Protocol of the Session on November 20, 2020

Zutreffend wäre - das haben Sie aber nicht gesagt -, dass es über Jahre in der PKS kein ausdrückliches statistisches Merkmal für das Tatmittel Messer gegeben hat. Das gibt es zugegebenermaßen erst jetzt. Das ist ein bundesweites Problem gewesen. Aber zu sagen, dass sich in Sachsen-Anhalt niemand dafür interessiert habe und dass man darüber keinen Überblick habe, ist unzutreffend.

Zu den strafrechtlichen und strafprozessualen Fragen hat Frau Ministerin Keding schon umfangreich ausgeführt, deswegen will ich mir das ersparen. Ich hoffe, dass es zügig zur Ausweisung der sogenannten Messerverbotszonen oder Waffenverbotszonen kommt. Deswegen möchte ich Ihnen die Zustimmung zu unserem Alternativantrag empfehlen. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung)

Herr Erben, Sie haben sicherlich gesehen, dass sich Herr Kohl zu Wort gemeldet hat. - Herr Kohl, Sie haben das Wort.

Herr Erben, ich habe nicht gesagt, dass sich niemand für das Thema Messerkriminalität interessiert.

(Rüdiger Erben, SPD: Doch, das haben Sie gesagt!)

Aber es ist ein Unterschied, ob ich mich dafür interessiere oder ob ich aktiv dagegen vorgehe. Die Zahlen, die ich genannt habe, habe ich quasi aus Ihrer Anfrage. Die Zahl die 873 steht auch in Ihrem Alternativantrag. Damit operieren Sie ja selbst. Die Zahl aus dem Jahr 2015 stammt aus einer Anfrage des Kollegen Lehmann. Wahrscheinlich wird auch der Kollege Höse noch einmal auf die Zahlen eingehen. Wenn sie nicht stimmen sollten, dann ist das nicht dem Umstand geschuldet, dass ich sie verfälscht habe, sondern dann wurde dazu einfach eine falsche Auskunft gegeben.

Woran es nun liegt, dass keine Statistik erstellt wurde, ist unerheblich. Andere Bundesländer haben durchgängig Statistiken dazu erstellt. Warum das in Sachsen-Anhalt nicht gemacht wurde, kann dahingestellt bleiben. Aber zumindest wirft das kein gutes Licht auf unser Interesse an der Kriminalitätsbekämpfung in dem Bereich Messerdelikte.

Herr Erben, Sie haben das Wort, wenn Sie darauf antworten wollen.

Herr Kohl, ich will jetzt nicht um hundert Messerstraftaten feilschen, obwohl das eine ganze Menge ist. Aber wenn Sie die Daten aus der Antwort auf meine Kleinen Anfragen genommen haben, dann haben Sie einfach falsche Daten übernommen. Wie Sie der Drucksache entnehmen konnten, gab es im Jahr 2019 764. Sie haben eben immer mit der Zahl 873 argumentiert. Das stimmt einfach nicht. Sie sollten schon ein bisschen bei der Wahrheit bleiben und nicht einfach Dinge in den Raum stellen.

Außerdem haben Sie vorhin gesagt - das werden wir im Protokoll nachlesen können -, dass sich in diesem Land niemand für Messerkriminalität interessiert habe. Wenn Sie gesagt hätten, dem sei nicht genügend Aufmerksamkeit gewidmet worden oder so etwas, dann hätte man über alles diskutieren können. Aber dass sich in diesem Lande bei der Polizei oder bei der Staatsanwaltschaft niemand für Messerkriminalität interessiert, das ist einfach eine falsche Aussage. Das wollte ich an dieser Stelle noch einmal betonen. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung)

Es gibt keine weiteren Fragen. Dann danke ich Herrn Erben für die Stellungnahme der Koalition. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht jetzt die Abg. Frau Quade. Frau Quade, Sie haben das Wort.

Vielen Dank. - Meine Damen und Herren! Populistische Sicherheitspolitik hat in den letzten Jahren eine wahre Leidenschaft für das Thema Messer entwickelt. Bewaffnung ist super - Messer nicht. Das ist auch ganz logisch; denn durch Verzerrung und Ausblendung erzeugt die AfD auch in anderen Bereichen eine Parallelwelt in der Filterblase. Zitat:

„Mit ihren Pressemeldungen zeichnet die AfD ein Bild, wonach das Tatmittel Messer mit der Zuwanderung nach Deutschland gekommen und grundsätzlich Ausdruck einer ausgeprägten Gewaltbereitschaft von Zuwanderern sei.“

So stellt eine im letzten Jahr in der „Kriminalpolitischen Zeitung“ veröffentlichte überaus interessante Studie fest.

In Sachsen-Anhalt wurden von 173 346 Straftaten im Jahr 2019 873 mit dem Tatmittel Messer begangen. Das sind rund 0,5 %. In der Pressearbeit der AfD bilden diese Straftaten aber laut der eben erwähnten Studie mit 66,7 % der untersuchten Pressemeldungen zum Thema Kriminalität einen Schwerpunkt. In Sachsen-Anhalt sind 93,5 % der 873 Straftaten mit Messerverwendung Rohheitsdelikte, also Raub, Schlägereien, Körperverletzungen. Niemand - wirklich niemand - behauptet, dass diese nicht schlimm wären. Niemand behauptet, dass diese nicht bestraft werden müssten. Niemand behauptet, dass man das hinnehmen müsse.

Aber es sind keine Straftaten gegen das Leben. Darüber, ob sie das sind oder ob sie das nicht sind, entscheiden nicht wir hier, sondern darüber entscheidet eindeutig und abschließend das Strafgesetzbuch. Die hierbei verwendete Bezeichnung Gewaltstraftaten ist noch dazu keine gesetzliche, sondern eine statistische Kategorie.

In der PKS werden unter Gewaltkriminalität Mord, Totschlag, Tötung auf Verlangen - das sind die Straftaten gegen das Leben - sowie gefährliche und schwere Körperverletzung, Körperverletzung mit Todesfolge, Beteiligung an einer Schlägerei, Vergewaltigung, schwere sexuelle Nötigung,

Raubdelikte, erpresserischer Menschenraub, Angriff auf den See- und Luftverkehr und Geiselnahme gelistet. Also weit mehr als das, was an Straftaten gegen das Leben im Strafgesetzbuch festgelegt ist.

Das, was die AfD hiermit beantragt, würde bedeuten, dass bei 93,5 % der Messerdelikte in Sachsen-Anhalt ein Ermittlungsverfahren eröffnet wird, das auf einem heute hier durch Landtagsbeschluss festgelegten rechtswidrigen Anfangsverdacht beruht. Das wäre rechtsdogmatisch höchst problematisch, und es wäre politisch eine gefähr

liche Durchbrechung der Gewaltenteilung, wenn nicht der Ermittlungsstand, sondern ein Landtagsbeschluss darüber entscheidet, welcher Verdacht erhoben wird, und noch dazu die Staatsanwaltschaften per Weisung dazu verpflichtet werden sollen, rechtswidrige Entscheidungen zu fällen.

Der Antrag ist ganz klar abzulehnen, wobei ich - ehrlich gesagt - auch gar nicht glaube, dass es darum geht, dass der Antrag tatsächlich umgesetzt wird. Der AfD geht es vielmehr darum, über ein Lieblingsthema zu reden. Dem kann man sachlich begegnen oder man lässt sich von ihr treiben und bedient dann am Ende auch wieder ihre Erzählung.

Wenn wir uns den Alternativantrag der Koalition ansehen, dann haben wir eine Ahnung davon, was da gewählt wird.

(Zuruf. Ja!)

Noch dazu stellt er fest, dass 499 der erwähnten Straftaten unter Verwendung eines Messers nicht so gefährlich waren, weil sie nicht im öffentlichen Raum stattgefunden haben. - Meine Damen und Herren, das kann nicht ihr Ernst sein.

Weder diese Behauptung noch die Vorwegnahme des Prüfergebnisses der Polizeiinspektionen, wie es mit dem Titel des Antrages getan wird, zeugen von einem klugen politischen Vorstoß, der noch dazu irgendwas konkret regeln würde. Aber er streichelt die konservative Seele, die offenbar meint, wann immer die AfD etwas behauptet, müsse man dies aufnehmen.

Die Berichterstattung steht so oder so an. Dieser sehen wir sehr gespannt entgegen. Den Alternativantrag werden wir auch ablehnen.

(Zustimmung)

Fragen sehe bin keine. Dann danke ich Frau Quade für den Redebeitrag. - Für die AfD hat jetzt der Abg. Herr Höse das Wort. Herr Höse, bitte.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Erst einmal die Frage an Herrn Erben gerichtet: Was hat Ihnen an den Zahlen nicht gefallen? Wir haben jetzt versucht, das irgendwie herauszubekommen. Aber wir können in keiner Art und Weise Ihre Kritik an den Zahlen nachvollziehen. Das sind offiziell veröffentlichte Zahlen.

Wenn Ihnen diese nicht passen, dann müssen Sie sich beim nächsten Mal dafür einsetzen, dass die Landesregierung eine Antwort auf Kleine Anfragen herausgibt, auf der steht „Achtung! Nicht verbindlich!“ oder „Achtung, kann sich nächste Woche auch noch ändern“ oder „Stimmt eventuell gar nicht“ oder irgendwie so.

(Heiterkeit und Zustimmung - Zuruf)

Wir können, wie gesagt, gern noch einmal auf die Zahlen eingehen. Ich komme nachher darauf zurück. Vielleicht können Sie dann gleich wieder einhaken.

Laut § 42 des Dritten Waffenrechtsänderungsgesetzes haben die Länder die Möglichkeit, Waffenverbotszonen auf dem Verordnungswege einzurichten. Das wurde schon gesagt. Das steht auch in Ihrem Alternativantrag.

Wir halten dies aber für einen falschen Ansatz, weil sich diese Vorgehensweise einfach gegen alle, vor allem aber wieder einmal gegen rechtschaffende Bürger und nicht ausschließlich gegen diese typischen Problemgruppen richtet.

(Zuruf: Genau!)

Messerverbote und Verbotszonen schaffen einfach nicht mehr Sicherheit. Dies vermögen eher Polizeipräsenz oder vielleicht schnelle Gerichtsurteile mit abschreckender Wirkung.

(Zurufe)

So ganz nebenbei bemerkt: Eine Straßenbahnhaltestelle wird wahrscheinlich sowieso nicht als Verbotszone deklariert werden.

Außerdem sind auch nicht die Bürger mit dem Schweizer Taschenmesser mit 41 mm Klingenlänge das Problem, die dieses als praktisches Alltagswerkzeug gebrauchen, sondern es ist eine stets gewaltbereite und latent kriminelle Personengruppe, zum großen Teil mit Migrationshintergrund.

(Zuruf)

Da beißt die Maus einfach keinen Faden ab, Frau Quade.

Von Messerverbotszonen oder von dem Verbot, bestimmte Messer mitzuführen, lässt sich diese Zielgruppe jedenfalls wenig beeindrucken. Dafür spielen wohl eher Ehre, Status oder Gruppendynamik eine zu große Rolle.

Dass Messer- bzw. Waffenverbotszonen auch keine Messer verhindern, belegt zum Beispiel die sächsische Statistik für die Leipziger Waffenverbotszone. Innerhalb eines Jahres wurden bei Kontrollmaßnahmen trotz des Verbotes - ich will nicht wissen, was ohne Verbot dort beschlagnahmt worden wäre - von 148 beschlagnahmten Waffen 107 Messer sichergestellt, wobei mehr als 66 % aller Verstöße gegen diese Verordnung von Nichtdeutschen ausgingen.

(Zuruf: Aha!)

Herr Erben, vielleicht werden Sie jetzt etwas anderes erzählen und sagen, das das wieder Blödsinn ist. Aber schauen Sie nach, Sie haben ja noch ein bisschen Zeit.

Die Statistik unseres Bundeslandes belegt, dass in den letzten Jahren vor der großen Flut, nämlich im Zeitraum von 2010 bis 2015, die Anzahl der Straftaten mit dem Tatmittel Messer im Jahresdurchschnitt 450 betrug. Auch das kann man sich ganz leicht ausrechnen. 450 Delikte gab es im Jahresdurchschnitt im Jahr 2016, dann hochgerechnet waren es schon 580 und im Jahr 2019 waren es 873 Straftaten. Übrigens, wer das anzweifelt, dem sei gesagt: Das steht sogar im Alternativantrag.

Herr Borgwardt, stimmt es? Sie gucken so ungläubig. - Nein, genau.

(Heiterkeit und Zustimmung)

- 873. Das sind - -