Protocol of the Session on December 16, 2016

Einmal ganz davon abgesehen, dass man sich fragen sollte, was uns überhaupt alles als Lebensmittel verkauft wird. Da sind diese vielen tollen Zusätze, die das Verrotten verhindern. Das ist alles sehr bedenklich und muss durch Untersuchungen überhaupt erst einmal geklärt werden. Aber ich hoffe, dass die Studie, die mehrere zehntausend Euro kostet, uns darüber Aufschluss geben wird.

Hat einer der Antragsteller eigentlich Ahnung von Tierfutter? Nicht alle Tiere können auch alles essen. Man kann die zu entsorgenden Lebensmittel nicht einfach nehmen und den Tieren zum Fraß vorwerfen. Die Lebensmittel müssen sortiert, ausgepackt, geschält und futtergerecht verarbeitet werden.

Wer soll das machen und letztlich auch bezahlen? Die Landwirte selber werden das nicht übernehmen wollen. Es sei denn, es würde weniger Aufwand und Kosten bedeuten, was aber bei der Mehrarbeit nicht zu erwarten ist. Fakt ist: Diese Aufbereitung kostet Geld, und egal wer die Rechnung als Erster bekommt, am Ende bezahlt der Steuerzahler, also alle Bürger die Zeche, ob sie Müllvermeider sind oder nicht.

(Swen Knöchel, DIE LINKE: Jetzt auch! Das wollen wir doch verhindern!)

- Jetzt auch, genau. Unser deutsches Lebensmittelgesetz mit seiner Kennzeichnungsverordnung verhindert, dass Lebensmittel ohne Mindesthaltbarkeitsdatum verkauft oder in Verkehr gebracht werden, wie bei den Tafeln. Das hat den Vorteil, dass es Lebensmittelvergiftungen aufgrund des späten Inverkehrbringens nicht mehr gibt.

Unser Lebensmittelgesetz ist ein Schutzgesetz für die Verbraucher und Erzeuger und es darf nicht unter fadenscheinigen Vorwänden aufgeweicht werden.

(Zustimmung bei der AfD)

Das ist typische links-grüne Politik: Verbote, Verbote, und damit es auch der Letzte hier versteht: Verbote.

(Zustimmung bei der AfD)

Die AfD setzt sich dafür ein, dass es weniger Bedürftige gibt. Und DIE LINKE setzt sich dafür ein, dass die vielen Bedürftigen eine stabile Grundversorgung bekommen mit abgelaufenen Lebensmitteln. - Respekt!

(Zustimmung bei der AfD)

Herr Loth, bitte kommen Sie zum letzten Satz.

Der letzte Satz, jawohl. Wir lehnen den Antrag der Fraktion DIE LINKE ab, da er sich gegen die Gesundheit des deutschen Volkes richtet. - Danke schön.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Loth. - Ich sehe keine Anfragen. Somit erteile ich dem Abg. Herrn Steppuhn für die SPD-Fraktion das Wort. Sie haben das Wort, Herr Steppuhn.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will zunächst sagen, dass der Antrag der Fraktion DIE LINKE von der Zielsetzung her

etwas ist, was in diesem Haus weitestgehend unstrittig ist, nämlich dass man Lebensmittel nicht vernichtet, sondern dass Lebensmittel dort landen, wo sie letztlich auch gebraucht werden.

Wo wir einen Unterschied in der Positionierung haben - deshalb ist es gut, dass wir uns in den Ausschüssen mit dem Thema befassen werden -, ist in der Tat die Frage, ob man dafür ein Gesetz braucht. Ich kenne das französische Gesetz - ich bin im Ehrenamt Landesvorsitzender der Tafel - und sage Ihnen, der Bundesverband der Tafel lehnt dieses Gesetz ab,

(Siegfried Borgwardt, CDU: So ist es!)

weil es dort ehrenamtliche Strukturen gibt, die sagen, wir können uns nicht von dem Gesetzgeber sagen lassen, was wir per Gesetz zu machen haben, weil die Tafelarbeit als eine freiwillige und ehrenamtliche Aufgabe angesehen wird. Deshalb ist es richtig, dass man dabei nicht über gesetzliche Regelungen nachdenkt.

(Zustimmung von André Poggenburg, AfD)

Worüber wir in Deutschland nachdenken müssen, ist, glaube ich, das Thema des Haltbarkeitsdatums. Dazu gibt es schon Debatten. Mittlerweile sind nach wissenschaftlichen Erkenntnissen Lebensmittel auch nach Ablauf des Haltbarkeitsdatums, je nach Produktgruppe, länger haltbar und können danach auch noch verzehrt werden.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Deshalb heißt es ja Mindesthaltbarkeit!)

Von daher ist das nicht so einfach. Aber wir wissen auch, Kollege Borgwardt, dass viele Menschen bei uns - einfach, weil sie sagen, das ist das Mindesthaltbarkeitsdatum - diese Lebensmittel danach nicht mehr essen und vielleicht in die Tonne tun. Deshalb lohnt es sich, in diesem Bereich über eine Reformierung nachzudenken.

Ich will noch zwei Punkte nennen, damit deutlich wird, dass es mit den Lebensmitteln auch für die Tafeln nicht immer so ganz einfach ist. Oft bekommt man Lebensmittel, nehmen wir zum Beispiel Milchprodukte oder Joghurt, die haben nur noch wenige Tage an Haltbarkeitszeit. Die Tafeln haben auch von der Logistik her Mühe, das so zu schaffen, dass man diese Lebensmittel noch rettet und den Menschen zukommen lässt, die sie brauchen. Deshalb geht es bei der Arbeit der Tafeln schon lange nicht mehr nur darum, dass man über die Lebensmittel nachdenkt, sondern um die Frage, wie man es unter Umständen durch Geldspenden finanziert, dass man diese logistische Aufgabe leisten kann.

Ich nenne ein weiteres Bespiel, weil viele sich das so einfach vorstellen. Bei den Tafeln gehen oft auch Anrufe ein: „Wir haben eine Feier gehabt, da ist jetzt etwas von dem Buffet übrig geblieben.

Können die Tafeln das nicht gebrauchen?“ - Dann müssen viele Tafeln abwinken, weil sie die Voraussetzungen gar nicht haben, was Hygiene angeht, sie haben keine Küchen. Und wenn Lebensmittel schon einmal gekocht worden sind und auf dem Buffet lagen, dann sind Kühlketten unterbrochen.

Das ist alles in der Darstellung und der Umsetzung nicht so einfach. Deshalb ist es gut, dass wir uns die Zeit nehmen, auch in den Ausschüssen darüber zu reden, wie man mehr Lebensmittel vor der Vernichtung retten kann und wie man die Tafeln bei dieser Arbeit unterstützen kann.

Meine Damen und Herren! Es ist kurz vor Weihnachten. Deshalb ist dieser Tagesordnungspunkt gar nicht so schlecht. Kollege Höppner hat es schon getan; ich will auch Ihren Dank aufnehmen und bekräftigen, dass wir all denjenigen, die tagtäglich Lebensmittel retten, um sie bedürftigen Menschen zukommen zu lassen, den Ehrenamtlichen bei den Tafeln, ein herzliches Dankeschön aussprechen. Ich denke, das haben sie verdient. Ich würde mich freuen, wenn das Hohe Haus mit einem entsprechenden Applaus reagiert.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Ich will noch einen weiteren Dank für etwas aussprechen, was viele in diesem Haus vielleicht gar nicht wissen können. Mein Dank gilt den Beschäftigten der Landtagsverwaltung. Ich nehme mir jetzt einmal das Recht heraus. Sie haben bei der diesjährigen Weihnachtsfeier Sach- und Geldspenden für die Arbeit der Tafeln zur Verfügung gestellt. Deshalb gilt den Beschäftigten der Landtagsverwaltung ein herzliches Dankeschön dafür, dass sie in diesem Jahr bei der Weihnachtsfeier die Tafelarbeit unterstützt haben.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Meine Damen und Herren! Wir beantragen eine Überweisung in den Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration zur federführenden Beratung und in den Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zur Mitberatung. Dann sollten wir in den Ausschüssen weiter darüber beraten.

Ich habe bei diesem Thema die Hoffnung, sogar fraktionsübergreifend zu einem gemeinsamen Antrag zu kommen. Ich denke, dieses Thema ist es wert. - Ich wünsche Ihnen frohe Weihnachten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Steppuhn. Ich sehe keine Anfragen. - Wir kommen zur nächsten Debattenrednerin. Frau Frederking hat für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN jetzt das Wort. Bitte schön, Sie dürfen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es wurde schon gesagt, Lebensmittel sind kostbar, weil sie unsere Existenz sichern. Sie werden mit einem hohen Ressourcenaufwand und vielen Arbeitsschritten hergestellt. Flächeninanspruchnahme, landwirtschaftliche Bearbeitung, Wasser, Dünger, Ernte, Verarbeitung, Verpackung, Kühlkette, Transporte usw.

Diejenigen, die keine Lebensmittel haben, hungern. So ist es unverantwortlich und ethisch-moralisch verwerflich, sie zu verschwenden. Lebensmittelverschwendung muss gestoppt werden.

Das wäre ein großer Hebel, um die Welt besser zu machen. Damit würden sich neue Chancen für weltweite Nahrungsmittelsouveränität und für eine gerechtere Verteilung von Lebensmitteln ergeben. Ein Baustein, um das Menschenrecht auf Nahrung durchzusetzen.

Wenn Lebensmittel besser genutzt werden, trifft das auch auf die landwirtschaftlichen Primärprodukte zu. Weniger landwirtschaftliche Produktion für Lebensmittel heißt auch weniger Wasserverbrauch, weniger Düngereinsatz, weniger Umweltbelastung, weniger Energieverbrauch. Zugleich werden Flächenpotenziale für den ökologischen Landbau, für Aufforstungen und für einen nachhaltigen Energiepflanzenanbau erschlossen.

Es gibt unzählige Möglichkeiten, Lebensmittelverschwendung zu reduzieren. Einige sind sogar ganz einfach und könnten sofort umgesetzt werden, weil sie keine technischen Maßnahmen erfordern und nur vom Verhalten und Management der Menschen abhängig sind. Warum nicht einfach den Beutel mit den Orangen aufschneiden und die guten und verdorbenen aussortieren?

Warum gibt es nur vereinzelt bedarfsgerechte Portionen oder den sogenannten Seniorenteller in den Restaurants? Lebensmittel brauchen mehr Wertschätzung. Erfreulicherweise ist Kochen wieder auf dem Vormarsch. Wir stimmen hier mit dem Bundesverband der Verbraucherzentralen überein und sehen in der Renaissance und Stärkung der Kochkultur, auch an den Schulen, wichtige Schritte.

Auch der neue Trend des Foodsharings ist zu begrüßen, bei dem in öffentlich zugänglichen Kühlschränken Lebensmittel abgegeben oder entnommen werden können. Hervorzuheben ist natürlich die wertvolle Arbeit der Tafeln. Doch gerade der Bundesverband der Tafeln in Deutschland spricht sich gegen ein Lebensmittelwegwerfverbot für den Handel aus, unter anderem deshalb, weil die Tafeln eine Verpflichtung zur Abnahme der Lebensmittel fürchten, die sie möglicherweise nicht leisten können.

Im Antrag der LINKEN wird im Punkt 2 eine solche Verpflichtung zur Zusammenarbeit zwischen

Lebensmittelgroß- und -einzelhandel und den Wohlfahrtsorganisationen gefordert. Um hier vernünftigere und praktikable Verfahren zur effizienteren Verwendung von Lebensmitteln des Handels hinzubekommen, sollten die Themen „Wegwerfverbot“ und „Reduzierung der Lebensmittelverschwendung“ in den Ausschüssen gegebenenfalls auch mit einem Fachgespräch beraten werden.

Es ist richtig, dass wir konkrete landesspezifische Umsetzungsmaßnahmen zur Verringerung der Lebensmittelverschwendung bekommen. Ich gehe davon aus, dass dabei die Ergebnisse aus einem von im Auftrag des Umweltministeriums zu erstellenden Gutachten zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen helfen können.

Damit wir schnell vorankommen und motivierende Erfolge sehen, sollten kurzfristig auch Gemeinschaftsverpflegungen und Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen zur freiwilligen Teilnahme an praktischen Versuchen zur Reduzierung der Lebensmittelabfälle angesprochen werden. Die Unternehmen könnten ihre derzeitigen Lebensmittelabfälle und die entsprechenden Gründe ermitteln, selbst Vorschläge zur Reduzierung erarbeiten, diese umsetzen und dann nach einigen Monaten eine Erfolgsmessung vornehmen.

Wirksamere Reduzierungsmaßnahmen wären

dann die Blaupause für andere Betriebe. Der ressourcenschonende und faire Umgang mit Lebensmitteln ist eine Frage der sozialen Gerechtigkeit.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Darüber hinaus könnte ein mit der Reduzierung von der Agrarproduktion verbundener Spielraum zu einer relevanten Stellschraube für die Ökologisierung der Landwirtschaft werden.