bronze in der Mannschaftswertung sowie Silber im Mannschaftszeitfahren holte.

Ich will nun auf das Nennen von weiteren sportlichen Erfolgen von Täve Schur verzichten, da hierfür selbst die 15 Minuten Redezeit nicht ausreichen würden, aber die wichtigsten Erfolge und Leistungen von ihm sollten benannt werden, wenn klar werden soll, warum Täve für viele ein Idol bzw. eine Sportlegende ist.

Jeder, der im Osten bzw. in der DDR groß geworden ist, kannte Täve Schur, und viele kennen ihn auch noch heute, was die Debatte um die Nominierung für die Hall of Fame gezeigt hat.

Jeder, der Täve Schur persönlich getroffen hat, durfte erleben, welch freundlicher, bodenständiger und zugewandter Mensch er auch privat ist.

Sämtliche Befragungen, Ted-Abstimmungen, Umfragen und Leserbriefe haben auch klar gezeigt, dass Gustav-Adolf Schur nach wie vor große Sympathie bei den Leuten in Sachsen-Anhalt genießt und eine klare Mehrheit der SachsenAnhalter und Sachsen-Anhalterinnen ihn sehr gern in der Hall of Fame gesehen hätte.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber wie gesagt, es kam anders.

Eigentlich war schon kurz nach der Nominierung von Täve Schur klar, dass es wieder schwer werden würde und man sich auch nicht zu schade war, mit unsachlichen und auch verletzenden Äußerungen die Aufnahme von Täve Schur zu verhindern.

So auch die Äußerung von Hall-of-Fame-Mitbegründer und Ex-Sporthilfe-Chef Hans Wilhelm Gäb. Dieser erklärte zur Nominierung von Täve Schur - ich zitiere -:

„Kein Mensch käme auf die Idee, einen im Sport erfolgreichen Nazi, wenn er auch heute noch die Untaten des Regimes verherrlichte, in die Hall of Fame aufzunehmen.“

Meine Damen und Herren! Diese unsäglichen Äußerungen weisen wir ganz entschieden zurück.

(Beifall bei der LINKEN)

Eine solche Gleichsetzung von DDR und Nationalsozialismus ist eine ungeheuerliche Verharmlosung der Nazi-Zeit und wird von uns nicht so einfach hingenommen. Der Versuch, Täve Schur mit ehemaligen Nazis bzw. Nazi-Verherrlichern gleichzusetzen, ist schäbig, erbärmlich und

schlichtweg geschichtsvergessen.

(Beifall bei der LINKEN)

Solche Äußerungen wie die von Herrn Gäb leisten vielleicht einen Beitrag dazu, dass sie ihr persönliches Ziel, nämlich dass Täve Schur nicht in die Hall of Fame kommt, erreichen, aber sie schaden einer differenzierten Aufarbeitung auch des DDRSports.

Aber wenn Herr Gäb schon auf ehemalige Nazis zu sprechen kommt, dann schauen wir uns die Hall of Fame einmal genauer an: Mit Sepp Herberger, Willi Daume, Josef Neckermann, Rudolf Harbig, und Gustav Kilian sind gleich sechs ehemalige NSDAP-Mitglieder und Repräsentanten des Nazi-Regimes vertreten, genauso wie Sportler, die nachweislich gedopt haben.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Da wollte er rein?)

Auch ehemalige Spitzensportler, die wegen Steuerhinterziehung vorbestraft sind, haben ihren Platz in der Ruhmeshalle des Sports. Wenn für sie die gleichen Maßstäbe gegolten hätten wie für Täve Schur, dann hätten auch diese nicht aufgenommen werden dürfen. Aber dann wäre sie schnell leer oder zumindest hätte man viel Platz in der Hall of Fame. Oder anders gesagt: Bei ehemaligen NSDAP-Mitgliedern kann man ein Auge zudrücken, aber bitte nicht bei jemanden, der

heute noch lobende Worte über den DDR-Sport findet. Das ist die Botschaft, die hiermit ausgesandt wurde.

(Andreas Schumann, CDU: Doping, syste- matisches Doping!)

Denn was genau wurde denn Täve Schur vorgeworfen? - Der zentrale Vorwurf lautete: Er redet heute noch den DDR-Sport schön und er hat die Behauptung, der DDR-Sport sei kriminell, als - Zitat - „Quatsch“ zurückgewiesen. Man erwartet also, dass Täve Schur sich dem Chor anschließt und mit einstimmt, den DDR-Sport insgesamt als kriminell zu bezeichnen. Das ist nichts anderes als Selbstverleugnung und gnadenloser Opportunismus, was man an dieser Stelle von Täve Schur verlangt.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren Kollegen! Wäre es denn ehrlich, wenn er sich hinstellen würde und sagen würde: Ja, der DDR-Sport war kriminell? - Nein. Das wäre nicht ehrlich. Denn Täve weiß genau, dass er durch den DDR-Sport zu jener Legende wurde.

Dass Täve Schur nun nicht bereit war, seine eigene Biografie zu verleugnen, hat dafür gesorgt, dass er nicht in die Hall of Fame aufgenommen wurde. Diese Tatsache, dass er nicht bereit war, opportunistisch zu agieren, und nicht bereit war, seine eigene Biografie zu leugnen, ist aus unserer Sicht ein Schlag ins Gesicht für all jene, die auch heute noch zu ihrer DDR-Biografie stehen und sie eben nicht in Bausch und Bogen verdammen.

Den DDR-Sport insgesamt und pauschal als kriminell zu bezeichnen, ist aus unserer Sicht unzulässig, weil damit alle Sportlerinnen und Sportler, alle Trainerinnen und Trainer, Übungsleiter, Schiedsrichter und Funktionäre des DDR-Sports als kriminell bezeichnet werden. Dass diese Pauschalisierung von Gustav-Adolf Schur nicht mitgemacht wird, verdient aus unserer Sicht großen Respekt.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun teilen wir, also meine Fraktion, ausdrücklich nicht alle Auffassungen und Äußerungen von Täve Schur. Das muss man auch nicht. Dazu gehören auch seine Aussagen zum Doping. Heutzutage wissen wir, dass es im DDR-Sport ein systematisches Doping gab. Dieser Debatte stellen wir uns und wir haben uns ihr auch schon in der Vergangenheit häufig und konsequent gestellt. Ich kann diesbezüglich auf einen Antrag meiner Fraktion in der letzten Legislaturperiode verweisen, der dann in einen Beschluss des Landtages mündete.

Aber Doping zur aktiven Sportlerzeit Täve Schurs gab es einfach nicht. Als Täve seine Siege errungen hatte, gab es noch kein Doping. Mir sind auch keine Vorwürfe gegenüber Täve Schur bekannt, dass er in seiner späteren Trainerzeit andere zum Doping animiert oder dazu aufgefordert haben soll.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Aber er ver- harmlost es!)

Und mal ehrlich: Schauen wir uns einmal den Radsport von heute an und den von damals. Heute einen Radsportler zu finden, der noch nicht des Dopings verdächtigt wurde, hat schon Seltenheitswert. Da man aber Täve Schur keinerlei Doping nachweisen kann und auch keine Anstiftung zum Doping, mussten jetzt seine Äußerungen zum DDR-Sport als Ablehnungsgrund herhalten. Dieses Messen mit zweierlei Maß bei der Aufnahme in diese Hall of Fame des Sports, das ist es, was die Leute wütend macht, und zwar zu Recht.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Der Vorschlag des Landessportbundes zur Aufnahme von Täve Schur in die Hall of Fame des Sports war richtig und hat den ausdrücklichen Respekt und die Unterstützung meiner Fraktion.

Ebenso finden wir es bewundernswert, wie Andreas Silbersack als Präsident des Landessportbundes für die Aufnahme seines Ehrenpräsidenten gekämpft hat. Andreas Silbersack ist nun alles andere als ein DDR-Nostalgiker. Vielmehr ist er ein ausgesprochener Kritiker und ist selbst in den Westen geflüchtet.

Aber seine Begründung pro Täve Schur will ich gern zitieren. In der „Volksstimme“ vom 22. April 2017 kann man es nachlesen. Ich zitiere:

„Sportler im historischen Kontext zu bewerten, macht ihre Wertigkeit aus. Das können eben nicht nur gleichlautende Lebensläufe sein.“

Die Ablehnung des Antrags zur Aufnahme von Täve Schur kommentierte Andreas Silbersack wie folgt:

„Ich halte diese Entscheidung für einen kapitalen Fehler. […] Wie mit Täve Schur umgegangen wurde, das hätte ich mir in meinen schlimmsten Träumen nicht vorstellen können.“