Nun hat die Stadt Quedlinburg dem Anliegen stattgegeben. Eine Bedingung ist aber daran geknüpft, und zwar sollen die Bewohnerinnen und Bewohner in einem fünfgeschossigen Altbau, also in einem ehemaligen DDR-Plattenbau, konzentriert zusammenziehen. Da die Altersstruktur in diesem Ortsteil sehr hoch ist, befürchten viele Ältere, dass sie in eine vierte oder fünfte Etage ziehen müssen. Um ihnen die Angst zu nehmen, wäre unser beschlossenes Aufzugsprogramm ideal.
Doch leider ist dies - so hat sich auch das Wohnungsunternehmen geäußert - nicht umsetzbar. Die anfallenden Wartungs- und Betriebskosten für den Aufzug müssten dann auf die Miete umgelegt werden.
Damit würde die Miete für Bedarfsgemeinschaften oder auch für Bewohnerinnen und Bewohner, die Grundsicherung im Alter erhalten, in vielen Fällen zu teuer. Eine Anrechnung dieser Kosten lässt die Förderrichtlinie des Harzkreises nicht zu. Sie sind nicht Bestandteil der Richtlinie.
Um aus diesem Dilemma herauszukommen, müsste nunmehr ein Antrag im Kreistag gestellt werden. Dieser liegt auch schon vor, doch es gibt einen Haken: Laut dem Ausführungsgesetz des Landes hat der Kreistag kein Antrags- und Entscheidungsrecht. Die Einbeziehung des Kreistages ist aber von Vorteil, wenn man über solche Dinge diskutiert.
Diesen unhaltbaren Zustand, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wollen wir mit unserem Gesetzentwurf ändern. Ich bitte daher um die Überweisung unseres Gesetzentwurfs in den Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank. Es gibt keine Fragen. - Bevor wir in die vereinbarte Debatte mit fünf Minuten Redezeit je Fraktion einsteigen, spricht zunächst für die Landesregierung Ministerin Frau Grimm-Benne. Sie haben das Wort, Frau Ministerin.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE soll es den Landkreisen und kreisfreien Städten des Landes als kommunale Grundsicherungsträger ermöglicht werden, die angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung nach dem SGB II und dem SGB XII mittels einer Satzung festzuschreiben.
Dies ist bislang nur in den Ländern Hessen und Schleswig-Holstein sowie in dem Stadtstaat Berlin möglich. Allerdings haben sich in den drei Ländern lediglich drei von etwa 400 kommunalen Trägern für die Satzungsvariante entschieden. Alle anderen regeln, wie die kommunalen Träger in Sachsen-Anhalt, KdU-Leistungen im Wege einer kommunalen Richtlinie.
Zunächst ist zu bemerken, dass das Zweite Buch des Sozialgesetzbuches in den §§ 22a ff. diese Möglichkeit der Gestaltung durch Satzung zulässt, wenn sie durch ein Landesgesetz eröffnet wird.
In der Begründung zu dem Gesetzentwurf wird ausgeführt, die Öffnung würde zur Rechtsvereinfachung der Grundsicherung führen. Dies vermag ich nicht zu erkennen.
Die angemessenen Werte für die Kosten der Unterkunft und Heizung nach SGB II und SGB XII müssen nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auf der Grundlage eines sogenannten schlüssigen Konzepts bemessen werden. Anschließend sind sie festzulegen. Ob dies durch eine Satzung oder wie bislang durch eine Richtlinie erfolgt, ist dabei unerheblich.
Die wesentlichen Grundsätze für das schlüssige Konzept sind gesetzlich normiert und gelten für beide Rechtsakte gleichermaßen. Damit existiert kein verminderter Aufwand bei der Ermittlung der Angemessenheitsgrenzen, somit auch keine Rechtsvereinfachung für den kommunalen Träger.
Auch bei der Umsetzung im Jobcenter selbst ist es für die Bearbeiterin oder den Bearbeiter unerheblich, ob er die Angemessenheitswerte einer Satzung oder einer Richtlinie entnehmen kann. Es ist also ebenfalls keine Rechtsvereinfachung.
Sehr wohl besteht aber hinsichtlich der Wirkung ein Unterschied zwischen Satzung und Richtlinie, mit dem wir uns befassen sollten. Das ist zunächst die Form des Zustandekommens; Sie haben es schon erwähnt.
Bei der Richtlinie genügt die Unterzeichnung durch die Landrätin bzw. den Landrat oder die Oberbürgermeisterin bzw. den Oberbürgermeister. Eine Satzung hingegen muss vom jeweiligen Kommunalparlament erlassen werden.
Kommt es durch geänderte Rechtsprechung, geänderte Satzungslage oder aus anderen Gründen zum Erfordernis notwendiger Modifikationen, benötigen diese bei einer Satzung deutlich mehr Vorlaufzeit als bei einer Richtlinie. In diesem Fall können auch kostbare Zeit und gebotene Flexibilität im Sinne der Betroffenen verloren gehen.
Wenn die Satzung, wie dargelegt, weniger flexibel handhabbar ist und keine Rechtsvereinfachung bietet, könnte sie doch zumindest einen möglichen Vorteil haben: Über ihre Wirksamkeit entscheidet dann im jeweiligen Einzelfall nicht mehr das Sozialgericht, sondern das Landessozialgericht. Befindet dieses das zugrunde liegende Konzept als schlüssig im Sinne der bundessozialgerichtlichen Rechtsprechung, so haben auch die Sozialgerichte die Satzung in jedem Einzelfall anzuwenden. Eine divergierende Anwendung ist dann nicht mehr zulässig.
Diese zentrale Entscheidung durch das Landessozialgericht ist aber mit erheblichen Risiken verbunden, weshalb die Landesregierung von der vorgeschlagenen Öffnung bislang abgesehen hat. Hält das Konzept der vorgeschriebenen landesgerichtlichen Schlüssigkeitsprüfung nämlich nicht stand, so ist die Satzung damit ungültig und mithin nichtig.
Das bedeutet, dass sämtliche zwischenzeitlich eingeleiteten und gegebenenfalls abgeschlossenen Kostensenkungsverfahren der Jobcenter ebenfalls einer rechtlichen Grundlage entbehren würden und von Amts wegen zu korrigieren wären. Aufgrund der Dauer der landessozialgerichtlichen Verfahren kommen dabei schnell mehrere Tausend Fälle zusammen, die über einen ziemlich langen Zeitraum rückabzuwickeln wären. Es gibt also auch in diesem Fall keine Rechtsvereinfachung.
Doch im Ernst: Diese Kostenfolge wäre für den kommunalen Träger unabsehbar und, tritt sie ein, ausgesprochen drastisch. Hingegen bietet die Richtlinie eine deutlich flexiblere Lösung, da es sich lediglich um eine verwaltungsinterne Regelung handelt, die im jeweiligen Einzelfall angewendet wird. Wird deren Anwendung in genau diesem Einzelfall verworfen, weil sie etwa für die konkrete Bedarfsgemeinschaft nicht passt, so gilt das eben nur für diesen Einzelfall und lässt andere Fälle, in denen die Richtlinie möglicherweise eine angemessene Lösung bot, unberührt.
Meine Damen und Herren Abgeordneten! Die Sachlage ist noch um einiges komplexer, als von mir in der zur Verfügung stehenden Redezeit dargelegt werden könnte. Daher ist es meines Erachtens sinnvoll, darüber in den zuständigen Fachausschüssen weiter zu beraten, die Details genau zu betrachten und die sich daraus er
Dort wird sich auch die Gelegenheit bieten, Vertreter der betroffenen Kommunen, Sachverständige und Experten anzuhören. Zudem wird auch der Blick in die anderen Bundesländer zu richten sein, um zu erfahren, wie dort mit dem Angebot der Satzungslösung umgegangen wird und welche Folgen sich daraus gegebenenfalls ergeben haben. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Grimm-Benne. Das war heute wirklich eine Punktlandung. - Wie bereits angekündigt, steigen wir jetzt in die Debatte mit fünf Minuten Redezeit je Fraktion ein. Der erste Debattenredner ist Herr Kolze von der CDU-Fraktion. Sie haben das Wort, Herr Kolze. Bitte.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! In Anbetracht der Tatsache, dass wir heute noch einen langen Arbeitstag vor uns haben, möchte ich Ihre Aufmerksamkeit und Geduld nicht über Gebühr strapazieren. Ich werde meine Ausführungen dementsprechend auf das Notwendigste beschränken.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion DIE LINKE! Die Ministerin hat sehr ausführlich und nachdrücklich auf die rechtlichen Konsequenzen Ihres Gesetzentwurfes hingewiesen. Wieder einmal hat sich die Weisheit bestätigt, dass das, was gut gemeint war, in der Praxis noch lange nicht gut gemacht ist. Nach den Worten der Ministerin können Sie sich jetzt selbst ausmalen, welche praktischen Folgen Ihr Vorhaben haben würde.
Sie können es aber auch als ein Entgegenkommen der Koalition ansehen, dass wir Ihren Gesetzentwurf nicht gleich ablehnen, sondern diesen in den Ausschuss überweisen wollen. Dort werden wir dann in der gebotenen Sachlichkeit über Ihre Anliegen beraten.
Schon jetzt möchte ich Ihnen aber mit auf den Weg geben: Lassen Sie in Zukunft lieber die Finger von Initiativen, die Sie nicht rechtlich durchgeprüft haben.
Der Unterschied zwischen Richtlinie und Satzung sollte Ihnen schon jetzt Aufschluss über die Tragweite Ihrer Initiative geben.
sung in den Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kolze. - Der nächste Debattenredner wird für die AfD-Fraktion der Abg. Tobias Rausch sein. Sie haben das Wort, Herr Abgeordneter.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Abgeordnete! Frau Ministerin! Liebe Fraktion DIE LINKE! Ich hatte mir ein Redekonzept zurechtgelegt zu dem, was ich alles sagen möchte, aber die Ministerin und Herr Kolze haben all das vorweggenommen. Da ich auch gern Zeit sparen möchte, würde ich sagen: Lassen Sie uns im Ausschuss darüber diskutieren, da dieser Gesetzentwurf nicht ausgereift ist und die Konsequenzen nicht hinreichend berücksichtigt. - Das war es schon. Ich danke Ihnen.
Vielen Dank. Es gibt keine Fragen. - Wir kommen somit zu der nächsten Debattenrednerin. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abg. Frau Lüddemann.
An dieser Stelle möchte ich Ihnen, Frau Lüddemann, sagen: Gute Besserung, liebe Frau Lüddemann. Es tut mir immer leid, dass Sie nach vorn kommen müssen. Sie haben das Wort. Bitte.
Vielen Dank für diese guten Wünsche, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ein paar Worte mehr möchte ich gerade nach den Auftritten der Vorredner doch sagen.
Ich muss gestehen: Am Anfang hatte ich einige Schwierigkeiten zu verstehen, was der Kern des Gesetzentwurfs ist. Denn Sie schreiben selbst: Eine Veränderung bestehender kommunaler Zuständigkeiten wird nicht vorgenommen.
Ich selbst komme aus Dessau. Wir haben in Dessau eine Satzung. Ich musste wirklich erst einmal tiefer einsteigen, um zu verstehen, dass es Ihnen im Kern tatsächlich darum geht, dass nunmehr, abweichend von der geübten Praxis, nach Besprechung und Beschlussfassung in den jeweiligen Kreistagen oder Stadträten überall eine Sat
zung erlassen werden soll, und nicht mehr, wie es derzeit die übliche Praxis ist, eine Richtlinie, die vom Oberbürgermeister oder vom Landrat quasi per Akklamation erlassen wird.
All das hat sich jetzt aus der Rede im Gesamtzusammenhang erschlossen. Die Frau Ministerin hat auch die unterschiedlichen Rechtswege dargelegt.
Ich möchte noch einmal darauf eingehen, dass ich aus Dessau komme. Dort hat der Stadtrat tatsächlich eine Debatte geführt; er hat den Vorschlag der Verwaltung verändert, hat die Gesamtangemessenheitsgrenze aufgenommen und dann per Beschluss die Satzung in Kraft gesetzt.
Das ist sozusagen das, was auch aus bündnisgrüner Sicht das Entscheidende bei der Qualitätsverbesserung ist, dass nämlich die Öffentlichkeit Kenntnis davon erlangt, was Gegenstand der Satzungsregelung ist, dass der politische Raum tatsächlich mitbestimmen kann, dass man mitgestalten kann und dann auch insgesamt partei- bzw. fraktionsübergreifend einen Beschluss fassen kann.