Protocol of the Session on March 2, 2017

Anrechnung von Aufwandsentschädigungen auf vorgezogene Altersrenten bzw. Erwerbsminderungsrenten.

Stimmen Sie unserem Antrag zu und setzen Sie sich für eine dauerhafte Nichtanrechnung von Aufwandsentschädigungen für alle ehrenamtlich Tätigen ein. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Herzlichen Dank, Frau Buchheim. - Bevor wir in die Debatte eintreten, sind wir in der Lage, auf unserer Besuchertribüne die Gruppe der Grünen Damen vom Krankenhaus Marta Maria in HalleDölau - und es ist offensichtlich auch ein Herr dabei - ganz herzlich zu begrüßen. Herzlich willkommen bei uns!

(Beifall im ganzen Hause)

Nunmehr hat für die Landesregierung Frau Ministerin Grimm-Benne das Wort. Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Mit dem vorliegenden Antrag wird zunächst das Ziel verfolgt, die bis zum 30. September 2017 bestehende Regelung der §§ 302 Abs. 7 und 313 Abs. 8 SGB VI zu entfristen. Danach werden bei Beziehern einer Altersrente vor Vollendung der Regelaltersgrenze und bei Beziehern einer Erwerbsminderungsrente Aufwandsentschädigungen aus einer ehrenamtlichen Tätigkeit nicht als sozialversicherungspflichtiges Einkommen angerechnet.

Diese Regelung war eine Reaktion des Gesetzgebers auf eine geänderte Rechtsauffassung der Rentenversicherungsträger im September 2010, die sich auf mehrere Urteile des Bundessozialgerichts stützt, wonach unter dem Hinweis auf die volle Parallelität von Einkommensteuerrecht und Sozialversicherungsrecht Aufwandsentschädigungen nunmehr als sozialversicherungspflichtige Einnahmen anzusehen waren.

Die Auswirkungen der Sozialversicherungspflicht hätten nach den derzeit noch geltenden rentenrechtlichen Bestimmungen zu erheblichen Rentenkürzungen führen können. Ein Beispiel dafür: Bei einer Anrechnung von Aufwandsentschädigungen als sozialversicherungspflichtiges Einkommen würde ein Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze von derzeit 450 € um nur 1 € dazu führen, dass nur noch ein Anspruch auf eine Zweidrittelteilrente besteht. Eine monatliche Rente von 1 000 € wäre somit auf 666,67 € zu kürzen.

Mit dem inzwischen beschlossenen Flexirentengesetz fällt eine mögliche Rentenkürzung deutlich

geringer aus. Unter den gleichen Voraussetzungen wird nach den Regelungen des Flexirentengesetzes die Rente beim Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze nicht mehr auf die nächstniedrigere Teilrente gekürzt, sondern die Kürzung erfolgt nur um den die Hinzuverdienstgrenze überschreitenden Betrag. Somit ergibt sich lediglich eine Kürzung um 1 €.

Vor dem Hintergrund, dass sich viele ehrenamtlich Tätige seit Jahren auf diese Sozialversicherungsfreiheit verlassen und auch bereits eine Rente beziehen, ist eine Entfristung der derzeitigen gesetzlichen Regelung auch aus der Sicht der Landesregierung notwendig.

Sehr geehrte Damen und Herren! Des Weiteren wird in dem Antrag im Interesse der Gleichbehandlung eine Übernahme der Regelung für alle ehrenamtlich Tätigen gefordert. Bürgerschaftliches Engagement und Ehrenamt sind ein wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft und sollten weiter gestärkt werden. Ein Problem stellt dabei die unklare rechtliche Abgrenzung von ehrenamtlichen zu erwerbsmäßig ausgeübten Tätigkeiten dar, sodass eine generelle Befreiung von der Versicherungspflicht zu Mitnahmeeffekten führen könnte, indem es zu entsprechenden Neu- und Umgestaltungen bestehender Beschäftigungsverhältnisse kommen könnte.

Dies hätte zur Folge, dass die Sozialversicherungssysteme geschwächt werden würden.

Gleichzeitig würden sich für die Betroffenen die beitragspflichtigen Einkünfte und späteren Rentenansprüche mindern, was unter Umständen zu finanziellen Schwierigkeiten im Alter führen könnte. Diese Diskussion führten wir schon mehrfach; sie ist immer wieder breit geführt worden.

Ich möchte Ihnen sagen: Wir haben damals diese Entschließung auf Empfehlung des Bundesrates vom 25. November 2016 in großer Einmütigkeit beschlossen. Dennoch muss ich sagen - ich möchte Ihnen das nicht vorenthalten -, dass es jetzt eine Umfrage des Landes MecklenburgVorpommern auf der Arbeitsebene gegeben hat. In dieser nehmen viele Länder zu der generellen Versicherungsfreiheit Ehrenamtlicher, die Sie nun fordern und die wir auch in unserem Bundesratsbeschluss beschlossen und dokumentiert haben, eine ablehnende Haltung ein.

Aus meiner Sicht wäre möglicherweise eine Höchstgrenze für eine generelle Versicherungsfreiheit zielführender als eine generelle Ablehnung. Darüber muss man auf der Bundesebene weiterhin debattieren.

Mich hat es sehr überrascht, dass man der Empfehlung des Bundesrates jetzt nicht mehr folgt. Es liegen bisher Stellungnahmen von acht Ländern vor. Lediglich Hamburg und Sachsen-Anhalt

haben sich noch dafür ausgesprochen, eine Höchstgrenze für Aufwandsentschädigungen festzulegen.

Bremen, Schleswig-Holstein, Brandenburg, Bayern, Berlin, das Saarland und Baden-Württemberg lehnen auf der Arbeitsebene eine generelle Versicherungsfreiheit Ehrenamtlicher ab - und sie wissen auch, dass diese Antworten dem Beschluss zum Flexirentengesetz vom 25. November widersprechen.

Die Stellungnahmen von Hessen, NordrheinWestfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Niedersachsen liegen bisher nicht vor.

Wir müssen jetzt erst einmal abwarten, wie sich die Diskussion auf der Bundesebene weiter entwickelt. Wir werden das noch immer unterstützen. Wir werden selbstverständlich im Ausschuss darüber berichten, was wir für Vorkehrungen in diesem Bereich treffen. Aber es ist keine Homogenität hinsichtlich des Beschlusses im Bundesrat mehr gegeben.

(Zustimmung bei der SPD)

Danke, Frau Ministerin. - Ich sehe keine Nachfragen. Ein kurzer Hinweis von mir, bevor wir jetzt in die Debatte der Fraktionen einsteigen: Wir hatten eine Dreiminutendebatte verabredet. Die Frau Ministerin war jetzt bei fünf Minuten angekommen. Das würde ich den folgenden Rednerinnen nicht vorenthalten wollen, ich weise aber darauf hin, dass sie nicht verpflichtet sind, fünf Minuten zu reden.

(Heiterkeit bei allen Fraktionen - Robert Farle, AfD: Das hat er schön gesagt!)

Herr Krull, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich nehme diesen Hinweis natürlich ernst und will es deswegen kurz machen. Ich denke, wir sind uns in der Thematik einig, dass sichergestellt werden muss, dass Aufwandsentschädigungen weiterhin über den aktuellen gesetzlichen Stand hinaus nicht auf vorgezogene Altersrenten oder Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit angerechnet werden.

Der Personenkreis, den es betrifft, wurde bereits genannt. Neben den Personen der kommunalen Selbstverwaltung sind es die Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane der Sozialversicherungsträger und die ehrenamtlichen Feuerwehrleute in unseren Gemeinden.

Aber über welche Summen reden wir eigentlich? - In der Öffentlichkeit gibt es viele Gerüchte, was so

ein Stadtrat bekommt. Ich habe einmal ein paar Zahlen herausgesucht: Ein Stadtrat in Magdeburg erhält 230 €, ein Ortsbürgermeister in Oschersleben zwischen 157 € und 342 €, Ortschaftsräte in Weißenfels zwischen 30 € und 52 € Aufwandsentschädigung. Das sind Monatsbeträge, und das für ein Ehrenamt, das sehr zeitaufwendig sein kann. Es ist keine Seltenheit, dass Ortsbürgermeister oder Stadträte bei kreisfreien Städten oder Kreistagsmitglieder schnell mal 20 Stunden pro Woche erreichen.

Die hier bestehende Ausnahmeregelung läuft, wie bereits beschrieben, am 30. September 2017 ab. Deshalb ist der entsprechende Beschluss des Ausschusses im Bundesrat zu begrüßen, der noch Teil der Beschlusslage zum Flexirentengesetz geworden ist. Zur Anrechnungsregelung hat die Ministerin hier schon ausführlich ausgeführt.

Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass zu diesem Thema sicherlich parteiübergreifend Konsens besteht. Ich zitiere aus dem aktuellen Vorschlag der Kommunalpolitischen Vereinigung von CDU und CSU zum Bundestagswahlprogramm:

„Über 530 000 Menschen engagieren sich langfristig für unser Gemeinwesen allein kommunalpolitisch im Ehrenamt. Das ist gelebte Demokratie. Hinzu kommen Ehrenbeamte der freiwilligen Feuerwehren. Bei kommunalem Ehrenamt geht es um die Wahrnehmung von Aufgaben innerhalb der Selbstverwaltung. Es darf nicht durch das Rentenrecht oder durch Regelungen der Sozialversicherung unattraktiv gemacht

werden. Deshalb fordern wir die Freistellung von Aufwandsentschädigungen des kommunalen Ehrenamtes in der Sozialversicherung, indem sie nicht Einkommen aus unselbstständiger Tätigkeit gleichgestellt werden.“

Ich denke, darin sind wir uns einig. Deshalb bitte ich um Zustimmung zu dem Alternativantrag der Koalitionsfraktionen. Machen wir deutlich, was uns das Ehrenamt wert ist, und das auch auf Bundesebene. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU)

Für die Fraktion der AfD hat der Abg. Daniel Rausch das Wort.

Werter Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Werte Fraktion DIE LINKE! Das Ehrenamt ist immer ein überparteiliches Thema. Es ist natürlich auch ein

sehr wichtiges Thema. Durch ehrenamtliche Tätigkeit, sei es in der Politik, in der Gesellschaft, im Sport oder im sozialen Bereich, wird unsere Gesellschaft reicher. Es wird etwas geleistet, was der Staat allein nicht leisten kann.

Es genügt nicht, in Sonntagsreden das Engagement der Bürger zu loben. Wir sollten zum Beispiel auch jetzt und hier zeigen, dass wir zum Ehrenamt stehen, und die gesetzlichen Grundlagen dafür schaffen.

(Zustimmung bei der AfD)

Ohne die vielen Frauen und Männer, die in Deutschland ein Ehrenamt ausüben, wäre unser Land um vieles ärmer und unser Gemeinwesen so nicht denkbar. Denn uns allen liegt es am Herzen, dass die Menschen, welche ein Ehrenamt übernehmen, ordentlich entschädigt werden und nicht am Ende noch draufzahlen müssen.

Es gibt nicht wenige Gemeinden in Sachsen-Anhalt, die noch nicht einmal einen Bürgermeister oder Ortsvorsteher finden. Die bisherige gesetzliche Regelung ist eine Übergangslösung - und das ist nicht die erste. Darum muss ich Ihnen darin zustimmen, dass wir eine dauerhafte Regelung brauchen.

Diese Regelung ist bereits in greifbare Nähe gerückt; denn der Bundesrat hat diesbezüglich in seiner 951. Sitzung am 25. November 2016 die Entschließung in der Drs. 628/16 verabschiedet. Wie Sie wissen, baten die Vertreter der Bundesländer in der Entschließung darum, eine nachhaltige Regelung zu schaffen, wonach Aufwandsentschädigungen für ehrenamtlich Tätige nicht als Hinzuverdienst bei vorgezogenen Altersrenten und Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit berücksichtigt werden und damit nicht rentenmindernd angerechnet werden.

Es scheint also alles in die richtige Richtung zu gehen. Aber Sie haben recht, hier muss Druck aufgebaut werden, damit sich die Bundesregierung bewegt. Darum, werte Frau Buchheim, wird die Fraktion der AfD Ihrem Antrag zustimmen. - Danke.

(Zustimmung bei der AfD)

Herr Rausch, wenn ich es richtig verstanden habe, hat der Kollege Erben jetzt doch wieder eine Zwischenfrage.

Nein, ich beantworte keine Fragen. Ich denke, es ist alles gesagt.

Möchten Sie eine Intervention machen, Herr Erben? - Da Sie aufstehen, nehme ich das so an. Dann haben Sie jetzt die Gelegenheit dazu.

Ich hätte Herrn Rausch gern etwas gefragt. Er hat hier eben kundgetan, dass nicht wenige Gemeinden in Sachsen-Anhalt keinen Bürgermeister oder Ortsbürgermeister mehr finden würden. Mir sind solche Fälle aktuell hier in Sachsen-Anhalt nicht bekannt.

(Zuruf von Lydia Funke, AfD)